Index
22/01 Jurisdiktionsnorm;Norm
FinStrG §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der M in A, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Johannisgasse 3/III, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom 10. Dezember 1998, Zl. RV 284/1-10/1998, betreffend Hinterziehung von Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis vom 13. Juli 1998 erkannte das Hauptzollamt Linz als Finanzstrafbehörde I. Instanz die Beschwerdeführerin schuldig, im Mai und Juni 1991 als Beteiligte nach § 11 FinStrG an fünf Tathandlungen dadurch zum Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG beigetragen zu haben, dass sie vorsätzlich unter Verletzung der in den §§ 119 BAO und 52 ff ZollG 1988 normierten abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bei fünf Lieferungen im Gesamtgewicht von 77.250 kg "Hühnchenbrüsten" an die Verantwortlichen der Firma T den Auftrag erteilt habe, für Verzollungszwecke zu den näher genannten Anmeldungen "unterfakturierte Rechnungen" zu erstellen, wodurch eine Verkürzung von Eingangsabgaben in Höhe von S 78.983,-- (Einfuhrumsatzsteuer S 76.682,-- und Außenhandelsförderungsbeitrag S 2.301,--) bewirkt worden sei. Sie habe dadurch das Finanzvergehen der Hinterziehung von Eingangsabgaben gemäß § 35 Abs. 2 iVm § 11 FinStrG begangen. Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe von S 39.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 39 Tage) und ein reduzierter Wertersatz von S 500.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 42 Tage) verhängt. Dies mit der Begründung, das Landesgericht Linz als Schöffengericht habe die Beschwerdeführerin mit Urteil vom 25. November 1997 von der wider sie erhobenen Anklage wegen Unzuständigkeit des Schöffengerichtes gemäß § 214 FinStrG freigesprochen. Die zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens zuständige Finanzstrafbehörde I. Instanz habe nachstehenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen: Die Beschwerdeführerin sei Prokuristin der Firma F und innerbetrieblich für den Einkauf zuständig gewesen. Von der Firma T habe die Beschwerdeführerin als Prokuristin der Firma F laufend verschiedene Geflügelwaren eingekauft. Zur Vermeidung von Importausgleichszahlungen nach dem Geflügelwirtschaftsgesetz habe sie mit der Firma T vereinbart, Rechnungen für Putenwaren so überzufakturieren, dass die jeweiligen Verkaufspreise über den österreichischen Schwellenpreisen liegen sollten. Dadurch habe sich ein beträchtliches Guthaben der Firma F bei der Firma T angehäuft. Von diesem Guthaben sollte die Forderung der Firma T in Höhe von DM 108.922,50 abgezogen werden. Dieses Guthaben ergebe sich aus der Differenz zwischen dem vereinbarten Preis von DM 4,60 und dem unterfakturiertem Preis von DM 3,19 pro Kilo für die fünf Hähnchenimporte im Gesamtvolumen von 77.250 kg. Mit Fax vom 19. August 1991 habe die Beschwerdeführerin die Firma T angewiesen, den Betrag in Höhe von DM 249.018,30 an eine näher bezeichnete Person in der Schweiz zu übersenden. Dieser Betrag errechne sich aus dem früheren Guthaben in Höhe von DM 357.940,80 minus der Forderung in Höhe von DM 108.922,50 für die unterfakturierten Hähnchenlieferungen. Es sei daher bewiesen, dass die Beschwerdeführerin mit der Firma T vereinbart habe, für die Hähnchenlieferungen "unterfakturierte Rechnungen" zu erstellen. Durch die Anweisung der Beschwerdeführerin, Rechnungen für Hähnchenlieferungen mit dem Preis von DM 3,19 anstatt mit dem vereinbarten Preis von DM 4,60 pro kg zu erstellen, habe die Beschwerdeführerin das spätere Finanzvergehen erst ermöglicht. Die Beschwerdeführerin bestreite in objektiver Hinsicht die Hinterziehung der Eingangsabgaben, weil ihrer Ansicht nach bei diesen fünf Hähnchenlieferungen eine Preiskompensation mit einem anderen Produkt vorliege, welches mit einem erhöhten Rechnungsbetrag zur Einfuhr gekommen sei, sodass bei dem "kompensierten" Produkt eine überhöhte Einfuhrumsatzsteuer abgeführt worden sei. Der Vorsatz der Beschwerdeführerin liege darin, dass sie durch die Anweisung an Verantwortliche der Firma T Rechnungen für die fünf Hähnchenlieferungen unterfakturiert ausstellen habe lassen und diese Rechnungen der Verzollung vorgelegt worden seien. Sie habe sich damit abgefunden, mit dieser Vorgangsweise Eingangsabgaben zu hinterziehen. Die Beschwerdeführerin habe daher objektiv und subjektiv die Hinterziehung von Eingangsabgaben zu verantworten.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, die Behörde hätte feststellen sollen, dass es sich bei den fünf gegenständlichen und den vorangegangenen Lieferungen um verbundene Geschäfte gehandelt habe. Es habe sich um ein Problem der Aufteilung des Wertes auf verschiedene Teillieferungen einer einheitlichen Warenlieferung gehandelt. Die grundsätzliche Vereinbarung darüber müsse man den Vertragsparteien im Wirtschaftsverkehr überlassen. Nur ein zwischen fremden Geschäftspartnern vereinbarter Warenpreis, der dem tatsächlichen Zahlungsfluss entspreche, sei maßgebliche Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer. Bei den vorgeworfenen Über- und Unterfakturierungen handle es sich um ein fortgesetztes Delikt. Die ständig gleiche Vorgangsweise habe sich stets gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet und sei ständig wiederholt worden. Sämtliche Über- und Unterfakturierungen seien von einem einheitlichen Willen getragen gewesen. Bei fortgesetzten Delikten seien alle diese gleichartigen Verletzungen einer abgabenrechtlichen Pflicht als Einheit aufzufassen. Fortgesetzte Delikte erforderten schon begrifflich eine einheitliche Aburteilung. Insofern seien daher auch die vorangegangen überfakturierten Teillieferungen im Rahmen der einheitlichen Aburteilung zu berücksichtigen. Es habe durch die Zahlung einer überhöhten Einfuhrumsatzsteuer bei den vorangegangenen Teillieferungen ein Guthaben bestanden, das wieder abgebaut werden sollte. Zugleich mit der Nacherhebung der unterfakturierten Teillieferungen wäre das Zollamt verpflichtet, die Bemessungsgrundlage für die in der einheitlichen Geschäftsbeziehung gelieferten überfakturierten Waren ebenfalls zu berichtigen, wodurch das im Zeitpunkt der Lieferungen April bis Juni 1991 zu Gunsten der Firma F bestehende beträchtliche Einfuhrumsatzsteuerguthaben offensichtlich werde. Ein strafbestimmender Wertbetrag könnte daraus nicht errechnet werden. Die Einfuhrumsatzsteuer sei noch nicht nacherhoben worden. Eine Nacherhebung von allfällig verursachten Einfuhrumsatzsteuerverkürzungen sei nicht mehr möglich, sodass der Anspruch auf höhere Einfuhrumsatzsteuer nicht mehr rechtskräftig entstehen könne und ein strafbestimmender Wertbetrag daher nicht vorliege. Der Verfassungsgerichtshof habe die Verordnungen zur Einhebung einer Importausgleichsabgabe, insbesondere die Verordnungen, auf Grund derer die Importausgleichsabgabe in den verfahrensgegenständlichen Lieferungen eingehoben worden sei, als verfassungswidrig aufgehoben. Die Beschwerdeführerin habe auch einen Antrag auf Zollerlass aus Billigkeitsgründen nach § 183 ZollG 1988 gestellt. Der durch die Finanzstrafbehörde I. Instanz verhängte Wertersatz stehe in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Tat, die überhaupt keine Auswirkungen nach sich gezogen habe. Es fehle ein Motiv für die Verkürzung der Einfuhrumsatzsteuer und es liege ein entschuldbarer Irrtum gemäß § 9 FinStrG vor. Sollte der Beschwerdeführerin ein geringfügiges Verschulden vorwerfbar sein, dann werde mangels Strafwürdigkeit der Tat die Anwendung des § 25 FinStrG angeregt.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge und setzte die Ersatzfreiheitsstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe auf 19 Tage herab. In der Begründung heißt es, die im Zusammenhang mit früheren Einfuhrlieferungen der Versenderfirma aus Gründen des Überschreitens des Schwellenpreises aufgetretenen Überfakturierungen und firmenintern vereinbarten Gutschriften hätten bei der Beurteilung des im Sinne des § 35 Abs. 2 FinStrG relevanten Sachverhaltes außer Ansatz zu bleiben. Wenngleich eine Vereinbarung in der von der Beschwerdeführerin behaupteten Form vorgelegen sein möge, wonach die auf Grund der früheren Überfakturierungen entstandenen Gutschriften für die Firma F durch die Unterfakturierungen in den angeführten Fällen teilweise ausgeglichen werden sollten, so könne dieser Umstand nichts daran ändern, dass für jede der fünf gegenständlichen Lieferungen anlässlich deren Eingangsabfertigungen unterfakturierte Rechnungen vorgelegt und diese falschen Wertangaben jeweils den zollamtlichen Abgabenfestsetzungen zu Grunde gelegt worden seien. Damit sei aber ungeachtet der Qualifizierung sämtlicher fünf Tathandlungen als fortgesetztes Delikt im Sinne des FinStrG - die Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den Überfakturierungen stellten in Wahrheit keine Tathandlungen im Sinne des § 35 Abs. 2 FinStrG dar und könnten daher schon aus diesem Grund keinen Fortsetzungszusammenhang begründen - in jedem einzelnen Fall in dem von der Finanzstrafbehörde I. Instanz festgehaltenen Ausmaß die Zollschuld kraft Gesetzes gemäß § 174 Abs. 3 lit. c ZollG 1988
entstanden. Mit der zu niedrigen Eingangsabgabenfestsetzung sei unter Verletzung der sich aus §§ 52 ff ZollG 1988 und § 119 BAO ergebenden Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Eingangsabgabenverkürzung gemäß § 35 Abs. 2 FinStrG bewirkt worden. Dem Berufungseinwand, es habe infolge der überhöhten EUSt-Festsetzungen für die vorangegangenen Einfuhren ohnehin ein entsprechendes "Guthaben" bestanden, komme auf der Tatbildebene keine Relevanz zu. Bei der Beurteilung, ob bzw. inwieweit eine Abgabenverkürzung eingetreten sei oder nicht, sei sogar innerhalb ein und desselben Abfertigungsvorganges auf die einzelne Abgabenart abzustellen. Eine Aufrechnung eines verkürzten Abgabenbetrages mit Summen einer zu viel entrichteten Abgabe sei nicht zulässig. Eine Abgabenverkürzung sei bereits dann bewirkt, wenn eine entstandene Eingangsabgabenschuld bei ihrer Entstehung zu niedrig festgesetzt worden sei. Auf die bescheidmäßige Feststellung des Abgabenanspruches durch die Abgabenbehörde komme es dabei nicht an. Ebenso wenig komme es darauf an, ob eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug bestehe oder nicht. Auch sei eine im Billigkeitsweg gemäß § 236 BAO oder § 183 ZollG 1988 erfolgte Nachsicht für die Höhe der eingetretenen Abgabenverkürzung ohne Belang. Zur subjektiven Tatseite sei festzustellen, dass für eine vorsätzliche Begehung des Finanzvergehens der Hinterziehung von Eingangsabgaben die Schuldform des dolus eventualis ausreiche. Die Beschwerdeführerin sei eine akademisch gebildete und jahrelang gerade im Bereich des grenzüberschreitenden Wareneinkaufes tätige Prokuristin eines schon auf Grund seines Unternehmensgegenstandes ständig mit dem umfangreichen Import von Geflügelwaren in das Zollgebiet befassten Betriebes. Eine derartige über Jahre hindurch erfolgreich ausgeübte Tätigkeit erfordere nicht nur entsprechende kaufmännische Fähigkeiten, sondern auch umfassende und fundierte Kenntnisse der zu beachtenden Rechtsvorschriften, insbesondere der zoll- und abgabenrechtlichen Bestimmungen. Der Zusammenhang zwischen bewusst unrichtigen Wertangaben bei der Wareneinfuhr und die bewirkte Abgabenverkürzung sei von ihr ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Eine derartige genaue Kenntnis der für die Geschäftstätigkeit relevanten Rechtsvorschriften ergebe sich im Übrigen auch daraus, dass zur Vermeidung der Anwendung der zum Zeitpunkt der Einfuhr der Putenlieferungen geltenden Schwellenpreisverordnungen seitens der Beschwerdeführerin eine Überfakturierung dieser Sendungen mit der Lieferfirma vereinbart worden sei. Dass das Motiv für die unter Inkaufnahme dieses Risikos gewählte Handlungsweise in erster Linie nicht der eingetretene strafrechtliche Erfolg und die damit verbundene vorübergehende Ersparnis der Einfuhrumsatzsteuer, sondern der rechnerische Ausgleich der Folgen der früheren Überfakturierungen gewesen sei, hindere nicht die Annahme eines bedingten Tatvorsatzes. Stelle man bei dem gemäß § 35 Abs. 4 FinStrG mit insgesamt S 157.966,-- vorgegebenen Strafrahmen den Unrechtsgehalt der Abgabenhinterziehung, die Strafzumessungsgründe und die persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin in Rechnung, so erscheine die mit annähernd der Hälfte des strafbestimmenden Wertbetrages verhängte Geldstrafe angemessen. Die Höhe der gemäß § 20 FinStrG für den Fall der Nichtentrichtung der Geldstrafe ausgesprochenen Freiheitsstrafe erscheine jedoch angesichts der festgestellten Strafzumessungsgründe überhöht und sei auf ein Ausmaß von 19 Tagen zu reduzieren gewesen. Die Bemessung der anteiligen Wertersatzstrafe mit weniger als 10 % des gemeinen Wertes entspreche den fallspezifischen Anforderungen.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 26. September 2000, B 183/00-8, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin zusammengefasst in ihrem Recht auf Nichtbestrafung verletzt und macht sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, es habe sich bei den - im Beschwerdefall nicht vorgeworfenen - vorangegangenen Überfakturierungen und den im Beschwerdefall vorgeworfenen Unterfakturierungen um verbundene Geschäfte gehandelt. Es liege ein fortgesetztes Delikt vor und die vorangegangenen überfakturierten Teillieferungen seien im Rahmen der einheitlichen Aburteilung zu berücksichtigen.
Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, dass auch im Fall des Vorliegens eines fortgesetzten Delikts eine Mehrheit von Tathandlungen vorliegt, die jede den Tatbestand ein und desselben Delikts verwirklicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1992, Zl. 91/13/0021). Für jedes Delikt ist der strafbestimmende Wertbetrag zunächst gesondert zu berechnen und diese Beträge sind dann bei Zutreffen der Voraussetzungen zusammenzurechnen. Die Aufrechnung eines verkürzten Abgabenbetrages mit anderen allenfalls zu viel entrichteten Abgaben kann dabei nicht erfolgen (vgl. OGH vom 28. Oktober 1986, 11 OS 132/86, SSt 57/82). Sollte wegen der vorangegangenen Überfakturierungen, deren Gründe im angefochtenen Bescheid näher dargestellt wurden, daher zunächst zu viel an Einfuhrumsatzsteuer entrichtet worden sein, so können diese Beträge bei der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages in den Fällen der Unterfakturierungen dennoch nicht eingerechnet werden. Ein Abbau von - wie die Beschwerdeführerin formuliert - "Guthaben" aus Überfakturierungen vermindert den strafbestimmenden Wertbetrag in Fällen der Unterfakturierung nicht.
Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Aufhebung von Verordnungen betreffend den zunächst anlässlich der Abfertigungen zum freien Verkehr im Abgabenverfahren auch vorgeschriebenen Importausgleich durch den Verfassungsgerichtshof ist im Beschwerdefall nicht relevant, weil im Beschwerdefall der strafbestimmende Wertbetrag aus verkürzter Einfuhrumsatzsteuer und dem AF-Beitrag besteht und nicht auch aus einem Importausgleichsbetrag. Auch eine allfällige Nachsicht - die Beschwerdeführerin behauptet, es sei ein Nachsichtsansuchen gestellt worden - ist für die Höhe der eingetretenen Abgabenverkürzung ohne Belang (vgl. Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz I, Rz 67 zu § 35 FinStrG).
Die Möglichkeit, die Einfuhrumsatzsteuer mit dem gesetzmäßig festzusetzenden und zu entrichteten Betrag als Vorsteuer abziehen zu können, spielt keine Rolle (vgl. Fellner, aaO, Rz 68 zu § 35 FinStrG).
Soweit von der Beschwerdeführerin die Nichtnacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 181 Abs. 2 ZollG 1988 eingewendet wird, ist darauf zu verweisen, dass es auf die Nacherhebung einer zu niedrig entstandenen Eingangsabgabenschuld nicht ankommt. Soweit die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines subjektiv vorwerfbaren Verhaltens bestreitet und in der Beschwerde behauptet, der Tatwille sei keinesfalls auf die von ihr ohnehin für unmöglich gehaltene Verkürzung der Einfuhrumsatzsteuer, sondern auf Einsparungen im Bereich der mittlerweile als verfassungswidrig erkannten Importausgleichssätze gerichtet gewesen, sämtliche Über- und Unterfakturierungen seien von einem einheitlichen Willen getragen gewesen, nämlich dem zum Ausgleich einer vorangehend zu viel entrichteten Einfuhrumsatzsteuer durch zu wenig Entrichtung der nachfolgenden Einfuhrumsatzsteuer, und es fehle wegen des Vorsteuerabzugs ein Motiv für die Verkürzung, zeigt die Beschwerdeführerin aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Gründen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.
Die Beschwerdeführerin behauptet in der Beschwerde auch, es liege ein entschuldbarer Irrtum vor.
Dem Täter wird gemäß § 9 FinStrG weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief.
Die Beschwerdeführerin studierte Betriebswirtschaft und war jahrelang die für den grenzüberschreitenden Wareneinkauf zuständige Prokuristin der Firma F, die sowohl über kaufmännische Fähigkeiten als auch Kenntnisse der zoll- und abgabenrechtlichen Bestimmungen verfügen musste. Die belangte Behörde konnte aus den im angefochtenen Bescheid angeführten Umständen davon ausgehen, dass der in der Beschwerde behauptete Tatbildirrtum nicht vorlag. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird mit diesen Gründen nicht aufgezeigt.
In der Beschwerde wird auch die Befangenheit des Vorsitzenden des Spruchsenates geltend gemacht. Vorgebracht wird, in I. Instanz sei im Strafverfahren vor dem Landesgericht Linz der Schöffensenat vom Vorsitzenden des Berufungssenates geleitet worden. In den Entscheidungsgründen dieses Urteils werde festgehalten:
"Diese Niederschrift belastet (die Beschwerdeführerin) eindeutig, sodass ihre leugnende Verantwortung diesbezüglich als bloße Schutzbehauptung widerlegt werden kann."
Es sei somit klar, dass dieser Position des Schöffensenates des Landesgerichtes Linz, insbesondere ihres Vorsitzenden, weder vom Hauptzollamt Linz widersprochen werden könne, noch vom gleichen Vorsitzenden des Berufungssenates der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde II. Instanz. Der Vorsitzende des Berufungssenates sei somit befangen gewesen.
Gemäß § 72 Abs. 1 lit. e FinStrG haben sich die Organe der Finanzstrafbehörden der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.
Die belangte Behörde ist ein nach dem Finanzstrafgesetz bei der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich eingerichteter Berufungssenat und entscheidet als Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK.
Bei der Frage der rechtmäßigen Zusammensetzung des Tribunals kommt es nicht auf eine allfällige tatsächliche Befangenheit des Vorsitzenden der Kollegialbehörde an, sondern auf den "äußeren Anschein der Parteilichkeit" (vgl. VfGH-Erkenntnis vom 2. März 1999, B 3103/97 bis B 550/98, Slg. Nr. 15.439).
Der Vorsitzende des Berufungssenates hat als Vorsitzender des Schöffensenates des Landesgerichtes Linz in dieser Angelegenheit bereits eine Entscheidung getroffen. Die Beschwerdeführerin wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25. November 1997 wegen Unzuständigkeit des Schöffengerichtes zwar gemäß § 214 FinStrG freigesprochen, in den Entscheidungsgründen werden darüber hinaus aber die Aussagen der Beschwerdeführerin beurteilt und damit inhaltliche Feststellungen zum finanzstrafrechtlich relevanten Verhalten der Beschwerdeführerin getroffen. Das Gericht unter dem Vorsitz des Berufungssenatsvorsitzenden hat sich somit konkret über die Strafsache der Beschwerdeführerin maßgeblich geäußert, sodass das Vorliegen objektiver Gründe für berechtigte Zweifel an der Unbefangenheit und Unparteilichkeit eines Mitglieds in der vorliegenden Rechtssache angenommen werden kann (vgl. VfGH-Erkenntnis vom 29. Februar 2000, B 96/99, Slg. Nr. 15724).
Der Vorsitz des Berufungssenatsvorsitzenden im schöffengerichtlichen Verfahren ist zwar nach den Bestimmungen des Finanzstrafgesetzes kein Ausschließungsgrund für den Vorsitz des bei der Finanzlandesdirektion als Finanzstrafbehörde II. Instanz eingerichteten Berufungssenates, ein solcher Umstand kommt aber einem Ausschließungsgrund der Richter von Verhandlungen nach § 20 Z 5 JN und § 69 Z 2 StPO sehr nahe.
Im Hinblick auf diese Erwägungen erweist sich der Einwand der Beschwerdeführerin, es lägen Gründe vor, die die volle Unparteilichkeit des Vorsitzenden des Tribunals in Zweifel ziehen könnten, im Ergebnis als begründet.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Im Hinblick auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides war auf das Vorbringen bezüglich der Angemessenheit der verhängten Strafen nicht näher einzugehen. Im fortgesetzten Verfahren wird die allfällige Verhängung von Strafen unter Berücksichtigung der Erschwerungs- und Milderungsgründe - hier insbesondere die lange Verfahrensdauer - zu berücksichtigen sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft die geltend gemachte, aber in der Pauschalgebühr enthaltene Umsatzsteuer von "S 3000".
Wien, am 24. September 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000160737.X00Im RIS seit
09.01.2003