Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BAO §119 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des E B in L, vertreten durch Dr. Bernhard Aschauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 24. Mai 2002, GZ RV1693/1-10/2002, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Inhalt der Beschwerde und dem ihr in Kopie angeschlossenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug ein Nachsichtsansuchen des Beschwerdeführers vom 26. November 2001 ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit Berufungsentscheidung vom 5. Juli 2001 im Instanzenzug bereits über ein Nachsichtsansuchen des Beschwerdeführers dahingehend entschieden worden sei, dass zwar von einer Unbilligkeit der Einhebung auszugehen wäre, im Rahmen des Ermessens aber eine Nachsicht nicht gewährt werden könne. Der Beschwerdeführer habe über Jahre hinweg von ausländischen Unternehmen erzielte Provisionseinkünfte in Millionenhöhe nicht erklärt und sich dadurch einen unberechtigten Steuervorteil verschafft. In der Berufung sei darauf hingewiesen worden, dass noch erhebliche Rechtsanwalts- und Steuerberatungskosten zu bezahlen seien. Durch eine Abgabennachsicht würden der anwaltliche und steuerliche Vertreter zu Lasten des Abgabengläubigers profitieren, da deren Forderungen im Fall der Nachsicht bevorzugt befriedigt werden könnten. Zu der ins Treffen geführten Schadensgutmachung sei festzuhalten, dass ein Bemühen des Beschwerdeführers in diese Richtung nicht habe festgestellt werden können. Die Reduktion des Abgabenrückstandes sei vielmehr auf das insofern erfolgreiche Exekutionsverfahren zurückzuführen. Der Beschwerdeführer habe bis zuletzt versucht, eine Herausgabe der Sparbücher zu erwirken. Der Beschwerdeführer habe noch um Berücksichtigung seines "Gesundheitszustandes" ersucht, allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen aber nicht näher erläutert. Der Hinweis auf das fortgeschrittene Alter allein vermöge eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung nicht zu rechtfertigen.
Kurze Zeit nach dieser Berufungsentscheidung (am 26. November 2001) sei ein neuerlicher Antrag gemäß § 236 BAO gestellt worden. Darin seien die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers (Osteoporose, chronische Gastritis, Tumor, erhöhter Zucker, Bandscheibenprobleme in der Wirbelsäule, Leukozytenmangel) eingehend dargestellt und mehrere medizinische Befunde vorgelegt worden. Der Beschwerdeführer stehe bereits im 70. Lebensjahr und befinde sich in einem gesundheitlich schlechten Zustand, wodurch die Lebensqualität und Lebenserwartung verkürzt sei. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Nach Abweisung des Nachsichtsansuchens durch das Finanzamt sei in einer dagegen erhobenen Berufung im Wesentlichen ausgeführt worden, dass im Bescheid des Finanzamtes auf den schlechten Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht näher eingegangen worden sei, obwohl neben der privaten persönlichen und wirtschaftlichen Notlage und dem hohen Alter des Beschwerdeführers dessen Gesundheitszustand bei der Ermessensentscheidung eine wesentliche Rolle spiele. Es sei allgemein bekannt, dass entsprechende Selbstbehalte bei Rezeptgebühren, Behandlungen etc. aus dem eigenen Einkommen zu finanzieren seien, sodass hier auch aus diesem Grund ein finanzieller Mehrbedarf gegeben sei. Diese Umstände würden die in der Berufungsentscheidung vom 5. Juli 2001 gegen eine positive Ermessensübung ins Treffen geführten Umstände überwiegen. Auch die verbleibende Lebenserwartung des Beschwerdeführers, sowie die Tatsache, dass im Hinblick darauf nur mehr ein geringer Teil der Abgabenschuld einbringlich gemacht werden könne, seien zu berücksichtigen. Im Rahmen des Ermessens könne auch auf die wochenlange Untersuchungshaft des Beschwerdeführers Bedacht genommen werden. Insgesamt seien nicht nur die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 236 Abs. 1 BAO erfüllt, sondern würde die derzeitige persönliche Lage des Beschwerdeführers eine Nachsicht rechtfertigen, wobei der schlechte gesundheitliche Zustand und das Alter eine wesentliche Rolle spielten.
Im angefochtenen Bescheid hielt die belangte Behörde einleitend fest, dass das gegenständliche neuerliche Nachsichtsansuchen nur knapp einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache entgangen sei. Im gegenständlichen Nachsichtsverfahren seien aber nicht nur das gesamte bisherige Vorbringen wiederholt, sondern auch zwei neue Aspekte vorgebracht worden. Zum einen sei der schlechte Gesundheitszustand des Beschwerdeführers eingehend dargestellt und durch Ablichtungen medizinischer Befunde belegt worden, zum anderen seien im vorangegangenen Verfahren nicht angeführte Bankverbindlichkeiten, die durch eine gleichfalls bisher nicht offengelegte Lebensversicherung besichert seien, ins Treffen geführt worden. Aber auch diese neuen Umstände vermöchten an der bisherigen Beurteilung des Falles nichts zu ändern. Die belangte Behörde gehe wie schon im Erstverfahren davon aus, dass eine persönliche Unbilligkeit im Sinn des § 236 Abs. 1 BAO vorliege. Im Zuge der Ermessensübung seien aber die bereits in der Berufungsentscheidung vom 5. Juli 2001 angeführten Umstände zu berücksichtigen. Die belangte Behörde halte an diesen Entscheidungsgründen fest. Diese gegen die Nachsichtsgewährung sprechenden Gründe würden auch nicht durch den im gegenständlichen Verfahren dargestellten angegriffenen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers überwogen. Es werde dabei nicht verkannt, dass daraus sicherlich allerdings ziffernmäßig nicht konkretisierte finanzielle Mehraufwendungen resultierten. Es sei aber bereits in der Besprechung mit dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 2. Oktober 2001 darauf hingewiesen worden, dass hinsichtlich dieser krankheitsbedingten Mehraufwendungen die Möglichkeit bestehe, gemäß § 59 Abgabenexekutionsordnung auf Antrag den unpfändbaren Freibetrag zu erhöhen, falls diese Aufwendungen mit dem Existenzminimum tatsächlich nicht abgedeckt werden könnten. Die im gegenständlichen Verfahren erstmals angeführten Verbindlichkeiten, die mit monatlichen Rückzahlungen in Höhe von rund S 4.000,-- zu bedienen seien, sprächen gleichfalls nicht für die Gewährung der begehrten Nachsicht. Es sei nicht behauptet worden, dass die Bank ebenfalls zu einem (zumindest teilweisen) Forderungsverzicht bereit wäre. Schließlich treffe es zwar zu, dass die gesamte noch offene Abgabenforderung durch die laufende Pensionspfändung nicht eingebracht werden könne. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers habe aber selbst darauf hingewiesen, dass mit einer Teilnachsicht etwa im Ausmaß von 50 % für den Beschwerdeführer nichts gewonnen wäre, sodass eine solche auch nicht zweckmäßig sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschulden auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Nach dieser Gesetzesbestimmung hat die Abgabenbehörde im Falle eines Ansuchens um Nachsicht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht. Bejaht die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden. Dabei liegt eine Ermessensüberschreitung keinesfalls darin, dass die Behörde den Erwägungen der Zweckmäßigkeit gegenüber denen der Billigkeit den Vorrang einräumt, doch müssen die Zweckmäßigkeitserwägungen mit dem Sinn des Gesetzes im Einklang stehen, das heißt, die Behörde darf sich bei ihrer Entscheidung nicht von unsachlichen Erwägungen leiten lassen. Bei Ermessensentscheidungen beschränkt sich die Überprüfung durch den Gerichtshof darauf, ob vom eingeräumten Ermessen innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht wurde, oder ob dies - in Form einer Ermessensüberschreitung oder eines Ermessensmissbrauches - nicht der Fall gewesen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1996, 93/15/0165).
Vor diesem Hintergrund ist die von der Beschwerde vertretene Ansicht, dass bei Bejahung einer persönlichen Unbilligkeit die Voraussetzungen zu einer Nachsicht gemäß § 236 Abs. 1 BAO bereits erfüllt seien und die Nachsicht zu gewähren sei, verfehlt, weil die Bejahung einer persönlichen (oder sachlichen) Unbilligkeit der Einhebung lediglich die Voraussetzung für die zu treffende Ermessensentscheidung, nicht aber die Ermessensentscheidung selbst bildet.
Soweit der Beschwerdeführer unter der daher zu bejahenden Voraussetzung, dass "man die Rechtsansicht der belangten Behörde teilt", dass bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzung einer Unbilligkeit der Einhebung die Bewilligung der Nachsicht im Ermessen der Abgabenbehörde liege, ausführt, die Argumente der belangten Behörde seien nicht "zielführend", zeigt er nicht auf, dass die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hätte. Die belangte Behörde hat in Verweisung auf die Berufungsentscheidung vom 5. Juli 2001 - entgegen den Beschwerdeausführungen ist nicht erkennbar, weshalb eine solche Verweisung unter den gegebenen Umständen unzulässig sein sollte - in erster Linie den Umstand gewertet, dass der Beschwerdeführer über Jahre hinweg von ausländischen Unternehmen erzielte Provisionseinkünfte in Millionenhöhe nicht erklärt, und sich dadurch einen unberechtigten Steuervorteil verschafft hat. In der Beschwerde beruft sich der Beschwerdeführer darauf, dass die Vorschreibung der Abgaben "rein aus Schätzungen und Zuschätzungen erfolgt" sei. Er sei "bislang gerichtlich unbescholten", im Finanzstrafverfahren sei er freigesprochen worden. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass in einem Nachsichtsverfahren die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzungen grundsätzlich nicht zu prüfen ist. Auch der Umstand, dass ein Finanzstrafverfahren eingestellt wurde, tangiert die Abgabenfestsetzung nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1996, 93/15/0165). Der Beschwerdeführer meint weiters, dass der Umstand, dass er 30 % der Abgabenschuld tatsächlich bezahlt habe, als für die Nachsicht sprechender Grund berücksichtigt hätte werden müssen. Dem Hinweis der belangten Behörde, dass die Reduktion des Abgabenrückstandes in erster Linie auf die insofern erfolgreichen Exekutionsverfahren zurückzuführen gewesen sei, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Der Verwaltungsgerichtshof kann im Hinblick auf den angeführten Prozentsatz der Entrichtung der Abgaben und die unbestrittene Art dieser Entrichtung nicht finden, dass der Beschwerdeführer eine im Rahmen des Ermessens in entscheidender Weise als Billigkeitsgrund zu berücksichtigende Zahlungswilligkeit an den Tag gelegt hätte.
Der Beschwerdeführer wendet sich mit der Begründung, dass der Bankkredit durch eine Lebensversicherung besichert sei, auch gegen den Umstand, dass die belangte Behörde als im Rahmen der Ermessensentscheidung gegen die Nachsicht sprechend davon ausgegangen ist, dass sich eine allfällige Nachsicht nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde, weil ein teilweiser Forderungsverzicht auch anderer Gläubiger nicht behauptet worden sei.
Abgesehen davon, dass die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auch monatliche Rückzahlungen angesprochen hat, die sich der Beschwerdeführer im Fall eines Forderungsverzichtes durch die Bank (im Fall eines teilweisen Forderungsverzichtes teilweise) ersparen würde, übersieht der Beschwerdeführer, dass in der Berufungsentscheidung vom 5. Juli 2001, auf deren Entscheidungsgründe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid verwiesen hat, auch weitere Verbindlichkeiten des Beschwerdeführers gegenüber anderen Gläubigern (Rechtsanwalt und Steuerberater) berücksichtigt wurden. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass diese Gläubiger auf ihre Forderungen verzichtet hätten oder diese Forderungen befriedigt worden sind. Der belangten Behörde kann daher ungeachtet des Umstandes, dass die Forderung der Bank besichert ist, nicht entgegengetreten werden, wenn sie den nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu berücksichtigenden Umstand, dass sich eine allfällige Nachsicht nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1996, 94/13/0047) als im Rahmen der Ermessensentscheidung auch gegen die Nachsicht sprechenden Grund beurteilt hat. Es sind auch die Erwägungen der belangten Behörde, dass das Alter und der angegriffene Gesundheitszustand des Beschwerdeführers die gegen die Nachsichtsgewährung sprechenden Gründe nicht überwogen hätten, nicht als unsachlich zu erkennen.
Hinsichtlich der gerügten Verfahrensmängel ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Nachsichtsverfahren Sache des Beschwerdeführers ist, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf welche die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 1996, 92/13/0291). Der belangten Behörde kann im Beschwerdefall weder eine mangelnde Ermittlungstätigkeit noch eine Verletzung des Parteiengehörs als Verfahrensmangel vorgeworfen werden.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 24. September 2002
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Verfahrensbestimmungen Ermessen ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002140082.X00Im RIS seit
23.12.2002