TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/12 2001/15/0158

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Veröffentlicht am 12.09.2002
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BAO §83;
ZustG §9 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2001/15/0156 E 12. September 2002 2001/15/0157 E 12. September 2002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der M GmbH in B, vertreten durch Dkfm. Hellfried Wagner, Wirtschaftsprüfer in 1060 Wien, Lehargasse 1, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 23. Juli 2001, Zl. 21101-26553/4-2001, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in einer Kommunalsteuerangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde B) zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.053,75 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem an die Beschwerdeführerin zu Handen der D. Wirtschaftsprüfung und Steuerberatungs-GmbH (im Folgenden: WT-GmbH) gerichteten Kommunalsteuerbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 19. Juli 2000 wurde gegenüber der Beschwerdeführerin Kommunalsteuer für das Jahr 1997 festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 21. August 2000 erhob die WT-GmbH "im Namen und im Auftrag unserer Mandantschaft" gegen den Kommunalsteuerbescheid vom 19. Juli 2000 (zugestellt am 24. Juli 2000) Berufung.

Über diese Berufung entschied die Gemeindevorstehung der mitbeteiligten Partei mit Berufungsentscheidung vom 20. April 2001. Mit der an die Beschwerdeführerin zu Handen der WT-GmbH ausgefertigten Berufungsentscheidung wurde die von der Beschwerdeführerin ("vertreten durch die WT-GmbH") eingebrachte Berufung betreffend die Festsetzung der Kommunalsteuer für das Jahr 1997 als unbegründet abgewiesen.

Gegen die Berufungsentscheidung vom 20. April 2001 erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die belangte Behörde. Die Vorstellung wurde mit Schriftsatz vom 11. Mai 2001 "im Namen und im Auftrag unserer Mandantschaft" von der WT-GmbH eingebracht. Eingangs wird in der Vorstellung ausgeführt, der im Betreff angeführte Bescheid vom 20. April 2001 sei am 3. Mai 2001 zugestellt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin, "vertreten durch WT-GmbH" gemäß § 80 Abs. 4 Salzburger Gemeindeordnung 1994 als verspätet eingebracht zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, entsprechend der Rechtsmittelbelehrung in der Berufungsentscheidung wäre die Vorstellung innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung einzubringen gewesen. Die Berufungsentscheidung sei "am 25. April 2001 nachweislich übernommen" worden. Demgemäss habe die Rechtsmittelfrist am 9. Mai 2001 geendet. Spätestens an diesem Tag hätte das Schriftstück mit dem Rechtsmittel der Vorstellung der Post zur Beförderung übergeben werden müssen. Die Vorstellung sei erst am 11. Mai 2001 verfasst und an diesem Tag der Post übergeben worden. Die Vorstellung sei daher als verspätet eingebracht anzusehen und zurückzuweisen.

Laut Zustellverfügung erging der angefochtene Bescheid an die Beschwerdeführerin, vertreten durch die WT-GmbH.

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die mit der Begründung der verspäteten Einbringung erfolgte Zurückweisung der am 11. Mai 2001 von der WT-GmbH eingebrachten Vorstellung. Unter Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 ZustellG wird in der Beschwerde geltend gemacht, dass die Zustellung erst als in dem Zeitpunkt als bewirkt anzusehen ist, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Die Berufungsentscheidung der mitbeteiligten Partei vom 20. April 2001 sei zwar an die Beschwerdeführerin, vertreten durch die WT-GmbH, adressiert gewesen, allerdings nicht an diese geschickt, sondern direkt an die Beschwerdeführerin zugestellt worden. "Dort" habe der Bescheid einen Eingangsstempel mit 25. April 2001 erhalten und sei an eine in München ansässige KG, von der die Buchhaltung geführt werde, weitergeleitet worden, wo er am 3. Mai 2001 (Datum des dortigen Eingangsstempels) eingelangt sei. Der Bescheid sei daraufhin am 4. Mai 2001 dem Geschäftsführer der WT-GmbH, der sich an diesem Tag zu Besprechungen in München aufgehalten habe, persönlich ausgehändigt worden. Frühestens mit der Übergabe dieses Bescheides an den Geschäftsführer der WT-GmbH sei die Zustellung im Sinne des § 9 Abs. 1 ZustellG als bewirkt anzusehen. Ausgehend von dieser Übergabe am 4. Mai 2001 könne die am 11. Mai 2001 eingebrachte Vorstellung nicht als verspätet zurückgewiesen werden. Da alle Bescheide der mitbeteiligten Partei an die WT-GmbH als Zustellungsbevollmächtigte gerichtet und auch an diese gesendet worden seien ("mit Ausnahme des letzten"), sei eindeutig, dass die mitbeteiligte Partei die WT-GmbH als Zustellungsbevollmächtigte registriert gehabt habe. Die Zustellung an die Beschwerdeführerin stelle einen Zustellmangel dar, der erst "mit der Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten" behoben worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ohne auf das Beschwerdevorbringen zur Frage der Zustellung der Berufungsentscheidung vom 20. April 2001 durch Aushändigung an den Geschäftsführer der WT-GmbH am 4. Mai 2001 einzugehen, meint die belangte Behörde in der Gegenschrift, eine rechtswirksame Bescheiderlassung (auch in Bezug auf den angefochtenen Bescheid) liege nicht vor. Aus den "gesamten Aktunterlagen" der mitbeteiligten Partei sei nämlich nicht ersichtlich, dass die WT-GmbH auch über eine "sogenannte schriftliche Zustellvollmacht" verfügt habe. Es sei von der die Rechtsmittel erhebenden WT-GmbH auch nicht im Geringsten dargetan worden, sich auf eine "mündliche Vollmacht mit Umfang einer Zustellvollmacht zu berufen". Daraus ergebe sich, dass in den vorangegangenen verwaltungsbehördlichen Verfahren eine Zustellvollmacht nicht bestanden habe. Insoweit sei die von der Beschwerdeführerin angezogene Bestimmung des § 9 Abs. 1 ZustellG für das gegenständliche Verfahren nicht anzuwenden. Die Zustellung einer Erledigung an eine Person, die "zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, entsprechend der Zustellverfügung vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten". Es sei daher auch "die als Vorstellungsbescheid intendierte Erledigung" rechtlich nicht existent geworden. Die Verwaltungsgerichtshofbeschwerde stelle sich damit als gegen einen rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid gerichtet dar. Es werde deshalb der Antrag gestellt, die Beschwerde kostenpflichtig "abzuweisen".

Zu diesem Vorbringen ist grundsätzlich zu sagen, dass sowohl die mitbeteiligte Partei bei Erlassung ihrer Bescheide als auch die belangte Behörde im Rahmen der Abfassung des angefochtenen Bescheides keine Bedenken am Bestehen eines Vollmachtsverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und der WT-GmbH gehegt hat. Der in der Gegenschrift vertretenen Meinung der belangten Behörde, die Zustellung hätte nach der Aktenlage nicht an die WT-GmbH erfolgen dürfen, kann nicht gefolgt werden. Eine an einen Rechtsvertreter erteilte Vollmacht umfasst nämlich im Allgemeinen - wenn diese nicht, wie beispielsweise in dem von der belangten Behörde in der Gegenschrift erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1995, 93/17/0318, konkret gestrichen wird - auch eine Zustellungsbevollmächtigung im Sinne des § 9 Abs. 1 ZustellG, ohne dass sich der Vertreter darauf gesondert berufen müsste (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1995, 92/17/0234, mwN, sowie den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 1994, 94/14/0104). Die Ausführungen in der Gegenschrift bieten daher keinen Anhaltspunkt dafür, dass von einer fehlenden rechtlichen "Existenz" der im Verwaltungsverfahren erlassenen Bescheide ausgegangen werden könnte.

Im Übrigen zeigt das Beschwerdevorbringen eine wesentliche Verfahrensverletzung durch den angefochtenen Bescheid auf. Die belangte Behörde hätte nämlich der Beschwerdeführerin zur Frage der rechtzeitigen Einbringung der Vorstellung vom 11. Mai 2001 Parteiengehör gewähren müssen. In der Vorstellung wurde als Zustellungsdatum für die Berufungsentscheidung vom 20. April 2001 ausdrücklich der 3. Mai 2001 genannt. Damit lag aber offenkundig eine Diskrepanz mit dem sich aus der Aktenlage zu ergeben scheinenden Zustellungsdatum 25. April 2001 vor, die der Klärung bedurft hätte. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass der in den vorgelegten Verwaltungsakten vorhandene Rückschein über die Zustellung der Berufungsentscheidung vom 20. April 2001 zwar eine Übernahmsbestätigung vom 25. April 2001 ausweist, die offensichtlich von einem Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin mit dem Zusatz "Reception" unterfertigt ist, sodass auch insoweit Zweifel an einer tatsächlichen Zustellung an die (auch auf dem Rückschein als Zustellungsbevollmächtigte mit ihrer Adresse aufscheinende) WT-GmbH bestehen mussten.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II 501/2001, wobei die Beträge nach § 3 Abs. 2 Z 2 EuroG, BGBl. I Nr. 72/2000, in Euro auszudrücken waren.

Wien, am 12. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001150158.X00

Im RIS seit

13.12.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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