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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des HY in Wien, geboren am 15. Oktober 1974, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 29. April 2002, Zl. Fr 205/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 17. September 1992 wegen der §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 sowie 231 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt worden, weil er durch die Verwendung von falschen Urkunden einen Angestellten einer Bank zur Eröffnung eines Kontos auf einen anderen Namen und zur Auszahlung mehrerer Geldbeträge verleitet habe.
Am 15. April 1993 sei er wegen der §§ 15, 127 sowie 129 "Abs." 1 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt worden, und - jeweils rechtskräftig - am 24. Oktober 1995 nach den §§ 127, 130 und 15, 229 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten. Der letztgenannten Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer gewerbsmäßig bewegliche Sachen im Wert von insgesamt S 14.800,-- sowie Bargeld Anderen mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Weiters habe er verschiedene Urkunden versteckt bzw. in einen Papiercontainer geworfen. Als erschwerend seien das Zusammentreffen verschiedener strafbarer Handlungen, die mehrfache Tatwiederholung und die einschlägige Vorstrafe gewertet worden.
Trotz Androhung eines Aufenthaltsverbotes sei er bereits im Juli 1996 wieder straffällig geworden, indem er versucht habe, in einer Drogerie eine Geldbörse einer dort Angestellten zu stehlen. Wegen dieser Tat sei er am 9. Juni 1998 rechtskräftig nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden.
(Das daraufhin gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot wurde mit hg. Erkenntnis vom 8. November 2001, Zl. 99/21/0092, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, dass die belangte Behörde offensichtlich der Auffassung gewesen sei, angesichts der Verurteilungen keine näheren Feststellungen hinsichtlich der konkreten Art und des Ausmaßes der durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bewirkten Gefährdung öffentlicher Interessen treffen zu müssen.)
Eine weitere rechtskräftige Verurteilung sei am 11. Oktober 2000 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren erfolgt, nachdem der Beschwerdeführer verschiedenen Personen gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen im Wert von S 275.000,-- mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und verschiedene Urkunden weggeworfen habe. Der Beschwerdeführer habe sich während der üblichen Bürostunden in Firmenräumlichkeiten, Ämter oder Kindergärten begeben und dort meist aus vorübergehend nicht benützten Räumen Geldbörsen samt Inhalt an sich genommen. Mit den gestohlenen Kreditkarten habe er danach versucht, möglichst viel und möglichst oft Bargeld zu beheben.
Die Häufigkeit der Tathandlungen sowie der offenbar immer größere Umfang seines strafrechtlich relevanten Verhaltens lasse den Schluss auf eine besonders sozialschädliche Neigung des Beschwerdeführers zur Missachtung österreichischer Rechtsvorschriften, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen im Interesse eines geordneten Zusammenlebens bestünden, zu. Seinem Vorbringen, dass er seine Verfehlungen zutiefst bereue und intensiv bemüht wäre, zu einem rechtschaffenen Lebenswandel zurückzufinden, könne keinerlei Glaubwürdigkeit zugebilligt werden. Der Beschwerdeführer habe als "schwerwiegender Wiederholungstäter" zu gelten.
Der Beschwerdeführer habe sich erstmals vom 4. März 1976 bis 15. August 1976 in Österreich aufgehalten und sei dann in den Jahren 1980 bis 1996 in Österreich gewesen, habe hier die Pflichtschule besucht und eine Lehre als Verkäufer begonnen. Der ihm zuletzt erteilte Sichtvermerk sei 1996 rechtswirksam für ungültig erklärt worden. Nach seiner illegalen Wiedereinreise im Jahr 1998 habe er einen Asylantrag gestellt, der gemäß § 7 Asylgesetz 1997 negativ entschieden worden sei. Über die dagegen eingebrachte Berufung sei noch nicht entschieden worden. Aus der 1990 mit einer türkischen Staatsangehörigen geschlossenen Ehe habe der Beschwerdeführer zwei Töchter; diese seien ebenso wie seine Eltern und Geschwister im Bundesgebiet aufhältig. Aus diesen Gründen sei mit dem Aufenthaltsverbot ein relevanter Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden; das Aufenthaltsverbot sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich zum Schutz der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter dringend geboten. Seine persönlichen und familiären Interessen hätten hinter die genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zurückzutreten. Der Erlassung des Aufenthaltsverbotes stehe somit § 37 FrG nicht entgegen. Dies gelte auch für die Beurteilung des Ermessensspielraumes der Behörde, der bei derartigen Fallkonstellationen nicht zu Gunsten des Fremden auszulegen sei. Hiezu seien die strafbaren Handlungen zu zahlreich und zu schwerwiegend.
Eine Aufenthaltsverfestigung nach § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG komme dem Beschwerdeführer nicht zu Gute, weil er nicht von klein auf im Inland aufgewachsen sei. Die tatsächliche Niederlassung sei erst im Alter von ca. sechs Jahren erfolgt. Weiters sei er auch nicht seit mindestens drei Jahren zuletzt hier niedergelassen. Ein positiver Gesinnungswechsel könne entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers auch unter Berücksichtigung seiner familiären Bindungen keinesfalls vor Ablauf von zehn Jahren prognostiziert werden. Somit sei das Aufenthaltsverbot für diese Dauer zu verhängen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die Beschwerde bestreitet nicht die Feststellungen der belangten Behörde und wendet sich auch nicht gegen deren Ansicht, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei. Sie meint jedoch, dass das Aufenthaltsverbot "im Lichte der §§ 35, 37 und 38 Fremdengesetz" rechtswidrig sei. Wenn sie in diesem Zusammenhang ausführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich seit seinem vierten Lebensjahr aufgewachsen sei, steht dies in einem auf einen offenkundigen Irrtum zurückzuführenden Widerspruch zu dem in Übereinstimmung mit der belangten Behörde stehenden weiteren Beschwerdevorbringen, dass sich der Beschwerdeführer seit 1980 in Österreich niedergelassen habe. Zu Recht folgerte die belangte Behörde schon aus diesem Umstand, dass dem Beschwerdeführer die genannte Aufenthaltsverfestigung, insbesondere nach § 38 Abs. 1 Z. 4 FrG, nicht zu Gute komme (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2002, Zl. 2002/18/0102, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Weiters kann entgegen der Beschwerdeansicht das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 FrG durchgeführten Interessenabwägung nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wenn auch der Beschwerdeführer über einen langen inländischen Aufenthalt verfügt und hier auch seine Familie aufhältig ist, haben doch seine daraus erfließenden persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich hinter die von der belangten Behörde aufgezeigten massiven öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zurückzutreten, zumal sich der Beschwerdeführer auch durch die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht von weiteren gewerbsmäßig verübten Einbruchsdiebstählen abhalten ließ. Der Beschwerdeführer stellt somit eine derart große Gefahr für das Eigentum Anderer dar, dass das Aufenthaltsverbot dringend geboten und trotz des damit verbundenen Eingriffes in sein Privat- und Familienleben zulässig ist. Im Übrigen sind die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers dadurch relativiert, dass er sich von 1996 bis 1998 nicht im Inland aufgehalten hat.
Letztlich sei bemerkt, dass eine Begünstigung aus dem Beschluss Nr. 1/80 des durch das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten Assoziationsrates in der Beschwerde nicht releviert wird und nach den unbestrittenen Feststellungen (letztmalige Beschäftigung im November 1999) auch nicht ohne Weiteres ersehen werden kann.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 5. September 2002
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002210112.X00Im RIS seit
07.11.2002