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41/04 Sprengmittel Waffen Munition;Norm
WaffG 1996 §25 Abs2 idF ;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des HB in R, vertreten durch Dr. Klaus Hirtler, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Krottendorfer Gasse 5/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 13. April 2000, Zl. WA 291/2-1999, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 8. Oktober 1999, mit dem ihm die am 17. August 1988 ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen worden war, abgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 27. Jänner 1995 wegen des Verdachtes der Körperverletzung, der gefährlichen Drohung und der Sachbeschädigung angezeigt, mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 10. Oktober 1995 von der gegen ihn erhobenen Anklage wegen Körperverletzung und gefährlicher Drohung aber freigesprochen worden (der Aktenlage nach: vom Vorwurf fahrlässiger Körperverletzung, weil ein Fußtritt gegen eine Glastüre, hinter der sich erkennbar ein Mensch aufhält, kein "schweres" Verschulden im Sinne des § 88 Abs. 2 StGB bedeute; der Freispruch hinsichtlich gefährlicher Drohung erfolgte bereits durch das Erstgericht). Am 7. September 1998, 8. November 1998 und 26. November 1998 seien gegen den Beschwerdeführer Anzeigen wegen des Verdachtes der Sachbeschädigung, eines im angefochtenen Bescheid nicht näher umschriebenen Verhaltens des Beschwerdeführers (der Aktenlage nach: telefonische Belästigungen der Familie seines Sohnes insbesondere auch zur Nachtzeit) sowie der Sachbeschädigung und des Diebstahles erstattet worden. Hinsichtlich des der ersten Anzeige zu Grunde liegenden Vorfalles sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes Liezen vom 18. Dezember 1998 freigesprochen worden. Die anderen beiden Anzeigen seien zurückgelegt worden. Am 12. November 1998 sei der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes einer Übertretung nach § 82 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz (aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber Militärwachen) angezeigt worden. In diesem Fall habe der unabhängige Verwaltungssenat das Verfahren am 6. Juli 1999 eingestellt.
Auf Grund der erwähnten Anzeigen habe der Verdacht bestanden, dass der Beschwerdeführer dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Der Beschwerdeführer sei daher mit Schreiben vom 23. November 1998 aufgefordert worden, ein psychologisches Gutachten im Sinne des § 25 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 7 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (WaffG), vorzulegen. Das psychologische Gutachten des Institutes für klinisch-psychologische Diagnostik und Psychotherapie Leoben vom 23. April 1999 habe ergeben, dass der Beschwerdeführer, der nach seinen Angaben bisher an rund 39 Gerichtsverhandlungen teilgenommen habe, ohne Verurteilungen oder eine Vorstrafe aufzuweisen, näher beschriebene Persönlichkeitsmerkmale zeige, die zu einem Gefährdungspotenzial für ihn und andere beim Umgang mit Waffen führen könnten. Ein solches Gefährdungspotenzial könne auf Grund der Ergebnisse der verwendeten Testverfahren und auf Grund der Hinweise aus den explorativ gewonnenen Daten aus psychologischer Sicht derzeit nicht ausgeschlossen werden. Es könne weiters nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer insbesondere unter psychischer Belastung dazu neige, mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Dieses Gutachten sei auf Grund der vom Beschwerdeführer mit Stellungnahmen vom 11. Mai 1999 und 1. Juli 1999 vorgebrachten Bemängelungen am 10. Juni 1999 und 12. Juli 1999 durch Zusätze ergänzt worden, wobei sich am Ergebnis nichts geändert habe. Den Berufungsausführungen sei entgegenzuhalten, dass in Anbetracht der laufenden Gendarmerieinterventionen beim Beschwerdeführer ausreichend Anlass dazu bestanden habe, ihn ungeachtet des Umstandes, dass er im Besitz einer Jagdkarte sei, zur Beibringung eines psychologischen Gutachtens aufzufordern. Auf Grund des Ergebnisses der Begutachtung sei dem Beschwerdeführer die waffenrechtliche Verlässlichkeit abzusprechen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des WaffG lauten auszugsweise:
"§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er
1.
Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.
(2) Ein Mensch ist keinesfalls verlässlich, wenn er
1.
alkohol- oder suchtkrank ist oder
2.
psychisch krank oder geistesschwach ist oder
3.
durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen.
....
(6) Schließlich gilt ein Mensch als nicht verlässlich, wenn aus Gründen, die in seiner Person liegen, die Feststellung des für die Verlässlichkeit maßgeblichen Sachverhaltes nicht möglich war.
...
(7) Bei erstmaliger Prüfung der Verlässlichkeit hat sich die Behörde davon zu überzeugen, ob Tatsachen die Annahme mangelnder waffenrechtlicher Verlässlichkeit des Betroffenen aus einem der in Abs. 2 genannten Gründe rechtfertigen. Antragsteller, die nicht Inhaber einer Jagdkarte sind, haben ein Gutachten darüber beizubringen, ob sie dazu neigen, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Der Bundesminister für Inneres hat durch Verordnung geeignete Personen oder Einrichtungen zu bezeichnen, die in der Lage sind, solche Gutachten dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entsprechend zu erstellen.
§ 25. (1) ...
(2) Die Behörde hat außerdem die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Sofern sich diese Anhaltspunkte auf einen der in § 8 Abs. 2 genannten Gründe oder darauf beziehen, dass der Betroffene dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden, ist die Behörde zu einem entsprechenden Vorgehen gemäß § 8 Abs. 7 ermächtigt.
(3) Ergibt sich, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, so hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen."
Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer - ausgehend davon, dass Anhaltspunkte im Sinne des § 25 Abs. 2 zweiter Satz zweiter Fall WaffG gegeben seien - in sinngemäßer Anwendung des § 8 Abs. 7 WaffG zur Vorlage eines Gutachtens im Sinne des § 8 Abs. 7 zweiter Satz WaffG aufgefordert. Der Beschwerdeführer unterzog sich dieser Begutachtung, und da sie nicht zu seinem Vorteil ausfiel, wurde gemäß § 25 Abs. 3 WaffG vorgegangen.
Diesen Vorgang kritisiert der Beschwerdeführer zunächst unter dem Gesichtspunkt, dass die Behörde wegen der im angefochtenen Bescheid erwähnten Anzeigen "nie und nimmer" berechtigt gewesen wäre, ein Verlässlichkeitsgutachten gemäß § 8 Abs. 7 WaffG einzuholen, die Beibringung eines solchen Gutachtens (gemeint: die Aufforderung, eines beizubringen) in Bezug auf den Inhaber einer Jagdkarte "unzulässig" sei und es "wegen dieser gesetzlichen Unzulässigkeitsgründe der Behörde auch verwehrt" sei, "von diesem rechtswidrig erlangten Beweismittel" - gemeint: das Gutachten - Gebrauch zu machen.
Dieser Argumentation ist in keinem Punkt zu folgen. Zunächst und vor allem ist der Vorstellung eines Verwertungsverbotes in Bezug auf ein die Verlässlichkeit in Frage stellendes Gutachten entgegenzutreten. Es trifft zu, dass sich der Verwaltungsgerichtshof in Erkenntnissen, die nähere Ausführungen zur Einholung von Gutachten gemäß § 8 Abs. 7 zweiter Satz i.V.m.
§ 25 Abs. 2 WaffG enthalten, wiederholt mit der Frage befasst hat, wann im Sinne des § 25 Abs. 2 WaffG "Anhaltspunkte" für Zweifel an der Verlässlichkeit vorliegen (vgl. jeweils im Zusammenhang mit Verlässlichkeitsprüfungen gemäß § 25 Abs. 2 WaffG die Erkenntnisse vom 23. Juli 1998, Zl. 97/20/0756, Slg. Nr. 14.944/A, vom 30. September 1998, Zl. 98/20/0269, vom 27. Jänner 2000, Zl. 99/20/0370, vom 21. September 2000, Zl. 98/20/0379, und vom 29. März 2001, Zl. 2000/20/0563; zur Abgrenzung des Gegenstandes derartiger Gutachten ergänzend auch das zur Nichtausstellung einer waffenrechtlichen Urkunde ergangene Erkenntnis vom 27. Jänner 2000, Zl. 99/20/0213). Dies geschah jeweils im Zusammenhang mit der Frage, ob die Nichtbeibringung des Gutachtens unter § 8 Abs. 6 WaffG subsumierbar sei. Nach dem Schutzzweck des Waffengesetzes unterliegt es aber keinem Zweifel, dass ein Gutachten, aus dessen Inhalt sich die mangelnde waffenrechtliche Verlässlichkeit des Untersuchten ergibt, auch dann zu einer Maßnahme gemäß § 25 Abs. 3 WaffG zu führen hat, wenn die als "Anhaltspunkte" gewerteten Umstände den Auftrag zur Beibringung des Gutachtens - im Vorhinein beurteilt - nicht rechtfertigten (vgl. ähnlich in Bezug auf Wahrnehmungen bei einer allenfalls vorschriftswidrig an einem Sonntag vorgenommenen Überprüfung der Verwahrung von Waffen das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/20/0156). Aus der dargestellten Argumentation ist für den Beschwerdeführer daher schon im Ansatz nichts zu gewinnen. Dem ist aber hinzuzufügen, dass der Ansicht der belangten Behörde, es habe trotz der Freisprüche und Verfahrenseinstellungen Hinweise auf unter dem Gesichtspunkt des § 25 Abs. 2 zweiter Satz zweiter Fall WaffG problematische Aspekte der Persönlichkeit des Beschwerdeführers gegeben, im vorliegenden Fall nicht nur rückblickend - auf Grund des mittlerweile vorliegenden Gutachtens -
beizupflichten ist. An das Vorliegen von "Anhaltspunkten" im Sinne des § 25 Abs. 2 WaffG sind - wobei es dahinstehen kann, inwieweit dies im vorliegenden Fall überhaupt von Bedeutung ist - keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. dazu die zitierten Erkenntnisse). Dies gilt auch für Inhaber von Jagdkarten, die nach der vom Verwaltungsgerichtshof geteilten Auffassung der belangten Behörde nur bei der erstmaligen Überprüfung der Verlässlichkeit vom Erfordernis der Beibringung eines Gutachtens gemäß § 8 Abs. 7 zweiter Satz WaffG befreit sind, weil sie - wie in der Regierungsvorlage zum WaffG ausgeführt wurde - bereits anlässlich ihrer Jagdprüfung nach landesgesetzlichen Vorschriften "durchwegs auf ihre Verlässlichkeit im Umgang mit Waffen geprüft" worden seien (457 BlgNR 20. GP 43). Ergibt sich später ein Hinweis auf möglicherweise mangelnde Verlässlichkeit, so ist dem beim Inhaber einer Jagdkarte nach der in dieser Hinsicht nicht differenzierenden Anordnung des § 25 Abs. 2 WaffG ebenso nachzugehen wie bei einer Person, die zur Erlangung der waffenrechtlichen Urkunde ein Gutachten im Sinne des § 8 Abs. 7 zweiter Satz WaffG beigebracht hat. Von der in der Beschwerde angenommenen Unzulässigkeit eines Auftrages zur Beibringung des Gutachtens kann also auch in dieser Hinsicht nicht die Rede sein.
Davon abgesehen macht der Beschwerdeführer - in relativ kurz gehaltenen Ausführungen auf S. 6 unten und S. 7 oben der Beschwerde - geltend, das Gutachten sei "nach wie vor unschlüssig und widersprüchlich" und daher nicht geeignet, die Entziehung der Waffenbesitzkarte zu begründen. Dieser Beschwerdestandpunkt wird aber nur dahin gehend ausgeführt, dass "keine zeitraumbezogene Bewertung" vorgenommen worden sei, die "im Übrigen unrichtigen" Ergebnisse der Begutachtung als unterstellter Dauerzustand schon durch den bisherigen Verlauf des bereits vieljährigen Waffenbesitzes des Beschwerdeführers "widerlegt" seien, und das Gutachten nicht darauf eingehe, dass der Beschwerdeführer "mit dem Umgang von Waffen geschult" sei, zumal er auch geprüfter Aufsichtsjäger sei.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich das Gutachten nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Ergebnisse der Tests und der Exploration am 19. April 1999 bezieht und die behauptete Schulung im Umgang mit Waffen, zumal der Beschwerdeführer auch geprüfter Aufsichtsjäger sei, nicht geeignet ist, die Testergebnisse zu erschüttern oder das Gutachten als unschlüssig oder widersprüchlich erscheinen zu lassen. Zum Verfahrensablauf - auf den die Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht eingeht - ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer in seinen Stellungnahmen vom 11. Mai 1999 und 1. Juli 1999 zwar rügte, dass ihm die "detaillierten Ergebnisse der zu Grunde liegenden Tests" nicht bekannt seien, sodass er nicht in der Lage sei, diese von einem anderen Sachverständigen überprüfen zu lassen, er nach der Bekanntgabe und Interpretation der einzelnen Testergebnisse in der Gutachtensergänzung vom 12. Juli 1999 aber von einer inhaltlichen Auseinandersetzung damit schon im Verwaltungsverfahren Abstand nahm.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 12. September 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000200213.X00Im RIS seit
29.10.2002Zuletzt aktualisiert am
10.03.2009