TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/12 99/15/0105

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Veröffentlicht am 12.09.2002
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

BAO §167 Abs2;
BAO §168;
BAO §303 Abs4;
UStG 1994 Anh Art1 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des F in U, vertreten durch Dr. Alois Siegl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 10/I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 19. April 1999, Zl. RV 102/1-8/98, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens zur Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. März 1997 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge samt einem Verspätungszuschlag hinsichtlich des vom Beschwerdeführer erworbenen Fahrzeuges BMW 523i fest; nach dem Spruch erfolgte der Erwerb des Fahrzeuges am 23. September 1996, die erste Inbetriebnahme am 1. April 1996 und im Zeitpunkt des Erwerbes betrug der km-Stand 7.281. Nach der Begründung sei die Festsetzung erforderlich gewesen, weil die Selbstberechnung der Abgabe unterblieben sei. Weiters wird in der Begründung festgehalten:

"Typisierung am 23.9.1996, daher Erwerb eines neuen KFZ".

Laut Ausweis des Verwaltungsaktes lag dem Finanzamt zu diesem Zeitpunkt eine Fotokopie eines Prüfbefundes des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. September 1996 über die Prüfung des in Rede stehenden Fahrzeuges vor. Weiters lagen zwei Rechnungen der BMW-Niederlassung München vom 2. Oktober 1996 an den Beschwerdeführer vor sowie eine Fotokopie eines (Formular-)Antrages des Beschwerdeführers an die Bezirkshauptmannschaft R. betreffend Zulassung des gegenständlichen PKW. In diesem Antrag ist als Tag der Typengenehmigung der 23. September 1996 eingetragen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er aus, er habe am 2. Oktober 1996 von der BMW-Niederlassung München das gegenständliche Fahrzeug gekauft. Die Übernahme des Fahrzeuges sei von ihm persönlich am 2. Oktober 1996 in München erfolgt und habe er anschließend das Fahrzeug nach Österreich gebracht. Die Rechnung trage ebenfalls das Datum des Erwerbes, nämlich den 2. Oktober 1996. Anlässlich des Erwerbes sei in der Bundesrepublik Deutschland Umsatzsteuer angefallen und in der bezeichneten Rechnung auch an ihn weiterverrechnet worden. Das gegenständliche Fahrzeug habe zum Zeitpunkt des Erwerbes einen Kilometerstand von

7.281 aufgewiesen, die erste Inbetriebnahme sei nachweislich am 1. April 1996 erfolgt. Das Fahrzeug sei deshalb nicht "neu" im Sinne des Umsatzsteuerrechtes.

Der Beschwerdeführer legte zum Beweis dieses Vorbringens Fotokopien der Rechnungen vom 2. Oktober 1996 der BMW-Niederlassung München, die der Behörde ohnehin schon vor Bescheiderlassung vorlagen, sowie eine Bestätigung der BMW-Niederlassung München ohne Datum folgenden Inhaltes vor:

"Bestätigung

Hiermit bestätigen wir, dass der Käufer des Fahrzeuges BMW 523iA, Fahrgestellnummer ... Herr ... (Beschwerdeführer) ... das Fahrzeug vor der Übernahme am 01.10.1996 nicht gefahren hat.

     Bayerische Motorenwerke Aktiengesellschaft

Niederlassung München

i. V.                                         i.A.

Thomas R.                                Verena L."

     Mit Berufungsvorentscheidung vom 11. Juli 1997 gab das

Finanzamt der Berufung statt.

     Am 17. November 1997 nahm das Finanzamt mit dem

Beschwerdeführer eine Niederschrift betreffend die

Einzeltypisierung dieses Fahrzeuges am 23. September 1996 auf.

Darin erklärte der Beschwerdeführer, er habe durch Vorlage eines kopierten deutschen Typenscheines die Einzelgenehmigung erhalten. Der gegenständliche PKW sei zu diesem Zeitpunkt nicht in Österreich gewesen und auch nicht zu einem früheren. Er habe unter Verwendung eines Überstellungskennzeichens der Bezirkshauptmannschaft R. das Fahrzeug am 2. Oktober nach Österreich erstmalig eingeführt.

Im Verwaltungsakt ist nach diesem folgendes Schreiben

einjournalisiert:

"Amt der Steiermärkischen Landesregierung

Fachabteilung V, Alberstraße 1, 8010 Graz

Der Amtssachverständige

Ing. G.

Graz, 1.12.1997

An das Finanzamt Radkersburg

Der gegenständliche Personenkraftwagen des Herrn ... (Beschwerdeführer) ... ist am 23. September 1996 in der KFZ-Prüfhalle in Graz-Liebenau vorgeführt, besichtigt und genehmigt worden.

J. G."

Laut Niederschrift vom 25. Februar 1998, aufgenommen beim Finanzamt, wurde der Beschwerdeführer mit diesem Schreiben konfrontiert und habe er dazu angegeben, er sei mit dem gegenständlichen PKW bis zum heutigen Tage nicht bei der KFZ-Prüfstelle in Graz, Petrifelderstraße, gewesen. Er habe zwei Zeugen, mit denen er am 2. Oktober 1996 nach Deutschland mitgefahren sei. Die beiden namentlich genannten Personen seien mit ihrem Auto nach Hause gefahren, während er mit den bereits mitgenommenen Überstellungskennzeichen am gleichen Tage nach Österreich zurückgefahren sei. Er habe dann am 3. Oktober 1996 das Fahrzeug angemeldet und hiebei den am 23. September 1996 erhaltenen Einzeltypisierungsbescheid vorgelegt.

In der Folge richtete das Finanzamt mit Schreiben vom 15. April 1998 an Herrn Ing. J.G. beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung V, zum Gegenstand Vorführung des KFZ des Beschwerdeführers am 23. September 1996 zum Zwecke der Einzelgenehmigung, das Ersuchen, sich noch einmal zu äußern. Im Schreiben wird ausgeführt, der Beschwerdeführer behaupte, dass er dieses Fahrzeug nie in Graz zur Einzelgenehmigung vorgeführt hätte. Zum Nachweis dafür habe er zwei namentlich genannte Personen angegeben, welche ihm zum Zwecke der Abholung dieses Fahrzeuges am 2. Oktober 1996 nach München mitgenommen hätten.

Am 21. April 1998 langte beim Finanzamt das unter OZ. 12 dem Akt eingelegte folgende Schreiben ein:

"Amt der Steiermärkischen Landesregierung

Fachabteilung V, Alberstraße 1, 8010 Graz

Der Amtssachverständige

Ing. G.

An d. Finanzamt Radkersburg

Ich - Ing. J.G. - kann nur wiederholen, dass sich der PKW (BMW 523 mit den Originalpapieren - deutscher Fahrzeugbrief -) des Herrn ... (Beschwerdeführer) ... am 23. September 1996 in der KFZ-Prüfhalle in Graz-Liebenau zur Einzelgenehmigung befunden hat.

Amt der Steiermärkischen Landesregierung

Fachabteilung V, Alberstraße 1, 8010 Graz

Der Amtssachverständige

Ing. G."

Mit Bescheid vom 14. Mai 1998 nahm das Finanzamt das Verfahren zur Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge wieder auf und setzte die Umsatzsteuer fest; im Spruch ist weiters angeführt als Tag des Erwerbes der 23. September 1996, der der Erstinbetriebnahme mit 1. April 1996 und der Kilometerstand im Zeitpunkt des Erwerbes mit 7.281.

In der Begründung wurde ausgeführt, bereits mit der Bestätigung vom 1. Dezember 1997 habe der Sachverständige Ing. G. schriftlich bestätigt, dass der Beschwerdeführer am 23. September 1996 das gegenständliche KFZ in der KFZ-Prüfhalle in Graz-Liebenau vorgeführt habe. Der Beschwerdeführer habe die Richtigkeit dieser Bestätigung bestritten. Zum Beweis dafür, dass er nicht am 23. September 1996, sondern erst am 2. Oktober 1996 diesen PKW erstmalig nach Österreich gebracht habe, habe er Zeugen angeboten. Diese hätten auch bestätigt, dass sie mit dem Beschwerdeführer vermutlich am 2. Oktober 1996 (das genaue Datum hätten beide nicht gewusst) zu einem Gebrauchtwagenabstellplatz in München gefahren seien und dass sie sich dort getrennt hätten. Die beiden Zeugen seien nicht in der Lage gewesen, anzugeben, wann und wie der Beschwerdeführer wieder nach Österreich zurückgefahren sei. Es sei aber von der Absicht des Beschwerdeführers gesprochen worden, ein KFZ zu erwerben.

Der Sachverständige habe in seiner neuerlichen, beim Finanzamt am 21. April 1998 eingegangenen Bestätigung seine ursprüngliche Aussage wiederholt.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO habe die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahren nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei oder nicht. Diese Freiheit der Beweiswürdigung sei eingeschränkt bei öffentlichen Urkunden, weil deren Beweiskraft gemäß § 168 BAO nach den Vorschriften der §§ 292 - 294, 296, 310 und 311 ZPO zu beurteilen sei.

Gemäß § 292 Abs. 1 ZPO begründe eine öffentliche Urkunde u.a. vollen Beweis darüber, was darin von der Urkundsperson bezeugt werde.

Im vorliegenden Ermittlungsverfahren lägen sogar zwei inhaltlich übereinstimmende öffentliche Urkunden vor, weil sie von einem als Organ des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung V, auftretenden Amtssachverständigen mit der Absicht der Beurkundung eines bestimmten Sachverhaltes und in ordnungsgemäßer Form ausgestellt worden seien. In beiden öffentlichen Urkunden werde die Vorführung des gegenständlichen KFZ am 23. September 1996 in der KFZ-Prüfhalle in Graz-Liebenau bestätigt. Vor diesem Hintergrund sei dieser Umstand als erwiesen anzunehmen. Zusätzlich werde dieser Umstand durch weitere Indizien "glaubhafter": Der Beschwerdeführer habe nach seiner eigenen Aussage am 17. November 1997 selbst nicht erwartet, dass ihm bloß auf Grund des deutschen Fahrzeugbriefes ohne Vorführung des zu begutachtenden KFZ dessen Einzelgenehmigung erteilt werden würde. Es sei daher unwahrscheinlich, dass er trotzdem ohne diesen PKW zu diesem Zwecke dort an einem von seinem Wohnort 70 km entfernten Ort vorgesprochen habe. Auf der anderen Seite habe er durch drei Monate keine Zeit gefunden, einer Einladung zu einer Vorsprache beim 10 km entfernten Finanzamt nachzukommen. Noch unwahrscheinlicher sei es und widerspreche auch jeglicher Lebenserfahrung, dass man einen Beamten prima facie einen Amtsmissbrauch aus eigenem Antrieb ohne jedes Ersuchen unterstellen könne, noch dazu wenn dieser Beamte nicht den geringsten Vorteil davon hätte.

Wenn aber bereits am 23. September 1996 nicht nur die Verfügungsmacht über das Fahrzeug verschafft worden sei (siehe dazu auch die seinerzeitige Begründung zum Umsatzsteuerbescheid vom 10. März 1997) und der Gegenstand auch am 23. September 1996 in das Inland gelangt sei, sei der steuerbare Vorgang verwirklicht worden und seine allfällige weitere Fahrt am 2. Oktober 1996 mit dem gleichen PKW nach Österreich nicht nur umsatzsteuerlich völlig irrelevant, sondern auch ohne jede Bedeutung für den Erwerbsvorgang am 23. September 1996. Die Zeugenaussagen betreffend den 2. Oktober 1996 hätten für den Zeitraum nach der Trennung beim Gebrauchtwagenhändler keine Aussagekraft.

Der privaten Bestätigung ohne Datum und mit dem Inhalt, dass der Beschwerdeführer vor der Übernahme am 1. Oktober 1996 das Fahrzeug nicht gefahren habe, komme nicht nur auf Grund ihrer gegenüber den zwei identischen oben erwähnten öffentlichen Urkunden verminderten Beweiskraft keine Relevanz zu, sie sei auch in sich widersprüchlich, weil sie eine Übernahme am 1. Oktober 1996 bestätige, der Beschwerdeführer aber nach seiner Aussage am 2. Oktober 1996 zwecks Überstellung dieses PKW's nach München gefahren sei und mit diesem erstmalig am 2. Oktober 1996 nach Österreich gelangt sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung (nach einer abweisenden Berufungsvorentscheidung und einem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz) als unbegründet ab. In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen ausführlich wieder. Im Erwägungsteil stellte sie die Rechtslage zur amtswegigen Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 4 BAO und die Binnenmarktregelung gemäß Art. 1 Abs. 7 UStG 1994 dar. Sodann führte sie aus, die Fachabteilung V des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung habe der belangten Behörde in Entsprechung eines diesbezüglichen Auskunftsersuchens im Schreiben vom 18. Jänner 1999 nachstehendes mitgeteilt:

"Zum obigen Schreiben wird mitgeteilt, dass laut Rücksprache mit Herrn Ing. G. das gegenständliche Kraftfahrzeug am 23. September 1996 in der KFZ-Prüfhalle des Landes Steiermark einzelgenehmigt wurde.

Mit welchem Kennzeichen das betreffende Fahrzeug am 23. September 1996 vorgeführt wurde, ist nicht mehr bekannt und wird auch in dem Einzelgenehmigungsakt nicht vermerkt.

Die Genehmigung eines Fahrzeuges ohne Vorführung, nur auf Grund der vorgelegten Unterlagen, ist nicht möglich."

Die belangte Behörde führte dazu aus, die für die Einzelgenehmigung zuständige Behörde habe damit die Aussage des Sachverständigen, der das erforderliche Prüfgutachten erstellt habe, zweifelsfrei und vollinhaltlich bestätigt. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu dieser Mitteilung, wonach die Tatsache, dass das polizeiliche Kennzeichen, mit dem das KFZ zur Einzelgenehmigung vorgeführt worden sei, generell nicht im Einzelgenehmigungsakt vermerkt werde, ein "eindeutiger Beweis für die Nichtinbetriebnahme des gegenständlichen Kraftfahrzeuges vor dem 1. Oktober 1996" sei, könne die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Amtssachverständigen und der Behörde nicht erschüttern. Es sei unter Berücksichtigung des Ergebnisses des umfangreichen Ermittlungsverfahrens kein Grund erkennbar, weshalb am Wahrheitsgehalt der unmissverständlichen Aussage des Amtssachverständigen, die im Übrigen von der für die Einzelgenehmigung zuständigen Behörde zweifelsfrei vollinhaltlich bestätigt worden sei, gezweifelt werden sollte. Der Beschwerdeführer könne nicht einmal ansatzweise Gründe dafür darlegen, weshalb der Amtssachverständige unter Amtsmissbrauch auf die zwingende Vorführung des Kraftfahrzeuges verzichtet habe.

Die Rüge des Beschwerdeführers hinsichtlich Abstandnahme von der Einvernahme des Amtssachverständigen als Zeugen erweise sich als unberechtigt, weil kein Grund erkennbar sei, weshalb dieser in einer Zeugenaussage von seinen bisherigen Aussagen plötzlich abrücken solle.

Der Beschwerdeführer hingegen habe sehr wohl ein Interesse daran, die Vorführung des gegenständlichen PKW's am 23. September 1996 zur Einzelgenehmigung zu bestreiten. Wenn man nämlich davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer am 23. September 1996 die Verfügungsmacht über den erworbenen Gegenstand bereits besessen habe, dann liege die erste Inbetriebnahme im Zeitpunkt des Erwerbes nicht mehr als sechs Monate zurück und es handle sich um ein im Sinne des Art. 1 Abs. 9 BMR erwerbsteuerpflichtiges neues Fahrzeug, das dem Normalsteuersatz unterliege, während im Ursprungsland Deutschland lediglich 15 % Umsatzsteuer geschuldet werden.

Es sei somit als erwiesen anzunehmen, dass der Beschwerdeführer bereits am 23. September 1996 die Verfügungsmacht über den erworbenen Gegenstand besessen habe.

An dieser Beweiswürdigung könne auch die Tatsache, dass ein österreichisches Überstellungskennzeichen für die Zeit vom 1. bis 3. Oktober 1996 ausgestellt worden sei, nichts ändern. Dieses sei kein geeignetes Beweismittel für das eigentliche Beweisthema "Zeitpunkt der Erlangung der Verfügungsmacht am gegenständlichen Kraftfahrzeug". Abgesehen davon, dass von der Zulassungsbehörde bei der Abmeldung des Überstellungskennzeichens die Tatsache, ob tatsächlich ein Kraftfahrzeug in das Inland überstellt worden sei, nicht überprüft werde bzw. nicht überprüft werden könne, sei ja dadurch die Erlangung der Verfügungsmacht und der Erwerb zu einem vorangegangenen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen. In diesem Zusammenhang sei auf die amtsbekannte Tatsache hinzuweisen, dass die Überstellung eines Kraftfahrzeuges in das Inland auch mit einem ausländischen Überstellungskennzeichen möglich sei.

Bezüglich der vom Beschwerdeführer als Zeugen namhaft gemachten Personen P. und S. sei Folgendes festzustellen:

P. habe als Auskunftsperson erklärt, dass er mit seinem Auto den Beschwerdeführer und S. nach München mitgenommen habe. An das genaue Datum der Fahrt könne er sich nicht mehr erinnern. Kurze Zeit nach der Ankunft in München hätte sich der Beschwerdeführer verabschiedet.

Da P. zum eigentlichen Beweisthema, ob der Beschwerdeführer bereits am 23. September 1996 die Verfügungsmacht an dem gegenständlichen PKW erlangt habe, keinerlei Aussagen machen könne, erübrige sich eine zeugenschaftliche Einvernahme.

Auch S. habe sich nicht mehr genau an den Tag erinnern können, an dem er mit P. und dem Beschwerdeführer nach München gefahren sei. Darüber hinaus habe er angegeben, nicht zu wissen, wann und wie der Beschwerdeführer zurückgefahren sei. Somit erweise sich auch S. bezüglich des Beweisthemas "Zeitpunkt der Erlangung der Verfügungsmacht" als ungeeigneter Zeuge.

Zu der vom Beschwerdeführer beantragten zeugenschaftlichen Einvernahme des Thomas R. und der Verena L. von der BMW-Niederlassung München sei lediglich zu bemerken, dass deren Aussage bereits ohnehin in schriftlicher Form vorliege. Überdies sei festzustellen, dass diese ohne Datum ausgestellte Bestätigung insofern widersprüchlich sei, als die Rechnung mit 2. Oktober 1996 datiert sei. Weshalb die Fahrzeugübernahme bereits am 1. Oktober 1996 stattgefunden haben solle, obwohl die Ausstellung der Rechnung und die Bezahlung erst am nächsten Tag stattgefunden haben, sei unerfindlich und lasse die Bestätigung im Lichte einer Gefälligkeitsbestätigung erscheinen.

Da als erwiesen anzunehmen sei, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug vom Beschwerdeführer am 23. September 1996 in der KFZ-Prüfhalle zur Einzelgenehmigung vorgeführt worden sei und die diesbezüglichen Bestätigungen des Amtssachverständigen und das Schreiben des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung erst nach Erlassung der Stattgebung der Berufungsvorentscheidung vom 11. Juli 1997 hervorgekommen seien, erweise sich die Wiederaufnahme des Verfahrens als rechtmäßig.

Da das Ziel der Wiederaufnahme ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis sei und daher dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit einzuräumen sei und aus dem gesamten Verfahrensverlauf nicht einmal ansatzweise Gründe erkennbar seien, welche die Wiederaufnahme des Verfahrens unbillig erscheinen ließen, erweise sich die Ermessensübung als dem Gesetz entsprechend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Unterbleiben einer Wiederaufnahme des Verfahrens zur Festsetzung der Umsatzsteuer für den Erwerb neuer Fahrzeuge verletzt. In Ausführung des so umschriebenen Beschwerdepunktes bekämpft er sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften die Annahme der belangten Behörde, er habe das gegenständliche Fahrzeug am 23. September 1996 in der KFZ-Prüfhalle in Graz-Ebenau zur Begutachtung vorgeführt und die dazu getroffene Beweiswürdigung.

Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als begründet.

Die belangte Behörde geht - wie auch offensichtlich der Beschwerdeführer - davon aus, dass für die Einzelgenehmigung gemäß § 31 KFG 1967 das Kraftfahrzeug zwingend vorzuführen ist. Diese Auffassung - die auch der Verwaltungsgerichtshof teilt - wird auch durch § 22 Abs. 1 KDV gestützt, wonach eine kurze Probefahrt mit dem unbelasteten Fahrzeug genügt.

Unstrittig ist, dass der Beschwerdeführer bezüglich des gegenständlichen KFZ am 23. September 1996 einen Antrag auf Einzelgenehmigung gemäß § 31 KFG 1967 stellte und diese Genehmigung mit diesem Datum auch erteilt wurde. Diese Umstände waren dem Finanzamt aber vor Erlassung des Bescheides vom 10. März 1997 bekannt. Dem Finanzamt lag eine Fotokopie eines Prüfbefundes vom 23. September 1996 ebenso vor wie die Fotokopie des Antrages an die Bezirkshauptmannschaft R. über die Zulassung des gegenständlichen Fahrzeuges, worin das Datum der Typengenehmigung mit 23. September 1996 angegeben ist. Ausgehend von diesen Unterlagen und der Auffassung, dass die Einzelgenehmigung die Vorführung des Fahrzeuges bedingt, hätte die belangte Behörde darstellen müssen, warum trotz Vorliegens des Prüfbefundes vom 23. September 1996 im wiederaufzunehmenden Verfahren der maßgebliche Sachverhalt nicht vollständig bekannt war. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001, wobei die Beträge nach § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, in Euro auszudrücken waren.

Wien, am 12. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999150105.X00

Im RIS seit

13.12.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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