TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/12 2002/20/0300

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Veröffentlicht am 12.09.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13;
StVG;
VwGG §41 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/20/0301

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker,

Spruch

1. über die zur Zl. 2002/20/300 protokollierte Beschwerde des TMR in S, vertreten durch Dr. Johannes Sääf, Rechtsanwalt in 3712 Maissau, Kirchenplatz 7, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. November 2001, Zl. Jv 2709-16a/01, betreffend Zurückweisung einer Administrativbeschwerde in einer Strafvollzugsangelegenheit, zu Recht erkannt und

2. über die von Dr. Johannes Sääf, Rechtsanwalt in 3712 Maissau, Kirchenplatz 7, namens des zu 1. genannten Beschwerdeführers eingebrachte und zur Zl. 2002/20/0301 protokollierte Beschwerde gegen den Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Strafvollzugsangelegenheit den Beschluss gefasst:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge

Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Säumnisbeschwerde wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer - ein Strafgefangener mit zahlreichen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerden sowohl in Strafvollzugs- als auch in anderen Angelegenheiten - richtete am 19. Jänner 2001 eine schriftliche Beschwerde "gemäß §§ 120, 121 Abs. 1, 1. Satz StVG" an den Leiter der Justizanstalt Wien-Josefstadt, in der er sich in seinen "Rechten insoferne verletzt" erachtete, als ihm am 9. Jänner 2001 auf näher bezeichnete Weise seine "Arbeitsstelle entzogen und eine Verlegung auf die Gefangenenabteilung ... (Absonderung) verfügt" worden sei.

Diese Eingabe ging im Verlauf des Verfahrens darüber (soweit erkennbar, noch bei der Vollzugsbehörde erster Instanz) verloren, was dem Beschwerdeführer aber nicht mitgeteilt wurde.

Nach an den Anstaltsleiter gerichteten Urgenzen des Beschwerdeführers vom 7. März 2001 und 14. März 2001, in denen er jeweils unter ausdrücklichem Hinweis auf seine Beschwerde vom 19. Jänner 2001 deren bescheidmäßige Erledigung bzw. Schadenersatz verlangte, einer (nicht erhalten gebliebenen) Eingabe vom 17. April 2001, die er offenbar im Wege über den Anstaltsleiter an die belangte Behörde zu richten versuchte, und einem am 7. Mai 2001 direkt an die belangte Behörde gerichteten Ersuchen um Bescheiderlassung erkundigte sich die belangte Behörde am 10. Mai 2001 beim Anstaltsleiter nach einer "angeblichen Beschwerde" des Beschwerdeführers vom 19. Jänner 2001. Der Anstaltsleiter teilte mit Schreiben vom 31. Mai 2001 mit, der Beschwerdeführer habe "am 7.3.2001 an den gefertigten Anstaltsleiter eine Beschwerde ... gerichtet". Zugleich richtete der Anstaltsleiter ein Schreiben an den Beschwerdeführer, worin er diesen unter Hinweis auf ein früheres Schreiben, mit dem die Urgenz vom 14. März 2001 beantwortet worden war, "letztmalig - causa finita" darüber belehrte, dass er kein "Recht auf Arbeit" habe. Ein weiteres an sie gerichtetes Schreiben des Beschwerdeführers vom 18. Juni 2001, in dem er erneut die Erlassung eines Bescheides forderte, beantwortete die belangte Behörde am 17. Juli 2001 dahingehend, dass sich der Justizverwaltungsakt beim Verwaltungsgerichtshof befinde.

Mit Schreiben an die belangte Behörde vom 13. Oktober 2001 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass nunmehr "iSd § 73 Abs. 2 AVG idgF vorzugehen" sein werde, weil die Frist für die Entscheidung über seine Beschwerde vom 19. Jänner 2001 bereits am 19. Juli 2001 verstrichen sei. Zu diesem Schreiben erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Erledigung vom 22. Oktober 2001 "nochmals Rechtsbelehrung".

Der Beschwerdeführer verwies hiezu mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2001 auf den Umstand, dass er am 19. Jänner 2001 fristgerecht eine schriftliche Beschwerde über die gesetzwidrige Abziehung von der Arbeit (zu ergänzen: am 9. Jänner 2001) eingebracht habe, schon der Anstaltsleiter hierüber einen Bescheid zu erlassen gehabt hätte, nach § 73 Abs. 2 AVG durch einen bei der Oberbehörde einzubringenden schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde übergehe und er seine Forderung nach schriftlicher "Bescheiderlassung (Beschwerdeerkenntnis) über die Thematik meines Beschwerdevorbringens vom 19.1.2001" innerhalb der nun für die Oberbehörde laufenden Entscheidungsfrist wiederhole.

Mit dem angefochtenen "Beschwerdeerkenntnis" entschied die belangte Behörde über die vom Beschwerdeführer "gegen die Ablöse von der Arbeitsstelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt vom 9.1.2001 erhobene Beschwerde" dahingehend, dass "die Beschwerde" des Strafgefangenen "als unzulässig zurückgewiesen" werde. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, der Beschwerdeführer habe gegen die Ablöse von der Arbeitsstelle "rechtzeitig" Beschwerde "des Inhaltes, dass die Ablöse gesetzwidrig erfolgt sei", erhoben und halte die Beschwerde "trotz mehrmaliger Rechtsbelehrung" aufrecht. Da Strafgefangene kein "Recht auf Arbeit" hätten, sei die Beschwerde aber unzulässig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zur Zl. 2002/20/0300 protokollierte Beschwerde. In der zur Zl. 2002/20/0301 protokollierten Säumnisbeschwerde wird geltend gemacht, die belangte Behörde habe es verabsäumt, über die Rechtmäßigkeit der Absonderung des Beschwerdeführers am 9. Jänner 2001 zu entscheiden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch die Eingaben des Beschwerdeführers vom 13. Oktober und 29. Oktober 2001 ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über seine Administrativbeschwerde vom 19. Jänner 2001, von deren Verlust der Beschwerdeführer keine Kenntnis hatte, auf die belangte Behörde übergegangen. Die belangte Behörde hat die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen, ohne auf den Inhalt der (auch nach der Gegenschrift der belangten Behörde unstrittig eingebrachten) Eingabe - die ihr ja auch nicht vorlag - und die darin geltend gemachten Rechtsverletzungen näher einzugehen. Die Bescheidbegründung lässt im Besonderen nicht erkennen, aus welchen Erwägungen die Beschwerde vom 19. Jänner 2001 etwa in Bezug auf den Umstand, dass bei dem in Beschwerde gezogenen Vorfall auch eine Absonderung des Beschwerdeführers verfügt worden sei, als unzulässig erachtet werde. Dass hierüber - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint - gar nicht entschieden worden sei, weil sich der mit dem angefochtenen Bescheid erledigte "Gegenstand des Devolutionsantrages" auf die Ablöse von der Arbeit als solche (und somit auf einen Teil der Administrativbeschwerde vom 19. Jänner 2001) beschränkt habe, ist nach dem Spruch der angefochtenen Entscheidung in Verbindung mit dem vorangegangenen Begehren des Beschwerdeführers auf Bescheiderlassung über die "Thematik" seines "Beschwerdevorbringens vom 19.1.2001" auszuschließen.

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes handelt eine Behörde rechtswidrig, wenn sie eine ihr unbekannte, weil im Verwaltungsverfahren verloren gegangene Eingabe mit allgemein gehaltenen Rechtsausführungen über ihren vermeintlichen - im vorliegenden Fall aus den späteren Eingaben des Beschwerdeführers aber nur unvollständig erschlossenen - Gegenstand zurückweist, statt der antragstellenden (hier: im Administrativverfahren beschwerdeführenden) Partei Gelegenheit zur Vorlage einer Abschrift zu geben und sich mit der Eingabe bei deren Erledigung konkret und, soweit geboten, differenzierend auseinander zu setzen. Es ist auch nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, Letzteres nachzuholen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Säumnisbeschwerde - über die kein Vorverfahren eingeleitet wurde - war schon deshalb zurückzuweisen, weil die belangte Behörde die Administrativbeschwerde vom 19. Jänner 2001, wie dargelegt, zur Gänze zurückgewiesen hat.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das auf den zusätzlichen Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am 12. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002200300.X00

Im RIS seit

07.11.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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