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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des F in K, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in Hainfeld, Hauptstraße 35, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 25. Februar 2002, Zl. WA1-W-41.509/1-02, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 25. Juli 2001 wandte sich der Beschwerdeführer an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH) und brachte Folgendes vor:
Als Eigentümer des Grundstückes Nr. 248 der KG S habe der Beschwerdeführer bereits zu Beginn des Jahres 2001 feststellen müssen, dass im Zuge der Renovierung des an sein Grundstück angrenzenden "Agrarweges" von den Eigentümern der Grundstücke 64/1, 64/2 und 70 der KG S auf diesen Grundstücken ein etwa 50 cm hoher Damm errichtet worden sei. Durch diese Dammerrichtung sei das Grundstück Nr. 248 wesentlich stärker von daraus verbleibenden Niederschlagswässern betroffen als dies vor der Dammerrichtung der Fall gewesen sei, da durch den Damm die Niederschlagswässer nicht mehr - wie bisher - auf die Grundstücke 64/1, 64/2 und 70 abfließen könnten, sondern auf dem Grundstück Nr. 248 verblieben. Es werde daher gemäß § 39 des Wasserrechtsgesetzes 1959 der Antrag auf Überprüfung des Dammes und der davon ausgehenden nachteiligen Auswirkungen auf das Grundstück Nr. 248 sowie auf Veranlassung der Entfernung des Dammes gestellt.
Mit Schreiben vom 14. August 2001 teilte die BH dem Beschwerdeführer mit, im gegenständlichen Fall sei neben den landwirtschaftlichen Grundstücken auch eine Gemeindestraße (Agrarweg) betroffen, weshalb § 39 WRG 1959 nicht zur Anwendung kommen könne.
Der Beschwerdeführer entgegnete mit Schreiben vom 10. September 2001, er teile die Auffassung der BH nicht und stelle daher (nochmals) den Antrag, den Grundstückseigentümern der landwirtschaftlich genutzten Liegenschaften Nr. 64/1, 64/2 und 70 der KG S die Beseitigung der von diesen errichteten Dämme gemäß § 39 Abs. 2 in Verbindung mit § 138 WRG 1959 aufzutragen, da durch diese widerrechtlich errichteten Dämme der natürliche Abfluss von Niederschlagswässern vom Grundstück des Beschwerdeführers nicht möglich sei. Als Folge davon sei der Erdboden seines Grundstückes Nr. 248 durchnässt und der Beschwerdeführer sei in der landwirtschaftlichen Nutzung dieses Ackers beeinträchtigt. Die Dämme auf den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken 64/1, 64/2 und 70 seien im Frühjahr im Zuge der Sanierung des dazwischen liegenden Güterweges angeblich mit Hilfe der Agrarbezirksbehörde bzw. mit deren Wissen von den Grundstückseigentümern errichtet worden. Das landwirtschaftlich genutzte Grundstück des Beschwerdeführers liege oberhalb der angeführten Grundstücke, auf denen der Damm errichtet worden sei. Dieser Sachverhalt sei daher unter § 39 Abs. 2 WRG 1959 zu subsumieren. Eine willkürliche Dammerrichtung auf einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück, welches - nur getrennt durch einen Güterweg, welchen nur Anrainer (ausschließlich Landwirte) benützten dürfen - unterhalb eines anderen landwirtschaftlich genutzten Grundstückes liege, widerspreche sehr wohl dem Willkürverbot des § 39 WRG 1959. Es werde noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die willkürliche Veränderung nicht auf die Sanierung des Güterweges an sich, sondern auf die Errichtung von Dämmen auf den unterhalb des Grundstückes des Beschwerdeführers liegenden Grundstücken zurückzuführen sei. Sollte die Behörde die Ansicht vertreten, dass die Errichtung von Dämmen auf den genannten Grundstücken Teil der Sanierung des Güterweges gewesen sei, dann müsse dies auch von der diesbezüglich erforderlichen Bewilligung umfasst sein. Eine solche sei dem Beschwerdeführer nicht bekannt. Die betroffenen Grundstückseigentümer behaupteten jetzt, der sanierte Güterweg sei schuld, dass die Niederschlagswässer nicht abfließen könnten. Auf Grund seiner Lebenserfahrung könne der Beschwerdeführer diese Argumentation nicht nachvollziehen. Die Ursache liege vielmehr in der Dammerrichtung auf den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken. Es werde daher um Beiziehung eines Sachverständigen ersucht.
Laut einem im Akt erliegenden Aktenvermerk vom 25. Oktober 2001 wurde an diesem Tag von einem Bediensteten der BH gemeinsam mit einem wasserfachlichen Amtssachverständigen im Beisein des Beschwerdeführers eine Besichtigung der Dämme durchgeführt. Dabei habe folgender Sachverhalt erhoben werden können:
Es befinde sich ein ca. 110 m langer Erdwall mit einer Höhe von mindestens 0,20 m und maximal 0,50 m teilweise auf den Grundstücken Nr. 70, 64/2, 64/1 der KG D und teilweise auf dem westlich an den genannten Grundstücken vorbeiführenden öffentlichen Weg. Der Wall verfüge im Durchschnitt über eine Kronenbreite von ca. 0,3 m und eine Gesamtbreite von ca. 1 m. Das Gelände falle von Osten nach Westen und der Wall komme im rechten Winkel zur Fallrichtung zu liegen. Der neu errichtete Wall könne im Regenwetterfall einen Rückstau von Oberflächenwässern bewirken. Der Rückstau wirke sich auf das Weggrundstück aus, wobei es in weiterer Folge zu Einwirkungen auf das landwirtschaftliche Grundstück Nr. 248 komme. Augenscheinlich ergebe sich somit die Situation, dass der oberflächliche Abfluss von Niederschlagswässern von einem öffentlichen Weg auf eine landwirtschaftliche Fläche verändert worden sei.
Dieser Aktenvermerk wurde dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht.
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2001 wies die BH den Antrag des Beschwerdeführers auf Beseitigung der auf den Grundstücken Nr. 64/1, 64/2 und 70 der KG D errichteten Dämme gemäß § 39 Abs. 2 in Verbindung mit § 138 WRG 1959 wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück.
In der Begründung heißt es, am 25. Oktober 2001 habe auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers in dessen Beisein eine Besichtigung an Ort und Stelle durch den wasserfachlichen Amtssachverständigen und den Leiter der Wasserrechtsabteilung der BH stattgefunden, die ergeben habe, dass durch die neu errichten Wälle ein Rückstau von Oberflächenwässern bewirkt werden könne. Augenscheinlich habe sich ergeben, dass der oberflächliche Abfluss von Niederschlagswässern von einem Weg auf eine landwirtschaftliche Fläche verändert worden sei. Weiters werde auf Grund des vorgelegten Lageplans der Gemeinde O festgestellt, dass das Grundstück Nr. 248 durch einen Güterweg, der im öffentlichen Eigentum stehe, getrennt sei von den Grundstücken 64/2, 64/1 und 70. Das Grundstück 284 befinde sich nach den Angaben des Beschwerdeführers oberhalb der gegenständlichen Grundstücke.
§ 39 WRG 1959 ziele auf die Regelung des natürlichen Abflusses oder Ablaufes des Wassers ab. Natürlich sei der Ablauf des Wassers, den sich dieses auf Grund der Bodenneigung, Bodengestaltung und Bodenbeschaffenheit, also durch naturgegebene Momente, selbst schaffe. Der durch besondere Vorrichtungen bewirkte künstliche Ablauf der Gewässer falle nicht unter § 39 WRG 1959 (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1993, 91/07/0149). Da es sich bei einem Güterweg sicher nicht um ein naturgegebenes Moment handle, sei § 39 WRG 1959 schon aus diesem Grund auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden.
Die Tatsache, dass zwischen den Grundstücken der Güterweg bzw. öffentliches Gut verlaufe, würde die Anwendung des § 39 WRG 1959 nicht ausschließen, da oberes und unteres Grundstück nicht unmittelbar übereinander gelegen sein müssten. Allerdings stünden beim natürlichen Abfluss von Niederschlagswässern die durch die Bodengestaltung und -verhältnisse naturgegebenen Momente im Vordergrund und nicht der durch technische Vorrichtungen bewirkte künstliche Ablauf der Gewässer. Im vorliegenden Fall sei der Güterweg schon vor Errichtung der Dämme bzw. vor Sanierung des Weges vorhanden gewesen, weshalb ein natürlicher Abfluss der Niederschlagswässer schon seit der ursprünglichen Wegerrichtung nicht mehr gegeben gewesen sei, auch wenn es sich bei einem Güterweg möglicherweise nur um eine einfache Vorrichtung handle. Es werde weiters darauf hingewiesen, dass die Abwendung von Nachteilen, die durch Niederschlagswässer wegen Änderung der Niveauverhältnisse einer Straße entstünden, nicht in die Kompetenz der Wasserrechts-, sondern in jene der Wegbehörden falle (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. April 1902, Slg. 960/A).
Der Beschwerdeführer berief.
Er machte geltend, Gegenstand und Zweck seines Antrages sei ausschließlich die Beseitigung der auf den Nachbargrundstücken errichteten Dämme gewesen. Im vorliegenden Fall seien Dämme, die als eigenmächtige Neuerungen qualifiziert werden könnten, auf den von seinem Grundstück aus gesehen unteren Grundstücken errichtet und dadurch - wie auch der Lokalaugenschein vom 10. September 2001 ergeben habe - eine Änderung der natürlich Wasserabflussverhältnisse zum Nachteil seines Grundstückes bewirkt worden. Die Behörde verwende jedoch die Existenz des Güterweges als nicht naturgegebenes Moment, um sich für sachlich unzuständig zu erklären. Die Adaptierung (Sanierung) des Güterweges habe nichts zu tun mit den Dämmen. Die Argumentation der Behörde, wonach ein natürlicher Abfluss der Niederschlagswässer schon seit der Existenz der ursprünglichen Weganlage nicht mehr gegeben gewesen sei, müsse als unrichtig zurückgewiesen werden, weil der natürliche Abfluss erst seit dem Zeitpunkt der Errichtung der Dämme zum Nachteil des Grundstückes 248 willkürlich abgeändert worden sei.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 2002 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.
In der Begründung heißt es, aus dem vorgelegten Verfahrensakt der Wasserrechtsbehörde erster Instanz ergebe sich folgender Sachverhalt:
Zwischen dem höher gelegenen landwirtschaftlichen Grundstück Nr. 248 und den im Gelände tiefer gelegenen Grundstücken Nr. 70, 64/2 und 64/1, befinde sich das im Grundbuch als öffentlicher Weg ausgewiesene Grundstück Nr. 69. Dieser Weg sei erneuert worden und es sei teilweise auf dem Weggrundstück sowie auch auf den unterhalb angrenzenden Grundstücken Nr. 70, 64/2 und 64/1 eine Anschüttung in der Höhe von ca. 20 cm bis maximal 50 cm vorgenommen worden. Diese habe eine Länge von ca. 110 m und eine Breite von ca. 1 m.
Im gegenständlichen Fall erfolge von einem öffentlichen Weg (öffentliche Verkehrsfläche), der als Gemeindestraße zu qualifizieren sei, auf Grund einer sich von dort bergab erstreckenden Anschüttung geringen Umfanges im Regenwetterfall ein Rückstau von Oberflächenwässern. Das oberliegende Grundstück sei ein landwirtschaftlich genutztes.
Für eine Anwendung des § 39 WRG 1959 fehle es daher an der Voraussetzung des Vorliegens von zwei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, eines oberliegend und eines unterliegend.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Der Beschwerdeführer bringt vor, anders als im angefochtenen Bescheid dargelegt, befänden sich die Dämme nicht teilweise auf dem öffentlichen Güterweg, sondern ausschließlich auf den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken 64/1, 64/2 und 70. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. September 2001 habe sich denn auch ausschließlich auf die Errichtung der Erdwälle auf diesen Grundstücken bezogen, nicht aber auf die Sanierung des dazwischen liegenden Güterweges.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides sei in sich widersprüchlich, wenn einerseits zugestanden werde, dass die Tatsache, dass zwischen den Grundstücken der Güterweg verlaufe, die Anwendung des § 39 WRG 1959 nicht ausschließe, andererseits aber die Anwendung dieser Bestimmung doch ausgeschlossen werde, weil es sich bei einem Güterweg nicht um ein naturgegebenes Moment handle.
Die belangte Behörde habe etwas behandelt, was nicht Gegenstand des Antrages des Beschwerdeführers gewesen sei. Dessen Antrag habe sich nämlich nicht auf Beeinflussungen durch den Güterweg bezogen, sondern ausdrücklich auf Einwirkungen auf sein Grundstück, die infolge der Errichtung von Dämmen auf den unterliegenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücken aufgetreten seien.
Nach Auskunft der Agrarbezirksbehörde befinde sich der gegenständliche Damm eindeutig auf den landwirtschaftlich genutzten Grundstücken 64/1, 64/2 und 70 und nicht auf dem Güterweg. Dieses Ergebnis habe auch eine Nachschau beim zuständigen Grundbuchgericht ergeben.
Es treffe auch nicht zu, dass es sich bei dem in Rede stehenden Weg um eine öffentliche Verkehrsfläche handle. Vielmehr gehe es um einen Feldweg, der als landwirtschaftlich genutztes Grundstück anzusehen sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 39 Abs. 1 WRG 1959 darf der Eigentümer eines Grundstückes den natürlichen Abfluss der darauf sich ansammelnden oder darüber fließenden Gewässer zum Nachteile des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern.
Dagegen ist nach § 39 Abs. 2 leg. cit. auch der Eigentümer des unteren Grundstückes nicht befugt, den natürlichen Ablauf solcher Gewässer zum Nachteile des oberen Grundstückes zu hindern.
§ 39 WRG 1959 bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wie auch des Obersten Gerichtshofes auf landwirtschaftlichen Zwecken dienende Grundstücke (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1995, 95/07/0088), nicht hingegen auf bebaute Grundstücke und Verkehrsflächen (vgl. das Urteil des OGH vom 23. November 1994, 1 Ob 615/94 (SZ 67/212).
Nicht erforderlich ist, dass oberes und unteres Grundstück unmittelbar aneinander grenzen. § 39 WRG 1959 spricht vom "unteren" und "oberen" Grundstück (nach der Höhenlage gemeint), ohne dass die Grundstücke unmittelbar aneinander gelegen sein müssen (vgl. Haager-Vanderhaag, Das neue Österreichische Wasserrecht, 280; weiters die bei Grabmayr-Rossmann, Das österreichische Wasserrecht2, 256, unter Nr. 6 angeführte Rechtsprechung).
Unter Grundstück im Sinne des § 39 WRG 1959 ist eine Liegenschaft zu verstehen, d.h. eine Grundfläche, die zu einer anderen, in fremdem Eigentum stehenden Grundfläche in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, dass Maßnahmen oder Vorkehrungen auf der einen Grundfläche sich für die andere Grundfläche nachteilig auswirken können. Daraus folgt, dass durch die Vorschriften des § 39 jeder Oberlieger und jeder Unterlieger geschützt ist, sofern sich der Eingriff in den natürlichen Wasserablauf zum Nachteil seiner Liegenschaft auswirkt. § 39 WRG 1959 erfasst daher nicht nur die unmittelbar angrenzende, sondern jede Liegenschaft, auf die sich die Änderung des natürlichen Wasserablaufes nachteilig auswirkt. Eine Hinderung des natürlichen Wasserlaufes ist immer dann gegeben, wenn für den Ablauf des Wassers nicht weiterhin das natürliche Gefälle, sondern künstliche Vorrichtungen entscheidend werden (vgl. Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 182).
Die Tatsache, dass das Grundstück Nr. 248 des Beschwerdeführers und jene Grundstücke, auf denen nach den Behauptungen des Beschwerdeführers der Damm errichtet wurde, durch einen Güterweg getrennt sind, steht der Anwendung des § 39 WRG 1959 nicht entgegen.
Es kann auch nicht von vornherein davon ausgegangen werden - wie die Erstbehörde anzunehmen scheint - dass schon allein auf Grund des Vorhandenseins des Güterweges keine natürlichen Abflussverhältnisse mehr vorliegen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Abflussverhältnisse durch den Güterweg geändert worden wären. Ändert dieser selbst aber nichts an dem durch das natürliche Gefälle bedingten, vor der Wegerrichtung vorhandenen Wasserablauf vom oberen auf das untere Grundstück, so können durchaus auch nach Errichtung des Weges natürliche Abflussverhältnisse vorliegen.
Die belangte Behörde begründet die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages damit, im Beschwerdefall sei § 39 WRG 1959 deswegen unanwendbar, weil es an der Voraussetzung zweier landwirtschaftlich genutzter Grundstücke fehle.
Worauf sich allerdings die Annahme gründet, es fehle an der Voraussetzung zweier landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, wird nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit aus dem angefochtenen Bescheid klar.
Es bleibt schon einmal unklar, was die belangte Behörde als Ursache für die von ihr selbst angenommene Behinderung des Wasserablaufes ansieht, nämlich den Damm oder den Güterweg. Auf der einen Seite ist davon die Rede, dass von einem öffentlichen Weg ein Rückstau erfolge; auf der anderen Seite scheint aber als Ursache für den Rückstau der Damm angenommen zu werden. Dieser aber befindet sich selbst nach den Annahmen der belangten Behörde zumindest zum Teil auf landwirtschaftlich genutzten Grundstücken, sodass unklar ist, warum nicht zumindest bezüglich des auf landwirtschaftlichen Grundstücken verlaufenden Dammes § 39 WRG 1959 Anwendung finden sollte.
Überdies würde selbst ein (teilweiser) Verlauf des Dammes auf dem Weg die Anwendbarkeit des § 39 WRG 1959 nicht von vornherein ausschließen.
Dem Wortlaut des § 39 WRG 1959 selbst ist keine Beschränkung auf landwirtschaftliche Grundstücke zu entnehmen. Die Beschränkung auf solche Grundstücke, worunter vor allem bebaute Grundstücke und Verkehrsflächen verstanden werden, wurde durch Lehre und Rechtsprechung begründet und hat ihren Grund in der Annahme, dass die Ableitung der Niederschlagswässer auf Baugrundstücken und öffentlichen Verkehrsflächen in den Bauordnungen und in den Straßengesetzen geregelt ist (vgl. Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 182f, sowie das Urteil des OGH vom 14. April 1978, 1 Ob 33/77, und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Daraus hat der OGH in seiner Rechtsprechung den Schluss gezogen, dass dann, wenn baubehördliche Vorschriften für die Abwendung jener Gefahren, die aus der Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse des Wassers bei bebauten Grundstücken resultieren können, keine Regelung treffen, § 39 WRG 1959 auch auf bebaute Grundstücke anzuwenden ist (vgl. das Urteil des OGH vom 14. April 1978, 1 Ob 33/77; weiters das Urteil vom 23. November 1994, 1 Ob 615/94, in welchem der OGH ausgesprochen hat, dass die zwangsläufige Veränderung des natürlichen Ablaufs des Niederschlagswassers durch baubehördlich bewilligte Gebäude bzw. durch Straßen nicht willkürlich ist, wobei Gleiches auch für durch bauliche Vorkehrungen angelegte Abstellplätze gelten muss, sofern der Anlage eine baubehördliche Bewilligung zugrunde liegt).
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dem an.
Daraus folgt für den Beschwerdefall, dass im Falle des Verlaufes des Dammes auf dem Güterweg die Anwendbarkeit des § 39 WRG 1959 nur dann auszuschließen ist, wenn dieser Damm durch straßenrechtliche (oder baurechtliche) Vorschriften erfasst ist, wobei dies nicht unbedingt das Erfordernis einer entsprechenden Bewilligung bedeutet. Ob der Damm aber von straßen- oder baurechtlichen Vorschriften erfasst ist oder in keinem Zusammenhang mit solchen Vorschriften steht, wurde von der belangten Behörde nicht näher geprüft.
Im Übrigen ist auch die Annahme der belangten Behörde, der Damm verlaufe zum Teil auf öffentlichem Gut, nämlich auf dem Güterweg, der keine landwirtschaftliche Grundfläche darstelle, auf Grund eines mängelbehafteten Verfahrens zustande gekommen.
Es wurde in einem Aktenvermerk über einen Lokalaugenschein, den die BH mit einem Sachverständigen und dem Beschwerdeführer durchgeführt hat, festgehalten, dass sich der Damm teilweise auf den Grundstücken Nr. 70, 64/2 und 64/1 und teilweise auf dem westlich an diesen Grundstücken vorbeiführenden öffentlichen Weg befinde, wobei unklar ist, ob gemeint ist, dass die Grundgrenze durch den Damm verläuft oder ob der Damm teilweise zur Gänze auf öffentlichen Grund, zum Teil zur Gänze auf den genannten anderen Grundstücken verlauft.
Abgesehen davon, dass diesem Aktenvermerk nicht zu entnehmen ist, worauf sich diese Feststellung gründet, ist aus dem Akt nicht ersichtlich, dass der Inhalt dieses Aktenvermerkes dem Beschwerdeführer formell im Wege des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit gegeben wurde, hiezu Stellung zu nehmen. Parteiengehör aber muss von der Behörde in förmlicher Weise gewährt werden; es genügt nicht, wenn der Partei der maßgebliche Sachverhalt in irgendeiner Weise bekannt wird (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 713f, angeführte Rechtsprechung). Dass der Beschwerdeführer bei dem Lokalaugenschein dabei war, ersetzt ein förmliches Parteiengehör nicht, ist doch daraus nicht mit Sicherheit abzuleiten, dass ihm die Tatsache, dass die Behörde von einem Verlauf des Dammes auf öffentlichen Gut ausgeht, zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit gegeben wurde, hiezu Stellung zu nehmen.
In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides fehlt eine ausdrückliche und eindeutige Feststellung, dass der Damm auf dem Güterweg verläuft, sodass der Beschwerdeführer auch nicht durch den erstinstanzlichen Bescheid über diese behördliche Annahme informiert wurde und dadurch die Möglichkeit gehabt hätte, diese Annahme in der Berufung zu bekämpfen.
Erstmals im angefochtenen Bescheid wird wieder behauptet, der Damm verlaufe auf öffentlichem Grund, ohne dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit hatte, hiezu Stellung zu nehmen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 18. September 2002
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7ParteiengehörParteiengehör AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002070058.X00Im RIS seit
21.11.2002Zuletzt aktualisiert am
22.05.2013