Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des DS in Graz, geboren am 2. September 1961, vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher und Dr. Klaus J. Karner, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Hauptplatz 25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 19. März 2002, Zl. Fr-355/01, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und § 39 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme führte sie im Wesentlichen aus: Der Beschwerdeführer sei bereits am 1. August 1984 nach den §§ 125 und 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden, nachdem er durch Aufdrücken einer Türe mit Körpergewalt diese Türe und den Türstock beschädigt, eine Bekannte am Hals erfasst und gewürgt und ihr eine Verletzung am fünften Finger rechts zugefügt habe. Eine weitere rechtskräftige Verurteilung sei am 17. Februar 1986 nach § 83 StGB zu einer Geldstrafe erfolgt, nachdem er im Verlauf einer wörtlichen Auseinandersetzung wegen einer verkauften Auspuffanlage der Kontrahentin einen Schlag gegen das linke Ohr versetzt habe.
Am 27. Jänner 1987 sei er nach den §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 1 StGB abermals rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
Im Zusammenhang mit seiner Verurteilung durch das Landesgericht Klagenfurt vom 11. April 2000 wegen des Verbrechens des versuchten Totschlages nach den §§ 15 und 76 StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 und 2 StGB und des Vergehens des unbefugten Besitzes einer verbotenen Waffe nach dem § 50 Abs. 1 Z. 2 Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt fünf Jahren, komme die belangte Behörde unweigerlich zum Schluss, dass in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Bekämpfung der vom Beschwerdeführer gesetzten Straftaten und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit und auch anderer im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen - insbesondere des Schutzes der Gesundheit - die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Aus den im Urteil enthaltenen Tatausführungen gehe hervor, dass beim Beschwerdeführer eine erhöhte Aggressions- bzw. Gewaltbereitschaft vorliege.
Die Tatbestände des § 38 Abs. 1 Z. 3 und 4 FrG stünden dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen, weil der Beschwerdeführer einerseits rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden und andererseits nicht von klein auf im Inland aufgewachsen sei.
Der Beschwerdeführer verfüge über ein Privat- und Familienleben in Österreich; er sei seit 1981 mit einer kroatischen Staatsangehörigen verheiratet; aus dieser Ehe entstamme ein am 21. Juli 1996 geborener Sohn. Der Beschwerdeführer sei erstmals 1977 nach Österreich eingereist und habe sich zunächst auf Grund von jeweils befristeten Sichtvermerken und seit 1. Jänner 1996 mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel in Österreich aufgehalten. Er sei diversen Beschäftigungen nachgegangen und habe zuletzt in einem Taxiunternehmen gearbeitet. Trotz des mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in sein Privat- und Familienleben sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme nach § 37 FrG zu bejahen, weil im Hinblick auf sein Gesamtverhalten der Beschwerdeführer als aggressionsbereiter und gewalttätiger Mensch eingestuft werden müsse und das Aufenthaltsverbot wegen des öffentlichen Interesses an der Verhinderung strafbarer Handlungen und dem Schutz der Gesundheit Anderer dringend geboten erscheine. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes würden wesentlich schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie. Eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers stünde mit dem Gesetz nicht im Einklang. Der Zeitpunkt des Wegfalls des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes könne nicht vorhergesehen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FrG erfüllt habe. Entgegen seiner Ansicht durfte die belangte Behörde auch die den bereits getilgten Verurteilungen zu Grunde liegenden Taten in ihre Beurteilung nach § 36 Abs. 1 FrG einbeziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 99/18/0018). Daran, dass angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die dort umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, besteht kein Zweifel.
Zufolge dem in den Verwaltungsakten erliegenden Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Klagenfurt vom 11. April 2000 wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen, dass er sich am 6. August 1999 in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung (aus Wut und Verzweiflung darüber, dass seine frühere Geliebte sich offenbar für seinen Nebenbuhler entschieden hatte und von ihm nichts mehr wissen wollte), sohin in einer akuten Eifersuchtsreaktion, dazu hinreißen hat lassen, den Nebenbuhler vorsätzlich zu töten zu versuchen, indem er aus einer in Form eines Feuerzeuges bzw. Schlüsselanhängers ausgeführten Schusswaffe aus nächster Nähe (nämlich einer Entfernung von rund einem Meter) einen Schuss gegen dessen Brust abgefeuert hat. Weiters hat er seine frühere Geliebte mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er mit seinem abgewinkelten Ober- und Unterarm ihren Hals umklammert, ihr die bezeichnete Schusswaffe am Kopf angesetzt und gleichzeitig geäußert hat: "Soll ich bei dir auch gleich abdrücken?" Es kann somit auch kein Zweifel daran bestehen, dass angesichts des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung derartiger Straftaten das Aufenthaltsverbot dringend geboten und somit im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig ist.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde anlastet, sie habe auf Verwaltungsübertretungen verwiesen, diese aber nicht konkretisiert, ist dem zu entgegnen, dass das Aufenthaltsverbot in keiner Weise auf allfällige Verwaltungsübertretungen gestützt wurde. Die belangte Behörde gibt in diesem Zusammenhang lediglich die erstinstanzlichen Ausführungen wider.
Das Schwergewicht der Beschwerde liegt darauf, dass die nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten des Beschwerdeführers hätte ausfallen müssen. Diesbezüglich berücksichtigte die belangte Behörde den sehr langen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers, dessen aufrechte Ehe seit 1981 und den 1996 im Inland geborenen Sohn. Sie berücksichtigte weiters die berufliche Integration des Beschwerdeführers. Angesichts dieser Umstände kam sie zutreffend zu dem Ergebnis, dass das aus der Integration im Inland resultierende persönliche Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich als sehr beträchtlich zu werten ist. Dem steht jedoch ein Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber, das bis zum versuchten Totschlag mit Hilfe einer Faustfeuerwaffe reicht. Es stellt eine Verkennung der Realitäten dar, hier - wie die Beschwerde meint - nicht von einem gewalttätigen Menschen zu sprechen. Da der Beschwerdeführer auch in der Vergangenheit seine Aggressionsbereitschaft gezeigt hat, kann keineswegs ausgeschlossen werden, dass er auch in Zukunft in anderen - vergleichbaren - Situationen mit derselben Aggressionsbereitschaft reagieren könnte, die - wie bereits erwähnt - bis zum versuchten Totschlag reichen kann. Die daraus abzuleitende Gefährdung der öffentlichen Interessen im Fall eines Verbleibs des Beschwerdeführers in Österreich wird durch die aufgezeigte berufliche Integration in keiner Weise entschärft. Bei der Interessenabwägung kann nicht außer Betracht bleiben, dass im Hinblick auf das aufgezeigte Tatmotiv das Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich stark zu relativieren ist. Auf das Fehlen von Bindungen im Heimatland des Beschwerdeführers ist nicht Bedacht zu nehmen, weil mit dem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder (dorthin) abgeschoben werde.
Der ins Gewicht fallende langjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit mehr als 20 Jahren macht das Aufenthaltsverbot nicht unzulässig. § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG ist die gesetzgeberische Wertung zu entnehmen, dass bei Vorliegen einer Verurteilung in bestimmter Höhe (Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren) selbst die vorher bestandene Möglichkeit der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft einem Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht. Diese dort festgehaltene Strafgrenze wurde im vorliegenden Fall vom Beschwerdeführer beträchtlich überschritten. Es kann somit auch angesichts seines langjährigen inländischen Aufenthalts das Aufenthaltsverbot nicht als rechtswidrig angesehen werden.
Entgegen der Beschwerdemeinung konnte eine Vernehmung des Arbeitgebers des Beschwerdeführers unterbleiben, weil dessen berufliche Integration im Inland ohnehin unbestritten ist.
Letztlich rügt die Beschwerde das Unterbleiben der Beischaffung des Strafaktes und der Einsicht in das dort erliegende Sachverständigengutachten. Dadurch sollte bewiesen werden, dass der Beschwerdeführer in einem "absoluten Ausnahmezustand" gehandelt habe. Diese Rüge führt die Beschwerde nicht zum Erfolg, weil dem Delikt des Totschlags immanent ist, dass der Täter in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung handelt. Es wurde jedoch bereits aufgezeigt, dass ein ähnlich schwerwiegendes Handeln des Beschwerdeführers in vergleichbaren Situationen für die Zukunft in keiner Weise ausgeschlossen werden kann. Im Gegenteil hat sich bereits in der Vergangenheit die Aggressionsbereitschaft des Beschwerdeführers gezeigt.
Zuletzt ist - wie dies bereits die belangte Behörde getan hat - darauf hinzuweisen, dass eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers mit dem Gesetz nicht im Einklang gestanden wäre (vgl. den hg. Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490).
Da somit dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 5. September 2002
Schlagworte
Auslegung Diverses VwRallg3/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002210083.X00Im RIS seit
21.11.2002