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19/05 Menschenrechte;Norm
MRK Art8 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des GB in Klagenfurt, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 26. September 2001, Zl. 1W-PERS-637/7-2001, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers - eines indischen Staatsangehörigen - auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und den damit verbundenen Antrag auf Erstreckung der Staatsbürgerschaft auf seine Ehegattin und auf die drei gemeinsamen mj. Kinder gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.
Der Beschwerdeführer verfüge seit 1989 über einen ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich. Laut Bericht der Bundespolizeidirektion Klagenfurt vom 26. September 1995 lägen folgende Vormerkungen vor:
"a) Strafverfügung vom 7.11.1991 - 2x § 103 (1) zu 7 (1) KFG i. V. 4 (4) KTV; 103 (1) zu 2 (2) KFG; 103 (5) KFG - 2x S 400,-- und 2x S 200,--;
b)
Strafverfügung vom 18.12.1991 - 8IX (1) 3 EGVG - S 1.000,--
c)
Strafverfügung vom 24.12.1991 - § 103 (1) 3 KFG - S 1.500,--
d)
Strafverfügung vom 19.9.1994 - § 52a StVO - S 800,--."
1999 sei neuerlich ein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Dabei habe sich ergeben, dass wiederum einige Gesetzesübertretungen begangen worden seien; im Einzelnen habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten angeführt:
"a) §§ 81 (1) (Störung der öffentl. Ordnung) und 82 (1) SPG (aggressives Verhalten gegenüber Organen der öffentl. Aufsicht oder gegenüber Militärwachen) - 2 x S 700,--;
b)
§ 76 (1) StVO (Verhalten als Fußgänger) - S 500,--;
c)
§ 82 (1) i.V.m. 99 (3) lit.d StVO - S 330,--;"
Damit habe der Beschwerdeführer in den letzten Jahren nicht weniger als 7 x gegen verwaltungsstrafrechtliche Vorschriften verstoßen und sich auch durch wiederholte Bestrafungen, die ihm den Unrechtsgehalt seines Verhaltens deutlich vor Augen geführt hätten, nicht von seinem Verhalten abbringen lassen. Diese Verurteilungen ließen "für die Staatsbürgerschaftsbehörde die vom Gesetz her erforderliche bejahende Einstellung zur Republik Österreich unter Achtung seiner Gesetze vermissen und lässt befürchten, dass auch in Zukunft wesentliche Rechtsvorschriften missachtet werden". Daran könne auch das Wohlverhalten seit dem Jahre 1999 nichts ändern. Unerheblich sei auch, ob es zu den rechtskräftigen Verurteilungen aus dem Jahr 1998 auf Grund eines Vorfalles oder auf Grund verschiedener Vorfälle gekommen sei; dies sei für die Bewertung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers nicht relevant. Als besonders gravierend seien die Übertretungen der §§ 81 Abs. 1 und 82 Abs. 1 SPG zu werten, weil sie eklatante Missachtungen von Gebotsnormen darstellten, die Rückschlüsse auf das Charakterbild des Beschwerdeführers zuließen. Besonders ungünstig bei der Gesamtbeurteilung sei (auch) der Umstand, dass es dem Beschwerdeführer auf Grund von vier Verwaltungsübertretungen in den Jahren 1991 bis 1994 - die seinerzeit einer Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegengestanden hätten - hätte bewusst sein müssen, dass er sich vollinhaltlich an die österreichische Rechtsordnung zu halten habe. Auf Grund der erwähnten Gesetzesübertretungen und der daraus ableitbaren negativen Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung, welche auch in Zukunft keine Gewähr für ein Wohlverhalten erwarten lasse, sei somit die Einbürgerungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht gegeben.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde im Rahmen des von ihr der Entscheidung zugrunde gelegten Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG ausdrücklich den ersten Fall dieser Bestimmung, nämlich die bejahende Einstellung zur Republik Österreich, angesprochen hat, sei zunächst klarstellend darauf hingewiesen, dass dieser erste Fall des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG die politische Gesinnung eines Einbürgerungswerbers vor Augen hat und dass dieser Fall (nur) gewährleisten soll, dass nicht Personen mit antidemokratischer Einstellung in den österreichischen Staatsverband aufgenommen werden (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2001/01/0120). Dass bezüglich des Beschwerdeführers insoweit Bedenken vorlägen, wird von der belangten Behörde freilich nicht ins Treffen geführt. Der Sache nach vertritt sie vielmehr die Ansicht, es liege im Hinblick auf die festgestellten Verwaltungsübertretungen der zweite Fall des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vor; der Beschwerdeführer biete also keine Gewähr dafür, dass er weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährde.
Wie die belangte Behörde richtig erkannte, kann im Rahmen des § 10 Abs. 1 Z 6 (zweiter Fall) StbG grundsätzlich jedes Fehlverhalten - entsprechendes Gewicht vorausgesetzt - relevant sein. Es spielt keine Rolle, ob dieses Fehlverhalten von den Gerichten oder von den Verwaltungsbehörden zu ahnden war und ob es sich um eine Angelegenheit der allgemeinen Sicherheitspolizei oder einer speziellen Verwaltungspolizei handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2002, Zl. 2000/01/0356). Entscheidend ist das Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches wesentlich durch das sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt wird. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluss rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung oder andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte Rechtsgüter erlassene Vorschriften missachten.
Der angefochtene Bescheid enthält zur Frage, ob die für das Vorliegen des Verleihungshindernisses gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG erforderlichen, eben dargestellten, Kriterien erfüllt sind, keine ausreichenden Feststellungen. Die belangte Behörde beschränkte sich bezüglich der für ihre Entscheidung als maßgeblich erachteten Verwaltungsübertretungen auf eine Wiedergabe der jeweils übertretenen Norm und auf die Angabe der verhängten Strafe, ohne auch nur ansatzweise Feststellungen über das den verwaltungsrechtlichen Bestrafungen jeweils zu Grunde liegende strafbare Verhalten zu treffen. Eine Beurteilung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers ist daher nicht möglich, noch weniger kommt eine - auf der Grundlage dieses Gesamtverhaltens zu erstellende - Prognose über das künftige Verhalten des Beschwerdeführers in Betracht (vgl. zum Erfordernis detaillierter Feststellungen über die gesetzten Tathandlungen etwa die hg. Erkenntnisse vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0341, oder vom 18. April 2002, Zl. 2000/01/0487). Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung ist es bei Würdigung des Gesamtverhaltens insbesondere auch von Bedeutung, ob den rechtskräftigen Bestrafungen ein Vorfall zu Grunde liegt oder ob sie auf mehreren verschiedenen Vorfällen beruhen. Keinesfalls kann allein aus dem festgestellten 7-maligen Verstoß gegen verwaltungsstrafrechtliche Vorschriften innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren gefolgert werden, dass bezüglich des Beschwerdeführers zwingend eine negative Prognose zu treffen sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0135).
Nach dem Gesagten vermögen die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen den bekämpften Bescheid nicht zu tragen. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Neben der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war die Beibringung weiterer Bundesstempelmarken nicht erforderlich, weshalb das auf Ersatz derselben gerichtete Begehren in Höhe EUR 57,41(S 790,--) abzuweisen war.
Wien, am 17. September 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001010513.X00Im RIS seit
07.11.2002