TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/24 2002/16/0024

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Veröffentlicht am 24.09.2002
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/01 Jurisdiktionsnorm;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

ABGB §1380;
GGG 1984 §14;
GGG 1984 §18 Abs1;
GGG 1984 §18 Abs2 Z2;
JN §58 Abs1;
ZPO §204;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde 1. der K Ges.m.b.H. und

2. der L Gges.m.b.H., beide in W, beide vertreten durch Lattenmayer, Luks & Enzinger, Rechtsanwälte OEG in Wien I, Mahlerstraße 11, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. November 2001, Jv 4569-33a/01, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 21. Jänner 1998 brachten die beiden Beschwerdeführerinnen gegen die M GmbH beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien Klage auf Zahlung eines Betrages von S 764.166,04 samt 8 % Zinsen ein. Aus der Klagsschrift ging hervor, dass die Beschwerdeführerinnen ein Mietobjekt an die beklagte Partei um den monatlichen Mietzins von S 161.714,68 vermietet hatten. Die beklagte Partei sei an die Klägerinnen wegen einer Mietzinsreduktion herangetreten. Die Klägerinnen brächten den der beklagten Partei bereits außergerichtlich angebotenen, um 10 % verminderten Mietzins (seit April 1997) zur Einklagung.

In der ersten Tagsatzung wurde die Klage auf den Betrag von

S 1,058.694,82 ausgedehnt. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Mai 1998 wurde auf S 1,141.152,55 und in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 1998 auf S 1,304.779,65 ausgedehnt. In dieser am 7. Juli 1998 durchgeführten mündlichen Verhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich folgenden Inhalts:

1. Die beklagte Partei verpflichtet sich, den klagenden Parteien auf das Konto ... den Betrag S 750.000,-- (Mietzinsrückstand bis einschließlich Juni 1998 inkl. 20 % USt S 125.000,--) zu bezahlen, und zwar mittels telefonischer Überweisung, die spätestens am 9.7.1998 zu erfolgen hat.

2. Die beklagte Partei verpflichtet sich, den klagenden Parteien z.H. des Klagevertreters einen Betrag von S 13.520,-- (Hälfte der Pauschalgebühr) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

3. Die Streitteile vereinbaren für das Mietobjekt Top 1 im City-Center S. ..., beginnend mit Juli 1998 bis zur Beendigung der U-Bahnbaustelle im Bereich des genannten Geschäftslokals eine 20%ige Mietzinsminderung, so dass der derzeit geschuldete Mietzins

S 130.901,68 (inkl. Betriebskosten und USt) beträgt.

In der Folge ermittelte der Kostenrevisor eine Ergänzungsgebühr nach der im Punkt 3. des Vergleiches vereinbarten Mietzinsminderung von (monatlich) S 32.342,94 und gelangte bei der Anwendung des Zehnfachen des Jahresbetrages dieser Mietzinsminderung auf einen Wert von S 3,881.152,80 zuzüglich des im Punkt 1.) des Vergleiches vereinbarten Festbetrages von S 750.000,--, zusammen somit S 4,631.153,--. Der Fehlbetrag gegenüber der im Einzugsweg einbehaltenen Gebühr machte danach S 59.510,-- aus. Nach Einwendungen gegen eine entsprechende Zahlungsaufforderung erging am 20. Juli 2001 ein Zahlungsauftrag unter Einbeziehung einer Einhebungsgebühr von S 100,-- über S 59.610,--.

Im Berichtigungsantrag gegen diesen Zahlungsauftrag wurde insbesondere ausgeführt, im Punkt 3.) des Vergleichs werde lediglich auf Grund einer Mietzinsminderung die Höhe des "derzeit" geschuldeten Mietzinses festgehalten. Für die Gebühr komme es aber nur auf die Leistungen an, zu denen sich die Parteien im Vergleich verpflichtet haben. Durch den Vergleich sei daher keine Wertänderung iS des § 18 Abs 2 Z 2 GGG eingetreten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berichtigungsantrag keine Folge gegeben. Die belangte Behörde ging dabei davon aus, dass bei jedem Vergleich, in dem die Verpflichtung zur Leistung eines bestimmten Betrages übernommen wird, dieser Betrag als Bemessungsgrundlage der Pauschalgebühr heranzuziehen sei. Mit der im Punkt 3) des Vergleichs getroffenen Vereinbarung habe sich die klagende Partei verpflichtet, bis zur Beendigung der U-Bahnbaustelle, also bis zu einem bei Vergleichsabschluss noch nicht feststehenden Zeitpunkt, auf 20 % der Mietzinse zu verzichten.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachten sich die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht darauf, dass keine Ergänzungsgebühr vorgeschrieben wird, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 18 Abs 1 GGG bleibt die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich. Hievon besteht nach § 18 Abs 2 Z 2 GGG insofern eine Ausnahme, als danach, wenn der Wert des Streitgegenstandes infolge einer Erweiterung des Klagebegehrens geändert wird oder wenn Gegenstand des Vergleichs eine Leistung ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, die Pauschalgebühr unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen ist.

Im Beschwerdefall war das Klagebegehren der beiden Beschwerdeführerinnen ausschließlich auf Zahlung von rückständigem Bestandentgelt gerichtet. Über die Höhe dieses Mietzinsrückstandes wurde im Punkt 1. des gegenständlichen Vergleichs Einigung zwischen den Parteien erzielt. Abgesehen von Punkt 2. des Vergleichs - der eine teilweise Übernahme der Pauschalgebühr durch die beklagte Partei vorsah, von der belangten Behörde aber nicht zum Gegenstand einer Gebührenvorschreibung gemacht wurde - wurde im Punkt 3. des Vergleichs (ohne Bezug auf das Klagebegehren) vereinbart, dass der Mietzins sich bis zum Ende der Bauarbeiten an einer U-Bahnbaustelle um 20 % vermindere.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass sich die klagende Partei im Punkt 3. des Vergleichs verpflichtet habe, auf 20 % der Mietzinse zu verzichten, und unterzog diesen Mietzinsverzicht der Ergänzungsgebühr iSd § 18 Abs 2 Z 2 GGG. Damit ist die belangte Behörde nicht im Recht: Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem zur vergleichbaren Bestimmung des § 33 TP 20 Abs 1 Z 2 GebG ergangenen Erkenntnis vom 7. März 1956, Zl 866/54, ausgesprochen hat, stellt die im Vergleichsweg erfolgte Aufgabe eines Anspruchs keine gebührenpflichtige Leistung des Aufgebenden dar. Ein Verzicht auf eine Leistung stellt also keinen Gegenstand einer Gebühr dar (vgl das hg Erkenntnis vom 19. September 1956, Zl 1769/54, Slg. Nr. 1471 (F). Der im Punkt 3.) des beschwerdegegenständlichen Vergleichs vereinbarte Verzicht auf einen Teil des Mietzinses kann somit auch nicht als eine Leistung iSd § 18 Abs 2 Z 2 GGG, zweite Alternative, angesehen werden. Dennoch wurden die Beschwerdeführerinnen durch den angefochtenen Bescheid nicht in einem Recht verletzt:

Schließen die Parteien im Zuge eines zivilgerichtlichen Verfahrens einen Vergleich, so richtet sich die Bemessungsgrundlage nach dem Wert der Leistung, zu der sich die Parteien verpflichtet haben. Wesentlich ist allein die gerichtlich protokollierte Vereinbarung, die eine Verfügung über materielle Rechte enthält und zum Zwecke der Beendigung des Rechtsstreites getroffen wurde. Die Verwendung des Wortes "verpflichtet" ist zur Auslösung der Gebührenpflicht nicht erforderlich, die Verpflichtung kann auch durch eine andere Formulierung ausgedrückt werden (vgl das hg Erkenntnis vom 13. April 2000, Zl 99/16/0507, mwH).

Nach ständiger hg Rechtsprechung führt ein Vergleich auch dann zur Neubewertung des Streitgegenstandes, wenn er in Ansehung eines gar nicht (mehr) strittigen Anspruches geschlossen bzw wenn darin eine vertraglich schon bestehende Verpflichtung neuerlich übernommen wird. Bei der gerichtsgebührenrechtlichen Beurteilung eines Prozessvergleichs kommt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen auch nicht darauf an, ob mit dem Vergleich ein exekutionsfähiger Titel geschaffen wird. Selbst ein Vergleichspunkt, der allenfalls nur der Klarstellung gedient hat, ist dabei gebührenrechtlich von Bedeutung (vgl Tschugguel/Pötscher, Die Gerichtsgebühren7, § 18 GGG, E 19, E 21 und E 22 und die dort wiedergegebene hg Rechtsprechung).

Im Beschwerdefall wurde wie ausgeführt in Punkt 3. des gerichtlichen Vergleichs vereinbart, dass bis zur Beendigung der U-Bahnbaustelle der Mietzins um 20 % vermindert werde, sodass der Mietzins S 130.901,68 betrage. Mit dieser Vereinbarung ist aber zweifellos die beklagte Partei eine Verpflichtung zur monatlichen Entrichtung dieses Mietzinses eingegangen. Der Wert dieser Leistung - die vom Klagebegehren überhaupt nicht erfasst gewesen ist - war daher als Bemessungsgrundlage für die Ergänzungsgebühr iSd § 18 Abs 2 Z 2 GGG heranzuziehen, wobei im Hinblick auf die unbestimmte Dauer dieser Leistung vom Zehnfachen des Jahresbetrages dieses Mietzinses auszugehen war.

Die Beschwerde, in der sich die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht, dass keine Ergänzungsgebühr vorgeschrieben werde, beschwert erachteten, erwies sich damit als unbegründet. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002160024.X00

Im RIS seit

09.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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