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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des MS in Graz, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. Februar 2001, Zl. 2- 11. E/140-99/12, betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, beantragte am 10. August 1999 die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft; er habe seinen Hauptwohnsitz seit 11. März 1990 ununterbrochen in Österreich und sei seit 19. August 1996 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) das Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 11a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei erstmals am 11. März 1990 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt und seit 19. August 1996 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, lebe jedoch, wie im Ermittlungsverfahren festgestellt worden sei, nicht mit ihr im gemeinsamen Haushalt. In seiner Stellungnahme vom 4. April 2000 habe der Beschwerdeführer bestätigt, dass er derzeit mit seiner Ehegattin nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Da es immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen sei, sei er zu seinem Bruder gezogen. Fest stehe, dass der Beschwerdeführer seit seinem Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft nie mit seiner Ehegattin im gemeinsamen Haushalt gelebt habe und im Jahre 1998 im Auftrag der Bundespolizeidirektion Graz Erhebungen bezüglich eines Ehenichtigkeitsverfahrens durchgeführt worden seien. Somit liege die Voraussetzung des § 11a Abs. 1 Z 1 StbG, der gemeinsame Wohnsitz des Einbürgerungswerbers mit seiner Ehegattin, nicht vor.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides insbesondere darin, dass die belangte Behörde lediglich unter Heranziehung des § 11a StbG zum Schluss komme, die Voraussetzung für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft würde nicht vorliegen. Sie übergehe im Wesentlichen die Tatsache, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits mehr als zehn Jahre im österreichischen Staatsgebiet aufhältig gewesen sei, und habe das Vorliegen der Gründe für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG offenbar nicht geprüft.
Die belangte Behörde hält dem in ihrer Gegenschrift entgegen, dass sie sich im Hinblick auf bestätigte Versicherungszeiten und Wohnsitzunterbrechungen - wobei nicht geprüft worden sei, ob es zu irrtümlichen Abmeldungen gekommen sei oder andere Umstände im Rahmen dieser Unterbrechungen maßgeblich gewesen seien - auf die Möglichkeit der Einbürgerung im Sinn des § 11a StbG zurückgezogen habe, weil eine andere Möglichkeit der Einbürgerung nicht erfolgversprechend und zielführend gewesen wäre.
Schon damit zeigt die Beschwerde die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Weder dem Ansuchen um Verleihung der Staatsbürgerschaft noch dem weiteren Verfahrensgang war zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer sein Ansuchen auf den Grund des § 11a StbG beschränkt wissen wollte. Ausgehend von der Systematik des Gesetzes, die § 10 Abs. 1 StbG als "Grundtatbestand" erkennen lässt, stellt die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 11a StbG nur einen von mehreren gangbaren Wegen dar, die alle zum selben Ziel "Staatsbürgerschaft" führen können. Das österreichische Recht kennt nur eine "einheitliche Staatsbürgerschaft" (vgl. den hg. Beschluss vom 3. Mai 2000, Zl. 98/01/0136, sowie das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2002, Zl. 2000/01/0355, mwN).
Zweck des Ermittlungsverfahrens ist - neben der Wahrung des Parteiengehörs - die Feststellung des "maßgebenden", daher des für die zu treffende Entscheidung auf Grund der anzuwendenden Rechtsvorschriften relevanten Sachverhaltes. Die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes erstreckt sich auf die Ermittlung der unter dem Gesichtspunkt der anzuwendenden Rechtsvorschriften im konkreten Fall in Betracht kommenden Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I2, unter E 1 zu § 37 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Die in der Gegenschrift der belangten Behörde angeführte vorgreifende Hypothese, dass eine Einbürgerung wohl nur im Sinne der Möglichkeiten des § 11a StbG erfolgversprechend erschien, berechtigte sie nicht, von der Ermittlung und Feststellung des für eine allfällige Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 StbG maßgebenden Sachverhaltes und einer diesbezüglichen Begründung ihrer Entscheidung Abstand zu nehmen (vgl. u.a. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 26 zu § 37 AVG wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes), zumal gerade die Ergebnisse des auf die Verleihung nach § 11a StbG beschränkten Ermittlungsverfahrens nur die Versagung der Staatsbürgerschaft rechtfertigten. Auch die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift nachgetragenen Erwägungen vermögen fehlende Ermittlungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid schon grundsätzlich nicht zu ersetzen (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S 607 nachgewiesene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid - mit Rücksicht darauf, dass die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 10 StbG nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001; die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 17. September 2002
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Vorweggenommene antizipative BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001010166.X00Im RIS seit
18.10.2002