TE Vfgh Erkenntnis 2007/12/13 B588/07 ua

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Veröffentlicht am 13.12.2007
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7400 Fremdenverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Sbg TourismusG 2003 §38 Abs3
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Vorschreibung vonTourismusbeiträgen aufgrund der verfassungswidrigen Annahme derBegründung jeweils eigener unternehmerischer Tätigkeiten durch dievom Beschwerdeführer getätigten Hilfsumsätze bei der Erbringung vonDienstleistungen in Zusammenhang mit dem Handel und der Reparatur vonKraftfahrzeugen; kein über die Hauptumsätze hinausgehender weitererNutzen für den Fremdenverkehr aufgrund der weitgehenden Identität desAdressatenkreises

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.600,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Partei betreibt an mehreren Standorten im Land Salzburg ein Handelsunternehmen für Kraftfahrzeuge und Kfz-Reparaturwerkstätten. In diesem Zusammenhang kommt es zur Erbringung weiterer Dienstleistungen. Insbesondere geht es dabei - nach Angaben der beschwerdeführenden Gesellschaft - um den Handel mit Zubehör, die (gelegentliche) Vermietung von Kraftfahrzeugen und die Bewirtung von Kunden bei Verkaufsgesprächen oder zur Überbrückung von Wartezeiten.römisch eins. 1. Die beschwerdeführende Partei betreibt an mehreren Standorten im Land Salzburg ein Handelsunternehmen für Kraftfahrzeuge und Kfz-Reparaturwerkstätten. In diesem Zusammenhang kommt es zur Erbringung weiterer Dienstleistungen. Insbesondere geht es dabei - nach Angaben der beschwerdeführenden Gesellschaft - um den Handel mit Zubehör, die (gelegentliche) Vermietung von Kraftfahrzeugen und die Bewirtung von Kunden bei Verkaufsgesprächen oder zur Überbrückung von Wartezeiten.

2. Mit der Begründung unrichtiger Selbstbemessung wurden der beschwerdeführenden Partei mit folgenden, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Salzburger Landesregierung Tourismusbeiträge für die Jahre 2003-2006 für verschiedene Betriebsstätten vorgeschrieben:

  1. 1.Ziffer eins
    Z21504-100/47541/2433-2007 (Eugendorf, 2005),
  2. 2.Ziffer 2
    Z21504-100/47541/2586-2007 (Salzburg, 2006),
  3. 3.Ziffer 3
    Z21504-100/47541/2435-2007 (Salzburg, 2003),
  4. 4.Ziffer 4
    Z21504-100/47541/2585-2007 (Salzburg, 2005),
  5. 5.Ziffer 5
    Z21504-100/47541/2579-2007 (Maishofen, 2005),
  6. 6.Ziffer 6
    Z21504-100/47541/2427-2007 (Maishofen, 2004),
  7. 7.Ziffer 7
    Z21504-100/47541/2584-2007 (Salzburg, 2004) sowie
  8. 8.Ziffer 8
    Z21504-100/47541/2576-2007 (Eugendorf, 2006).

Da die beschwerdeführende Partei eine Aufteilung der Umsätze in die verschiedenen für sie in Betracht kommenden Beitragsgruppen unterlassen habe, sei der Gesamtumsatz gemäß §38 Abs3 Salzburger Tourismusgesetz 2003 (in Folge: S.TG) in die niedrigste in Betracht kommende Beitragsgruppe (dh. in die Gruppe mit den höchsten Beitragssätzen) einzustufen gewesen.

3. Gegen diese Bescheide richten sich die auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie die Verfassungs- und Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des §38 Abs3 S.TG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

Nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei verstößt §38 Abs3 S.TG gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit von Gesetzen, da es sich bei der Wendung "alle für den Beitragspflichtigen in Betracht kommenden Beitragsgruppen" um einen "hochgradig unbestimmten" Gesetzesbegriff handle. Weiters führe diese Bestimmung zu einer unsachlichen Differenzierung, da nicht zwischen Beitragspflichtigen, die ausschließlich Hauptumsätze in einer Berufsgruppe, und solchen, die lediglich Hilfsumsätze erzielen, unterschieden werde. Die Regelung des §38 Abs3 S.TG stelle darüber hinaus einen gleichheitswidrigen Exzess dar, da sie eine "Bestrafung" des Beitragspflichtigen in vier- bzw. fünffacher Höhe des im äußersten Fall zu leistenden Beitrags nach sich ziehe. Aus diesem Grund widerspreche §38 Abs3 S.TG auch dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz.

Zu der von der belangten Behörde gewählten Auslegung des §38 Abs3 S.TG führt die beschwerdeführende Partei aus, es sei das Tatbestandsmerkmal der "Aufteilung auf alle in Betracht kommenden Beitragsgruppen" willkürlich nach rein formalistischen Kriterien beurteilt und der beschwerdeführenden Partei damit wider besseres Wissen unterstellt worden, in sämtlichen angeführten Berufsgruppen gleichermaßen tätig zu sein. Im gegenständlichen Fall seien jedoch die Umsätze etwa aus der Kfz-Vermietung oder dem Kundenkaffee ausschließlich minimale Hilfsumsätze, die allesamt dem Autohandel und Autozubehör-Einzelhandel dienten und für alle beschwerdegegenständlichen Betriebsstätten und Jahre weniger als ein Prozent des Gesamtumsatzes betragen hätten.

4. Die belangte Behörde legte fristgerecht die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerden beantragt. Sie argumentiert damit, dass §32 S.TG die Frage der Einteilung in die in Betracht kommenden Beitragsgruppen ausdrücklich regle und folglich nicht von einer Verletzung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotes ausgegangen werden könne. Darüber hinaus lege eine systematische Zusammenschau mit §2 Abs1 vorletzter und letzter Satz S.TG nahe, dass selbst dann, wenn untergeordnete Erwerbszweige im Unternehmen eines Pflichtmitgliedes keine Gewinne abwerfen, eine eigene unternehmerische Tätigkeit im Sinne des S.TG bestehe. Auch indiziere das Vorliegen sämtlicher Gewerbeberechtigungen im Beschwerdefall, dass die beschwerdeführende Partei mehrere Tätigkeiten ausübe. Im Hinblick auf die Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten führt die Behörde aus, dass eine Abwägung zwischen den in den verschiedenen Berufsgruppen erzielten Minimalumsätzen und den Hauptumsätzen in Anbetracht der oben dargelegten Überlegungen nicht vorzunehmen gewesen und somit nicht Willkür geübt worden sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - zulässigen - Beschwerden erwogen:römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO in Verbindung mit §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. Rechtslage:

§38 Abs3 S.TG, LGBl. 43/2003, lautet wie folgt: §38 Abs3 S.TG, Landesgesetzblatt 43 aus 2003,, lautet wie folgt:

"Fallen die Umsätze eines Pflichtmitgliedes durch Zugehörigkeit zu verschiedenen Berufsgruppen in unterschiedliche Beitragsgruppen (§36 Abs1), hat der Beitragspflichtige für eine nach Beitragsgruppen getrennte Erfassung der Umsätze zu sorgen und die auf diese jeweils entfallenden Umsätze der Beitragsberechnung zugrunde zu legen. Unterlässt dies der Beitragspflichtige, wird der gesamte Umsatz der für den Beitragspflichtigen in Betracht kommenden niedersten Beitragsgruppe zugeordnet. Teilt der Beitragspflichtige den Umsatz nicht auf alle für ihn in Betracht kommenden höheren Beitragsgruppen auf, gilt der Beitrag diesbezüglich trotzdem als richtig festgesetzt."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu LGBl. 16/1998, mit dem die gleich lautende Vorgängerbestimmung des Salzburger Fremdenverkehrsgesetzes, LGBl. 94/1985, eingefügt wurde (107 BlgSbgLT 5. Sess., 11. GP), führen dazu Folgendes aus: Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu Landesgesetzblatt 16 aus 1998,, mit dem die gleich lautende Vorgängerbestimmung des Salzburger Fremdenverkehrsgesetzes, Landesgesetzblatt 94 aus 1985,, eingefügt wurde (107 BlgSbgLT 5. Sess., 11. GP), führen dazu Folgendes aus:

"Eine der größten Belastungen für das Landesabgabenamt stellt es dar, der Aufteilung des Umsatzes eines Beitragspflichtigen auf mehrere Beitragsgruppen nachzugehen. Die Beitragserklärungen sind diesbezüglich in vielen Fällen mangelhaft. Zur an sich bereits aus dem Bestand unterschiedlicher Beitragsgruppen ableitbaren Pflicht zur gesonderten Zuordnung der Umsatzanteile wird nun eine Sanktion festgelegt, die gewährleisten soll, da[ss] diese Aufteilungspflicht auch befolgt wird. Anderenfalls ist der gesamte Umsatz der niedersten für den Beitragspflichtigen in Betracht kommenden Beitragsgruppe (mit einem höheren oder dem höchsten Beitragssatz) zuzuordnen. Wird eine Teilung zwar vorgenommen, nicht aber auf sämtliche in Betracht kommenden Beitragsgruppen, so gilt diese soweit als richtig, als der Beitragspflichtige zu niedere Beitragsgruppen gewählt hat. In diesem Fall kommt es zu keiner Richtigstellung und Festsetzung durch das Landesabgabenamt."

2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat. Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).

Ein solcher Vorwurf ist der belangten Behörde in der Tat zu machen:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof war mit §38 Abs3 S.TG bereits aus Anlass des zu B1338/04 geführten Verfahrens befasst. Vor dem Hintergrund des damals zu beurteilenden Sachverhaltes kam er zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, und lehnte ihre Behandlung ab: Der Gerichtshof ging unter Verweis auf die zitierten Materialien davon aus, dass der Landesgesetzgeber mit dieser Vorschrift - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise - verwaltungsökonomische Ziele verfolge und dass es den Beitragspflichtigen zumutbar sei, die Aufteilung ihrer Umsätze auf die Beitragsgruppen bereits verbindlich in der Beitragserklärung vorzunehmen.

2.2. Bei der Auslegung des §38 Abs3 S.TG ist es allerdings von Bedeutung, dass die Beitragsgruppen des S.TG offensichtlich eine unterschiedliche Nähe der betreffenden Berufsgruppen und Branchen zum Tourismus zum Ausdruck bringen und ihr Umsatz einen jeweils anderen "Fremdenverkehrsnutzen" repräsentiert. Nur dies rechtfertigt die unterschiedlichen Beitragssätze. Werden im Rahmen einer "Berufsgruppe" daher (Haupt)Umsätze getätigt, so ist davon auszugehen, dass diese in einer bestimmten, durch die Beitragsgruppen und die zugeordneten Beitragssätze näher konkretisierten Nähe zum Tourismus stehen. Im vorliegenden Beschwerdefall wird dies dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der Autohandel und der Autozubehör-Einzelhandel in die Beitragsgruppe 6 eingereiht sind, woraus erhellt, dass der dieser Berufsgruppe zukommende "Fremdenverkehrsnutzen" vom Verordnungsgeber als (sehr) gering eingeschätzt wird. Es liegt auf der Hand, dass der Fremdenverkehrsnutzen dieser Berufsgruppe nicht größer wird, wenn - wie im vorliegenden Fall von der beschwerdeführenden Partei vorgebracht - im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit Hilfsumsätze getätigt werden, die lediglich die Hauptumsätze ergänzen und im Wesentlichen denselben Adressatenkreis haben wie die Hauptumsätze. Da derartige Hilfsumsätze aufgrund der (weitgehenden) Identität des Adressatenkreises ihrerseits keinen anderen Fremdenverkehrsnutzen als die Hauptumsätze repräsentieren, ist es von vornherein verfehlt, sie einer eigenen Beitragsgruppe zuzuordnen. Dann kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass den Beitragspflichtigen die Verpflichtung trifft, Hilfsumsätze der geschilderten Art gesondert der Beitragsberechnung zugrunde zu legen. Das Unterlassen dieser Bekanntgabe kann in diesem Fall folglich keinesfalls die Sanktion des §38 Abs3 S.TG auslösen.

Der Bescheid war daher schon deshalb aufzuheben, weil die belangte Behörde von der verfehlten Rechtsansicht ausgegangen ist, dass die im Beschwerdefall getätigten Hilfsumsätze jeweils eigene unternehmerische Tätigkeiten des Beitragspflichtigen begründen.

2.3. In Anbetracht dieses Ergebnisses kann dahingestellt bleiben, ob die belangte Behörde der angewendeten Vorschrift auch einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, weil bei der von ihr vertretenen Interpretation dieser Vorschrift das Unterlassen einer getrennten Bekanntgabe von bloßen Hilfsumsätzen anscheinend durch eine Sanktion geahndet würde, die in keinem Verhältnis zum Fehlverhalten des Beitragspflichtigen steht und durch das Ziel der Verwaltungsökonomie jedenfalls nicht mehr gerechtfertigt werden könnte.

3. Die beschwerdeführende Partei wurde somit durch die bekämpften Bescheide in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Die Bescheide waren daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Der zugesprochene Kostenbetrag enthält Umsatzsteuer in Höhe von € 360,-- sowie den Ersatz der für jeden angefochtenen Bescheid entrichteten Eingabegebühr (§17a VfGG) in Höhe von jeweils € 180,--.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Fremdenverkehr, Abgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B588.2007

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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