TE Vfgh Beschluss 1999/9/30 B1747/98

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.1999
beobachten
merken

Index

91 Post-und Fernmeldewesen
91/01 Fernmeldewesen

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Gegenstandslosigkeit
TelekommunikationsG §34 Abs3
TelekommunikationsG §41 Abs3
VfGG §86
VfGG §88

Leitsatz

Einstellung des Verfahrens hinsichtlich einer Beschwerde betreffend die Verpflichtung zur Anbietung des Abschlusses eines Zusammenschaltungsvertrages iSd TelekommunikationsG wegen Gegenstandslosigkeit aufgrund nachfolgender, die Zusammenschaltung anordnender Bescheide; kein Kostenzuspruch mangels Klaglosstellung durch eine Verfahrenspartei

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Begründung

Begründung:

I. Nach §34 Abs1 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. 100/1998, hat ein Anbieter, der auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit über eine marktbeherrschende Stellung verfügt, Leistungen, die er am Markt anbietet oder die er für seine eigenen Dienste oder für Dienste verbundener Unternehmer bereitstellt, Wettbewerbern auf diesem Markt unter Einhaltung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung unter vergleichbaren Umständen zu gleichartigen Bedingungen in derselben Qualität bereitzustellen. Die Regulierungsbehörde kann einem Anbieter, der gegen Abs1 verstößt, ein Verhalten auferlegen oder untersagen und Verträge ganz oder teilweise für unwirksam erklären, soweit dieser Anbieter seine marktbeherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzt (Abs3 Satz 1). Vor einem solchen Schritt hat die Regulierungsbehörde die Beteiligten aufzufordern, den beanstandeten Mißbrauch abzustellen (Abs3 Satz 2).

Nach §41 TKG ist ferner jeder Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes verpflichtet, anderen Betreibern solcher Netze auf Nachfrage ein Angebot auf Zusammenschaltung abzugeben (Abs1). Kommt eine Vereinbarung über Zusammenschaltung binnen einer Frist von sechs Wochen ab dem Einlangen der Nachfrage nicht zustande, kann jeder der Beteiligten die Regulierungsbehörde anrufen (Abs2). Diese hat nach Anhörung der Beteiligten innerhalb einer Frist von sechs Wochen über die Anordnung der Zusammenschaltung zu entscheiden; die Anordnung ersetzt die zu treffende Vereinbarung (Abs3 Satz 1 und 3).

Zur Wahrung der Regulierungsaufgaben im Bereich der Telekommunikation ist gemäß §108 TKG eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Telekom-Control GmbH) eingerichtet, die nach §109 TKG sämtliche Aufgaben wahrzunehmen hat, die der Regulierungsbehörde übertragen sind, sofern hiefür nicht die Telekom-Control-Kommission zuständig ist. Dieser als weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art133 Z4 B-VG ausgestalteten, bei der Telekom-Control GmbH angesiedelten und sich zur Geschäftsführung der GmbH bedienenden Kommission (§110 TKG) ist gemäß §111 TKG unter anderem die Festlegung der Bedingungen für die Zusammenschaltung im Streitfall zugewiesen (Z6).

1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. August 1998 ordnet die Telekom-Control GmbH nach Aufforderung gemäß §34 Abs3 TKG an, die beschwerdeführende Gesellschaft habe binnen einer Woche sowohl der tele.ring als auch der UTA

"den Abschluß eines Zusammenschaltungsvertrages hinsichtlich der Terminierung von Gesprächen im Telekom Austria AG-Netz mit demselben Inhalt wie jenem des zwischen der Post & Telekom Austria AG und der Connect Austria Gesellschaft für Telekommunikation GmbH (Connect) am 27.3.1998 abgeschlossenen Zusammenschaltungsvertrags, bestehend aus dem Allgemeinen Teil des Zusammenschaltungsvertrages samt Anhängen sowie aus dem Besonderen Teil des Zusammenschaltungsvertrages ... verbindlich anzubieten"

- wobei insbesondere das Entgelt für die Terminierung tageszeitunabhängig und volumensunabhängig für zwei Gesprächstypen in festgelegter Höhe vorzusehen ist - (Spruchpunkt 1) und den Inhalt der gelegten Angebote der Regulierungsbehörde vorzulegen (Spruchpunkt 2; Spruchpunkt 3 behält weitere Verfahrenspunkte einem gesonderten Abspruch vor).

Am 27. März 1998 habe die beschwerdeführende Gesellschaft mit der Connect Austria einen Zusammenschaltungsvertrag abgeschlossen, der aus einem schon am 27. Februar 1998 paraphierten Allgemeinen Teil und einem am 27. März unterschriebenen Besonderen Teil bestehe und Regelungen über die physikalische Verbindung der Netze und die Entgelte für die Terminierung von Gesprächen in den Netzen beider Vertragsteile enthalte. Zu denselben Bedingungen hätten tele.ring und UTA die Zusammenschaltung gewünscht, die beschwerdeführende Gesellschaft weigere sich aber insbesondere die Terminierung in ihrem Netz tageszeit- und volumensunabhängig zu dem mit der Connect vereinbarten Entgelt anzubieten.

In diesem Verhalten sieht die belangte Behörde ein mißbräuchliches Ausnutzen der marktbeherrschenden Stellung.

Zu einer Anordnung nach §34 Abs3 TKG hält sich die belangte Behörde ungeachtet der Aufgaben der Kommission aus folgenden Erwägungen für zuständig:

"Das Verfahren gemäß §41 TKG zielt auf die Erlassung einer Anordnung ab, die einen auszuverhandelnden Vertrag oder Vertragsteile ersetzt. Wie die Telekom Austria AG zurecht ausführt, handelt es sich dabei um einen subsidiären Rechtsbehelf eines primär einer Parteienvereinbarung unterliegenden Gegenstandes. Im Zusammenhang mit den auch in den gegenständlichen Fällen relevanten Zusammenschaltungsverhandlungen ist eine solche 'Anordnung' gemäß §41 TKG betreffend einen Teilaspekt eines Zusammenschaltungsvertrages auf Antrag unter anderem der Connect (deren Anträge allerdings zurückgewiesen wurden), der UTA und der tele.ring mit Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 9.3.1998, mit dem im wesentlichen die Zusammenschaltungsentgelte tageszeit- und volumensabhängig für bestimmte Gesprächstypen festgelegt wurden, erlassen worden.

Im Verfahren nach §34 Abs3 TKG hat die Regulierungsbehörde die Gewährung des offenen Netzzuganges durch marktbeherrschende Unternehmen zu überprüfen. Dabei hat sie einen Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung unter anderem auch dann zu ahnden, wenn dieser darin besteht, daß ein marktbeherrschendes Unternehmen Zusammenschaltungsleistungen bestimmten Wettbewerbern anbietet und anderen nicht bzw eine von der Telekom-Control-Kommission getroffene Anordnung gemäß §41 TKG in diskriminierender Weise nicht befolgt. Dieses Verfahren zielt nicht darauf ab, anstelle der Vertragsparteien einen Vertrag(steil) festzulegen, sondern darauf, einen Mißbrauch abzustellen.

In den vorliegenden Fällen soll durch das Tätigwerden der Regulierungsbehörde nicht eine durch Verhandlungen nicht erreichbare Vereinbarung erzielt werden. Vielmehr soll durch Anordnung gemäß §34 Abs3 TKG sichergestellt werden, daß die Telekom Austria AG die Teilanordnung der Telekom-Control-Kommission vom 9.3.1998 als Basis für einen Vertragsabschluß anerkennt, wie sie dies auch gegenüber Connect de facto, wenngleich sie aus dem Bescheid nicht verpflichtet gewesen wäre, bereits getan hat, bzw. UTA und tele.ring unter vergleichbaren Umständen zu gleichwertigen Bedingungen Leistungen anzubieten.

§34 TKG ist als ordnungspolizeiliche Maßnahme im Sinne des §32 TKG zu verstehen, die der Regulierungsbehörde zur Hand gegeben wurde, um ihrem Auftrag zur Wettbewerbsregulierung nachkommen zu können.

Daß die Anordnung darin besteht, die Telekom Austria AG zur Abgabe eines Vertragsofferts zu verpflichten, ändert nichts daran, daß Gegenstand des Verfahrens nicht die Zusammenschaltung an sich ist, sondern das diskriminierende Verhalten der Telekom Austria AG im Sinne des §34 Abs1 TKG. Mit der Anordnung soll erreicht werden, daß diese den Grundsatz der Nichtdiskriminierung - im konkreten Fall im Bereich der Zusammenschaltung - anwendet.

§109 TKG begründet für sämtliche Aufgaben, die im TKG und in den auf Grund des TKG erlassenen Verordnungen der Regulierungsbehörde übertragen sind, die Zuständigkeit der Telekom-Control GmbH. Ausgenommen hiervon sind nun jene Aufgaben, für die ausdrücklich die Telekom-Control-Kommission nach §111 TKG zuständig gemacht wurde.

Die Zuständigkeit zur Erlassung von Anordnungen nach §34 Abs3 TKG ist vom Wortlaut des §111 TKG eindeutig nicht erfaßt. Insbesondere geht es im gegenständlichen Verfahren - wie dargelegt - nicht um die 'Festlegung der Bedingungen für die Zusammenschaltung' im Sinne des §111 Z6 TKG. Daher ist gemäß §109 TKG in diesem Zusammenhang die Zuständigkeit der Telekom-Control GmbH gegeben (vgl. Eisenberger/Zuser, Behörden und Zuständigkeiten nach dem Telekommunikationsgesetz 1997, MR 1998, 92 und 94)."

In der Sache legt die belangte Behörde näher dar, warum sie die Voraussetzungen für die getroffenen Anordnungen als erfüllt und diese für geboten erachtet.

2. Die beschwerdeführende Gesellschaft, die zu B1652/98 bereits die nach §34 Abs3 Satz 2 ergangene Aufforderung durch die belangte Behörde unter Berufung auf Art144 B-VG bekämpft hat, rügt auch in der vorliegenden Beschwerde - insoweit wörtlich übereinstimmend mit der Beschwerde zu B1652/98 - die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz wegen qualifiziert rechtswidriger Auslegung - Entscheidungen in Zusammenschaltungsfragen könnten nur nach §41 TKG im Mehrparteienverfahren ergehen - , einen Verstoß gegen Art6 EMRK wegen Auferlegens zivilrechtlicher Verpflichtungen durch eine nicht den Anforderungen an ein Tribunal entsprechende Behörde und die Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich der Zuweisung von Verwaltungsaufgaben an ein beliehenes Unternehmen entgegen Art77 Abs1 B-VG und Einschränkung der Leitungsbefugnis der obersten Organe im Widerspruch zu Art20

B-VG.

Die belangte Behörde tritt in ihrer Gegenschrift (vom 9. Dezember 1998) den Rügen der Beschwerde entgegen. Ihrem Standpunkt schließen sich auch die mitbeteiligten Gesellschaften an.

3. Inzwischen hatte jedoch am 5. Oktober 1998 die Telekom-Control-Kommission (auch) im Verhältnis zu den hier mitbeteiligten Gesellschaften gemäß §41 Abs3 TKG unter Bestimmung (auch) der bisher noch nicht behördlich festgelegten Bedingungen die Zusammenschaltung angeordnet.

In einem zu B1652/98 und der vorliegenden Beschwerde eingebrachten ergänzenden Schriftsatz (vom 12. April 1999) wertet die belangte Behörde diesen Bescheid als materielle Klaglosstellung: Die Anordnung der Kommission ersetze eine zu treffende Vereinbarung über die Zusammenschaltung, womit die Verpflichtung zum Anbot im Sinne der Aufforderung (und des ihr folgenden Bescheides) weggefallen sei. In diesem Punkt könne die beschwerdeführende Gesellschaft nunmehr auch keine mißbräuchliche Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung an den Tag legen. Die angefochtenen Akte entfalteten keine weitere Rechtswirkung.

Über Anfrage des Verfassungsgerichtshofs, welche Wirkungen unter anderem der hier angefochtene Akt angesichts dieser Anordnungen noch entfalte, ist die beschwerdeführende Gesellschaft der Auffassung, daß die früheren Anordnungen der GmbH durch jene der Kommission weder formell noch materiell ersetzt würden. Ein in Erfüllung dieser weiter wirksamen Anordnungen abgeschlossener Vertrag würde der Zusammenschaltungsanordnung der Kommission vorgehen und die fortbestehende Verpflichtung würde auch das Außerkrafttreten der Zusammenschaltungsanordnung (durch Kündigung) überdauern.

Auch die mitbeteiligten Parteien halten insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides der Kommission die Gegenstandslosigkeit des angefochtenen Bescheides nicht für gesichert.

II. Die Beschwerde ist gegenstandslos geworden. Das Verfahren ist einzustellen.

Der angefochtene Bescheid verpflichtet die beschwerdeführende Gesellschaft, den mitbeteiligten Gesellschaften zu den Bedingungen eines bereits vorliegenden Vertrages Zusammenschaltungsleistungen anzubieten. Die nachfolgenden - nach Einlangen der vorliegenden Beschwerde ergangenen - Bescheide der Telekom-Control-Kommission ordnen die Zusammenschaltung zu den dort umschriebenen Bedingungen mit unmittelbarer Wirksamkeit an:

Diese Anordnung ersetzt nach §41 Abs3 Satz 3 TKG die zu treffende Vereinbarung. Sie überholt damit die im angefochtenen Bescheid auferlegte Verpflichtung. Neben ihr kann bei unverändertem Sachverhalt offenkundig keine Verpflichtung zum (neuerlichen) Abschluß einer Vereinbarung mehr bestehen. Diese Verpflichtung ist durch die angeordnete Zusammenschaltung gleichsam erfüllt. Jedenfalls mit Erlassung der Zusammenschaltungsanordnung ist daher kraft ihres Inhaltes - ähnlich der Erlassung eines endgültigen Steuerbescheides im Verhältnis zum vorläufigen - die normative Wirkung des angefochtenen Bescheides endgültig beseitigt, und zwar derart, daß auch eine spätere Beseitigung dieser Anordnung seine Wirkung nicht wieder aufleben läßt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß das Gesetz für diesen Fall keine besondere Regelung enthält.

Bei dieser Sachlage ist auf die Frage der Verfassungskonformität der Zuständigkeitsvorschriften in dem in Rede stehenden Bereich nicht einzugehen.

Das Verfahren ist vielmehr einzustellen, was in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z3 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung geschehen kann.

Da jedoch keine Klaglosstellung durch eine Verfahrenspartei im Sinne des §88 VerfGG vorliegt, sind Kosten nicht zuzusprechen.

Schlagworte

Fernmelderecht, VfGH / Gegenstandslosigkeit, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1747.1998

Dokumentnummer

JFT_10009070_98B01747_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten