Index
41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des ANJ in Graz, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 13. Juni 2001, Zl. 2-11.J/193- 00/8, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines liberianischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 11a in Verbindung mit § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 i.d.g.F. (StbG) ab. In der Begründung ihrer Entscheidung führte sie aus, der Beschwerdeführer sei am 14. April 1997 im Bundesgebiet erstmals zur Anmeldung gelangt und sei seit 9. April 1999 mit einer österreichischen Staatsbürgerin aufrecht verheiratet. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 10. September 1996 sei gegen den Beschwerdeführer ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden, welches mit Bescheid vom 21. September 1999 aufgehoben worden sei. Auf Grund dieses Aufenthaltsverbotes könne erst seit dem 21. September 1999 von einem ununterbrochenen Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers in Österreich ausgegangen werden. Auf Grund dieser Wohnsitzdauer erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 11a StbG nicht.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 11a Abs. 1 StbG in der Fassung der StbG-Novelle 1998 ist einem Fremden im Falle der Erfüllung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 und Abs. 3 leg. cit. die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn
"1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt,
2. die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist,
3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und
4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder
b) ... "
Nach § 15 Abs. 1 lit. a StbG wird der Lauf der Wohnsitzfristen nach § 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, § 11a Z 4 lit. a,
§ 12 Z 1 und 2 sowie § 16 Abs. 1 Z 3 lit. a durch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot unterbrochen.
§ 15 Abs. 2 leg. cit. macht davon folgende Ausnahme:
"(2) Eine Unterbrechung des Fristenlaufes ist gemäß Abs. 1 lit. a nicht zu beachten, wenn das Aufenthaltsverbot deshalb aufgehoben wurde, weil sich seine Erlassung in der Folge als unbegründet erwiesen hat."
Die belangte Behörde hat das Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der Staatsbürgerschaft ausschließlich deshalb abgewiesen, weil dieser den nach § 11a Abs. 1 Z 4 lit. a StbG vorausgesetzten ununterbrochenen Hauptwohnsitz in Österreich erst seit Aufhebung des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes gehabt habe, und vermeinte, auf Grund der ohnehin nicht erfüllten ununterbrochenen Hauptwohnsitzdauer keine Feststellungen über das Vorliegen der weiteren nach der anzuwendenden Gesetzesstelle erforderlichen Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft treffen zu müssen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in dessen Stellungnahme vom 5. Juni 2001, wonach das Aufenthaltsverbot "lediglich" deshalb verhängt worden sei, weil er bei seiner Einreise "nicht im Besitz von entsprechenden finanziellen Mitteln" gewesen sei, hielt die belangte Behörde nicht für erforderlich. Damit geht die belangte Behörde von einer unrichtigen Rechtsansicht aus.
Auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1995, VfSlg. 14.393, muss die rechtskräftige Verhängung eines Aufenthaltsverbotes - abgesehen vom Fall, dass sich dessen Erlassung in der Folge (ex tunc) als unbegründet erwiesen hat - nicht ausnahmslos dazu führen, dass die Wohnsitzfrist nach dem StbG nach Wegfall des Aufenthaltsverbotes neu zu laufen beginne; ein solches Verständnis des § 15 Abs. 2 StbG wäre nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes sachlich nicht zu rechfertigen. Stelle sich in der Folge nämlich heraus, dass das Aufenthaltsverbot zwar seinerzeit rechtmäßig erlassen wurde, dass aber seine Gründe nunmehr (ex nunc) weggefallen seien, so wäre nicht einzusehen, weshalb in jedem Fall, also unabhängig vom Anlass des Aufenthaltsverbotes, der Lauf der Wohnsitzfrist unterbrochen werden sollte.
Entsprechend diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 StbG über die Unterbrechung der Hauptwohnsitzfrist so zu verstehen, dass eine Unterbrechung des Fristeinlaufes gemäß Abs. 1 lit. a leg. cit. nicht nur dann nicht eintritt, wenn das Aufenthaltsverbot deshalb aufgehoben wurde, weil sich seine Erlassung in der Folge als unbegründet erwiesen hat, sondern auch dann nicht, wenn der Fall in der Gewichtung dem von dieser Bestimmung ausdrücklich erwähnten gleichwertig ist. Eine solche Konstellation sei nach dem Verfassungsgerichtshof dann gegeben, wenn das Aufenthaltsverbot zwar seinerzeit rechtmäßig verhängt wurde, die Gründe hiefür aber in der Folge weggefallen seien und nunmehr keine negativen Auswirkungen auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft mehr hätten. Dies sei etwa dann der Fall, wenn das Aufenthaltsverbot nicht deshalb verhängt worden sei, weil der Einbürgerungswerber sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hätte, sondern weil er seinerzeit mittellos gewesen sei, inzwischen aber über ein regelmäßiges Einkommen verfüge.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 13. Jänner 1999, Zl. 98/01/0011, dieser Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes angeschlossen. In dem in diesem Erkenntnis zu beurteilenden Fall war das Aufenthaltsverbot über den Einbürgerungswerber jedoch verhängt worden, weil sich dieser einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hatte, sodass nicht davon gesprochen werden konnte, dass die Gründe für seine Verhängung keine negativen Auswirkungen auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft mehr hätten.
In den den angeführten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde liegenden Sachverhalten war zwar jeweils die Wohnsitzfrist des Verleihungstatbestandes des § 10 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 StbG zu beurteilen, die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes beziehen sich aber unterschiedslos auf alle in § 15 Abs. 1 StbG genannten Wohnsitzfristen.
Indem die belangte Behörde bei der Beurteilung der Hauptwohnsitzfrist des § 11a StbG auf Grund ihrer unrichtigen Rechtsansicht weder Feststellungen über die Gründe für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes noch über jene für dessen Aufhebung getroffen hat, kann nicht beurteilt werden, ob die seinerzeit maßgeblichen Gründe nunmehr im Sinne der angeführten Rechtsprechung keine negativen Auswirkungen auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft mehr haben. Auf Grund dieser unrichtigen Rechtsansicht fehlen auch Feststellungen über das Vorliegen aller weiteren Verleihungsvoraussetzungen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 17. September 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001010352.X00Im RIS seit
21.11.2002