TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/17 2002/18/0168

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Veröffentlicht am 17.09.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §31;
FrG 1997 §33 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2002/18/0167 E 17. September 2002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, geboren 1984, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Juni 2002, Zl. SD 265/01, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 33 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Im März 2000 sei im Zug von Erhebungen bekannt geworden, dass sich der Beschwerdeführer, sein Vater und seine beide Brüder an einer Wiener Adresse "ohne Sichtvermerk" aufhalten würden. Da der Beschwerdeführer an dieser Anschrift nicht gemeldet gewesen sei, sei gegen ihn ein aufenthaltsbeendendes Verfahren eingeleitet worden. In einer dazu ergangenen Stellungnahme vom 25. August 2000 habe der Beschwerdeführer ausgeführt, im Jahr 1993 nach Österreich eingereist zu sein und hier die Volks- und Hauptschule besucht zu haben. Er wiese derzeit keine aufrechte Krankenversicherung auf, würde jedoch von seinem Onkel M. - diesbezüglich sei eine Verpflichtungserklärung vom 25. Jänner 2000 aktenkundig - sowie von einem zweiten Onkel namens T. finanziell unterstützt. Während des gegenständlichen Ausweisungsverfahrens sei der Beschwerdeführer am 20. Oktober 2000 von einem Gendarmeriebeamten sowie von einem Beamten der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt-Fremdenpolizei bei Verfugungsarbeiten von Waschbetonplatten vor dem Eingang eines Wohnhauses in Arbeitskleidung angetroffen und nach den Bestimmungen des FrG vorläufig festgenommen worden. Bei seiner in der Folge am 20. Oktober 2000 durchgeführten niederschriftlichen Befragung habe der Beschwerdeführer zu Protokoll gegeben, dass sämtliche Familienmitglieder ihren Lebensunterhalt durch Gelegenheitsarbeiten bestreiten würden und tatsächlich von T. finanziell unterstützt würden. Zu der von ihm ausgeübten Arbeit habe er ausgeführt, für den Hausbesitzer am Tag der Anhaltung ab 08.00 Uhr früh sowie bereits am 9. Oktober 2000 sieben Stunden gearbeitet zu haben. Für seine Arbeiten am 9. Oktober 2000 hätte er S 700,-- (EUR 50,87) erhalten. Auch für seine Tätigkeit am 20. Oktober 2000 wäre ein Stundenlohn von S 100,-- vereinbart worden.

Nachdem der Beschwerdeführer wegen des illegalen Aufenthalts (rechtskräftig mit 30. November 2000) bestraft worden sei, habe die Erstbehörde den bekämpften Bescheid erlassen. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen vorgebracht, dass er zwar tatsächlich Verfugungsarbeiten durchgeführt hätte, es sich hiebei jedoch um keine Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gehandelt hätte. Er hätte nämlich lediglich einen legal beschäftigten Cousin unentgeltlich unterstützt, damit dieser seine Arbeiten rechtzeitig fertig stellen könnte.

Der Beschwerdeführer bestreite nicht, derzeit über keinen Einreise- oder Aufenthaltstitel zu verfügen. Er halte sich somit unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Nach dem Akteninhalt und dem Inhalt des den Vater betreffenden Verwaltungsaktes, insbesondere den Kopien aus dessen Reisepass, ergebe sich, dass der Beschwerdeführer niemals über einen wie immer gearteten Aufenthaltstitel verfügt habe. Es könne sohin kein Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 FrG gegeben seien.

Auf Grund des langjährigen, wenngleich seit 1993 durchgehend unrechtmäßigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und im Hinblick auf den im Bundesgebiet absolvierten Schulbesuch sowie die bestehenden familiären Bindungen liege zweifellos ein mit der Ausweisung verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor. Dessen ungeachtet sei die Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Der Befolgung von fremdenrechtlichen Normen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Diese Regelungen seien vom Beschwerdeführer in gravierender Weise missachtet worden. Zu seinen Ungunsten falle abgesehen von dem nahezu seit neun Jahren unrechtmäßigen Aufenthalt weiters ins Gewicht, dass er diesen unrechtmäßigen Aufenthalt trotz eines eingeleiteten Ausweisungsverfahrens und einer rechtskräftigen Bestrafung nach dem Meldegesetz und dem Fremdengesetz fortgesetzt habe. Die allein dadurch bewirkte Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien. Vor diesem Hintergrund könne dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer durch seine Gelegenheitsarbeiten am 9. Oktober 2000 und 20. Oktober 2000 auch das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit beeinträchtigt habe. Daran könne auch das Vorbringen, wonach die Unterhaltsmittel nicht nur durch Gelegenheitsarbeiten, sondern auch durch finanzielle Unterstützung von zwei Onkeln gesichert seien, nichts ändern, wobei nur von einem Onkel eine Verpflichtungserklärung vorliege. Diesbezüglich fehlten jedoch Angaben über dessen Einkommens-, Vermögens- und Wohnverhältnisse, allfällige Unterhaltspflichten sowie sonstige finanzielle Verpflichtungen.

An dem Dringend-Geboten-Sein dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme könne somit weder die im Inland absolvierte Schulpflicht noch der Umstand, dass sich neben dem Vater des Beschwerdeführers noch zwei weitere Brüder im Bundesgebiet aufhielten, etwas ändern, zumal auch diese Familienangehörigen über keinen Aufenthaltstitel verfügten.

Mangels besonders berücksichtigungswürdiger Umstände könne ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens in Kauf genommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, sich seit 1993 im Bundesgebiet aufzuhalten und bisher noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt zu haben.

Anders als die Beschwerde meint, kann aus dem Umstand, dass dem Beschwerdeführer mit dem Ausweisungsbescheid der Behörde erster Instanz die Ausreise (erst) nach Rechtskraft dieser Maßnahme aufgetragen worden ist, nicht darauf geschlossen werden, dass der Aufenthalt vor Rechtskraft der Ausweisung berechtigt oder zumindest "gestattet" gewesen ist und für den Beschwerdeführer daher keine Veranlassung zur Ausreise bestand. Vielmehr besteht für Fremde, die sich - wie der Beschwerdeführer - nicht gemäß § 31 FrG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, auch ohne Vorliegen einer rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen. Bleibt ein solcher Fremder dennoch im Inland, macht er sich gemäß § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG strafbar.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, begegnet daher keinen Bedenken.

2. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers die Dauer des inländischen Aufenthalts seit 1993 und - entgegen der Beschwerde - den inländischen Aufenthalt des Vaters und zweier Brüder berücksichtigt. Weiters hat sie ihm zugute gehalten, dass er im Inland die Volks- und Hauptschule besucht hat.

Die neunjährige Aufenthaltsdauer wird in ihrem Gewicht dadurch erheblich gemindert, dass dem Beschwerdeführer niemals eine Aufenthaltsberechtigung zukam. Der Vater und die Brüder des Beschwerdeführers befinden sich nach den Feststellungen der belangten Behörde ebenfalls unrechtmäßig im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer stellt dies nicht in Abrede. Aus seinem Vorbringen, dass die in erster Instanz ausgesprochene Ausweisung des Vaters und eines Bruders von der Berufungsbehörde aufgehoben worden sei, ergibt sich nicht, dass dem Vater und diesem Bruder auch ein Aufenthaltsrecht zukommt. Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers wurde unstrittig ebenfalls rechtskräftig ausgewiesen. Auf Grund der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts des Vaters und der Brüder wird das Gewicht der Beziehung des Beschwerdeführers zu diesen Angehörigen relativiert. Anders als in der Beschwerde ausgeführt, hat der Beschwerdeführer nicht seine gesamte Pflichtschulzeit in Österreich verbracht, ist er doch unstrittig erst mit neun Jahren nach Österreich eingereist. Nach seinem eigenen Vorbringen hat er im Schuljahr 1998/99 - also bereits nach sechs Schuljahren in Österreich - seine Schulpflicht beendet. Unstrittig ist der Beschwerdeführer am - legalen - Arbeitsmarkt nicht integriert. Der vorgebrachte Umstand, dass der Beschwerdeführer bisher keine strafbaren Handlungen begangen habe, führt zu keiner Verstärkung seiner persönlichen Interessen.

Insbesondere auf Grund der langen Aufenthaltsdauer und des inländischen Schulbesuchs, der auf eine Vertrautheit mit der deutschen Sprache und den Gegebenheiten der österreichischen Gesellschaft schließen lässt, wobei es nicht ausschlaggebend ist, ob der Beschwerdeführer in Österreich auch den Polytechnischen Lehrgang besucht hat, kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet dennoch erhebliches Gewicht zu.

Diese persönlichen Interessen werden durch die schwerwiegende Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2001, Zl. 2000/18/0251), auf Grund des zur Gänze illegalen Aufenthalts des Beschwerdeführers überwogen. Darüber hinaus stellt der Verbleib im Bundesgebiet auch insofern eine Gefährdung öffentlicher Interessen dar, als der Beschwerdeführer unstrittig in Österreich keinen Krankenversicherungsschutz genießt und auch gegen das Meldegesetz verstoßen hat.

3. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung, auch im Rahmen des ihr gemäß § 33 Abs. 1 FrG zustehenden Ermessens nicht von der Ausweisung Abstand zu nehmen, ein Fehler unterlaufen wäre. Insbesondere stellt es keinen Widerspruch dar, wenn die belangte Behörde einerseits "die starken familiären Bindungen des Bf hervorhebt" und andererseits im Rahmen der Begründung ihrer Ermessensentscheidung zu dem Ergebnis gelangte, dass keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe für eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers vorlägen. Im Hinblick auf den zur Gänze unrechtmäßigen Aufenthalt und die daraus resultierende große Beeinträchtigung des genannten öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens kann nämlich auch in den - wie oben 2. dargestellt - beachtlichen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet kein Umstand erblickt werden, der die belangte Behörde hätte veranlassen müssen, von der Ausweisung im Rahmen der Ermessenentscheidung abzusehen. Andere besondere Umstände, die für eine derartige Ermessensübung sprächen, sind weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde ersichtlich.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 17. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002180168.X00

Im RIS seit

20.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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