TE Vfgh Erkenntnis 1999/9/30 B1687/98

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Veröffentlicht am 30.09.1999
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 1997 §19
AsylG 1997 §21
FremdenG 1997 §36

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Verhängung eines Aufenthaltsverbotes wegen Mittellosigkeit trotz vorläufiger Aufenthaltsberechtigung aufgrund Mißachtung des klar erkennbaren Gesetzeszwecks; keine nähere Überprüfung der berechtigten Bedenken im Berufungsvorbringen hinsichtlich des Vorliegens eines zu berichtigenden Fehlers im Gesetzeswortlaut

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer, zuhanden seines Rechtsvertreters, die mit 29.500 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der aus Bangladesch stammende Beschwerdeführer reiste am 17. März 1998 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und stellte kurz darauf einen Antrag auf Gewährung von Asyl sowie auf Zuerkennung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß §19 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (im folgenden: AsylG 1997). Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28. April 1998 wurde der Asylantrag abgewiesen und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Bangladesch ausgesprochen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, über die - nach der Aktenlage - vom Unabhängigen Bundesasylsenat noch nicht entschieden wurde. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach §19 AsylG 1997 wurde insofern entsprochen, als ihm eine solche mit einer Gültigkeitsdauer von 9. Juni bis 9. September 1998 bescheinigt wurde.

2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Mai 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß §36 Abs1 iVm Abs2 Z7 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, (im folgenden: FrG 1997), ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit erlassen. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. Juli 1998 abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides bekräftigte die Berufungsbehörde die Ansicht der Bundespolizeidirektion, daß der Tatbestand des §36 Abs2 Z7 FrG 1997 vorliege. Die in der Berufung vertretene Auffassung, gegen Asylwerber sei ein Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit nicht zulässig, finde im Gesetz keine Stütze. Aus dem (wörtlich zitierten) §21 Abs1 AsylG 1997 (welcher die Anwendung des FrG 1997 - ausgenommen bestimmter, im einzelnen angeführter Gesetzesstellen - auf Asylwerber festlegt) ergebe sich (vielmehr), daß die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen Asylwerber, die nicht in der Lage sind, die Mittel für ihren Unterhalt nachzuweisen, zulässig ist.

3. Dieser Berufungsbescheid ist Gegenstand der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Beschwerdeführer insbesondere die Verletzung in dem durch das BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander geltend macht und die Bescheidaufhebung begehrt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die Beschwerde erweist sich, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, als zulässig; sie ist auch gerechtfertigt.

1. In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof zu dem nur österreichischen Staatsbürgern verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht den Standpunkt eingenommen, daß eine Verletzung dieses Rechtes unter anderem dann vorliegt, wenn die bescheiderlassende Behörde Willkür übt. Das gleiche gilt nach der Judikatur des Gerichtshofes im Hinblick auf den Schutzumfang des durch das BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander für dieses Fremden zustehende Recht (vgl. VfSlg. 14650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur).

2.a. Der Absatz 1 des mit der Überschrift "Schutz vor Aufenthaltsbeendigung" versehenen §21 AsylG 1997 hatte in seiner ursprünglichen Fassung (BGBl. I Nr. 76/1997) folgenden Wortlaut (Hervorhebung nicht im kundgemachten Gesetzestext):

"§21.(1) Auf Asylwerber findet - soweit im folgenden nicht anderes festgelegt wird - das Fremdengesetz insgesamt Anwendung, die §§33 Abs2, 36 Abs2 Z8, 55 und 61 bis 63 FrG jedoch nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, sofern sie

1.

den Antrag außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht haben;

2.

den Antrag anläßlich der Grenzkontrolle oder anläßlich eines von ihnen sonst mit einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgenommenen Kontaktes gestellt haben."

Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, 686 BlgNR

              20.              GP 25, legen zu dieser Bestimmung folgendes dar (Hervorhebung nicht im Original):

"Die Anwendbarkeit fremdenrechtlicher Vorschriften auf Asylwerber soll nunmehr spezifischer geregelt werden: Gegen Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, die selbst die Initiative zur Einbringung des Asylantrages ergriffen haben, soll während der Dauer des Asylverfahrens keine Ausweisung oder kein Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit und auch keine Schubhaft verhängt werden können. In Schubhaft genommen werden oder belassen können demnach nur solche Asylwerber, die den Asylantrag erst nach einem fremdenrechtlichen Zugriff eingebracht haben.

... "

b. Der die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes regelnde §36 FrG 1997 lautet auszugsweise folgendermaßen:

"§36.(1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art8 Abs2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

...

7.

den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen;

8.

von einem Organ der Arbeitsinspektorate, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen;

... "

              c.              Mit der am 8. Jänner 1999 kundgemachten Novelle BGBl. I Nr. 4 wurde das AsylG 1997 in mehreren Bestimmungen geändert; auch wurde mit Z4 dieser Novelle das Zitat "§36 Abs2 Z8" durch das Zitat "§36 Abs2 Z7" ersetzt. Im Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten, 1494 BlgNR 20. GP 3, wird diesbezüglich festgehalten, daß "es sich (hier) um die Berichtigung eines Redaktionsversehens (handelt)". Denselben Hinweis enthält das spätere rechtswissenschaftliche Schrifttum:

Jelinek/Szymanski, Fremdengesetz 1997 (und weitere Gesetze), (1998), beziehen sich in den Ergänzungsblättern zu dieser Gesetzesausgabe (1999), S. 9, auf den erwähnten Ausschußbericht ("Berichtigung eines Redaktionsversehens"); Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999), gibt gleichfalls den Ausschußbericht ("Berichtigung eines Redaktionsversehens") wieder (S. 351) und betont die Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes wegen Mittellosigkeit (RZ 621, 630); Taucher in Muzak/Taucher/Aigner/Lobner (Hrsg), Fremdenrecht (1999), spricht von einer "Verweisfehlerberichtigung" (2. Teil, Asylrecht S. 35).

              3.              Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde während des noch keineswegs abgeschlossenen Asylverfahrens ein Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit gegen den Beschwerdeführer erlassen, obgleich er zu diesem Zeitpunkt im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach §19 AsylG 1997 war und auch die Initiative zur Einbringung eines Asylantrages selbst ergriffen, also die Kriterien des §21 Abs1 AsylG 1997 offenkundig erfüllt hatte. Im Hinblick auf das vorhin Dargelegte und den in der Berufung gegebenen Hinweis auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage war es nun evident, daß ein bei der Rechtsanwendung zu berichtigender Fehler im Gesetzeswortlaut vorlag (- zum Erfordernis berichtigender Interpretation s. etwa VfSlg. 11662/1988 -), zumal bei vernünftiger und den fremdenbehördlichen Erfahrungen entsprechender Betrachtung der Lage eines Asylwerbers im Regelfall davon ausgegangen werden muß, daß er mittellos ist. Über diese entscheidende Frage setzte sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid schlechthin hinweg und erachtete es insbesondere nicht für geboten, dem ihr in der Berufung ausdrücklich gegebenen Hinweis auf den in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage herausgestellten Gesetzeszweck nachzugehen. Sie begnügte sich vielmehr damit, den Text des §21 Abs1 AsylG 1997 (in seinem damaligen Wortlaut) wiederzugeben und ohne weitere Überlegungen den Schluß zu ziehen, daß "die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen Asylwerber, die nicht in der Lage sind, die Mittel für ihren Unterhalt nachzuweisen, zulässig ist". Dadurch, daß die belangte Behörde den (schon vor der "Verweisfehlerberichtigung") klar erkennbaren Gesetzeszweck trotz des deutlichen Berufungsvorbringens völlig mißachtete und das Aufenthaltsverbot ohne nähere Überprüfung der (- wie sich letztlich insb. aus der Richtigstellung durch die Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 nach Art einer Druckfehlerberichtigung in unzweideutiger Weise ergab -) berechtigten Bedenken erlassen hat, hat sie einen als Willkür einzustufenden Fehler begangen und den Beschwerdeführer somit in dem durch das BVG BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.

Der angefochtene Bescheid war aus diesem Grund aufzuheben.

III.Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 4.500 S auf die Umsatzsteuer und 2.500 S auf die entrichtete Pauschalgebühr.

IV. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

Schlagworte

Fremdenrecht, Asylrecht, Auslegung berichtigende

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1687.1998

Dokumentnummer

JFT_10009070_98B01687_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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