TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/18 97/17/0330

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Veröffentlicht am 18.09.2002
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Index

L34006 Abgabenordnung Steiermark;
L37166 Kanalabgabe Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

KanalabgabenG Stmk 1955;
LAO Stmk 1963 §161a Abs8;
LAO Stmk 1963 §2 Abs2 litd idF 1988/041;
LAO Stmk 1963 §69;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der 1.) I Gesellschaft m.b.H. in W und 2.) der I Handelsges. m. b. H. in W, beide vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Wipplingerstraße 23, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 29. Februar 1996, Zl. A 8-K-475/1991-18, betreffend Aussetzungszinsen in Angelegenheit eines Kanalisationsbeitrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 22. Oktober 1991 wurde den Beschwerdeführerinnen ein Kanalisationsbeitrag in der Höhe von S 10,298.168,10 vorgeschrieben. Die Beschwerdeführerinnen erhoben Berufung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 28. April 1992 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Parteien gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 22. Oktober 1991 abgewiesen und wurden diese zur Leistung eines Kanalisationsbeitrages in der Höhe von S 10,298.168, 00 verpflichtet.

Mit Bescheid vom 19. Dezember 1991 hatte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz antragsgemäß die Aussetzung der Einhebung des Kanalisationsbeitrages in der Höhe von S 5,819.465,30 gemäß § 161a der Steiermärkischen Landesabgabenordnung (im Folgenden: LAO) bewilligt und fügte im Spruch dieses Bescheides hinzu:

"Aussetzungszinsen gemäß § 161 Abs. 8 LAO" (richtig: § 161a Abs. 8) "in Höhe von 5 % über der jeweiligen Rate der Oesterreichischen Nationalbank für den Wechseleskompte werden bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besonders angefordert (zuzüglich 10 % Ust.)".

Aus Anlass der Erlassung der Berufungsvorentscheidung verfügte der Stadtsenat ebenfalls mit Bescheid vom 28. April 1992 den Ablauf der mit Bescheid vom 19. Dezember 1991 bewilligten Aussetzung der Einhebung des Kanalisationsbeitrages in der Höhe von S 5,819.465,30 gemäß § 161a LAO.

Nachdem die beschwerdeführenden Parteien den Antrag auf Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und auf neuerliche Aussetzung gestellt hatten, bewilligte der Stadtsenat mit Bescheid vom 15. Juni 1992 die Aussetzung des Kanalisationsbeitrages in der Höhe von S 5,819.465,30 und fügte wiederum im Spruch den bereits oben zitierten Satz hinsichtlich des anzuwendenden Aussetzungszinssatzes hinzu.

Mit Bescheid vom 19. November 1992 wies der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz die Berufung der beschwerdeführenden Parteien ab. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz verfügte sodann mit Bescheid vom 14. Jänner 1993 den Ablauf der Aussetzung der Einhebung des Kanalisationsbeitrages.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 23. März 1994 wurden den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 161a Abs. 8 LAO Aussetzungszinsen in der Höhe von S 645.095,-- vorgeschrieben.

Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien Berufung und brachten vor, dass der Vorschreibung der gegenständlichen Aussetzungszinsen eine zwischen ihnen und dem Magistrat der Landeshauptstadt Graz am 29. November 1993 getroffene Vereinbarung entgegenstehe. In dieser Vereinbarung sei die Verpflichtung zur Entrichtung eines Kanalisationsbeitrages insofern vorbehaltlich eines Beschlusses des Gemeinderates mit Bereinigungswirkung "geregelt" worden, als sich die beschwerdeführenden Parteien verpflichtet hätten, einen Kanalisationsbeitrag in der Höhe von S 9,361.971,-- zuzüglich 10 % Umsatzsteuer zu entrichten, wogegen sich die Stadt Graz verpflichtet habe, den beschwerdeführenden Parteien gleichzeitig einen Förderungsbeitrag in der Höhe von S 4,680.985,50 (das seien 50 % des strittigen Kanalisationsbeitrages) zu gewähren. Mit Bezahlung des vorgenannten Kanalisationsbeitrages beziehungsweise dessen Verrechnung mit dem vorgenannten Förderungsbeitrag sollte nach dem Willen der Stadt Graz und dem Willen der beschwerdeführenden Parteien eine Gesamtbereinigung aller im Zusammenhang mit der vorgenannten Beitragsvorschreibung stehenden Fragen erfolgen. In seiner Sitzung vom 8. Dezember 1993 habe der Gemeinderat die Vereinbarung genehmigt. In Entsprechung dieser Vereinbarung hätten die beschwerdeführenden Parteien und die Stadt Graz die entsprechenden Zahlungen geleistet, sodass diese Vereinbarung nicht nur wirksam zu Stande gekommen, sondern auch erfüllt worden sei. Von dieser Vereinbarung seien auch sämtliche Nebengebühren umfasst gewesen. Des Weiteren erwiese sich die Höhe der im Beschwerdefall vorgeschriebenen Aussetzungszinsen - auch wenn nicht von einer Bereinigungswirkung der Vereinbarung ausgegangen werden sollte - schon deshalb als rechtswidrig, weil jedenfalls nur Aussetzungszinsen von jenem Betrag vorgeschrieben werden hätten dürfen, auf welchen sich die beschwerdeführenden Parteien mit dem Magistrat der Stadt Graz geeinigt hätten; die Zinsen hätten daher jedenfalls nur von einem Betrag von S 2,909.732,645 berechnet werden dürfen. Dies ergebe sich bereits aus der Bestimmung des § 161a Abs. 8 LAO, wonach im Falle der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen habe.

Im Übrigen brachten die beschwerdeführenden Parteien unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 1993, G 275/92, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 161a Abs. 8 LAO insoweit vor, als nach der LAO der Aussetzungszinssatz höher als der Stundungszinssatz sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die von den beschwerdeführenden Parteien erhobene Berufung als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 23. März 1994.

Bei Anwendung des § 161a Abs. 8 LAO idF LGBl. Nr. 41/1988 sei der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben zu beachten, d.h. es sei jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht worden sei. Hinsichtlich des Einwandes der beschwerdeführenden Parteien, wonach die Höhe des in § 161a Abs. 8 LAO bestimmten Aussetzungszinssatzes höher sei als der in § 161 Abs. 2 LAO vorgesehene Stundungszinssatz sei festzuhalten, dass der Landesgesetzgeber für die Novelle Nr. 29/1994 keine Rückwirkung angeordnet habe; erst für Zeiträume nach dem 31. Dezember 1993 beziehungsweise für Sachverhalte, die sich nach dem 1. Jänner 1994 verwirklicht hätten, würde daher ein Aussetzungszinssatz in der Höhe von 1 v.H. zur Anwendung kommen. Überdies sei sowohl dem Bescheid vom 19. Dezember 1991, als auch dem Bescheid vom 15. Juni 1992 ein Zinssatz von 5 v.H. zu Grunde gelegt worden. Die Gewährung eines Förderungsbeitrages in der Höhe von S 4,680.985,00 sei den beschwerdeführenden Parteien vom Gemeinderat lediglich auf privatrechtlicher Ebene gewährt worden; diese stehe daher der Vorschreibung der gegenständlichen Aussetzungszinsen nicht entgegen. Überdies beinhalte der Gemeinderatsbeschluss vom 9. Dezember 1993, mit welchem die Förderungsmaßnahmen genehmigt worden seien, keinerlei Abreden betreffend die Vorschreibung von Aussetzungszinsen. Die Vorschreibung der gegenständlichen Aussetzungszinsen sei daher zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 9. Juni 1997, B 1293/96-8, die Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Der Verfassungsgerichtshof führte aus, dass auf die von den beschwerdeführenden Parteien geäußerten Bedenken hinsichtlich der Höhe des Aussetzungszinssatzes (§ 161a Abs. 8 LAO idF LGBl. Nr. 41/1988) - im Hinblick auf die Bindungswirkung der Bescheide des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 19. Dezember 1991 und vom 15. Juni 1992 - wegen mangelnder Präjudizialität nicht näher einzugehen gewesen sei.

In der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird die Verletzung im Recht, keine bzw. nur geringere Aussetzungszinsen nach § 161a Abs. 8 Stmk LAO zahlen zu müssen, geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.0. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Steiermärkischen Landesabgabenordnung 1963 (im Folgenden: LAO), LGBl. Nr. 158/1963 idF. LGBl. Nr. 41/1988, hatten folgenden Wortlaut:

1.1. § 161a LAO idF LGBl. Nr. 41/1988 lautete:

"(1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Berufung die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint oder

b) insoweit mit der Berufung ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder

c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

(3) Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Berufung (Abs. 1) gestellt werden. Sie sind zurückzuweisen, wenn sie nicht die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages enthalten. Weicht der vom Abgabepflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.

(4) Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Berufungen gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf Anträge auf Entscheidung über solche Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz (§ 206) sinngemäß anzuwenden.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 217). Der Ablauf der Aussetzung ist anläßlich einer über die Berufung (Abs. 1) ergehenden

a)

Berufungsvorentscheidung oder

b)

Berufungsentscheidung oder

c)

anderen, das Berufungsverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anläßlich des Ergehens einer Berufungsvorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz (§ 206) nicht aus. Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

(6) Für die Entrichtung einer Abgabe, deren Einhebung ausgesetzt wurde, steht dem Abgabepflichtigen eine Frist bis zum Ablauf eines Monats ab Bekanntgabe des Bescheides über den Ablauf der Aussetzung (Abs. 5) oder eines die Aussetzung betreffenden Bescheides gemäß § 217 zu.

(7) Zur Entrichtung oder Tilgung von Abgabenschuldigkeiten, deren Einhebung ausgesetzt ist, dürfen Zahlungen sowie Guthaben nur auf Verlangen des Abgabepflichtigen verwendet werden.

(8) Soweit für Abgabenschuldigkeiten infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt, sind Aussetzungszinsen in der Höhe von 5 v. H. über der jeweiligen Rate der Oesterreichischen Nationalbank für den Wechseleskompte zu entrichten. Im Fall der nachträglichen Herabsetzung einer Abgabenschuld hat die Berechnung der Aussetzungszinsen unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen. Aussetzungszinsen sind vor der Verfügung des Ablaufes (Abs. 5) oder des Widerrufes der Aussetzung nicht festzusetzen."

1.2. § 161a Abs. 8 LAO wurde mit Landesgesetz LGBl. Nr. 29/1994 im Hinblick auf die vom Verfassungsgerichtshof in seinem (von den Beschwerdeführern genannten) Erkenntnis vom 30. Juni 1993, Slg. Nr. 13.493, zu § 212a BAO zum Ausdruck gebrachte Auffassung novelliert.

1.3. Gemäß § 2 Abs. 2 lit. d LAO in der Fassung LGBl. Nr. 41/1988 gehören zu den Nebenansprüchen insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie (unter anderem) die Aussetzungszinsen.

Gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabenpflicht knüpft. Nach § 3 Abs. 3 leg. cit. ist der Zeitpunkt der Festsetzung und der Fälligkeit einer Abgabe ohne Einfluss auf die Entstehung des Abgabenanspruches.

2.1. Die beschwerdeführenden Parteien machen geltend, dass im Beschwerdefall gemäß § 161a Abs. 8 LAO keine Aussetzungszinsen beziehungsweise Aussetzungszinsen in geringerer Höhe vorzuschreiben gewesen wären. Die belangte Behörde habe ihrer Entscheidungsfindung zu Unrecht die Annahme zu Grunde gelegt, dass eine auch Nebengebühren umfassende Vereinbarung nicht bestehe. Eine Gesamtbereinigung aller im Zusammenhang mit der Beitragsvorschreibung stehenden Fragen sei mit Bezahlung des Kanalisationsbeitrages in Höhe von S 4,680.985,50 sowie einer Gegenverrechnung mit einer Förderungsgewährung durch den Gemeinderat erfolgt. Die Genehmigung des Gemeinderates sei erteilt und es seien die Zahlungen vereinbarungsgemäß getätigt worden. Der "Vergleich" sei somit erfüllt worden; daher umfasse die Bereinigungswirkung auch Nebengebühren, insbesondere auch die Aussetzungszinsen.

Darüber hinaus sei bei der Berechnung der Höhe der Zinsen von einem unrichtigen Betrag ausgegangen worden. Aussetzungszinsen hätten bloß in der Höhe von 50 % des strittigen Kanalisationsbeitrages begehrt werden können, somit auf Basis eines Betrages von S 2,909.732,65. Unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages hätte dies für die nachträgliche Herabsetzung einer Abgabenschuld maßgeblich sein müssen. Auch aus diesem Grunde sei daher der angefochtene Bescheid rechtswidrig.

2.2. Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Sowohl bei der Verpflichtung zur Entrichtung von Kanalisationsbeiträgen nach dem Steiermärkischen Kanalabgabengesetz 1955 als auch bei der Verpflichtung zur Entrichtung von Aussetzungszinsen gemäß § 161a Abs. 8 LAO handelt es sich um öffentlich-rechtliche Verpflichtungen, über die gemäß § 69 LAO durch die Abgabenbehörden bescheidmäßig abzusprechen ist.

Diese öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse sind privatrechtlichen Vereinbarungen nicht zugänglich und es kommt insbesondere hinsichtlich der Entstehung gesetzlicher Abgabenpflichten die Schließung "öffentlich-rechtlicher Verträge" mangels ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1981, G 47/79, VfSlg. Nr. 9226/1981, sowie die hg. Erkenntnisse vom 10. November 1995, Zl. 95/17/0219, vom 12. August 1997, Zl. 93/17/0126, oder vom 28. Februar 2000, Zl. 99/17/0323). Schon aus diesem Grund kann der von den beschwerdeführenden Parteien ins Treffen geführten "Vereinbarung" im Beschwerdefall keine Bedeutung zukommen und geht ihr darauf gestütztes Vorbringen ins Leere.

Tatbestandsvoraussetzung gemäß § 161a Abs. 8 LAO ist, dass die Einhebung bescheidmäßig vorgeschriebener Abgabenschuldigkeiten ausgesetzt und der Ablauf der Aussetzung verfügt wurde. Für die Bemessung der Aussetzungszinsen ist die Höhe der ausgesetzten Abgabenschuld maßgebend. Eine Herabsetzung der Abgabenschuld erfolgte nicht.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird selbst von den beschwerdeführenden Parteien nicht bestritten. Im Sinne der vorstehenden Ausführungen ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Vorschreibung der Aussetzungszinsen auf die von den beschwerdeführenden Parteien ins Treffen geführte Vereinbarung nicht Bedacht zu nehmen. Das Beschwerdevorbringen ist somit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der Vorschreibung der Zinsen dem Grunde nach aufzuzeigen.

3.1. Soweit die Beschwerdeführerinnen verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 161a Abs. 8 LAO idF LGBl. Nr. 41/1988 im Hinblick auf die dort festgesetzte Höhe der Aussetzungszinsen vorbringen beziehungsweise darauf verweisen, die belangte Behörde hätte dem angefochtenen Bescheid die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltende Rechtslage, nämlich § 161a Abs. 8 LAO idF LGBl. Nr. 29/1994, zu Grunde legen müssen, sind sie gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 15. September 1995, Zl. 95/17/0106, zu verweisen.

In diesem wurde in einem mit dem vorliegenden weitgehend identen Beschwerdefall ausgesprochen, dass nach dem sogenannten Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 12. November 1981, Zl. 16/3706/80, vom 20. Mai 1988, Zl. 86/17/0178, vom 30. Oktober 1991, Zl. 86/17/0149, und vom 26. Mai 1995, Zl. 95/17/0067) die im Zeitpunkt (Zeitraum) der Entstehung des Abgabenanspruches geltende Rechtslage heranzuziehen ist. Hier ist daher für den Aussetzungszeitraum vor dem 1. Jänner 1994 die Rechtslage nach § 161a Abs. 8 LAO in der Fassung LGBl. Nr. 41/1988 (vor der am 1. Jänner 1994 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 29/1994) maßgebend.

3.2. Was die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken anlangt, so ist es dem Verwaltungsgerichtshof - auch wenn er verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Höhe des anzuwendenden Aussetzungszinssatzes hätte - wegen der besonderen verfahrensrechtlichen Konstellation des Beschwerdefalles verwehrt, einen Antrag auf Aufhebung der Bestimmung über die Höhe der Aussetzungszinsen an den Verfassungsgerichtshof zu stellen (vgl. auch den oben wiedergegebenen Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes). Die Bestimmung des § 161a Abs. 8 erster Satz LAO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 41/1988 ist nämlich deswegen im Beschwerdefall nicht präjudiziell, weil sich der Aussetzungszinssatz von 5 v.H. über der jeweiligen Rate der Oesterreichischen Nationalbank für den Wechseleskompte für die Abgabenbehörde bei der Zinsenvorschreibung aus der Bindungswirkung des Ausspruches über diese der Zinsenvorschreibung zu Grunde zu legende Höhe im Spruch der Aussetzungsbescheide vom 19. Dezember 1991 und vom 15. Juni 1992 ergibt. Durch dieses Spruchelement wurde nämlich normativ darüber abgesprochen, dass der künftigen Zinsenvorschreibung ein Zinssatz von 5 v.H. über der genannten Bankrate zu Grunde gelegt werden müsse. Die betreffende Passage der Aussetzungsbescheide lässt sich nämlich nicht anders - etwa als bloß unverbindliche Belehrung - verstehen: Sie wurde in den Spruch der Bescheide aufgenommen und enthält nach ihrer sprachlichen Fassung nicht bloß einen Hinweis auf den Inhalt anzuwendender Rechtsnormen; vielmehr wurde - was das Element der Höhe der Aussetzungszinsen anlangt - bereits festgeschrieben, dass die Aussetzungszinsen in der Höhe von 5 % über der jeweiligen Rate der Oesterreichischen Nationalbank für den Wechseleskompte "angefordert werden". Damit war für die beschwerdeführenden Parteien erkennbar, dass auch dieser Spruchteil der Bescheide normative Wirkung hat. Diese Wirkung entfaltete der normativ gefasste Abspruch bis zur Änderung der Gesetzeslage, die erst für Zeiträume ab 1. Jänner 1994 erfolgte. Diese Aussprüche der Aussetzungsbescheide wurden allerdings nicht vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts mit der Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens bekämpft, sondern erwuchsen in Rechtskraft. Die Bindungswirkung dieser Bescheide steht einer entsprechenden Initiative des Verwaltungsgerichtshofes, ein Normenprüfungsverfahren zu beantragen, jedenfalls entgegen (vgl. in diesem Sinne auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1997, B 1293/96-8, und das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. September 1995).

4. Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, dass die Berechnung der Aussetzungszinsen nur für 50 % des strittigen Betrages erfolgen hätte dürfen, sind die Beschwerdeführerinnen auf den Wortlaut des § 161a Abs. 8 LAO in der hier anzuwendenden Fassung zu verweisen. Dem gemäß sind Aussetzungszinsen zu entrichten, "soweit für Abgabenschuldigkeiten infolge einer Aussetzung der Einhebung ein Zahlungsaufschub eintritt". Der Berechnung ist daher jener Betrag zu Grunde zu legen, dessen Einhebung hier aufgeschoben wurde.

5. Die Vorschreibung der gegenständlichen Aussetzungszinsen erfolgte somit sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach zu Recht und war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 18. September 2002

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1997170330.X00

Im RIS seit

23.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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