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25 Strafprozeß, StrafvollzugNorm
B-VG Art7 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch Untersagung der Aushändigung von im Abonnement bestellten Zeitungsexemplaren während der Untersuchungshaft; keine Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der InformationsfreiheitSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung in Untersuchungshaft. Auf seinen Namen wurde von dritter Seite je ein Abonnement der Tageszeitungen "Salzburger Nachrichten" und "Der Standard" bestellt. Aus den vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Akten ergibt sich, daß diese Abonnements von Dritter Seite bezahlt werden.
Die Anstaltsleitung untersagte die Aushändigung der Zeitungsexemplare an den Beschwerdeführer, wogegen dieser Beschwerde nach §§119 f. Strafvollzugsgesetz erhob. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid bestätigte der Präsident des Landesgerichtes die Untersagung der Aushändigung der genannten Zeitungen.
2. In der Beschwerde wird einerseits die Verfassungswidrigkeit der den Bescheid tragenden Bestimmung des §60 Abs2 Strafvollzugsgesetz, andererseits die Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf (passive) Informationsfreiheit nach Art10 EMRK gerügt. Des weiteren rügt die Beschwerde Verletzungen des Grundrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art5 StGG und nach dem Art1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK sowie des Rechts auf Achtung des Briefverkehrs nach Art8 EMRK und schließlich die Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.
3. Der Präsident des Landesgerichtes hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Er tritt insbesondere den behaupteten Grundrechtsverletzungen entgegen. Das Grundrecht auf Achtung des Briefverkehrs sieht der Gerichtspräsident mit jeweils näherer Begründung als nicht berührt, die anderen geltend gemachten Grundrechte als nicht verletzt an. Die den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften werden vor allem mit dem Argument verteidigt, daß es sich dabei um mit dem Strafvollzug wesensmäßig verbundene Maßnahmen handle, die schon deswegen nicht mit den Menschenrechten in Widerspruch stehen könnten.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
Die Beschwerde ist nicht berechtigt.
1. Der Beschwerdeführer ist nicht durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
1.1. §60 Abs1 und 2 StVG lauten:
"§60. (1) Die Strafgefangenen dürfen sich zum Zwecke ihrer Fortbildung oder Unterhaltung auf eigene Kosten Bücher beschaffen und eine Zeitung oder Zeitschrift halten, soweit davon keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder des erzieherischen Zwecks der Strafe zu befürchten ist. Für die Beschaffung von Büchern, die ihrer Fortbildung dienen, dürfen Strafgefangene auch Gelder verwenden, die ihnen sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen.
(2) Zeitungen und Zeitschriften sind ausschließlich durch Vermittlung der Anstalt zu beziehen. Die Anstalt hat Einzelnummern oder Teile derselben, von denen eine Gefährdung der im Abs1 bezeichneten Art zu besorgen ist, zurückzuhalten oder in einer dem Gebote der Wirtschaftlichkeit entsprechenden Weise unkenntlich zu machen. (...)"
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf den (gem. §183 Abs1 StPO auch auf die Anhaltung in Untersuchungshaft anzuwendenden) §60 Abs2 Strafvollzugsgesetz, BGBl 1969/144 idF BGBl 1996/763 (StVG). Darin wird bestimmt, daß Häftlinge Zeitungen und Zeitschriften nur über Vermittlung der Anstalt beziehen dürfen. Aus dem Zusammenhalt mit §60 Abs1 leg. cit. ergibt sich, daß der Zweck dieser Bestimmung (in Ansehung von Untersuchungsgefangenen) darin besteht, Gefährdungen der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt (in Ansehung von Strafgefangenen auch des erzieherischen Zwecks der Strafe), hintanzuhalten, dies - im Lichte von §186 Abs3 StPO - unter Bedachtnahme auf die erforderliche Überwachung. In diesem Sinne bestimmt §60 Abs2 StVG ergänzend, daß Einzelnummern oder Teile derselben, von denen eine solche Gefährdung ausgeht, unkenntlich zu machen sind.
Dabei ist auch darauf Bedacht zu nehmen, daß dadurch insbesondere auch unerlaubte, geheime Nachrichtenübermittlungen an Untersuchungshäftlinge durch Manipulationen an Druckwerken unterbunden werden müssen, worauf auch der Bundesminister für Justiz in einer Stellungnahme aufmerksam gemacht hat.
1.2. Der Beschwerdeführer hält §60 Abs2 StVG im Hinblick auf verschiedene von ihm ins Treffen geführte Grundrechte für verfassungswidrig. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auf Grund des Beschwerdevorbringens jedoch nicht veranlaßt, in ein amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren einzutreten:
1.2.1. Die Beschwerde vermag keinen Zweifel daran zu erwecken, daß die Bestimmung des §60 Abs2 StVG, soweit sie im Anlaßverfahren präjudiziell ist, mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums vereinbar ist. Straf- und Untersuchungshäftlingen ist es nach dieser Bestimmung nämlich nicht schlechthin untersagt, Zeitungen und Zeitschriften auf eigene Kosten zu erwerben. Zeitungen und Zeitschriften müssen allerdings nach dieser Bestimmung über Vermittlung der Anstalt bezogen werden, die es im übrigen auch durchaus zuläßt, daß die Bezahlung nicht vom Untersuchungsgefangenen, sondern von einem Dritten zu dessen Gunsten erfolgt.
Der Verfassungsgerichtshof übersieht nicht, daß der Einzelpreis einer Zeitung oder Zeitschrift höher sein mag als der Abonnementpreis. Durch §60 Abs2 StVG sind Untersuchungsgefangene aber auch nicht gehindert, eine Zeitung zum Abonnementpreis zu beziehen; sie müssen dies lediglich über Vermittlung der Anstalt tun. Der Untersuchungshäftling muß der Anstalt seinen Abonnementwunsch bekanntgeben, die für ihn und auf seine Rechnung die Zeitung bestellt und ihm nach der entsprechenden Durchsicht, allenfalls durch den Anstaltskiosk zukommen läßt. Aus dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles und in Ansehung des Grundrechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums bestehen daher gegen diese Bestimmung (soweit sie hier präjudiziell ist) keine Bedenken.
1.2.2. Die Beschwerde vermag auch nicht die Unvereinbarkeit der in Rede stehenden Bestimmung mit dem Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit nach Art10 EMRK aufzuzeigen. Art10 EMRK umfaßt auch einen Schutz des Empfanges von Meinungen und Informationen. Dies gilt grundsätzlich auch in der Haft (vgl. bloß die Nachweise bei Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., 1996, Rz 14 zu Art10). Der Gesetzesvorbehalt dieses Grundrechtes erlaubt allerdings Einschränkungen unter anderem zum Zwecke der Sicherstellung der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung.
Nun ist zwar eine Beschränkung des Bezuges von Zeitungen oder Zeitschriften nicht etwa u wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vermeint u wesensgemäß mit der Straf- oder der Untersuchungshaft verbunden und schon deswegen verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Rechtsprechung vielmehr verdeutlicht, daß auch in der Haft stattfindende Einschränkungen von unter materiellem Gesetzesvorbehalt stehenden Grundrechten an deren jeweiligen Gesetzesvorbehalten zu messen sind (vgl. bereits EGMR vom 18.6.1971, De Wilde, Ooms and Versyp gegen Belgien, Serie A/12, §§91 ff.; dazu auch Cohen-Jonathan, Respect for Private and Family Life, in: Macdonald/Matscher/Petzold (Hrsg), The European System for the Protection of Human Rights (1993) 405 (425 f); Van Dijk/Van Hoof, Theory and Practice of the European Convention on Human Rights, 2. Aufl. (1990), 392 f., 575 ff.; Wildhaber/Breitenmoser, Internationaler Kommentar zur Menschenrechtskonvention, Rz 508, 595 f. zu Art8 EMRK). Dem ist der Verfassungsgerichtshof bereits seit langem gefolgt (vgl. etwa VfSlg. 6789/1972; 13630/1983 und 13715/1984).
Der Verfassungsgerichtshof ist aber der Auffassung, daß es eine vom Gesetzesvorbehalt des Art10 Abs2 EMRK gedeckte, nicht unverhältnismäßige Einschränkung des Grundrechtes auf Empfang von Information darstellt, wenn das Gesetz an sich den Bezug von Zeitungen und Zeitschriften nicht ausschließt, jedoch - im Interesse der Hintanhaltung einer Gefährdung der Zwecke der Untersuchungshaft - den direkten Bezug von Zeitungen und Zeitschriften in der Haft untersagt, sowie anordnet, daß diese über Vermittlung der Anstalt zu beziehen sind, damit - wie auch in der Äußerung des Bundesministers für Justiz erwähnt - Einzelnummern oder Teile derselben unkenntlich gemacht werden können, von denen eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder des erzieherischen Zwecks der Strafe ausgeht. Es findet auch durch die Bestimmung des §60 Abs2 StVG keine u im Hinblick auf die angestrebten Schutzzwecke unter Umständen unverhältnismäßige und daher verfassungswidrige u Beschränkung auf bestimmte Zeitungen, etwa auf solche statt, die sich im Angebot des Anstaltskiosks finden.
1.2.3. Ebensowenig bestehen gegen die in Rede stehende Bestimmung im Hinblick auf das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, im besonderen des Briefverkehrs nach Art8 Abs1 EMRK Bedenken. Das Grundrecht auf Achtung des Briefverkehrs nach Art8 EMRK umfaßt den ungestörten Empfang von Mitteilungen und den Ausschluß ungewünschter Kommunikationsteilhabe.
Ob Art8 EMRK im Hinblick auf den ungestörten Empfang von Nachrichten überhaupt auch den Empfang von u nicht als persönliche Mitteilungen qualifizierbaren u Zeitungen und Zeitschriften erfaßt, soweit sie auf geordneten und anerkannten Beförderungswegen, etwa durch die Post, übermittelt werden, kann nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes dahinstehen.
Denn zweifellos ist im Hinblick auf den im Falle des Bezuges einer Tageszeitung entscheidenden verfassungsrechtlichen Schutz des Empfanges von Meinungen und Ideen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht nach Art10 EMRK als die speziellere Norm anzusehen, die daher in der vorliegenden Konstellation ausschließlich zur Anwendung kommt. Im Hinblick auf die oben dargelegten Ausführungen zu Art10 EMRK muß daher auf die behauptete Verletzung des Art8 EMRK nicht eingegangen werden.
1.2.4. Schließlich vermag die Beschwerde vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund auch keine Bedenken gegen §60 Abs2 StVG aus dem Blickwinkel des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatzes zu wecken. Da diese Bestimmung zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit in der Anstalt notwendig und nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes keinesfalls unverhältnismäßig ist, kann an ihrer sachlichen Rechtfertigung nicht gezweifelt werden.
2. Der Beschwerdeführer ist auch durch den angefochtenen Bescheid in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden:
2.1. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung der zuvor angeführten Grundrechte behauptet, ist er auf vorstehende Ausführungen zu verweisen.
2.2. Auch ein sonstiger, in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsfehler, insbesondere wegen Übung von Willkür in bezug auch das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz liegt nicht vor:
Einer Behörde kann auch dann, wenn sie unrichtig entschieden hat, nicht Willkür zur Last gelegt werden, sofern sie nur bemüht war, richtig zu entscheiden, indem sie Gründe und Gegengründe gegeneinander abgewogen hat. Dies bedeutet, daß es in der Regel nicht ausreichen würde, wenn die Behörde nur die für die Abweisung eines Anspruches maßgeblichen Gründe aufzählt, es jedoch unterläßt, sich mit den Gründen auseinanderzusetzen, die für die Bejahung der Anspruchsberechtigung zu sprechen scheinen, so daß sie gar nicht in die Lage kommen könnte, Gründe und Gegengründe einander gegenüberzustellen und dem größeren Gewicht der Argumente den Ausschlag geben zu lassen (zB VfSlg. 9665/1983, 12102/1989, 12477/1990).
Der angefochtene Bescheid ist im wesentlichen Punkt hinreichend, wenn auch knapp und präzise begründet. Das Gesetz läßt in der entscheidenden Frage keinen Spielraum für die vom Beschwerdeführer mit Hinweis auf VfSlg. 12477/1990 vermißte Gegenüberstellung der "Gründe und Gegengründe", weshalb der belangten Behörde mit dieser Unterlassung jedenfalls kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen ist. Ein den Bescheid mit Verfassungswidrigkeit belastendes, grob mangelhaftes Vorgehen der belangten Behörde oder eine grobe Unsachlichkeit des Bescheides ist nicht festzustellen. Im Hinblick auf die bereits dargetane sachliche Rechtfertigung der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften liegt daher auch die behauptete Verletzung des Beschwerdeführers in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz nicht vor.
3. Der Beschwerdeführer ist somit nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden. Auch die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Strafprozeßrecht, Untersuchungshaft, Strafvollzug, Informationsfreiheit, Privat- und Familienleben, lex specialisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B2272.1998Dokumentnummer
JFT_10009070_98B02272_3_00