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L91009 Hausbesorger Wien;Norm
HaustorsperreV Wr 1972 §1 idF ABl Wr 1997/044;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 14. Juli 1999, Zl. UVS-06/12/00494/98, betreffend Übertretung der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien über die Haustorsperre und die Hausbeleuchtung (mitbeteiligte Partei: R Ü in Wien, vertreten durch Dr. Alfred van de Voorde, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorferstraße 15), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte ist Verwalterin des Hauses in 1020 Wien, S. Gasse 4. Mit Strafverfügung vom 28. April 1998 verhängte der Magistrat der Stadt Wien - die beschwerdeführende Behörde - über die Mitbeteiligte drei Geldstrafen von je S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 12 Stunden) gemäß § 108 Abs. 2 des Wiener Stadtverfassung (WStV). Er nahm auf Grund einer Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien als erwiesen an, dass die Mitbeteiligte als Hausverwalterin und somit als verantwortliche Stellvertreterin des Hauseigentümers nicht dafür gesorgt habe, dass das Haustor des Hauses S. Gasse 4 von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr versperrt gehalten worden sei, "indem dieses" am 28. März 1998 um 0.30 Uhr und 4. April 1998 um 0.00 Uhr unversperrt gewesen sei, sowie weiters nicht dafür gesorgt habe, dass "eine entsprechende jederzeit gut lesbare Hinweistafel über die Erreichbarkeit der zur Öffnung des Haustores verpflichteten Person unmittelbar neben dem Hauseingang dieses Hauses vom 28.03.1998 bis 04.04.1998 angebracht war, da eine derartige Hinweistafel fehlte und es im Hause weder ein Hausbesorger noch einen Verantwortlichen für die Haustorsperre gibt." Dadurch habe die Mitbeteiligte drei Verwaltungsübertretungen nach § 1 in Verbindung mit § 6 der Verordnung des Magistrates der Stadt Wien über die Haustorsperre und die Haustorbeleuchtung (in der Folge: Magistratsverordnung) begangen.
In ihrem gegen diese Strafverfügung erhobenen Einspruch brachte die Mitbeteiligte vor, das Haus S. Gasse 4 verfüge über keine Gegensprechanlage, weshalb die Mieter für den Zutritt zum Haus selbst verantwortlich seien. Die Zeiten der Sperre der Hauseingangstüre seien Inhalt der Hausordnung, die wiederum Bestandteil der Mietverträge sei. Die Hausordnung sei am "schwarzen Brett" des Hauses bekannt gemacht worden. Das Haus werde von der Hausverwaltung regelmäßig kontrolliert; insbesondere werde auch der Zustand des Haustorschlosses überprüft, weil das Zylinderschloss wiederholt widerrechtlich und gewaltsam entfernt worden sei und von der Mitbeteiligten habe erneuert werden müssen. Die Mitbeteiligte überprüfe die Einhaltung der Haustorsperre regelmäßig und stichprobenartig; eine ständige Beobachtung des Haustores während der Nachtstunden sei jedoch nicht zumutbar. Bei dem Haus handle es sich um ein so genanntes "Problemhaus", in dem "ein ständiges Kommen und Verlassen des Hauses, durch nicht ordnungsgemäß gemeldete Personen gegeben ist." Die Mitbeteiligte habe die Mieter wiederholt aufgefordert, auf die Einhaltung der Haustorsperre zu achten. Aus der Tatsache, dass das Haustor zu verschiedenen Zeitpunkten während der Nachtstunden unversperrt gewesen sei, könne nicht ein Verschulden der Mitbeteiligten abgeleitet werden. Diese verwalte eine Vielzahl von Häusern, weshalb die Überwachung jeglicher Verletzung der Verpflichtung zur Haustorsperre nicht zumutbar sei. Die Mitbeteiligte habe eine Hinweistafel über die Erreichbarkeit der zur Öffnung des Haustores verpflichteten Personen angebracht. Sollte diese Tafel widerrechtlich entfernt worden sein, sei ihr Fehlen nicht der Mitbeteiligten anzulasten, zumal entsprechende Veranlassungen zur Wiederherstellung in Auftrag gegeben worden seien.
Mit Straferkenntnis vom 20. Mai 1998 nahm die beschwerdeführende Behörde neuerlich die in der genannten Strafverfügung angeführten Vergehen als erwiesen an und verhängte über die Mitbeteiligte gemäß § 108 Abs. 2 WStV wieder drei Geldstrafen von je S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 12 Stunden) und verpflichtete sie gemäß § 64 VStG zur Zahlung von S 150,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens. Nach der Begründung sei der der Mitbeteiligten zur Last gelegte Sachverhalt auf Grund der Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. April 1998 als erwiesen anzusehen. Im Einspruch seien die Taten nicht bestritten worden; die dort vorgebrachten Umstände würden ein Verschulden der Mitbeteiligten nicht ausschließen und könnten die Mitbeteiligte nicht von ihrer gesetzlichen Verpflichtung befreien, weshalb sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzunehmen seien.
In ihrer gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung rügte die Mitbeteiligte zunächst das Unterbleiben eines Ermittlungsverfahrens über ihre im Einspruch aufgestellten Behauptungen und ergänzte diese dahin, dass es in dem in Rede stehenden Haus immer wieder zu Beschädigungen von Hauseinrichtungen, so auch vom Hauptschloss der Haustoranlage komme, weshalb dieses wiederholt habe erneuert werden müssen. Auf Grund der unverzüglich erfolgten Reparaturarbeiten an den defekten Hauseinrichtungen und der Überprüfung der Einhaltung der Haustorsperre durch Mitarbeiter der Mitbeteiligten ergäbe sich die ordnungsgemäße Einhaltung ihrer Verpflichtungen. Weitere Maßnahmen könnten der Mitbeteiligten, die einen Vielzahl von Häusern verwalte, nicht zugemutet werden. Auch sei der Mitbeteiligten die ihr zur Last gelegte Tat "als Hausverwalterin rechtlich nicht zurechenbar". Selbst für den Fall, dass die Mitbeteiligte die Verwaltungsübertretungen begangen hätte, sei ihr Verschulden geringfügig gewesen, die Folgen der Übertretungen seien unbedeutend gewesen. Abschließend verwies die Mitbeteiligte in ihrer Berufung auf den Umstand, dass die Einhaltung der Haustorsperre am 27. März 1998 gegen 23 Uhr sowie auch an den Folgetagen jeweils vor und auch nach Mitternacht überprüft worden sei. Als Beweismittel nannte die Mitbeteiligte - wie schon im Einspruch - ihre eigene Einvernahme sowie jene eines Zeugen und legte mit der Berufung die Rechnung einer Schlosserei vom 15. Jänner 1998, ausgestellt auf die "Hausinhabung des Hauses (S. Gasse) 4, 1020 Wien", vor, in der es unter anderem heißt:
"Haustor" zwei Stück "Einbaudoppelzylinder in Spezialprofil ... angefertigt auf vorhandene Sperre" sowie drei Stück "Zylinderschlüssel auf obige Sperre".
Im Zuge des Berufungsverfahrens übergab die Mitbeteiligte in Entsprechung einer Aufforderung der belangten Behörde zur Übermittlung von Unterlagen über die behaupteten Kontrollen der Haustorsperre neben der schon mit der Berufung vorgelegten Rechnung vom 15. Jänner 1998 zwei weitere an die Mitbeteiligte gerichtete Rechnungen vom 29. Juni und 6. August 1998, nach denen beim Haus S. Gasse 4 jeweils der "Haustorzylinder" ausgebaut, gereinigt und wieder montiert worden sei. In dem Schriftsatz, mit dem die Rechnungen vorgelegt wurden, brachte die Mitbeteiligte ergänzend vor, die Kontrolle der Haustorsperre sei insbesondere durch den bereits in der Berufung genannten Zeugen, dessen Einvernahme neuerlich beantragt werde, durchgeführt worden, zu deren Beweis auch handschriftliche Aufzeichnungen und zum Beweis der wiederholten Beschädigung des Haustorschlosses eine polizeiliche Anzeige angeschlossen seien. In diesen dem Schriftsatz beigefügten handschriftlichen Vermerken wurde, beginnend mit 12. Juni 1998, festgehalten, dass im Haus S. Gasse 4 das Haustorschloss in unregelmäßigen Abständen (zwei bis drei Mal monatlich) überprüft und wegen Beschädigungen am 16. Juni 1998 sowie am 25. November 1998 die Polizei verständigt worden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten Folge, hob das Straferkenntnis vom 20. Mai 1998 auf und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. In der Begründung führte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Ganges des Verwaltungsstrafverfahrens wörtlich aus: "Im Hinblick auf das schlüssige Berufungsvorbringen, in welchem die Berufungswerberin ein durchaus einwandfrei funktionierendes Kontrollsystem (stichprobenartige Überprüfung der Einhaltung der Haustorsperre und Überprüfung der Sperranlagen sowie des Zylinderschlosses durch den Bediensteten der Hausverwaltung, (es folgt ein Name)) hinreichend dargelegt hat und ihr Vorbringen durch die der Urkundenvorlage vom 3. 12. 1998 beigelegten Unterlagen glaubhaft untermauert wird, sowie im Hinblick auf den Umstand, dass für den erkennenden Senat keine Zweifel am Wahrheitsgehalt des Vorbringens der Berufungswerberin bestehen, wonach diese durch Anbringen einer Hinweistafel über die Erreichbarkeit der zur Öffnung des Haustores verpflichteten Person ihren gesetzlichen Auftrag erfüllt hatte, steht für den erkennenden Senat zweifelsfrei fest, dass die Berufungswerberin kein Verschulden an den ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen trifft. Die Berufungswerberin hat daher die Tatbestände der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen mangels Verschulden nicht erfüllt und war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches gemäß § 108 Abs. 2 WStV erlassenen Magistratsverordnung, MA 62-1/120/71, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 11/1972, in der Fassung der Verordnung MA 62-I/309/86, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 44/1997, lauten:
"§ 1 Die Tore aller im Gebiete der Stadt Wien gelegenen Häuser müssen in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr gesperrt sein. ...
§ 4 (1) Der Hauseigentümer oder sein verantwortlicher Stellvertreter hat dafür zu sorgen, dass das Haustor während der Sperre auf Verlangen der im Haus wohnenden Mieter und solcher Personen, die am Eintritt ein berechtigtes Interesse haben, wie insbesondere auf Verlangen von behördlichen Organen in Ausübung ihres Dienstes, geöffnet wird. Die mit dem Öffnen betraute Person ist verpflichtet, das Tor wieder abzusperren.
Der Hauseigentümer oder dessen verantwortlicher Stellvertreter ist zur Anbringung einer Hausglocke (Klingel, Klingelzug usw.) unmittelbar neben dem Hauseingang und zu deren Instandhaltung verpflichtet.
(2) Wohnt die zur Öffnung des Haustores verpflichtete Person in einem anderen, in unmittelbarer Nähe gelegenen Haus, so ist der Hauseigentümer zur Anbringung einer entsprechenden jederzeit gut lesbaren Hinweistafel verpflichtet.
...
§ 6. Wer die Gebote und Verbote dieser ortspolizeilichen Verordnung nicht befolgt, begeht eine Verwaltungsübertretung und unterliegt der ... vorgesehenen Strafe."
Zum Tatbestand der in einem Verstoß gegen § 1 bzw. § 4 in Verbindung mit § 6 der Magistratsverordnung gelegenen Verwaltungsübertretung gehört weder der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr, noch enthalten diese Verwaltungsvorschriften Bestimmungen über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden. Bei diesen Verwaltungsübertretungen handelt es sich daher um Ungehorsamsdelikte, bei denen gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG schon das bloße Zuwiderhandeln gegen das genannte Gebot (§ 1 bzw. § 4 der Magistratsverordnung) Strafe nach sich zieht, es sei denn der Täter macht glaubhaft, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei. Der Beschuldigte hat hiebei initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl. das Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 98/01/0506, in dem zur Frage der Behauptungslast des Beschuldigten auf das Erkenntnis vom 25. April 1990, Zl. 90/08/0067, hingewiesen wird).
Während die Mitbeteiligte im Verwaltungsverfahren die ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht bestritten, sondern sich darauf berufen hat, dass sie daran kein Verschulden treffe, weil sie - im Rahmen des Zumutbaren - Vorkehrungen zur Einhaltung der Haustorsperre getroffen habe bzw. die Entfernung der von der Mitbeteiligten ohnehin angebrachten Hinweistafel nicht zu verhindern gewesen sei, geht die belangte Behörde davon aus, dass die Mitbeteiligte allein durch das Anbringen einer Hinweistafel über die Erreichbarkeit der zur Öffnung des Haustores verpflichteten Person ihrem "gesetzlichen Auftrag" nachgekommen sei und auf Grund des "einwandfrei funktionierenden Kontrollsystems" die "Tatbestände der ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen mangels Verschulden nicht erfüllt" seien.
Diesen rechtlichen Schlussfolgerungen der belangten Behörde liegen aber keinerlei Feststellungen zu Grunde, welcher Umstand in der Beschwerde zutreffend gerügt wird. Zwar verweist die belangte Behörde auf das "schlüssige Berufungsvorbringen", lässt aber in der Folge nicht erkennen, aus welchem Tatsachensubstrat sie die dargelegten Schlüsse zieht. Unzulässig etwa wäre es, aus erst nach den festgestellten Tatzeitpunkten durchgeführten Kontrollen der Haustorsperre - zieht man etwa das vorgelegte Kontrollblatt heran -
auf ein das Verschulden der Mitbeteiligten ausschließendes Kontrollsystem zu den Tatzeitpunkten zu schließen. Ebenso wenig wäre allein - diesem Vorbringen der Mitbeteiligten folgend - das Anbringen der dann widerrechtlich entfernten Hinweistafel ein ausreichender Entschuldigungsgrund.
Indem die belangte Behörde jedoch keinen Sachverhalt festgestellt hat, auf dessen Grundlage die Lösung der Rechtsfrage nachvollziehbar wäre, hat sie Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c) VwGG aufzuheben.
Wien, am 17. September 2002
Schlagworte
Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Diverses Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999010410.X00Im RIS seit
29.11.2002