TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/13 2000/12/0222

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Veröffentlicht am 13.09.2002
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

BDG 1979 §14 Abs1 idF 1995/820;
BDG 1979 §14 Abs3;
PG 1965 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ sowie Senatspräsident Dr. Höß und Hofrat Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Julcher, über die Beschwerde des G in P, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien I., Kohlmarkt 11, gegen den Bescheid des beim Vorstand der Österreichischen Post Aktiengesellschaft eingerichteten Personalamtes vom 6. Juni 2000, Zl. 114125 - HC/00, betreffend Versetzung in den Ruhestand (§ 14 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1966 geborene Beschwerdeführer steht als Offizial in Ruhe auf Grund des angefochtenen Bescheides seit 1. Juli 2000 in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Bund. Er war zuletzt beim Postamt T. als Paketzusteller auf einem Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe PT 8 tätig.

Am 6. Februar 1999 stürzte der Beschwerdeführer beim Schifahren und zog sich laut Diagnose des Unfallkrankenhauses L. (in der Folge UKH) einen Bruch der Zwischenknorrenerhebung am linken Kniegelenk sowie eine Fissur im Bereich des inneren Schienbeinknochens links zu. Der Bruch der Zwischenknorrenerhebung wurde operativ versorgt. Der Beschwerdeführer wurde (laut Krankengeschichte des UKH vom 12. Oktober 1999) am 12. Februar 1999 "mit 2 Stützkrücken ohne Belastung des linken Beines mobilisiert mit einer Schaumstofforthese in häusliche Pflege entlassen." In der Folge wurde eine Bewegungstherapie bis 19. März 1999 durchgeführt. Am 27. April 1999 wurde das Osteosynthesematerial während eines neuerlichen stationären Aufenthalts im UKH (in der Zeit vom 26. bis 29. April 1999) entfernt und der Beschwerdeführer in der Folge mit zwei Stützkrücken unter Teilbelastung des linken Beines entlassen. Es erfolgte weiterhin eine Physiotherapie. In der Zeit vom 7. bis 28. Juli 1999 befand sich der Beschwerdeführer im Rehabilitations-Zentrum A. In der Folge stand er unter Kontrolle des UKH. Laut einem im Zuge der Nachbehandlung erstellten Röntgenbefund des UKH (von Anfang Oktober 1999) ist die "Fraktur der Eminentia intercondylica ... stufenlos knöchern verheilt. Es besteht eine Strukturauflockerung im Bereich des Epicondylus medialis, möglicherweise nach altem knöchernen Seitenbandausriss."

Da sich der Beschwerdeführer ab 8. Februar 1999 (bis zu seiner Ruhestandsversetzung) im "Krankenstand" befand, wurden mehrere postanstaltsärztliche Untersuchungen durchgeführt (11. August, 10. September, 5. November 1999).

In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich auch ein vom zuständigen Bundessozialamt an den Beschwerdeführer gerichtetes Schreiben vom 22. November 1999, in dem er aufgefordert wird, zu den Ergebnissen des ärztlichen Beweisverfahrens, das auf Grund seines Antrages vom 10. September 1999 betreffend die Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Personen im Sinn des § 2 BEinstG durchgeführt worden sei, Stellung zu nehmen. Darin werden die Gesundheitsschädigungen "1. Zustand nach Seitenbandruptur linkes Kniegelenk" und "2. Vorderer und hinterer Kreuzbandschaden li. Kniegelenk" jeweils mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. und die (gesamte) Funktionsbeeinträchtigung gleichfalls mit 30 v.H. eingestuft (weil der Grad der Behinderung für das führende unter 1.) angeführte Leiden durch die Gesundheitsschädigung unter 2.) nicht weiter gesteigert werde).

In der Folge wurde der Facharzt für Unfallchirurgie und allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige Dr. B. von der Direktion L. unter Übermittlung eines Anforderungsprofils für die Tätigkeit des Beschwerdeführers und einer Abschrift der Krankengeschichte des UKH mit der Erstellung eines "Leistungskalküls" betraut, wobei auf die "telefonische Vereinbarung des Untersuchungstermins am 7. Dezember 1999" hingewiesen wurde. Das Auftragsschreiben der Direktion ist undatiert.

In seinem mit "1999-02-04" datierten Schreiben wies Dr. B. eingangs darauf hin, dass der Beschwerdeführer "heute zur Überprüfung, welche Tätigkeit er nach dem Unfallereignis vom 6.2.1999 noch ausüben kann," gekommen sei. Derzeit sei er als Paketzusteller tätig. Das Schreiben gliedert sich in die Abschnitte "Vorgeschichte", "subjektive Beschwerden" sowie "Untersuchungsbefund vom 7.12.1999" und "Gutachten". Das "Gutachten" lautet nach Wiedergabe der bisherigen Behandlung des Beschwerdeführers (Anmerkung: mit dem Ausdruck Angestellter bzw.

Versicherter ist der Beschwerdeführer gemeint):

     "Subjektiv gibt er an, dass er beim Stiegensteigen Schmerzen

habe an der Patellaspitze, ansonsten keine Beschwerden.

     Diagnose:

     Bruch der Zwischenknorrenerhebung am linken Schienbein

     Fissur am inneren Schienbeinknorren.

     Bei der heutigen Untersuchung konnte ich feststellen:

     Geringe Schwellung im Bereich der Fesselgegend, etwas

verstrickte Kniegelenkskonturen, reaktionslose Narben im Bereich über dem Kniegelenk, Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur, Bewegungseinschränkung am linken Kniegelenk, geringe Gangstörung.

Beurteilung:

Die bei der heutigen Untersuchung festgestellten Veränderungen sind auf das Unfallgeschehen vom 6.2.1999 zurückzuführen. Der Angestellte kann auf Grund der festgestellten Veränderungen sämtliche leichte und mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen, Gehen und Stehen durchführen unter Einhaltung der üblichen Arbeitspausen bei einem 8-Stunden-Tag und einer 40-Stunden-Woche. Ausgeschlossen sind auch Arbeiten, die mit längerem Gehen verbunden sind, sowie Arbeiten, bei denen er in knieender oder hockender Körperhaltung arbeiten muss. Ausgeschlossen sind auch Arbeiten, wo er häufig vom Boden aus Pakete aufheben muss und er dabei in knieender oder hockender Körperhaltung gehen muss. Auszuschließen ist auch das Heben und Tragen von schweren Gegenständen. Am zweckmäßigsten wäre es für den Versicherten, wenn er eine Tätigkeit durchführt überwiegend in sitzender Körperhaltung. Dies begründe ich damit, dass wohl derzeit keine Zeichen einer Sekundärschädigung wie Arthrose am Kniegelenk vorhanden sind, aber die Entstehung solcher nicht völlig ausgeschlossen ist in Zukunft. Da es sich um einen jungen Angestellten handelt, ist es zweckmäßig, eine Umschulung auf einen Beruf mit mehr sitzender Tätigkeit durchzuführen."

In der "Postanstaltsärztlichen Feststellung" vom 17. Dezember 1999 wies der Anstaltsarzt der Direktion L. (handschriftlich) auf die Beurteilung des Facharztes hin und empfahl gleichfalls eine Umschulung des Beschwerdeführers (Innendienst, Schalterdienst). Im Kopf des dafür verwendeten Formulars findet sich der maschinschriftliche Zusatz:

"Pensionsfall !!!!!!" Von wem und wann dieser Zusatz angebracht wurde, geht aus dem Aktenteil nicht hervor.

Unter Hinweis auf die postanstaltsärztliche Feststellung vom 17. Dezember 1999 (auf Grund der Knieprobleme könne der Beschwerdeführer schwere Arbeiten (z.B. Pakete vom Boden aufheben, schwere Lasten tragen) nicht mehr ausführen; Empfehlung einer Umschulung (Innendienst, Schalterdienst)) ersuchte ein Organwalter der Direktion L. um Feststellung, ob dem Beschwerdeführer ein den postanstaltsärztlichen Feststellungen entsprechender Arbeitsplatz zugewiesen werden könne. Dies wurde von verschiedenen Untereinheiten der "Personalverteilung" (ohne nähere Angaben) am 28. Jänner 2000 verneint.

In der Folge legte die Direktion L. unter Hinweis auf ihre Ermittlungen mit Schreiben vom 22. März 2000 die zur Überprüfung der Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers erforderlichen Unterlagen der belangten Behörde vor. Die Zustimmungserklärung (zur Ruhestandsversetzung) sei (vom Beschwerdeführer) nicht unterschrieben worden.

Die belangte Behörde holte ein Gutachten ihres Amtsachverständigen Dr. G. ein. In seinem Gutachten vom 3. April 2000 stützte sich Dr. G. u.a. auf die Krankengeschichte des UKH vom 12. Oktober 1999 und vom 10. Jänner 2000 sowie auf die von der Direktion eingeholten Unterlagen "Dr. Baur vom 24.2.99 (und) Dr. Kemeny vom 17.12.99." Dr. G. ging von folgender "Diagnose" aus:

" Bruch der Zwischenknorrenerhebung am linken Schienbein und Fissur am inneren Schienbeinknorren mit Osteosynthese am 6.2.1999;

Metallentfernung 26.4. - 29.4.99"

     Auf Grund aussagefähiger Vorbefundungen könne von einer

persönlichen Begutachtung Abstand genommen werden.

     Er kam zu folgendem "Gutachten":

     Bei dem 33-jährigen Bediensteten handelt es sich um

Knieschmerzen links, welche hauptsächlich beim Stiegensteigen auftreten und seit einem Schiunfall mit Knochenbruch im Bereich des Schienbeinkopfplateaus links am 6.2.1999 bestehen. Die Bruchstücke wurden primär offen reponiert und mit einer Cerclage fixiert. Der Wundheilungsverlauf verlief komplikationslos, die Fraktur ist knöchern und stufenlos durchbaut, die Mobilisierung und spätere stationäre Rehabilitation erbrachten jedoch keine vollkommen beschwerdefreie Wiederherstellung der Kniegelenksfunktion. Eine Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk mit Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur und geringer Gangstörung liegt weiterhin vor.

Insgesamt besteht trotz zahlreicher Therapien keine Aussicht auf eine dauerhafte Wiederherstellung der vollen Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Bediensteten."

Der Beschwerdeführer könne aus medizinischer Sicht - bezogen auf die Arbeitsplatzanforderungen unter Zugrundelegung der Angaben im Anforderungsprofil (in diesem war für die Beschäftigung als Paketzusteller u.a. die körperliche Beanspruchung als schwer, die Arbeitshaltung mit überwiegend Stehen und Gehen, die Hebe- und Trageleistungen mit ständig leicht und mittelschwer (letzteres bedeutet Anheben von Gegenständen mit einem Maximalgewicht von 25 kg und /oder Tragen von Gegenständen mit einem Maximalgewicht von 15 kg) sowie häufiges Treppensteigen angegeben worden) und im Erhebungsbogen - seine dienstlichen Aufgaben nicht mehr erfüllen, weil

"schwere körperliche Belastungen mit überwiegendem Stehen und Gehen und fallweiser schwerer Hebe-Tragleistung und häufigem Treppensteigen dem Bediensteten nicht mehr möglich sind."

Der Beschwerdeführer könne aus medizinischer Sicht noch folgende Tätigkeiten ausüben:

"körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in dynamischer abwechselnder Körperhaltung, fallweise leichte bis mittelschwere Hebe- Tragleistung, Tag- und/oder Nachtdienst, Computerarbeit, Bücken und Strecken, kein Treppensteigen, Kundenverkehr, auch Tätigkeit in einer Arbeitsgruppe oder weitgehend isolierte Tätigkeiten, kein längeres Gehen, keine knieende oder hockende Arbeitshaltung."

Nach der Aktenlage wurde die Personalverteilung am 27. April 2000 von der Direktion L. neuerlich befragt, ob dem Beschwerdeführer ein gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden könne, der dem Leistungskalkül entspreche. Dies wurde von vier Unterabteilungen ("B 1 - B 4") (ohne nähere Angaben) verneint.

Laut der (von einem Organwalter der Direktion L. aufgenommenen) Niederschrift vom 28. April 2000 nahm der Beschwerdeführer in das Amtsachverständigengutachten vom 3. April 2000 Einsicht, stimmte vollinhaltlich zu und stellte ergänzend fest, dass laut Aussage des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. T. in den nächsten Monaten eine neuerliche Operation - die Kniescheibe "stecke" infolge Verwucherung - notwendig sei. (Der Zusatz "(Arztschreiben beiliegend)" ist in einem Exemplar dieser Niederschrift handschriftlich durchgestrichen; in einem anderen Exemplar findet sich diese Streichung nicht. In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten liegt der erwähnte Arztbrief nicht auf). Bis zu diesem Zeitpunkt sei er weiterhin im Krankenstand. Ein gleichwertiger Arbeitsplatz, dessen Aufgaben er erfüllen könne, sei "laut Aussage der Personalverteilung" nicht vorhanden.

Die Niederschrift wurde der belangten Behörde mit dem Bemerken übermittelt, dass dem Beschwerdeführer kein gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden könne.

Mit Schreiben vom 9. Mai 2000 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, er könne laut Gutachten von Dr. G. seine dienstlichen Aufgaben als Paketzusteller beim Postamt T. nicht mehr erfüllen. Ein anderer gleichwertiger Arbeitsplatz, der er auf Grund seines Gesundheitszustandes noch besorgen könne, könne ihm nicht zur Verfügung gestellt werden. Es werde daher seine Versetzung in den Ruhestand nach § 14 Abs. 1 BDG 1979 zum nächstmöglichen Zeitpunkt in Aussicht genommen. Es werde ihm die Gelegenheit gegeben, hierzu innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt dieses Schreibens Stellung zu nehmen.

Der Beschwerdeführer gab hiezu keine Stellungnahme ab.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Juni 2000 versetzte die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 30. Juni 2000 in den Ruhestand. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, nach dem Gutachten des Amtsachverständigen Dr. G. vom 3. April 2000 könne der Beschwerdeführer auf Grund seiner gesundheitlichen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben als Paketzusteller beim Postamt T. nicht mehr erfüllen, weil ihm Tätigkeiten mit schwerer körperlicher Belastung mit überwiegendem Stehen und Gehen und fallweiser schwerer Hebe- und Trageleistung sowie häufigem Treppensteigen nicht mehr möglich seien. Ein anderer gleichwertiger Arbeitsplatz, den er auf Grund seines Gesundheitszustandes noch besorgen könne, könne ihm im Bereich der Dienstbehörde nicht zur Verfügung gestellt werden. Die ärztlichen Ausführungen seien schlüssig. Nach dem vorliegenden Beweisergebnis sei er dienstunfähig. Von der ihm mit Schreiben vom 9. Mai 2000 gebotenen Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme habe er keinen Gebrauch gemacht. Es sei daher seine amtswegige Ruhestandsversetzung zu verfügen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Nach § 14 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 idF BGBl. Nr. 820/1995, ist der Beamte von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist.

Abs. 3 dieser Bestimmung (Stammfassung) lautet:

"(3) Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm im Wirkungsbereich seiner Dienstbehörde kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse billigerweise zugemutet werden kann."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die "Dienstunfähigkeit" ein Rechtsbegriff. Die Beurteilung obliegt, insbesondere auf Grund von ärztlichen Sachverständigengutachten, der Dienstbehörde.

Der Beamte ist dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen kann (medizinischer Aspekt) und kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz im Bereich seiner Dienstbehörde vorhanden ist, dessen Aufgabe er erfüllen kann und dessen Ausübung ihm billiger Weise zugemutet werden kann (Vergleichsaspekt). Die Frage der Dienstunfähigkeit ist - anders als die Frage der Erwerbsunfähigkeit -- unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben am (zuletzt innegehabten) Arbeitsplatz bzw. die Möglichkeit der Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes zu lösen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Februar 1997, Zl. 96/12/0242 = VwSlg. NF Nr. 14.625/A, und vom 28. April 2000, Zl. 99/12/0352).

2. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf richtige Beurteilung der § 14 Abs. 1 BDG 1979 im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit seiner Dienstunfähigkeit und in seinem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens verletzt.

3.1. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt er im Wesentlichen vor, dem angefochtenen Bescheid liege für die Beurteilung seiner Dienstunfähigkeit ein mangelhaftes Gutachten des Amtsachverständigen Dr. G. zugrunde.

3.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass das in diesem Zusammenhang erstmals in der Beschwerde erstattete umfangreiche Vorbringen - von einem Einwand abgesehen (siehe dazu unter 4.1. und 4.2.) - eine nach § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung ist. Dem Beschwerdeführer wurde nämlich - was er nicht bestritten hat - im Verwaltungsverfahren dieses (nunmehr von ihm kritisierte) Gutachten zur Kenntnis gebracht. Er hat diesem Gutachten laut der (von einem Organwalter der Dienstbehörde erster Instanz erstellten) Niederschrift vom 28. April 2000 ausdrücklich zugestimmt und auch zum späteren Vorhalt der belangten Behörde vom 9. Mai 2000, in dem auf das Ergebnis dieses Gutachtens und dessen Bedeutung für die beabsichtigte Ruhestandsversetzung hingewiesen wurde, keine Stellungnahme abgegeben. Damit stand es ihm aber im Verwaltungsverfahren offen, sich zu diesem Gutachten des Amtsachverständigen Dr. G. kritisch zu äußern und dessen vermeintliche Schwachstellen aufzuzeigen, Einsichtnahme in die dort erwähnten Vorbefunde (des Facharztes Dr. B. und des Anstaltsarztes Dr. K.) oder deren Vorlage zu verlangen und allenfalls seinen Standpunkt mit einem Gegengutachten zu untermauern. Besondere Gründe, warum ihm dies im Verwaltungsverfahren nicht möglich gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Bemerkt wird, dass im Übrigen der Amtsachverständige Dr. G. - entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers - jene Vorbefunde genannt hat, auf die er sich stützte (insbesondere auch das des Facharztes Dr. B., das er - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - seinem Gutachten "augenscheinlich" zugrunde gelegt hat). Auch trifft die Behauptung, dass das Gutachten Dris. B. bereits ca. 3 Wochen nach dem Unfall (vom 6. Februar 1999) erstellt worden und die darauf gestützte Annahme, dass der weitere Krankheitsverlauf völlig unberücksichtigt geblieben sei, nicht zu. Zwar ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass sowohl Dr. B. sein Gutachten falsch datiert hat ("1999-02-04") als auch der Amtsachverständige dafür ein unrichtiges Datum ("24.2.1999") anführt. Beide Datierungen sind aber offenkundig unrichtig (was nicht für die Sorgfalt der Gutachtenserstellung spricht). Die Fehldatierung hätte aber dem Beschwerdeführer bekannt sein müssen, beruht doch das Gutachten Dris. B auf seiner erst am 7. Dezember 1999 von diesem Arzt durchgeführten persönlichen Untersuchung, worauf auch im Gutachten ausdrücklich hingewiesen wird. Außerdem nimmt Dr. B. in der Darstellung der "Vorgeschichte" des Unfalls zuletzt auf einen ihm vorgelegten Befund des UKH vom 13. September (1999) Bezug. Dass es noch ein anderes (früheres) Gutachten Dris. B. gebe oder die Untersuchung bei Dr. B. nicht oder zu einem anderen Zeitpunkt stattgefunden habe, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet; dafür gibt es auch nach den vorgelegten Akten nicht den geringsten Anhaltspunkt. Damit kann das Gutachten Dris. B. aber (und zwar auch für den Beschwerdeführer erkennbar) frühestens vom 7. Dezember 1999 stammen, sodass seine darauf gestützte (Folge)Annahme verfehlt ist. Abgesehen davon, dass ein Gutachten, das auf Grund der Aktenlage (wie jenes des Amtsachverständigen) erstellt wurde, nicht (von vornherein) gesetzwidrig ist, teilt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall auf Grund der vorliegenden Vorbefunde und nicht zuletzt wegen der oben erwähnten am 7. Dezember 1999 stattgefundenen persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers eine neuerliche persönliche Untersuchung durch den Amtssachverständigen nicht zwingend geboten war. Soweit sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde zum Beweis der Unrichtigkeit des Gutachtens des Amtsachverständigen Dr. G. auf zwei im Zusammenhang mit dem Unfall vom 6. Februar 1999 für einen Versicherungsstreit erstellte Gutachten des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. Sch. beruft, hat er dessen erstes Gutachten vom 3. September 1999 im Verwaltungsverfahren nicht vorgelegt; das zweite Gutachten Dris. Sch. stammt vom 26. Juli 2000 und damit einem Zeitpunkt nach Erlassung des angefochtenen Bescheides. Dazu kommt, dass die dort vorgenommene vergleichsweise geringe Einschätzung der Folgewirkungen des Unfalls auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit (für die ersten 2 Jahre ab dem Unfall mit 20 vH, darüber hinaus mit 10 vH) ausdrücklich "auf den allgemeinen Arbeitsmarkt" bezogen sind, während es bei der Dienstunfähigkeit auf die Anforderungen des letzten konkreten Arbeitsplatz (bzw. die Anforderungen eines gleichwertigen Ersatzarbeitsplatzes) ankommt.

4.1. Der Beschwerdeführer hat aber in der bereits erwähnten Niederschrift vom 28. April 2000 auf die Aussagen des Facharztes für Unfallchirurgie Dr. T. über die Erforderlichkeit einer neuerlichen Operation hingewiesen. Seiner Beschwerde hat der Beschwerdeführer ein Schreiben von Dr. T. vom 15. März 2000 beigelegt, in dem zur Verminderung der Unfallfolgen eine athroskopische Operation (Entfernung des Verwachsungsgewebes rund um die Kniescheibe und im vorderen Kniegelenksanteil) angeraten wird, die zu einer Verbesserung der Beweglichkeit des Knies und auch zu einer besseren Beweglichkeit der Kniescheibe und dadurch zu einem Rückgang der Schmerzen führen werde. In diesem Zusammenhang bringt der Beschwerdeführer vor, dass sich der Amtsachverständige nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob sich nicht durch diese Operation eine (dauerhafte) Besserung seines Gesundheitszustandes herbeiführen lasse.

4.2. Dieser Einwand ist berechtigt. Auch wenn nach der Aktenlage unklar ist, ob dem Hinweis des Beschwerdeführers auf eine Operation in der der belangten Behörde vorgelegten Niederschrift vom 28. April 2000 eine Äußerung des Facharztes Dr. T. angeschlossen war oder nicht, hätte die belangte Behörde im Hinblick auf die sie nach § 8 Abs. 1 DVG treffende Pflicht, im Dienstrechtsverfahren die zum Vorteil und Nachteil der Partei dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen, diesem Hinweis nachgehen, allenfalls vom Beschwerdeführer die Vorlage der Äußerung von Dr. T. anfordern und in der Folge ihren Amtsachverständigen damit befassen müssen. Es kann nämlich nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass sich daraus Auswirkungen für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben könnten, die zu einem anderen Verfahrensergebnis (hier: Abstandnahme von der amtswegigen Versetzung in den Ruhestand) hätte führen können.

5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Was das Fehlen eines geeigneten (Ersatz)Arbeitsplatzes im Sinn des § 14 Abs. 3 BDG 1979 betrifft - der Beschwerdeführer selbst hat diesbezüglich trotz gebotener Möglichkeit im Verwaltungsverfahren nichts vorgebracht, sodass auch seine in diesem Zusammenhang erstmals in der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen (soweit sie nicht von vornherein unzutreffend sind, weil sie von den an die Klärung des Begriffes "dauernde Erwerbsunfähigkeit" im Sinn des § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung vor dem Pensionsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 86, gestellten Anforderungen ausgehen, auf die es im Beschwerdefall aber nicht ankommt) als unbeachtliche Neuerung nach § 41 VwGG anzusehen sind -

weist der Verwaltungsgerichtshof aus Gründen der Verfahrensökonomie darauf hin, dass die von der belangten Behörde getroffene lapidare Feststellung, dass kein geeigneter (Ersatz)Arbeitsplatz im Sinn des § 14 Abs. 3 BDG 1979 vorhanden ist, keine nachprüfende Kontrolle zulässt. Darauf wird im fortgesetzten Verfahren ebenso Bedacht zu nehmen sein (vgl. zur in diesem Zusammenhang gebotenen Vorgangsweise die hg. Erkenntnisse vom 28. April 2000, Zl. 99/12/0352, sowie vom 20. Februar 2002, Zl. 2001/12/0237) wie auf die in der Zwischenzeit eingetretene Änderung der Rechtslage (vgl. dazu § 14 Abs. 4 und Abs. 8 BDG 1979 idF des Art. 1 Z. 6a und 6b sowie die Übergangsbestimmung des § 240 idF des Art. 1 Z. 31a des Deregulierungsgesetzes - Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119).

7. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und § 49 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem § 3 Abs. 2 anzuwendenden Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. Die im Betrag von

S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war mit EUR 181,68 festzusetzen.

Wien, am 13. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000120222.X00

Im RIS seit

21.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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