TE Vfgh Erkenntnis 1999/10/2 B2611/96

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Veröffentlicht am 02.10.1999
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Index

10 Verfassungsrecht
10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
AmtssprachenV (Slowenisch), BGBl 307/1977
VolksgruppenG §1
StV Wien 1955 Art7 Z3

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch willkürliche Versagung der Zustellung einer (weiteren) Ausfertigung einer Strafverfügung in slowenischer Sprache; Recht zum Gebrauch der Volksgruppensprache der slowenischen Minderheit im Bezirk Völkermarkt; ordnungsgemäße Zustellung erst aufgrund Zustellung der Strafverfügung in beiden Sprachen

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit ATS 18.000,-- bestimmten Prozesskosten binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Über den in der Gemeinde Eberndorf (Bezirk Völkermarkt) wohnhaften Beschwerdeführer wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 12.10.1994 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet der Gemeinde St. Kanzian eine Geldstrafe von ATS 500,-- verhängt. Diese Strafverfügung wurde im Wege der Hinterlegung am 20.10.1994 zugestellt.

Mit Schreiben vom 27.10.1994 beantragte der Beschwerdeführer (als Angehöriger der slowenischen Volksgruppe) die Zustellung der Strafverfügung in slowenischer Sprache, da er sich im Verfahren seiner Muttersprache bedienen wolle. Daraufhin stellte ihm die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt im Wege der Hinterlegung am 12.12.1994 eine Ausfertigung der Strafverfügung in slowenischer Sprache zu.

2. Mit Schriftsatz vom 19.12.1994 (bei der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt eingelangt am 22.12.1994) erhob der Beschwerdeführer in slowenischer Sprache Einspruch gegen diese Strafverfügung, wobei er die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung zugab, deren Strafbarkeit jedoch unter Hinweis darauf verneinte, dass die zugrundeliegenden Verordnungen, die Ortstafeln in der Gemeinde St. Kanzian, nicht gehörig, nämlich zweisprachig, kundgemacht worden seien.

Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt erließ am 23.3.1995 ein im Spruch mit der Strafverfügung identisches Straferkenntnis, das dem Beschwerdeführer am 2.6.1995 in deutscher und in slowenischer Sprache zugestellt wurde.

3. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten, in der er iW die Ausführungen aus dem Einspruch wiederholte und beantragte, das Straferkenntnis aufzuheben.

In der Folge erließ der UVS für Kärnten gegenüber dem Beschwerdeführer am 15.3.1996 einen Ladungsbescheid in deutscher Sprache zu einer für 15.4.1996 anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung, der der Beschwerdeführer - nachdem er mit Schriftsatz vom 21.3.1996 mitgeteilt hatte, dass er in slowenischer Sprache geladen werden wolle - jedoch fernblieb.

Mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 11.7.1996 gab der UVS für Kärnten der Berufung statt und hob das angefochtene Straferkenntnis "infolge Unvereinbarkeit mit der in Rechtskraft erwachsenen Strafverfügung vom 12.10.1994" auf. Begründend wird dazu - nach Wiedergabe des Art8 B-VG und des Art7 Z3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien - iW Folgendes ausgeführt:

"Nach der Verordnung der Bundesregierung vom 31.05.1977, BGBl. 307, ist die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache für Personen, die in einer der im §2 genannten Gemeinden wohnhaft sind, vor den Bezirkshauptmannschaften Villach-Land, Klagenfurt-Land und Völkermarkt zugelassen. Für den politischen Bezirk Völkermarkt ist dies die Gemeinde Sittersdorf. Die Strafverfügung wurde an den Berufungswerber unter der Anschrift ... Eberndorf zugestellt und wurde von ihm in sämtlichen Schriftsätzen selbst diese Anschrift angegeben. Es konnte daher davon ausgegangen werden, daß der Berufungswerber unter der genannten Anschrift wohnhaft war bzw. wohnhaft ist. Daraus folgt nun aber, daß die Zustellung der Strafverfügung bereits mit Hinterlegung der deutschen Ausfertigung bewirkt wurde. Bei diesem Sachverhalt wäre somit die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt nicht gehalten gewesen, die Strafverfügung zusätzlich in slowenischer Sprache zuzustellen. Die Einspruchsfrist hat daher mit Ablauf des 03.11.1994 geendet. Innerhalb dieser Frist wurde nachweislich kein Einspruch erhoben.

Der ... Zustellung einer (weiteren) Ausfertigung der

Strafverfügung in slowenischer Sprache kommt keine normative

Bedeutung, also auch kein Einfluß auf die bereits abgelaufene

Einspruchsfrist, zu. ... Der Erlassung des angefochtenen

Straferkenntnisses stand daher als Folge der Rechtskraft der Strafverfügung das Wiederholungsverbot entgegen ..."

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gebrauch des Slowenischen als Amtssprache nach Art7 Z3 des Staatsvertrages von Wien 1955 sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen, nämlich der Worte "ein Viertel" in §2 Abs1 Z2 sowie des §2 Abs1 Z3 Volksgruppengesetz, ferner des §2 und der Worte "für Personen (§1), die in einer der in §2 genannten Gemeinden wohnhaft sind" in §3 Abs1 sowie des §3 Abs2 der Verordnung BGBl. 1977/307 und schließlich der als Verordnungen zu wertenden Ortstafeln in der Gemeinde St. Kanzian behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes begehrt.

Begründend wird dazu ausgeführt:

"1. Auszugehen ist davon, daß die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auch dann vorliegt, wenn die Behörde unrechtmäßig die Einleitung des ordentlichen Verfahrens verweigert. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter muß daher auch dann vorliegen, wenn die Behörde unrechtmäßig die Einleitung des Berufungsverfahrens verweigert.

Obwohl der Spruch des angefochtenen Bescheides scheinbar dagegen spricht, da darin von einer 'Stattgebung der Berufung' die Rede ist, hat die belangte Behörde in ihrem Bescheid aber genau dies getan. Sie ging ... unrechtmäßigerweise davon aus, daß ich kein Recht hätte, vor der erstinstanzlichen Behörde die slowenische Sprache als Amtssprache zu verwenden, sodaß mein Ansuchen um Übermittlung einer slowenischsprachigen Ausfertigung der Strafverfügung vom 27.10.1994 belanglos war und der dadurch bewirkten Zustellung einer Ausfertigung der Strafverfügung in slowenischer Sprache keine normative Bedeutung zukam. Daher sei auch mein in der Folge verfaßter Einspruch verspätet gewesen, sodaß die Strafverfügung vom 12.10.1994 in Rechtskraft erwachsen ist. Im Ergebnis hat sich die belangte Behörde daher mit meinen Ausführungen in der Berufung überhaupt nicht auseinandergesetzt, sondern hat nachträglich das nach Zustellung der deutschsprachigen Ausfertigung der Strafverfügung durchgeführte Verfahren aufgehoben und damit eine Rechtslage hergestellt, als ob die deutschsprachige Ausfertigung der Strafverfügung vom 12.10.1994 rechtskräftig geworden wäre. Dies kommt sinnigerweise auch dadurch zum Ausdruck, daß mir gleichzeitig mit Zustellung des angefochtenen Bescheides auch ein bereits vorab ausgefüllter Erlagschein zwecks Bezahlung eines Betrages von S 500,-- an die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt/Velikovec zugemittelt wurde. Im Ergebnis hat die belangte Behörde mir dadurch nicht nur eine Entscheidung im Berufungsverfahren, sondern nachträglich auch die Einleitung des ordentlichen Verfahrens betreffend die Strafverfügung verweigert.

Voraussetzung für die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ist im vorliegenden Fall jedoch, daß gleichzeitig auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gebrauch der Minderheitensprache vor Behörden vorliegt.

2. Bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 9744 vom 28.06.1983 hat der Verfassungsgerichtshof u.a. ausgeführt:

'Bietet sich dem Beschuldigten mit Zustellung einer Ausfertigung der Strafverfügung in der deutschen Sprache erstmalig Gelegenheit zur Wahrnehmung und Ausübung seines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gebrauch des Slowenischen, so kann er der Behörde selbst noch in diesem Verfahrensstadium bekanntgeben, daß er sich im amtlichen Verkehr der slowenischen Sprache zu bedienen gedenke, ohne seines aus §16 Volksgruppengesetz erfließenden Anspruchs auf Zumittlung des (ihm bereits in deutscher Sprache zugekommenen) Bescheides auch in Slowenisch verlustig zu gehen. Die (nicht formgebundene) Eröffnung, sich in slowenischer Sprache verständigen zu wollen, hat nämlich die Wirkung, daß der in Rede stehende Bescheid in Handhabung des §16 Volksgruppengesetz nunmehr auch in der Volksgruppensprache zugestellt werden muß; erst mit Zustellung des Bescheides (der Strafverfügung) in beiden Sprachen, d.h. sowohl in der Staatssprache als auch in der Volksgruppensprache, liegt eine ordnungsgemäße 'Zustellung' iS des Volksgruppengesetzes vor, welche die Rechtsmittel-(Einspruchs-)Frist in Gang setzt. Entgegen der offenbaren Auffassung der belangten Behörde kann unter diesen hier umschriebenen Voraussetzungen angesichts der dem Minderheitenschutz dienenden Verfassungsnorm des Art7 Z3 Satz 1 des Staatsvertrages von Wien, BGBl. 152/1955, nicht gesagt werden, daß der Zustellung einer weiteren Ausfertigung ein und desselben Bescheides keine normative Bedeutung, mithin auch kein Einfluß auf eine schon mit Zustellung der ersten Bescheidausfertigung ausgelöste (Einspruchs-)Frist (VfSlg. 4366/1963) zukommt: Vielmehr beginnt die (Einspruchs-)Frist in den gedachten Fällen mit Zustellung der zweiten Bescheidausfertigung (in der Volksgruppensprache) neu zu laufen. Freilich muß die Bekanntgabe an die Behörde (über die Inanspruchnahme des Minderheitenrechts) 'unverzüglich' nach Erhalt der in der Staatssprache abgefaßten Bescheidausfertigung geschehen, wie es die auch hier entsprechend anzuwendende Vorschrift des §15 Abs1 Volksgruppengesetz ausdrücklich und zwingend vorschreibt, soll die dargelegte Rechtswirkung, die der Verpflichtung der Behörde zur doppelsprachigen Bescheidzustellung, eintreten, die allein dem Volksgruppenangehörigen die Ausübung seines Einspruchsrechts erst nach Kenntnisnahme des Bescheidinhaltes in der Volksgruppensprache ermöglicht und garantiert.'

Im vorliegenden Fall liegt ein völlig gleich zu beurteilender Sachverhalt vor. Die Bekanntgabe 7 Tage nach Zustellung der deutschsprachigen Ausfertigung der Strafverfügung, sich in diesem Verfahren der slowenischen Sprache bedienen zu wollen, muß jedenfalls noch als unverzüglich qualifiziert werden.

Zu bemerken ist aber, daß der Sachverhalt auch dann nicht anders zu beurteilen wäre, wenn vorher eine formlose 'Anhörung' etwa durch den anzeigenden Beamten vorliegen würde. Es wäre denkbar, bereits gegenüber dem anzeigenden Organ mitzuteilen, sich der slowenischen Sprache bedienen zu wollen. Dies wäre jedoch nur dann praktisch, wenn die im zweisprachigen Gebiet Kärntens tätigen Beamten die slowenische Sprache beherrschen würden, was bedauerlicherweise nur in Ausnahmefällen zutrifft. Außerdem ist auf die Bestimmung des §13 Abs2 Satz 2 des Volksgruppengesetzes hinzuweisen. Außerdem gilt es zu bedenken, daß ein Volksgruppenangehöriger in einem Verfahrensstadium vor Erlassung einer Strafverfügung ja nicht wissen kann, daß eine Strafverfügung erlassen wird.

Im oben angeführten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof auf eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erkannt. Die hier in diesem Zusammenhang vorgebrachten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides treffen aber nur unter der weiteren Voraussetzung zu, daß mir ein Recht auf Verwendung der slowenischen Sprache vor Behörden zusteht.

3. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist zu entnehmen, daß die belangte Behörde offenbar davon ausgeht, daß mir deshalb kein Recht auf Gebrauch der slowenischen Sprache als Amtssprache vor Behörden zusteht, da ich nicht in einer der in §2 der Verordnung der Bundesregierung vom 31.05.1977, BGBl. 307, genannten Gemeinden wohnhaft bin. Dies ist tatsächlich nicht der Fall, ich bin in der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas wohnhaft.

Dabei läßt die belangte Behörde jedoch die Bestimmungen des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl. 1955/152, außer Acht.

Auszugehen ist davon, daß der Artikel 8 B-VG, wonach die Staatssprache der Republik die deutsche Sprache ist, durch verschiedene Minderheitenschutzbestimmungen eingeschränkt wird. Eine solche Einschränkung erfährt Artikel 8 B-VG insbesondere durch Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien, wonach unter anderem in den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens mit slowenischer oder gemischter Bevölkerung die slowenische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen ist.

In seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 1987, G 55, 56, 57, 58/87, stellt der Verfassungsgerichtshof fest, daß Artikel 7 Z3 erster Satz des Staatsvertrages von Wien unmittelbar anwendbar ist. Dabei zitiert der Verfassungsgerichtshof auch aus den Materialien zum Staatsvertrag, wo es in den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (517 BlgNR VII. GP., S 3) zu

Artikel 7 Z3 erster Satz heißt: 'Diese Bestimmung bedarf keiner näheren Ausführungsgesetzgebung mehr; sie ist unmittelbar anwendbar.' Der Verfassungsgerichtshof geht in diesem Erkenntnis auch davon aus, daß sich in den in Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien bezeichneten Gebieten jedermann, der in der Sprache der Minderheit verhandeln will, ohne Nachweis seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheit der Sprache der Minderheit bedienen kann.

Die einzige Voraussetzung für die Anwendbarkeit der oben genannten Bestimmungen ist daher, daß die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas, in welcher ich wohnhaft bin, in einem Verwaltungs- und Gerichtsbezirk mit slowenischer oder gemischter Bevölkerung liegt bzw. daß die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas slowenische oder gemischte Bevölkerung aufweist. Ein Indiz für die Beantwortung dieser Frage können die Ergebnisse der amtlichen Volkszählungen bilden, obwohl diesen Ergebnissen keine endgültige Aussagekraft zugestanden werden kann. Zieht man diese Ergebnisse dennoch zur Beurteilung heran, so haben in der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas laut Volkszählung 1991 bei einer Gesamtbevölkerung von 5.922 Personen 639 Personen oder 10,8 % die slowenische Sprache als Umgangssprache angegeben, weitere 110 Personen oder 1,9 % gaben an, die 'windische' Sprache zu verwenden. Das sogenannte 'Windische' ist nach eigenem Bekunden der Sprecher eine Mischsprache zwischen Slowenisch und Deutsch, objektiv gesehen wird man es als einen slowenischen Dialekt aufzufassen haben. Dieser Personenkreis wird daher der 'gemischten Bevölkerung' im Sinne des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien zuzuzählen sein. Bei einem Anteil von 12,6 % an slowenisch- oder gemischtsprachiger Bevölkerung in der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas muß davon ausgegangen werden, daß diese Gemeinde eine Gemeinde mit slowenischer oder gemischter Bevölkerung ist, zumal in Artikel 7 Abs3 des Staatsvertrages von Wien keine besonderen Anforderungen an die zahlenmäßige Stärke der Minderheit gestellt werden.

Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, daß nach Auffassung des Beschwerdeführers bei der Interpretation des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien vom sogenannten 'Versteinerungsprinzip' ausgegangen werden muß. Das bedeutet, daß bei der Beurteilung der Frage, ob ein Gebiet slowenische oder gemischte Bevölkerung aufweist, von jenen Verhältnissen auszugehen ist, wie sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Staatsvertrages von Wien im Jahre 1955 herrschten. Zieht man daher die Ergebnisse der Volkszählung 1951 für die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas heran, so haben bei einer Gesamtbevölkerung von 4.212 Personen 2.010 Personen oder 47,4 % die slowenische Sprache (inkl. Windisch) verwendet. Zieht man die Ergebnisse für den damaligen Gerichtsbezirk Eberndorf/Dobrla vas heran, haben noch 54,8 % der Bevölkerung die slowenische Sprache (inkl. Windisch) verwendet. Insgesamt muß daher davon ausgegangen werden, daß zum Zeitpunkt der Erlassung des Staatsvertrages von Wien im Gebiet von Eberndorf/Dobrla vas die slowenische bzw. gemischte Bevölkerung noch die Mehrheit bildete. Berücksichtigt man daher das 'Versteinerungsprinzip', müßte in der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas nicht nur das Slowenische als zusätzliche Amtssprache zugelassen sein, sondern müßten auch nach dem geltenden Volksgruppengesetz in der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas sogar die topographischen Aufschriften zweisprachig ausgeführt sein. Will man den Gesetzgebern des Staatsvertrages von Wien nicht eine bedenkliche Elastizität bei der Normierung von Grundrechten, wie es die Minderheitenschutzbestimmungen des Artikel 7 sind, unterstellen, ist die Interpretationsmethode des 'Versteinerungsprinzips' zwingend. Anderenfalls müßten nämlich die Volksgruppenangehörigen ständig befürchten ihrer Minderheitenrechte verlustig zu gehen, weil sich andere Personen, die seinerzeit ebenfalls Volksgruppenangehörige waren, zur Aufgabe ihres Volkstums entschlossen haben. Es kann aber nicht so sein, daß die Möglichkeit zur Ausübung von Grundrechten von der durch den subjektiv Berechtigten nicht einmal beeinflußbaren Entscheidung anderer Personen abhängig gemacht werden kann.

Noch einmal sei darauf hingewiesen, daß Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien keine besonderen Bestimmungen über die notwendige zahlenmäßige Stärke der Minderheiten- bzw. Volksgruppenangehörigen stellt. Auch in §2 Abs1 Z3 des Volksgruppengesetzes ist von keinen besonderen Erfordernissen hinsichtlich der Zahl der Volksgruppenangehörigen in jenen Gebieten, in denen das Slowenische als zusätzliche Amtssprache zuzulassen ist, die Rede. Vielmehr wird in §2 Abs2 des Volksgruppengesetzes normiert, daß bei der Erlassung der in Abs1 leg.cit. vorgesehenen Verordnungen bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen sind, wobei hier insbesondere der Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien in Frage kommt. Außerdem wird in diesem Absatz ausgeführt, daß bei der Erlassung der besagten Verordnungen auf die besonderen Bedürfnisse und Interessen zur Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Volksgruppe Bedacht zu nehmen sei. Es bedarf keiner näheren Erörterung, daß die Zulassung der Volksgruppensprache als Amtssprache eine Maßnahme zur Erhaltung und Sicherung des Bestandes der Volksgruppe darstellt. Daraus läßt sich das Prinzip ableiten, daß in Bereichen, in denen der Bestand der Volksgruppe gefährdet erscheint, die Zulassung der Volksgruppensprache als zusätzliche Amtssprache erst recht nicht von zahlenmäßigen Bedingungen abhängig gemacht werden darf, da ja ansonsten gerade dort, wo der Bestand der Volksgruppe gefährdet ist, Maßnahmen zur Sicherung des Bestandes entfallen würden.

Ich habe in der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas mein Recht auf Erteilung des Elementarunterrichtes in der slowenischen Muttersprache in Anspruch genommen und ist die Tatsache, daß die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas im Geltungsbereich des Minderheitenschulgesetzes für Kärnten liegt, ein weiterer Hinweis auf den zweisprachigen Charakter dieser Gemeinde. In der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas besteht seit 90 Jahren ein slowenischer Kulturverein, es besteht eine slowenische Bank mit 2 Filialen allein im Gemeindegebiet, es erscheint regelmäßig eine zweisprachige Gemeindezeitung und es kandidiert bei den Gemeinderatswahlen regelmäßig eine von den slowenischsprachigen Gemeindeangehörigen getragene Liste, die derzeit 2 Mandatare im Gemeinderat stellt. Insgesamt betrachtet ergibt sich daher, daß die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas eine Gemeinde mit auch slowenischer bzw. gemischter Bevölkerung ist.

Wenn es aber zutreffend ist, daß die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas eine Gemeinde mit slowenischer bzw. gemischter Bevölkerung ist, müßte in der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas die slowenische Sprache gemäß Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen sein.

Unabhängig vom Inhalt der Strafverfügung bzw. des Straferkenntnisses hat die erstinstanzliche Behörde, die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt/Velikovec, in unmittelbarer Anwendung der Bestimmungen des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien auf mein Ersuchen, die Strafverfügung in slowenischer Sprache zuzustellen, eine Zustellung dieser Strafverfügung in slowenischer Sprache vorgenommen und daraufhin, nachdem ich Einspruch erhoben habe, in slowenischer Sprache auch ein Straferkenntnis zugestellt. Für eine Aufhebung des Straferkenntnisses mit der Begründung der belangten Behörde und für die Wiederherstellung der Rechtslage nach Erlassung der nur deutschsprachigen Strafverfügung bestand daher überhaupt kein Anlaß, vielmehr hätte sich die belangte Behörde inhaltlich mit den Ausführungen in meiner Berufung auseinandersetzen müssen.

4. Sollte es jedoch richtig sein, daß die Verordnung der Bundesregierung vom 31.05.1977, BGBl. 307, einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Bestimmungen des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien entgegensteht, ist dem angefochtenen Bescheid auch anzulasten, daß er sich auf eine verfassungswidrige Verordnung bzw. auf ein verfassungswidriges Gesetz stützt.

In seinem Abschnitt V enthält das als Ausführungsgesetz zu

Artikel 7 des Staatsvertrages von Wien zu wertende Bundesgesetz vom 7. Juli 1976 über die Rechtsstellung von Volksgruppen in Österreich (Volksgruppengesetz), BGBl. 1976/396 idF BGBl. 1988/24, ausführliche Regelungen über die Amtssprache. Es nennt jene Behörden und Dienststellen, vor denen eine Minderheitensprache als zusätzliche Amtssprache zugelassen ist, nicht namentlich, sondern sieht die Festlegung der in Betracht kommenden Stellen in einer besonderen Durchführungsverordnung vor (§2 Abs1 Z3). Für die slowenische Sprache ist dies die Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die slowenische Sprache zusätzlich zu der deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird, BGBl. 1977/307.

§2 der genannten Verordnung bestimmt unter anderem, daß im politischen Bezirk Völkermarkt/Velikovec die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache vor den Gemeindebehörden und Gemeindedienststellen der Gemeinden Bleiburg/Pliberk, nunmehr auch Feistritz ob Bleiburg/Bistrica pri Pliberku, Eisenkappel-Vellach/elezna Kapla-Bela, Globasnitz/Globasnica, Neuhaus/Suha nach Abs1 sowie in der Gemeinde Sittersdorf/itara vas nach Abs2 zugelassen ist. Negativ betrachtet bedeutet dies, daß in allen im §2 der genannten Verordnung nicht genannten Gemeinden des politischen Bezirkes Völkermarkt/Velikovec, darunter auch in der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas, die slowenische Sprache nicht zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen ist.

Wenn jedoch der Nachweis gelingt, daß auch weitere Gemeinden des politischen Bezirkes Völkermarkt/Velikovec slowenische oder gemischte Bevölkerung aufweisen, so wäre nach Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien auch in diesen Gemeinden die slowenische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zuzulassen. Unter Hinweis auf die obigen Ausführungen ist aber davon auszugehen, daß auch die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas eine Gemeinde mit slowenischer bzw. gemischtsprachiger Bevölkerung ist. Da diese Gemeinde im §2 der erwähnten Verordnung nicht genannt ist, steht §2 der Verordnung im Widerspruch zur Verfassungsbestimmung des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß in Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien auf Verwaltungs- und Gerichtsbezirke abgestellt wird. Im Gegensatz dazu stellt die Amtssprachenverordnung jedoch auf Gemeinden und gar lediglich auf Gemeindeteile ab. Es stellt sich daher auch die Frage, ob es zulässig ist, Gemeinden unter den Begriff 'Verwaltungs- oder Gerichtsbezirke' im Sinne des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien zu subsumieren. Dagegen spricht der Einwand, daß in diesem Fall das Territorium, in dem die Minderheitenschutzbestimmungen des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien Wirksamkeit haben sollen, in bedenklicher Art und Weise aufgesplittert wird. So ist beispielsweise in vier Nachbargemeinden der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas das Slowenische als zusätzliche Amtssprache zugelassen, in zwei weiteren Nachbargemeinden jedoch nicht. Allein innerhalb des Bezirkes Völkermarkt/Velikovec lassen sich nach der Intensität des Minderheitenschutzes vier Kategorien von Gemeinden bilden: Gemeinden, in denen die Volksgruppenangehörigen lediglich das Recht auf Erteilung des Elementarunterrichtes in ihrer Muttersprache haben, Gemeinden, in denen die Volksgruppenangehörigen außerdem das Recht auf Verwendung ihrer Sprache vor dem zuständigen Bezirksgericht haben, Gemeinden, in denen die Volksgruppenangehörigen darüber hinaus auch das Recht auf Verwendung ihrer Sprache vor den Verwaltungsbehörden haben und schließlich Gemeinden, in denen den Volksgruppenangehörigen nach der Verordnung der Bundesregierung vom 31.05.1977 über die Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind, BGBl. 1977/306, auch das Recht auf zweisprachige topographische Bezeichnungen zusteht. Der politische Bezirk Völkermarkt/Velikovec oder zumindest das Jauntal/Podjuna wird von der Bevölkerung jedoch als ein einheitliches Gebiet aufgefaßt. Die erwähnte Zersplitterung in der Intensität des Minderheitenschutzes führt dazu, daß bereits bei einem Umzug innerhalb dieses, von der Bevölkerung als Einheit aufgefaßten Gebietes, ein Volksgruppenangehöriger wesentliche verfassungsmäßig gewährleistete Minderheitenschutzrechte verlieren oder auch dazugewinnen kann. Unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes erscheint die Bildung von unterschiedlichen 'Kategorien' von Volkgsruppenangehörigen innerhalb eines politischen Bezirkes bedenklich, und weil sachlich nicht gerechtfertigt, verfassungswidrig zu sein. Vielmehr wird der Wortlaut des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien dahingehend zu interpretieren sein, daß unter 'Verwaltungs- und Gerichtsbezirken' eben politische Bezirke oder zumindest Gerichtsbezirke zu verstehen sind. Ist aber der Wortlaut des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien dahingehend zu interpretieren, dann müßte die slowenische Sprache im gesamten politischen Bezirk Völkermarkt/Velikovec als zusätzliche Amtssprache zugelassen sein, weil der politische Bezirk Völkermarkt/Velikovec jedenfalls ein Gebiet ist, das auch slowenische bzw. gemischtsprachige Bevölkerung aufweist.

Bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides wurde §2 der Slowenischen Amtssprachenverordnung, BGBl. 1977/307, angewendet und wurde ich daher wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in meinen verfassungesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt.

Bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides war jedoch auch §2 Abs1 Z3 des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/396 idF BGBl 1988/24, anzuwenden, der die Verordnungsermächtigung enthält, die Behörden und Dienststellen, bei denen zusätzlich zur deutschen Amtssprache die Verwendung der Sprache einer Volksgruppe zugelassen wird, durch Verordnungen der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates und nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung festzulegen. Mit dieser Verordnungsermächtigung erhält die Bundesregierung die Möglichkeit, durch Nichtberücksichtigung von Gemeinden mit slowenischer oder gemischtsprachiger Bevölkerung bei der Erlassung der Verordnung das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Verwendung der slowenischen Sprache als Amtssprache im Sinne des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien einzuschränken.

In seinem Beschluß zur Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vom 16. Dezember 1986, B817/95, führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, daß es zulässig sei, den Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien innerstaatlich in der Weise durchzuführen, daß durch eine innerstaatliche Rechtsnorm jene Verwaltungs- und Gerichtsbezirke konkretisiert werden, in denen der Gebrauch der slowenischen Sprache als Amtssprache neben dem Deutschen zugelassen ist. Eben dies ermögliche auch §2 des Volksgruppengesetzes. Es sei aber mit Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien unvereinbar, wenn es der verordnungserlassenden Behörde überlassen wäre, durch die Konkretisierung im Ergebnis jene Volksgruppen von der Verwendung ihrer Minderheitensprache als Amtssprache auszuschließen, denen in Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien ein diesbezügliches verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht eingeräumt wurde. Ebenso muß es jedoch mit Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien unvereinbar sein, wenn es der verordnungserlassenden Behörde überlassen wäre, durch die Konkretisierung Teile von Volksgruppen von der Verwendung ihrer Minderheitensprache als Amtssprache auszuschließen, obwohl diese Teile von Volksgruppen in einem slowenisch- oder gemischtsprachigen Gebiet im Sinne des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien beheimatet sind.

Wie oben dargelegt, ist dies im Fall der Marktgemeinde Eberndorf/Dobrla vas geschehen. Auch §2 Abs1 Ziff. 3 des Volksgruppengesetzes steht daher im Widerspruch zum Artikel 7 Abs3 des Staatsvertrages von Wien, der deutlich auf die Gebiete mit slowenischer oder gemischtsprachiger Bevölkerung verweist und keine Möglichkeit bietet, den territorialen Geltungsbereich dieser Bestimmung einzuschränken. Die Ermächtigung, im Verordnungswege den territorialen Geltungsbereich von Grundrechten einzuschränken, widerspricht auch dem Legalitätsprinzip und ist aus diesem Grunde verfassungswidrig.

5. Der angefochtene Bescheid verletzt mich aber auch in meinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Auch wenn man die Auffassung, daß bei der Interpretation der Bestimmungen des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien vom "Versteinerungsprinzip" auszugehen ist und zur Beurteilung der Frage, welche Gebiete eine slowenische bzw. gemischte Bevölkerung aufweisen, die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses des Staatsvertrages heranzuziehen sind, nicht teilen sollte, ergibt sich, daß etwa die Gemeinde Rosegg/Rozek eine amtlich anerkannte zweisprachige Gemeinde ist, obwohl sie laut Volkszählung 1991 einen slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil von 7,8 % aufweist, wogegen die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas als nicht amtlich anerkannte zweisprachige Gemeinde laut Volkszählung 1991 einen slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil von 12,6 % aufweist. Auch weitere amtlich anerkannte zweisprachige Gemeinden, etwa Ebental/erelec (5,2 %) und Ferlach/Borovlje (10 %), weisen laut Volkszählung 1991 einen geringeren slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil auf als die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, in einer Gemeinde mit einem höheren slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil das Slowenische als Amtssprache im Gegensatz zu Gemeinden mit einem niedrigeren slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil nicht zuzulassen.

6. Aber selbst wenn man die Frage offen läßt, ob die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas nun eine Gemeinde mit slowenischer bzw. gemischter Bevölkerung ist, ergibt sich, daß mich der angefochtene Bescheid in meinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Verwendung der slowenischen Sprache als Amtssprache verletzt. Die belangte Behörde hat nämlich in unrechtmäßiger Weise von ihrem Ermessen, welches ihr mit §3 Abs2 der Verordnung der Bundesregierung vom 31.05.1977, BGBl. 307, eingeräumt wird, nicht Gebrauch gemacht. Nach dieser Bestimmung können im Sinne der Zielsetzung des §1 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976, u.a. vor der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt/Velikovec auch andere Personen (nämlich solche, die nicht in einer amtlich anerkannten zweisprachigen Gemeinde wohnhaft sind, insbesondere solche, die der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind), die slowenische Sprache als Amtssprache gebrauchen. Die Zielsetzung des §1 Abs1 des Volksgruppengesetzes lautet:

'Die Volksgruppen in Österreich und ihre Angehörigen genießen den Schutz der Gesetze; die Erhaltung der Volksgruppen und die Sicherung ihres Bestandes sind gewährleistet. Ihre Sprache und ihr Volkstum sind zu achten.'

Im Sinne dieser Zielsetzung hat die erstinstanzliche Behörde, nämlich die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt/Velikovec, die Verwendung des Slowenischen als Amtssprache im vorliegenden Fall zugelassen, obwohl die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas keine amtlich anerkannte zweisprachige Gemeinde ist. Die belangte Behörde hat jedoch in Verkennung der Zielsetzung des Volksgruppengesetzes eben die Zulassung des Slowenischen als Amtssprache im vorliegenden Fall zum Anlaß genommen, das in slowenischer Sprache zugestellte Straferkenntnis aufzuheben und auszusprechen, daß die seinerzeitige nur deutschsprachige Strafverfügung rechtskräftig geworden ist. Wenn die belangte Behörde trotz der Zielsetzung des §1 des Volksgruppengesetzes dies weiters noch 'in Stattgebung der Berufung' getan hat, kann man diese Vorgangsweise nur als Verhöhnung des Antragstellers bezeichnen.

Hinzuweisen ist auch darauf, daß der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten damit von seiner eigenen Rechtsprechung abgeht. Laut Bescheid KUVS-21/1/1992 hat nämlich der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten die Zulassung des Slowenischen als Amtssprache vor der Bezirkshauptmannschaft Villach-Land/Beljak-dezela für einen Bürger der nicht amtlich anerkannten zweisprachigen Gemeinde Feistritz an der Gail/Bistrica na Zilji bejaht. Nicht anders wäre der Sachverhalt im Verhältnis nicht amtlich anerkannte zweisprachige Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas - Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt/Velikovec zu beurteilen gewesen.

Diese Rechtsauffassung der belangten Behörde widerspricht auch der bislang herrschenden Lehre zur Interpretation des Volksgruppengesetzes und der hiezu ergangenen Verordnungen in bezug auf die Kärntner Slowenen. Unkart/Glantschnig/Ogris haben hinsichtlich der Möglichkeit der Verwendung des Slowenischen als Amtssprache vor Bezirkshauptmannschaften ausgeführt: 'Was die Behörden der staatlichen Verwaltung anlangt, wird von den Bezirkshauptmannschaften Klagenfurt, Villach und Völkermarkt ausgegangen. Jeder österreichische Staatsbürger, für den die örtliche Zuständigkeit dieser Behörden gegeben ist, kann bei ihnen das Slowenische als Amtssprache in Anspruch nehmen. Er kann dies aber auch bei allen Verwaltungsbehörden und Dienststellen Kärntens, sei es in einem erstinstanzlichen Verfahren oder im Rechtsmittelverfahren, deren Sprengel oder Amtsbereich ganz oder teilweise mit einer der drei Bezirkshauptmannschaften zusammenfällt. Während bei allen Verwaltungsbehörden und Dienststellen das Slowenische sowohl in behördlichen als auch in privatwirtschaftlichen Angelegenheiten verwendet werden kann, ist diese Möglichkeit bei den Post- und Eisenbahnbehörden im Lande nur auf behördliche Angelegenheiten und beim Militärkommando auf Angelegenheiten des militärischen Ergänzungswesens beschränkt. Insgesamt handelt es sich hier um 60 Bundes- und Landesbehörden bzw. Dienststellen, die durch ihre Sprengel bzw. Amtsbereiche sicherstellen, daß 99,5 % der in ihrem autochthonen Siedlungsbereich lebenden Kärntner Slowenen vor allen nur überhaupt in Betracht kommenden Verwaltungsbehörden in Kärnten ihre Muttersprache als Amtssprache verwenden können.' (vgl. Unkart/Glantschnig/Ogris - 1984: Zur Lage der Slowenen in Kärnten. Die slowenische Volksgruppe und die Wahlkreiseinteilung 1979 - eine Dokumentation. Klagenfurt, Seite 78 f). Die Autoren belegen diese Ansicht auch durch eine Karte, in welcher der gesamte Bereich der Bezirkshauptmannschaften Völkermarkt/Velikovec, Klagenfurt/Celovec und Villach/Beljak als Gebiet eingezeichnet ist, in welchem vor Bezirkshauptmannschaften das Slowenische zusätzlich zur deutschen Amtssprache zugelassen ist (vgl. Karte 21, Seite 300 des oben zitierten Werkes).

7. Wenn man schließlich offen läßt, ob die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas eine slowenisch- bzw. gemischtsprachige Gemeinde ist, wenn man auch offen läßt, ob die Nichtzulassung des Slowenischen als Amtssprache für Bürger der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas gleichheitswidrig ist, wenn gleichzeitig in anderen Gemeinden mit einem geringeren slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil das Slowenische als Amtssprache zugelassen ist und wenn man auch die Ermessensausübung der belangten Behörde im Hinblick auf §3 Abs2 der Slowenischen Amtssprachenverordnung als im Rahmen des Ermessensspielraumes erachtet, ergibt sich dennoch die Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Anwendung einer gesetzeswidrigen Verordnung. In diesem Fall wäre nämlich zu berücksichtigen, daß die Verordnung der Bundesregierung vom 24. April 1990 über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die kroatische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird, BGBl. 1990/231 idF BGBl. 1991/6, auf derselben gesetzlichen und verfassungsmäßigen Basis ergangen ist wie die Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird, BGBl. 1977/307. Beide Verordnungen können nur als Ausführungsnormen zum Volksgruppengesetz und zum Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien verstanden werden.

...

Während ... in Kärnten vor den in der Verordnung angeführten Bezirkshauptmannschaften die slowenische Sprache als Amtssprache nur für Personen zugelassen ist, die in einer der amtlich anerkannten zweisprachigen Gemeinden wohnhaft sind, ist im Burgenland vor den Bezirkshauptmannschaften die kroatische Sprache als Amtssprache für sämtliche Personen zugelassen, unabhängig davon, ob sie in einer amtlich anerkannten zweisprachigen Gemeinde oder sonstwo wohnhaft sind. Beide Verordnungen sind aber wie erwähnt auf Grundlage desselben Gesetzes und derselben Verfassungsbestimmung ergangen. Für eine Differenzierung zwischen den Burgenländischen Kroaten und den Kärntner Slowenen hinsichtlich der Zulassung ihrer Volksgruppensprache vor den Bezirkshauptmannschaften als Amtssprache läßt sich aber wohl keine wie auch immer geartete sachliche Rechtfertigung finden. Allenfalls wäre im Verhältnis der beiden Amtssprachenverordnungen die umgekehrte Vorgangsweise vertretbar, zumal die Burgenländischen Kroaten bekanntlich eher geschlossen in kroatischsprachigen Dörfern beheimatet sind, wogegen die Kärntner Slowenen über das gesamte zweisprachige Gebiet Kärntens verteilt in Streulage siedeln. Es wird daher angeregt, ein Normprüfungsverfahren hinsichtlich der Passage 'für Personen (§1), die in einer der in §2 genannten Gemeinden wohnhaft sind' in §3 Abs1 der Verordnung BGBl. 1977/307 und, da in der Folge sinnwidrig, auch hinsichtlich des gesamten §3 Abs2 der genannten Verordnung, einzuleiten und diese Bestimmungen als verfassungswidrig wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes aufzuheben.

8. Hinzuweisen ist auf die Bestimmungen des §16 des Volksgruppengesetzes, wonach Entscheidungen und Verfügungen (einschließlich der Ladung), die zuzustellen sind und die in der Sprache einer Volksgruppe eingebrachte Eingaben oder Verfahren betreffen, in denen in der Sprache der Volksgruppe bereits verhandelt worden ist, in dieser Sprache und in deutscher Sprache auszufertigen sind. Im gegenständlichen Verfahren wurde nach Erlassung der Strafverfügung das Verfahren bereits in slowenischer Sprache geführt. Dennoch hat die belangte Behörde die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 15.04.1996 lediglich in deutscher Sprache ausgefertigt und auch nach dem ausdrücklichen Ersuchen um eine slowenischsprachige Ausfertigung der Ladung eine slowenischsprachige Ausfertigung nicht zugestellt. Gemäß §17 Abs1 des Volksgruppengesetzes gilt der Anspruch derjenigen Partei auf rechtliches Gehör als verletzt, zu deren Nachteil ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Volksgruppengesetzes geschehen ist. Ich wurde daher auch deshalb in meinem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt, weil mir der Ladungsbescheid zur öffentlichen mündlichen Verhandlung für den 15.04.1996 um 11.30 Uhr nicht in slowenischer Sprache zugestellt wurde.

9. Die belangte Behörde hat sich mit dem eigentlichen Inhalt der Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 23.03.1995, ... überhaupt nicht auseinandergesetzt. Der Ordnung halber sei daher wiederholt, daß ich der Auffassung bin, daß ich am 06.09.1994 um 17.25 Uhr als Lenker des Kraftfahrzeuges K-180.903 auf der St. Kanzianer Landesstraße L 116 in St. Kanzian/ekocijan auf Höhe des Hauses Hauptstraße 38, indem ich eine Geschwindigkeit von 65 km/h eingehalten habe, keine Verwaltungsübertretung begangen habe. Für die Gemeinde St. Kanzian/ekocijan trifft es in noch weit höherem Ausmaße als für die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas zu, daß es sich dabei um eine slowenisch- bzw. gemischtsprachige Gemeinde handelt. Nach den Ergebnissen der Volkszählung 1991 weist die Gemeinde St. Kanzian/ekocijan einen noch höheren Anteil an slowenischsprachiger Bevölkerung auf, als die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas. Die Gemeinde St. Kanzian/ekocijan hat laut Volkszählungsergebnis 1991 einen slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil von 16,4 % aufgewiesen, somit einen in bezug auf die Gesamtbevölkerung um 4 % höheren slowenischsprachigen Bevölkerungsanteil als die Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas. Nach den Bestimmungen des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien sind in Gebieten mit slowenischer bzw. gemischtsprachiger Bevölkerung die topographischen Aufschriften zweisprachig aufzustellen. Was für die Möglichkeit der Verwendung des Slowenischen als Amtssprache gilt, gilt nach den Bestimmungen des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien auch für die zweisprachigen topographischen Aufschriften, der Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien macht diesbezüglich keinen Unterschied. Wenn in der Gemeinde Eberndorf/Dobrla vas das Slowenische als Amtssprache zuzulassen wäre, muß dies aufgrund des höheren slowenischsprachigen Bevölkerungsanteiles noch weit eher für die Gemeinde St. Kanzian/ekocijan gelten. Nichts anderes ergibt sich aber auch in bezug auf die zweisprachigen topographischen Bezeichnungen.

Man könnte lediglich einwenden, daß kein subjektives Recht auf zweisprachige topographische Aufschriften besteht und daß insbesondere ich selbst als Gemeindebürger von Eberndorf/Dobrla vas keinen Anspruch auf eine zweisprachige Ortstafel in St. Kanzian/ekocijan habe. Man könnte weiters einwenden, daß die Verpflichtung zur Einhaltung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h sich bereits daraus ergibt, daß die Ortstafel die 'blaue Umrandung' aufweist, unabhängig vom Wortlaut der Beschriftung der Ortstafel.

Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß die Verordnung nur dann bindend sein kann, wenn sie ordnungsgemäß kundgemacht wurde. Wenn nach der Verfassungsbestimmung des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien hinsichtlich von Ortstafeln im slowenisch- bzw. gemischtsprachigen Gebiet eine zweisprachige Beschriftung vorgesehen ist, dann sind nicht zweisprachig beschriftete Ortstafeln eben nicht ordnungsgemäß kundgemacht. Zur Frage der diesbezüglichen Beschwerdelegitimation ist zu bemerken, daß bei einer anderslautenden Interpretation man zum Ergebnis gelangt, daß die Bestimmung des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien hinsichtlich der zweisprachigen topographischen Aufschriften überhaupt kein subjektiv-öffentliches Recht enthält. Allenfalls könnte bei einer solchen Interpretation diese Bestimmung eine Art kollektives Recht der Volksgruppe enthalten, wobei sich dann allerdings die Frage stellt, wer zur Geltendmachung eines solchen kollektiven Rechtes berechtigt wäre. Zur Zeit hat keine einzige Volksgruppenorganisation einen öffentlich-rechtlichen Status oder eine Art 'Verbandsklagerecht'. Man kann den Gesetzgebern des Staatsvertrages von Wien wohl nicht unterstellen, daß sie nichteinklagbare Minderheitenschutzbestimmungen schaffen wollten. Aus diesen Gründen wird weiters angeregt, ein Normprüfungsverfahren einzuleiten und die als Verordnung zu wertenden Ortstafeln von St. Kanzian (auch St. Kanzian Klopeiner See) aufzuheben, weil sie nicht gehörig kundgemacht ist. Ebenso wird angeregt, ein Normprüfungsverfahren betreffend den Wortlaut '(1/4)' in §2 Abs1 Z2 des Bundesgesetzes vom 07.07.1976 über die Rechtsstellung von Volksgruppen in Österreich einzuleiten, da dieses zahlenmäßige Erfordernis in der Verfassungsbestimmung des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien keine Deckung findet."

5.1. Der UVS für Kärnten als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor; auf die Erstattung einer Äußerung wurde verzichtet.

5.2. Der Verfassungsgerichtshof hat das Amt der Kärntner Landesregierung und das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst eingeladen, zu den in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen Stellung zu nehmen.

5.2.1.1. Das Amt der Kärntner Landesregierung äußerte sich dazu wie folgt:

"Der Beschwerdeführer hat den ihm zur Last gelegten Tatbestand im Ortsgebiet 'St. Kanzian' begangen. Er selbst ist in ..., 9141 Eberndorf, wohnhaft. Weder St. Kanzian noch Eberndorf zählen aufgrund der von den Behörden anzuwendenden Rechtslage zu jenen Gebieten, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind, noch zählen Eberndorf oder St. Kanzian zu jenen Gebieten, in welchen die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache vor den Behörden zugelassen ist.

Es ist sohin die Beschwerde des Beschwerdeführers unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten, wobei sich der Beschwerdeführer im wesentlichen durch nachstehende Beschwerdepunkte beschwert erachtet fühlt:

a) Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die fehlerhafte Kundmachung der 'Ortstafel' und 'Ortsende' in lediglich deutscher Sprache sowie

b) Verletzung seines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gebrauch der Minderheitensprache vor Behörden.

Hiezu ist zunächst festzuhalten, daß keine Vorschrift der Straßenverkehrsordnung einer Einzelperson ein subjektives Recht auf Erlassung einer straßenpolizeilichen Anordnung einräumt und die Erlassung der (durch Straßenverkehrszeichen kundzumachenden) Verordnung über ein Ortsgebiet im engeren (die Kundmachung nicht mitumfassenden) Sinn in der Straßenverkehrsordnung abschließend geregelt ist. Aus diesem Grund kann daher ein subjektives Recht des Beschwerdeführers zunächst auf Erlassung einer straßenpolizeilichen Anordnung über die Festlegung eines Ortsgebietes nicht abgeleitet werden (vgl. VfGH 10.10.1984, B629/78). Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß die bereits erlassene straßenpolizeiliche Verordnung über das Ortsgebiet von St. Kanzian durch zweisprachige Hinweiszeichen kundzumachen wäre, bedeutet dies, daß sich das Beschwerdevorbringen der Sache nach gegen die Gesetzmäßigkeit der schon dem Rechtsbestand angehörenden Verordnung vom Blickpunkt einer gesetzwidrigen Kundmachung her wendet. Die Gesetzwidrigkeit ergibt sich nach Ansicht des Beschwerdeführers aus dem Kundmachungsmangel der unterlassenen zweisprachigen Ortsbezeichnung.

Geht man davon aus, daß gemäß §20 Abs1 StVO der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen, sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen hat, erhellt sich auch die normative Anordnung des §20 Abs2 StVO, wonach der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf den Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren darf, als gesetzliche Anordnung zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes.

Dies ergibt sich auch aus der für Ortsgebiete bezughabenden Verordnungsermächtigung des §43 StVO, wonach dauernde Verkehrsbeschränkungen zu erlassen sind, wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert.

Dies bedeutet, daß die Festsetzung einer im Ortsgebiet geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit wie auch die Festsetzung des Ortsgebietes selbst, insbesondere dem Umstand Rechnung tragen soll, daß im Ortsgebiet die Begegnung von Verkehrsteilnehmern oft vorkommt, und soll die Festsetzung des Ortsgebietes dafür vorsorgen, daß die Verkehrsteilnehmer einander rechtzeitig wahrnehmen und aufeinander einstellen können (vergleiche OGH 16.4.1970, ZVR 1970/221). Dies bedeutet, daß die Vorschrift des §20 Abs2 leg. cit. über das Ortsgebiet und die Geschwindigkeitsbeschränkung im Ortsgebiet primär auf die Bedürfnisse des Ortsverkehrs und die darauf bezughabende Verkehrssicherheit zum Schutz von Leben und Umwelt abzielt.

Die Bedeutung der Festlegung eines Ortsgebietes und insbesondere die damit verbundene Bestimmung einer im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit erhellt sich auch daraus, als diese Festlegung der Höchstgeschwindigkeit eine Schutznorm im Sinne des §1311 ABGB darstellt (vergleiche OGH 9.9.1965, ZVR 1966/105).

Von diesem Schutzzweck der Norm ausgehend, ist daher auch die Anbringung der Hinweiszeichen 'Ortstafel' und 'Ortsende' gemäß §44 Abs1 StVO zu sehen. Dies bedeutet, daß eine Verordnung über die Festlegung des Ortsgebietes gemäß §43 StVO durch das Aufstellen der Straßenverkehrszeichen kundgemacht wird und mit der Errichtung derselben in Kraft tritt.

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß sämtliche Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung über die Festlegung des Ortsgebietes 'St. Kanzian' sowie sämtliche Bestimmungen über die Kundmachung dieser Verordnung auf der Basis der Regelungen der Straßenverkehrsordnung eingehalten wurden. Dies umso mehr, als die Gemeinde St. Kanzian auch nicht in den in der Verordnung der Bundesregierung über die Bestimmung von Gebietsteilen bezeichneten Gebieten, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind, enthalten ist.

Besteht daher der einzig geltend gemachte Kundmachungsmangel darin, daß die Ortsbezeichnung nicht zweisprachig ausgeführt wurde, so ist zunächst wohl vom Schutzzweck der mit dem Ortsgebiet verbundenen Regelungen sowie vom Schutzzweck des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter auszugehen.

Selbst im Lichte einer minderheitenfreundlichen Auslegung der volksgruppenrechtlichen Bestimmungen ist wohl davon auszugehen, daß die Verordnung über das Ortsgebiet 'St. Kanzian' völlig rechtmäßig im Rahmen des Schutzzweckes der Verkehrssicherheit und der Erhöhung des Schutzes der Umwelt, gerade auch im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz über den umfassenden Umweltschutz, kundgemacht wurde.

Eine andere Auffassung verbietet sich schon allein deshalb, als ansonsten bereits ein Schreibfehler der Ortsbezeichnung auf dem Hinweiszeichen einen Kundmachungsmangel darstellen würde (z. B. die Bezeichnung 'St. Kantzian' anstelle von 'St. Kanzian').

Dies bedeutet sohin, daß im vorliegenden Fall das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf einen gesetzlichen Richter nicht verletzt wurde, da sämtliche Kundmachungsvorschriften der bezugnehmenden Verordnung eingehalten wurden.

Wenn der Beschwerdeführer in weiterer Folge sich in seinem Recht des Gebrauches der Minderheitensprache vor Behörden verletzt erachtet, so ist darauf hinzuweisen, daß die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt im vorliegenden Fall die Zulässigkeit der Verwendung der slowenischen Sprache vor der Behörde anerkannt hatte und sämtliche Verfahrensentscheidungen und Verfügungen, die zuzustellen waren, in der slowenischen und der deutschen Sprache ausgefertigt und zugestellt hat. Dies, obwohl der Beschwerdeführer weder den Tatort, noch seinen eigenen Wohnort in einem Gebiet hat, welches von volksgruppenrechtlichen Bestimmungen umfaßt ist. Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt ist sohin (ob zu Recht oder zu Unrecht ist im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen) von der unmittelbaren Wirkung des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien ausgegangen und hat die volksgruppenrechtlichen Bestimmungen angewandt. Dies bedeutet, daß zufolge des §17 Volksgruppengesetz, nachdem bereits das gesamte Verfahren in der Sprache der Volksgruppe abgewickelt wurde, der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten aufgrund eines Wechsels der verwendeten Sprache ausschließlich in die deutsche Sprache, den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Dies stellt jedoch im vorliegenden Fall keinen Verstoß gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Minderheit dar, sondern allenfalls einen vom Verwaltungsgerichtshof zu überprüfenden Verstoß gegen einfach gesetzliche Grundlagen, nämlich der Mißachtung des Parteiengehörs, dar.

Es ist daher seitens des Amtes der Kärntner Landesregierung zusammenfassend festzuhalten, daß die Beschwerde des Beschwerdeführers unbegründet ist, da er in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde."

5.2.1.2. Auf diese Äußerung hat der Beschwerdeführer wie folgt repliziert:

"1. Zur (zweisprachigen) Kundmachung einer Ortstafel:

Die Ausführungen der Kärntner Landesregierung können ... nichts daran ändern, daß eine Ortstafel für St. Kanzian/ekocijan zwar wohl erforderlich sein mag und ja auch tatsächlich aufgestellt wurde, allerdings diese als Verordnung zu qualifizierende Ortstafel an einem Kundmachungsmangel leidet. Gemäß den unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des Artikel 7 Z3 des Staatsvertrages von Wien wäre nämlich die gegenständliche Ortstafel zweisprachig, nämlich deutsch und slowenisch, auszuführen gewesen und müßte somit St. Kanzian/ekocijan lauten. Dies ist aber nicht der Fall und kann über diesen Kundmachungsmangel auch nicht hinweg helfen, daß aus Gründen der Verkehrssicherheit, des Umweltschutzes und aus anderen Überlegungen eine Ortstafel für St. Kanzian/ekocijan noch so notwendig ist.

Auch der Hinweis der Kärntner Landesregierung, daß sich die Auffassung des Beschwerdeführers schon alle

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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