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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §289 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des A in K, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 10/I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 23. März 1999, Zl. RV 96/1- 8/98, betreffend Umsatzsteuer für 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer veranstaltete im Streitjahr Fahrten mit Heißluftballons. In der Umsatzsteuererklärung für dieses Jahr nahm er für diese Umsätze den ermäßigten Steuersatz in Anspruch.
Sowohl das Finanzamt als auch die im Berufungsweg angerufene belangte Behörde vertraten die Ansicht, dass der ermäßigte Steuersatz nicht zur Anwendung komme.
Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid zunächst das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren dar. Sodann führte sie im Erwägungsteil aus, ein Heißluftballon sei nicht als Verkehrsmittel im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG 1994 zu verstehen. Unter dem Begriff "Verkehr" sei die aufeinander abgestimmte Bewegung von Personen und Fahrzeugen in vorgeschriebenen Bahnen in der Luft, auf dem Lande und auf dem Wasser zu verstehen. Das für das reibungslose Funktionieren der Verkehrsströme erforderliche Ordnungssystem bedinge, dass die Verkehrsteilnehmer in der Lage sind, die Fortbewegung zielgerichtet zu bewerkstelligen. Die Flugbewegung von Heißluftballons sei aber auf Grund der beim Start nicht immer absehbaren Windverhältnisse nicht in dem Maße vorhersehbar, um von einer zielgerichteten Fortbewegung sprechen zu können. Mit der Aussage im Vorlageantrag, dass "die Beförderung mittels eines Heißluftballones unter Ausnützung des Windes bzw. aerodynamischer Gegebenheiten räumlich zielgerichtet erfolge", gebe der Beschwerdeführer selbst zu erkennen, dass eine zielgerichtete Fortbewegung nur in eingeschränktem Maße, eben in Abhängigkeit von den Windverhältnissen, möglich sei. Damit könne jedoch nicht von einem "Verkehrsmittel", das nach Art oder Funktion den im Beförderungssteuergesetz genannten gleiche, gesprochen werden. Daran könne auch der Hinweis auf § 6 Abs. 1 Z. 3 lit. c UStG 1994 betreffend die Beförderung von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr nichts ändern. Heißluftballons mögen zwar zu den Luftfahrzeugen im Sinne des Luftfahrtgesetzes zählen, das UStG 1994 gehe aber in den hier in Rede stehenden Bestimmungen von der Beförderung von Personen aus und diese setze die Eignung des Verkehrsmittels zur zielgerichteten Beförderung voraus.
Im Übrigen sei der Inhalt des Leistungsaustausches aus der Sicht des Leistungsempfängers zu würdigen. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass die von ihm durchgeführten Personenbeförderungen fast ausschließlich Vergnügungsfahrten dargestellt hätten. Als Personenbeförderung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG 1994 könne hingegen nur eine Leistung angesehen werden, deren Hauptzweck auf eine der Raumüberwindung dienende Fortbewegung von Personen gerichtet sei. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer auf Grund der Besonderheit des Transportmittels, insbesondere auf Grund der Abhängigkeit von Wind- und Wetterverhältnissen, nicht in jedem Fall eine zielgerichtete Beförderungsleistung erbringen könne, stehe diese für den Leistungsempfänger ohnedies nicht im Vordergrund. Sein Beweggrund für die Inanspruchnahme der Leistung sei, wie der Beschwerdeführer mit dem Begriff "Vergnügungsfahrt" treffend zum Ausdruck bringe, der Erlebnis- und Unterhaltungswert, der den Beförderungseffekt völlig in den Hintergrund treten lasse.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer meint, die angefochtene Berufungsentscheidung widerspreche dem Bestimmtheitserfordernis von Bescheiden. Die Berufungsentscheidung könne eine Stattgebung oder eine Abweisung der Berufung sein. Mit der angefochtenen Entscheidung werde "der Berufung teilweise Folge gegeben", hingegen werde über den darüber hinausgehenden Teil eine die Berufung erledigende Entscheidung im Spruch nicht getroffen. Ebenso wenig seien die Bemessungsgrundlage und die festgesetzte Abgabe bestimmt. Der Hinweis, dass sich gegenüber der Berufungsvorentscheidung vom 25. Juni 1998 keine Änderung ergebe, sei nicht geeignet, eine konkrete Entscheidung über die Berufung in ihrer Gesamtheit im Wege einer teilweisen Stattgebung bzw. teilweisen Abweisung zu ersetzen.
Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat, sofern die Berufung nicht gemäß § 278 BAO zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Als Entscheidung in der Sache selbst kommen nach § 289 Abs. 2 leg. cit. die Abweisung der Berufung als unbegründet, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Abänderung des angefochtenen Bescheides in Betracht. Die Abänderung des bekämpften Bescheides ist durch die "Sache" beschränkt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz bildete (Ritz, BAO-Kommentar, zweite Auflage, § 289 Tz 4).
Im vorliegenden Fall enthielt der bekämpfte Bescheid des Finanzamtes unstrittig die Bemessungsgrundlage und die festgesetzte Abgabe. In der Berufung rügte der Beschwerdeführer die Zahllast, mit der Begründung, diese sei ausgehend vom erklärten Nettoumsatz bei Anwendung des Normalsteuersatzes unrichtig errechnet worden. In der Berufungsvorentscheidung vom 25. Juni 1998 führte das Finanzamt die Berechnungsgrundlagen und die Abgabe unter Vermeidung dieses Rechenfehlers an.
Die belangte Behörde führte im Spruch ihrer Entscheidung aus:
"Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlage und die festgesetzte Abgabe betragen: Es ergibt sich gegenüber der Berufungsvorentscheidung vom 25. Juni 1998 keine Änderung."
Mit diesem Ausspruch hat die belangte Behörde den dem Finanzamt unterlaufenen Rechenfehler korrigiert und hinsichtlich der Korrektur auf die Berufungsvorentscheidung verwiesen. Dass der Spruch der Berufungsvorentscheidung unbestimmt sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die im Berufungsbescheid hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der festgesetzten Abgabe vorgenommene Verweisung auf die Berufungsvorentscheidung ist zulässig und ausreichend.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer geltend, Heißluftballons seien dem in § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG 1994 verwendeten Begriff "Verkehrsmittel aller Art" zu unterstellen. Dies ergebe sich sowohl nach der Verkehrsauffassung als auch nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften. Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die Auffassung der belangten Behörde, ein Heißluftballon ermögliche keine ausreichende zielgerichtete Fortbewegung. Dies widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, weil in den Medien laufend über zielgerichtete Erdumrundungen mit Heißluftballonen auf im Voraus festgelegten Routen berichtet werde und zum anderen auch Staatsmeisterschaften im Zielfahren (Fly in) veranstaltet würden. Dazu komme, dass er ständig mit Meteorologen in Kontakt stehe und die Reiseroute auf Grund der gegebenen Wetter- und Windsituation vorhersagen könne. Schließlich rügte der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde die tatsächliche Abwicklung der Personenbeförderung nicht berücksichtigt habe. Nach dem Beförderungsvertrag erfolge im ersten Abschnitt eine Fahrt mit dem Heißluftballon, nach der Landung des Ballons würden er und die Kunden von einem Kraftfahrzeug direkt am Landeort abgeholt und zum Abgangsort zurückgebracht. Es liege daher für die Kunden eine Rundreise vor. Die Beförderung sei daher mit einem Rundflug mittels eines Flugzeuges oder eines Helikopters vergleichbar, welche unbestritten dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterlägen. Eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung eines Rundfluges mit einem Flugzeug oder einer Rundfahrt mit einem Heißluftballon sei nicht erkennbar.
Nach § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG 1994 ermäßigt sich die Steuer auf 10 % für die Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln aller Art, soweit nicht § 6 Abs. 1 Z. 3 anzuwenden ist. Das Gleiche gilt sinngemäß für die Einräumung oder Übertragung des Rechtes auf Inanspruchnahme von Leistungen, die in einer Personenbeförderung bestehen.
Die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG 1994 ist in Umsetzung des Art. 12 i.V.m. Anhang H der Sechsten MwSt-Richtlinie ergangen. Dort heißt es nur "Beförderung von Personen." Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht darf demnach für die Beförderungen von Personen ein ermäßigter Steuersatz vorgesehen werden. Österreich hat davon insoweit Gebraucht gemacht als es jene Personenbeförderung begünstigt, die mit "Verkehrsmitteln aller Art" vorgenommen wird.
Zur Frage, ob Heißluftballons Verkehrsmittel im Sinne dieser genannten Bestimmung darstellen, liegt, wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt, keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor. In der Literatur dagegen ist diese Frage wiederholt behandelt worden.
Ruppe (UStG 1994, 2. Auflage, § 10 Tz 153) führt unter Berufung auf Kranich/Siegl/Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 10 Anm. 371c) aus, Gas- und Heißluftballons erlauben eine zielgerichtete Fortbewegung nur in eingeschränktem Maße und sind daher wohl nicht als Beförderungsmittel anzusprechen.
Scheiner/Kolacny/Caganek/Zehetner/Hinterleitner, Kommentar zur Mehrwertsteuer, UStG 1994, § 10 Tz 10 ff, führen unter Berufung auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur gleich lautenden Bestimmung des UStG 1972 aus, dass sich dieser Begriff auf solche Verkehrsmittel beziehe, die den im seinerzeitigen Beförderungssteuergesetz, BGBl. Nr. 22/1953, genannten Beförderungsmittel ihrer Art oder Funktion nach gleichen. Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 des Beförderungssteuergesetzes sei der Beförderungssteuer "die gewerbsmäßige, entgeltliche Beförderung von Personen, Gepäck und Gütern im Inland auf Schienen- und Seilbahnen sowie mit Pferdefuhrwerken oder mit Kraftfahrzeugen" unterlegen. Nach der Judikatur seien bei der Prüfung der Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG 1972 neben den im Beförderungssteuergesetz bereits aufgezählten Verkehrsmitteln auch auf Grund des technischen Fortschrittes allenfalls neu entstehende Beförderungsmittel mit einzubeziehen, sofern sie ihrer Art oder Funktion nach den im Beförderungssteuergesetz genannten Beförderungsmittel gleichen. Diese Judikatur sei auch im Bezug auf den Begriff Verkehrsmittel ohne Einschränkung auf das UStG 1994 zu übertragen. Zu Gas- und Heißluftballonfahrten führen sie dann in Tz 30 aus, hiebei handle es sich nicht um Verkehrsmittel im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 12, da sie ihrer Art oder Funktion nach nicht den im seinerzeitigen Beförderungssteuergesetz genannten gleichen.
Es sei daher der Normalsteuersatz anzuwenden.
Diese Auffassung wird auch von Kolacny/Mayer sowohl zum
UStG 1972 (§ 10 Tz 39) als auch zum UStG 1994 (§ 10 Tz 39) vertreten.
Die belangte Behörde schloss sich der insofern einheitlichen
Auffassung in der Literatur an. Dieser von der belangten Behörde unter Berufung auf die dargestellte Literaturmeinung vertretenen Auffassung, es handle sich bei einem Heißluftballon nicht um ein Verkehrsmittel im Sinne dieser Bestimmung, ist zuzustimmen. Bereits nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch ist ein Gas- oder Heißluftballon nicht als "Verkehrsmittel" zu bezeichnen (vgl. Kranich/Siegl/Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, Tz 371 d zu § 10).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. September 1985, 84/15/0073, in dem er über eine sogenannte Sommerrodelbahn befunden hat, zur Frage, welche der Personenbeförderung dienende Einrichtungen unter dem Sammelbegriff "Verkehrsmittel" zu verstehen sind, unter Einbeziehung des Beförderungssteuergesetzes in die Betrachtung, dargelegt, dass sich die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG 1972 insbesondere auf die Personenbeförderung mit solchen Verkehrsmitteln bezieht, die den im Beförderungssteuergesetz genannten Beförderungsmitteln ihrer Art oder Funktion nach gleichen. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof keineswegs den Standpunkt vertreten, dass als Verkehrsmittel im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG 1972 nur jene Beförderungsmittel zu verstehen wären, mit denen eine nach dem Beförderungssteuergesetz steuerpflichtige Beförderung durchgeführt worden ist (also Deckungsgleichheit des Beförderungssteuergesetzes mit der zitierten Gesetzesbestimmung des Umsatzsteuergesetzes 1972), sondern klar zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber des Umsatzsteuergesetzes 1972 durch die Umschreibung "mit Verkehrsmitteln aller Art" neben den im Beförderungssteuergesetz bereits aufgezählten Verkehrsmitteln auch jene auf Grund des technischen Fortschrittes allenfalls neu entstehenden Beförderungsmittel erfassen wollte, sofern sie ihrer Art oder Funktion nach den im Beförderungssteuergesetz genannten Beförderungsmitteln gleichen. Diese vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Ansicht führt aber dazu, dass in den Fällen, in welchen die Begünstigungsvorschrift des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG 1972 für die Personenbeförderung mit anderen als im Beförderungssteuergesetz aufgezählten Verkehrsmitteln in Anspruch genommen wurde, zu prüfen ist, ob dieses Beförderungsmittel als Verkehrsmittel im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 19 UStG angesehen werden kann. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Sommerrodelbahn in dem genannten Erkenntnis ebenso verneint wie für einen in einem Gebäude befindlichen Aufzug (vgl. das Erkenntnis vom 16. Februar 1994, 93/13/0266). Diese Auffassung von einem Verkehrsmittel ist auch auf das UStG 1994 übertragbar. Vor diesem rechtlichen Hintergrund teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, dass es sich bei Gas- und Heißluftballons nicht um Verkehrsmittel im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG 1994 handelt.
Im Hinblick darauf ist nicht mehr darauf einzugehen, ob die belangte Behörde eine Personenbeförderung zutreffend verneint hat.
Die belangte Behörde hat daher auf die aus Fahrten mit Gas- und Heißluftballons erzielten Entgelte zutreffend nicht den ermäßigten Steuersatz nach § 10 Abs. 2 Z. 12 UStG 1994 angewendet.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 12. September 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999150086.X00Im RIS seit
23.12.2002Zuletzt aktualisiert am
16.05.2013