Norm
StGB §2 ARechtssatz
1.) Für die Frage, ob sich eine erwachsene Person durch bloße Nichthinderung des Beischlafes eines Mannes mit einem noch nicht vierzehnjährigen Mädchen des Verbrechens der Notzucht nach dem § 127 StG (nunmehr § 206 StGB) in der Erscheinungsform der Beihilfe (im Sinne des § 5 StG) schuldig macht, kommt es auf die besonderen Umstände des Falles an, insbesondere das Naheverhältnis der erwachsenen Person zur Unmündigen, das sexuelle Vorleben der letzteren, das Milieu, Art und Maß eines allfälligen Autoritätsverhältnisses der älteren gegenüber der jüngeren Person und schließlich auch auf die Zumutbarkeit eines aktiven Eingreifens der älteren Person gegenüber einem unsittlichen Verhalten der jüngeren. Alle diese Umstände spielen auch für die Abgrenzung zwischen der Begehung eines Verbrechens der Notzucht durch Beihilfe (nach den §§ 5, 127 StG) und der Vorschubleistung zu einem Verbrechen nach dem § 127 StG (nunmehr § 206 StGB) durch boshafte Unterlassung der Verhinderung im Sinne des § 212 StG (nunmehr § 286 StGB) eine Rolle.
2.) Die Tatsache allein, daß ein unmündiges Mädchen mit Wissen seiner Eltern bei seiner verheirateten Schwester in deren Wohnung übernachtet, weil sich die ältere Schwester fürchtet, in dieser Wohnung allein über Nacht zu bleiben, begründet an sich kein solches Autoritätsverhältnis, daß darnach, oder im Hinblick auf das Ingerenzprinzip, die ältere Schwester verpflichtet wäre, über die sittliche Haltung ihrer jüngeren Schwester während dieser Zeit zu wachen.
Entscheidungstexte
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1969:RS0089277Dokumentnummer
JJR_19690326_OGH0002_0120OS00210_6800000_002