TE Vfgh Erkenntnis 1999/10/5 B1882/98

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Veröffentlicht am 05.10.1999
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Index

16 Medienrecht
16/02 Rundfunk

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art87 Abs3
B-VG Art133 Z4
RundfunkG §28

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch eine Entscheidung der Rundfunkkommission; Geltung des Grundsatzes der festen Geschäftsverteilung nur für ordentliche Gerichte und nicht für Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag; keine Mitwirkung gesetzwidrig bestellter noch gesetzwidrig beigezogener Ersatzmitglieder an der Entscheidung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit dieser über die Beschwerde gegen die am 17. April 1998 ausgestrahlte Fernsehsendung abspricht, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, den beteiligten Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 33.750,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 27. Juli 1998 wies die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes (im folgenden: RFK) die gemäß §27 Abs1 Z1 litb Rundfunkgesetz, BGBl. 379/1984 (im folgenden: RFG), an sie vom nunmehrigen Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerden gegen die am 17. April 1998 ausgestrahlte Fernsehsendung "Lust auf Liebe" ab und gegen die am 15. Mai 1998 ausgestrahlte Sendung zurück.

2. Gegen den abweisenden Spruchpunkt dieses Bescheides betreffend die Fernsehsendung vom 17. April 1998 (, nicht jedoch gegen den zurückweisenden Teil betreffend die Fernsehsendung vom 15. Mai 1998) richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen generellen Norm, nämlich der in der Beschwerde häufig als "feste Geschäftsverteilung" bezeichneten "Geschäftsverteilung der belangten Behörde für das Jahr 1998" begehrt wird. Gleichzeitig wird angeregt, ein Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten und die Geschäftsverteilung der RFK für das Jahr 1998 als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die RFK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

4. Der Generalintendant des Österreichischen Rundfunks, die Programmintendantin Fernsehen und zwei verantwortliche Redakteure brachten eine Äußerung ein, in der sie dem Beschwerdevorbringen entgegen- und für eine kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde eintraten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit:

1. Die RFK ist eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Ihre Entscheidungen unterliegen nach §29 Abs5 RFG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg. Der administrative Instanzenzug im Sinne des Art144 Abs1, zweiter Satz, B-VG ist also erschöpft (vgl. VfSlg. 12795/1991, 12969/1992, 13509/1993, 15212/1998).

2. Wie der Verfassungsgerichtshof etwa in VfSlg. 7716/1975, 7717/1975, 7718/1975, 8320/1978 und 13338/1993 darlegte, ist es nicht ausgeschlossen, daß eine (natürliche oder juristische) Person, die eine auf §27 Abs1 Z1 RFG gestützte Beschwerde an die RFK gerichtet hat, durch den ihren Antrag ablehnenden Bescheid der Kommission in (irgend-) einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wird. Sie ist daher legitimiert, gegen den Bescheid der Kommission gemäß Art144 Abs1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen.

3. Die Prozeßvoraussetzungen treffen (insgesamt) zu (vgl. VfSlg. 12491/1990, 12795/1991, 13338/1993, 13510/1993), die Beschwerde ist daher zulässig.

B. In der Sache:

1.1. Der Vorwurf der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird in der Beschwerde wie folgt darzutun versucht:

"Der angefochtene Bescheid wurde vom Senat II/98 der belangten Behörde erlassen. Der Geschäftsverteilung der belangten Behörde ist zu entnehmen, daß der Senat II/98 durch die Kommissionsmitglieder Dr. H, Dr. K, Dr. F, Hrn. H und Dr. F gebildet wird. Als Ersatzmitglieder fungieren für die Mitglieder in der obigen Reihenfolge Dr. J, Dr. A, Dr. T, Hr. B und Mag. L.

Vergleicht man die durch Auslosung gem. §28 Abs1 erfolgte Zusammensetzung der Senate der belangten Behörde für die in der Zeit vom 25.04. bis 24.07.1998 einlangenden Beschwerden mit dem die gegenständliche Beschwerde behandelnden Kollegialsenat, so kommt man zum Ergebnis, daß drei Ersatzmitglieder und nur zwei Senatsmitglieder bei der Entscheidung mitgewirkt haben. Für Dr. H ist Dr. J eingeschritten, für Dr. F Dr. P T und für Dr. F Mag. F

J L.

Ein Ersatzmitglied ist zur Willensbildung in einem gem. Art133 Zif. 4 gebildeten Kollegialorgan nur dann zu laden, wenn das Mitglied eines Senates verhindert ist. Der Hinderungsgrund muß aktenkundig sein. Es ist unzulässig von vornherein ein Ersatzmitglied anstelle des Senatsmitgliedes zur Verhandlung und Entscheidung zu laden (§28 Abs1 letzter Satz RFG).

Im Anlaßfall sind die Hinderungsgründe für die Senatsmitglieder Dr. F, Dr. F und Dr. H nicht aktenkundig, sodaß die Teilnahme der Ersatzmitglieder Mag. L, Dr. T und Dr. J nicht gesetzmäßig erfolgt ist.

Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach ständiger Rechtssprechung des VerfGH insbesondere dann verletzt, wenn eine an sich zuständige, aber nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzte Kollegialbehörde entschieden hat (z.B. VfSlg. 8731/1980, 10022/1984 u.v.a.). Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß Ersatzmitglieder nur einberufen werden dürfen, soferne sich dies wegen Verhinderung oder Ablehnung von Senatsmitgliedern als notwendig erweist (§28 Abs1 RFG). Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes war bei der Verhandlung am 27.07.1998 daher gesetzwidrig zusammengesetzt. Da die belangte Behörde dies nicht wahrgenommen hat, bin ich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Die Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter ergibt sich aber auch aufgrund des Umstandes, daß die Geschäftsverteilung bzw. die Zusammensetzung der Senate für das Kalenderjahr 1998 nicht gehörig kundgemacht wurde.

Bei der Geschäftsverteilung der belangten Behörde handelt es sich um eine zuständigkeitsbegründende Rechtsvorschrift auf der Stufe einer Rechtsverordnung. Um den Grundsatz des Schutzes und der Wahrung der gesetzlich begründeten Behördenzuständigkeit im Grunde des Art83 Abs2 B-VG gerecht zu werden, wird durch das Rundfunkgesetz vorgeschrieben, daß die Kommission durch Senate entscheidet, die durch Los ermittelt werden. Diese erlassene Geschäftsverteilung ist als Verwaltungsakt eine generell abstrakte Norm und als solche auch gehörig kundzumachen. Nur durch die erfolgte Publizität erlangt die Geschäftsverteilung Rechtswirksamkeit und wird auf diese Weise Bestandteil der Rechtsordnung. Der Geschäftsverteilung der belangten Behörde für das Kalenderjahr 1998 mangelt es an der gehörigen Kundmachung, weil weder der österreichische Rundfunk mit seinem Fernsehzentrum am Küniglberg noch die Länderstudios im Besitze einer kundgemachten Geschäftsverteilung der belangten Behörde über die Senatszusammensetzung sind. Auch eine andere Form der Verlautbarung der Geschäftsverteilung hat nicht stattgefunden.

Die feste Geschäftsverteilung für die einzelnen Senate der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes hat durch das Los bestimmt zu werden (§28 Abs1 2. Satz). In Gegenwart des Vorsitzenden der Kommission und in Anwesenheit seines Stellvertreters sowie eines Beamten des Bundeskanzleramtes als Schriftführer sollen die einzelnen Quartalssenate durch das Los bestimmt werden.

Prüft man die Senatszusammensetzung der einzelnen Senate für das Jahr 1998 genauer, kommt man zum Ergebnis, daß die feste Geschäftsverteilung der belangten Behörde nicht nach den gesetzlichen Grundsätzen, wie sie vorhin aufgezeigt wurden, erstellt worden ist. Es fällt auf, daß im Senat I/98 Dr. M, Dr. G, Dr. H als Richter aufscheinen und die gleichen Personen als Ersatzmitglieder im Senat III/98 fungieren. Gleiches gilt für die richterlichen Mitglieder Dr. H, Dr. K und Dr. F als Senatsmitglieder des Senates II/98, die wiederum in gleicher Reihenfolge als Ersatzmitglieder des Senates I/98 aufscheinen. Ähnlich verhält es sich auch beim Senat III/98 in welchem die richterlichen Mitglieder, Dr. J, Dr. A und Dr. T als Senatsmitglieder fungieren, während sie im Senat II/98 als Ersatzmitglieder bestimmt sind.

Wenn dem Grundsatz der Bestimmung der Senatsmitglieder durch das Los Rechnung getragen wird, ist es denkunmöglich, daß eine derartige Regelmäßigkeit in der Zusammensetzung der Senate durch Losentscheid erfolgt. Offenbar hat die belangte Behörde bei der Senatszusammensetzung im Jahre 1998 Willkür geübt und sich nicht nach den gesetzlichen Grundsätzen des §28 RFG bei der Erstellung der festen Geschäftsverteilung von den gesetzlichen Grundsätzen leiten lassen.

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, daß die als Rechtsverordnung zu qualifizierende feste Geschäftsverteilung willkürlich erstellt und somit gesetzwidrig ist, weshalb der Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein Verfahren nach dem gesetzlichen Richter nach Art83, Abs2 RFG verletzt worden ist.

Durch die Unterlassung der Kundmachung der Geschäftsverteilung ist der Beschwerdeführer in Anwendung der als Verordnung zu qualifizierenden Rechtsvorschrift, somit in Anwendung einer generellen rechtswidrigen Norm verletzt worden. Der Beschwerdeführer regt daher an, der Verfassungsgerichtshof wolle aufgrund der vorstehenden Ausführungen das Verordnungsprüfungsverfahren gem. Art139 B-VG einleiten und aussprechen, daß die Geschäftsverteilung der belangten Behörde für das Jahr 1998 gesetzwidrig ist.

Für den Beschwerdefall ist die Anwendung der Geschäftsverteilung der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes für das Kalenderjahr 1998 präjudiziell, weshalb diese auch bei Prüfung der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof anzuwenden ist (Präjudizialität).

Da bei der Behandlung der Beschwerde gegen die Sendung des ORF vom 17.04.1998 zum Titel 'Lust auf Liebe' die belangte Behörde die vorstehenden Grundsätze nicht wahrgenommen hat, bin ich im Recht auf den gesetzlichen Richter und in Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden."

1.2. Die belangte Behörde trat dem Beschwerdevorbringen in ihrer Gegenschrift vom 19. Jänner 1999 mit folgenden Erwägungen entgegen:

"Durch das Verfahren und den Bescheid wurden keine gesetzlichen Vorschriften verletzt.

1. Die Beschwerde des M H konnte in der 4-wöchigen Entscheidungsfrist deshalb nicht erledigt werden, weil zunächst geprüft werden mußte, ob die Unterfertiger der Unterstützungserklärungen über eine Hauptbewilligung verfügen. Nach Abschluß dieser Überprüfung wurde unverzüglich ein Termin anberaumt.

Da dieser Termin in die Urlaubszeit gefallen ist, waren mehrere Mitglieder verhindert, sodaß die Ersatzmitglieder herangezogen werden mußten. Eine Terminverschiebung war im Hinblick auf die ohnedies überzogene Entscheidungsfrist nicht mehr tunlich. Hinsichtlich der Verhinderungen wird auf den Aktenvermerk der Konzeptsbeamtin beim Bundeskanzleramt hingewiesen.

2. Die Auslosung der Mitglieder und Ersatzmitglieder wurde korrekt vorgenommen. Eine öffentliche Kundmachung der Geschäftsverteilung ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Die Auslosung erfolgte nach folgenden Kriterien:

Richterliche Mitglieder - Mitglieder:

Für die 1. drei Senate werden aus der Gesamtzahl jeweils 3 richterliche Mitglieder gezogen, für den 4. Senat werden wieder aus der Gesamtzahl 3 richterliche Mitglieder gezogen.

Richterliche Mitglieder - Ersatzmitglieder:

Die Mitglieder des 1. Senates sind Ersatzmitglieder des 3. Senates, die Mitglieder des 2. Senates sind Ersatzmitglieder des 1. Senates, die Mitglieder des 3. Senates sind Ersatzmitglieder des 2. Senates, und zwar in der Reihenfolge ihrer Auslosung. Für den 4. Senat wird wieder aus der Gesamtzahl der richterlichen Mitglieder gezogen.

Nicht-Richterliche Mitglieder:

Die Haupt- und Ersatzmitglieder werden getrennt ausgelost.

Diese Vorgangsweise wurde deshalb gewählt, da sonst möglicherweise Ersatzmitglieder ident mit den gelosten Mitgliedern sein könnten.

Da somit keine Gesetzesverletzung vorliegt, wird die Abweisung der Beschwerde beantragt."

1.3. In der Äußerung der Beteiligten wird den in der Beschwerde vorgetragenen Bedenken entgegengetreten und diese Auffassung wie folgt begründet:

"1. Der Beschwerdeführer inkriminiert, daß die Hinderungsgründe der Senatsmitglieder Dr. F, Dr. F und Dr. H nicht aktenkundig sind, weshalb die belangte Behörde nicht gesetzmäßig zusammengesetzt gewesen sei. Daß eine Verhinderung aktenkundig sein muß, kann weder dem einfachen Gesetz (RFG, AVG) noch dem Verfassungsgesetz entnommen werden.

Eine Verletzung des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter in dem vom Beschwerdeführer inkriminierten Sinn liegt vielmehr dann vor, wenn in einem Verfahren (mit fortgesetzten Verhandlungen) mit ständig wechselnder Senatszusammensetzung jeweils ohne formelle neue Durchführung des Verfahrens verhandelt wurde (VfSlg. 11108). Da es bei dem gegenständlichen Verwaltungsverfahren nur eine mündliche Verhandlung gegeben hat, kann eine Verletzung dieses Grundrechts schon deshalb nicht vorliegen.

Darüber hinausgehend weisen wir darauf hin, daß das Gebot der festen Geschäftsverteilung (Art87 Abs3 B-VG) nur für Gerichte gilt, nicht auch für Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag gemäß Art133 Z4 B-VG (VfSlg. 5095, 9387, 12407, 12462). Da es sich bei der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes um eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag handelt, gilt für diese das verfassungsgesetzlich festgelegte Gebot der festen Geschäftsverteilung demnach nicht. Es ist daher dem B-VG genüge getan, wenn - wie im gegenständlichen Fall - ein Senat der an sich zuständigen Behörde (die Zuständigkeit der RFK ist gegeben) entscheidet.

Ein Anhaltspunkt, weshalb die Vorschriften des RFG bei der Besetzung der einzelnen Senate nicht eingehalten worden sind, ist lediglich den 'mathematischen' Überlegungen in der Beschwerde zu entnehmen: Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist es 'denkunmöglich', daß bei Bestimmung der Senatszusammensetzung durch Los eine Regelmäßigkeit - wie sie der Beschwerdeführer aufzeigt -, vorliegt. Statistische Überlegungen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, daß bei neun Richtern, aus deren Kreis jeweils 3 Richter in 4 Senaten und 4 Ersatzsenaten in Senat 2/98 und in gleicher Reihenfolge als Ersatzmitglieder in Senat 1/98 entscheiden, sind eher im Bereich der Naturwissenschaften (Mathematik) als im Bereich der Rechtswissenschaften anzusiedeln. Außer diesen mathematischen Überlegungen ist der Beschwerde kein Anhaltspunkt zu entnehmen, weshalb die Vorschriften des RFG bei der Senatszusammensetzung nicht eingehalten worden sein sollen. Darüber hinausgehend läge auch dann keine Verfassungswidrigkeit vor, wenn ein nach der Losverteilung an sich nicht zuständiges Senatsmitglied entschieden hätte, da wie bereits aufgezeigt, der Grundsatz der festen Geschäftsverteilung bei Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag nicht gilt.

Sollte der Verfassungsgerichtshof seiner in den Erkenntnissen vom 25.9.1995 (B1601/94) bzw. vom 27.11.1995 (B1682/95) geäußerten Rechtsansicht folgen, wonach eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter vorliegt, wenn ein Senatsmitglied entscheidet, obwohl dieses während der maßgebenden Funktionsperiode dem entscheidenden Senat weder als Mitglied noch als Ersatzmitglied angehörte, weist der vorliegende Fall trotzdem keine Grundrechtsverletzung auf. Dies schon deshalb, da nicht einmal in der Beschwerde inkriminiert wird, daß ein 'senatsfremdes' Mitglied entschieden hätte. Überdies ist dies auch der der Beschwerde beigelegten Geschäftsverteilung der RFK und dem angefochtenen Bescheid zu entnehmen.

2. Der Ansicht des Beschwerdeführers, wonach es sich bei der Geschäftsverteilung der RFK um eine Rechtsverordnung und nicht um eine Verwaltungsverordnung handelt, kann nicht gefolgt werden. Eine Geschäftsverteilung ist nach Ansicht der Judikatur der Höchstgerichte keine Verordnung, sondern ein richterlicher Akt (VfSlg. 11714; OGH 24.4.1991, 9 Ob 1720/91; VfSlgNF 13513A).

In der Beschwerde wird releviert, daß es der Geschäftsverteilung der belangten Behörde für das Kalenderjahr 1998 an der 'gehörigen Kundmachung' mangle, da weder der ORF noch die Landesstudios im Besitze einer kundgemachten Geschäftsverteilung seien. Es verwundert die Rechtsansicht, daß eine 'gehörige Kundmachung' dann vorliege, wenn eine Verordnung dem ORF (in welcher Form auch immer) bekanntgemacht wird. Wir gehen doch eher davon aus, daß eine 'gehörige Kundmachung' einer Rechtsverordnung des Bundesrechts im Sinne der österreichischen Rechtsordnung wohl eher bei Kundmachung im Bundesgesetzblatt vorliegt. Die gehörige Kundmachung im Bundesgesetzblatt ist allerdings nur bei Vorliegen einer Rechtsverordnung erforderlich, nicht jedoch bei einem richterlichen Akt. Da es sich bei der Geschäftsverteilung der RFK um keine Rechtsverordnung, sondern wie eben aufgezeigt um einen richterlichen Akt handelt, ist eine Kundmachung im Bundesgesetzblatt weder erforderlich noch vorgesehen.

Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die Anregung des Beschwerdeführers auf Einleitung eines amtswegigen Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 B-VG zu sehen."

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet.

2.1. Die Beschwerde sieht in der "festen Geschäftsverteilung" der belangten Behörde eine "zuständigkeitsbegründende Rechtsvorschrift auf der Stufe einer Rechtsverordnung". Sie ist damit nicht im Recht:

2.1.1. Die Rundfunkkommission besteht gemäß §25 Abs2, erster Satz, RFG aus 17 Mitgliedern, von denen neun dem Richterstand angehören müssen. §28 Abs1 und 2 RFG lautet:

"§28. (1) Zur Entscheidung über die während eines Zeitraumes von drei Monaten einlangenden Beschwerden werden jeweils zu Jahresbeginn Senate, bestehend aus fünf Mitgliedern, gebildet. Drei Mitglieder der Senate werden aus dem Kreis der dem Richterstand angehörenden Mitglieder der Kommission und je ein weiteres Mitglied wird aus dem Kreis der vom Zentralbetriebsrat sowie von der Hörer- und Sehervertretung vorgeschlagenen Mitglieder der Kommission vom Vorsitzenden der Kommission in Anwesenheit des Vorsitzenden-Stellvertreters sowie eines Beamten des Bundeskanzleramtes als Schriftführer durch das Los bestimmt. Für jedes Mitglied eines Senates ist nach dem gleichen Verfahren ein Ersatzmitglied zu bestellen, das im Falle der Verhinderung des Mitgliedes während des Verfahrens an dessen Stelle tritt.

(2) Den Vorsitz im Senat führt der Vorsitzende der Kommission, sofern er ihm angehört, ansonsten der Vorsitzendenstellvertreter. Ist auch dieser nicht Mitglied des Senates, so ist der Senatsvorsitzende von dem Senat aus dem Kreis der dem Richterstand angehörenden Mitglieder zu wählen."

2.1.2. Für den Bereich der sogenannten Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag und sohin auch für die darunter fallende RFK hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgehalten (s. zB schon VfSlg. 5684/1968, ferner etwa VfSlg. 8856/1980, 9387/1982, 11280/1987, 12407/1990, 13608/1993 u.v.a.), daß Art87 Abs3 B-VG das Gebot der festen Geschäftsverteilung nur für die ordentliche Gerichtsbarkeit festlegt und daß keine konkreten verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte gegeben sind, die für eine sinngemäße Übertragung dieses Grundsatzes auch für den Bereich der genannten Kollegialbehörden sprechen.

Demgemäß hatte der Verfassungsgerichtshof aus Sicht des Art83 Abs2 B-VG bislang weder Bedenken gegen §28 RFG noch - da es sich dabei sowohl von RFG als auch von Verfassungs wegen nicht um eine Rechtsverordnung handelt - gegen die aus Sicht der vorliegenden Beschwerde mangelhafte Kundmachung der Verteilung der Aufgaben der RFK auf deren einzelne Senate (vgl. zuletzt etwa 13.932/1994, 14.843/1997, 14.852/1997). Vielmehr bildete etwa allein das "Protokoll" über die Senatszusammensetzung die Entscheidungsgrundlage des Erkenntnisses VfSlg. 13932/1994. Schließlich begegnete es im Erkenntnis VfSlg. 15126/1998 keinen Bedenken aus verfassungsrechtlicher Sicht, daß der damals beschwerdeführenden Partei die Zusammensetzung des über ihre Rundfunkbeschwerde entscheidenden Senates - da das RFG ein spezifisches Ablehnungsrecht (anders als etwa das Disziplinarrecht der Rechtsanwälte) nicht kennt - nicht im vorhinein bekanntgegeben worden war. Die Zusammensetzung der - bereits in §28 RFG determinierten - Senate durch Bestellung der Mitglieder und Ersatzmitglieder erfolgt durch verwaltungsinterne Akte.

Andererseits ist nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinsichtlich des Eintrittes von Ersatzleuten und des Erfordernisses der grundsätzlichen Beibehaltung einer einmal gegebenen Zusammensetzung solcher kollegialen Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag ein strenger Maßstab anzulegen (VfSlg. 11108/1986, 11336/1987, VfGH 24.2.1999, B1625/98). Auch insoweit bleibt der Verfassungsgerichtshof bei seiner bisherigen Rechtsprechung.

2.1.3. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften sind deshalb Bedenken nicht entstanden; der Beschwerdeführer wurde daher nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art83 Abs2 B-VG (auch) durch die unrichtige Zusammensetzung einer an sich zuständigen Kollegialbehörde verletzt (vgl. VfSlg. 11108/1986, 11336/1987, 11338/1987, 13932/1994).

2.2.1. Die RFK ist, wie mehrfach erwähnt, eine nach Art133 Z4 B-VG eingerichtete Verwaltungsbehörde. Am Zustandekommen des angefochtenen Bescheides der RFK haben - wie auch von der belangten Behörde nicht bestritten wird - neben zwei Mitgliedern drei Ersatzmitglieder des Senates II/98, darunter zwei richterliche Ersatzmitglieder, teilgenommen. Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die Bestellung der Ersatzmitglieder für richterliche Mitglieder wie folgt beschrieben:

"Die Mitglieder des 1. Senates sind Ersatzmitglieder des 3. Senates, die Mitglieder des 2. Senates sind Ersatzmitglieder des 1. Senates, die Mitglieder des 3. Senates sind Ersatzmitglieder des 2. Senates, und zwar in der Reihenfolge ihrer Auslosung. Für den 4. Senat wird wieder aus der Gesamtzahl der richterlichen Mitglieder gezogen."

2.2.2. §28 Abs1, letzter Satz, RFG bestimmt, daß "für jedes Mitglied eines Senates ... nach dem gleichen Verfahren ein Ersatzmitglied zu bestellen" ist.

Mit "dem gleichen Verfahren" meint das Gesetz ersichtlich auch die Bestellung durch das Los. Nun wurden nach der oben bezeichneten Vorgangsweise auch die Ersatzmitglieder, und zwar mittelbar - nämlich im Wege ihrer Auslosung als Mitglieder - durch das Los bestimmt. §28 Abs1, letzter Satz, RFG kann nicht dahin verstanden werden, daß er die völlig gesonderte unmittelbare Bestellung der Ersatzmitglieder durch das Los verlangt; diese Vorgangsweise lag, wie die RFK in ihrer Gegenschrift zutreffend darlegt, schon deshalb nahe, da ansonsten Personen zu Ersatzmitgliedern gelost werden könnten, die als Mitglied gelost worden waren. Es war deshalb der Bestellungsvorgang der Ersatzmitglieder jenes Senates der RFK, der den angefochtenen Bescheid beschlossen hat, nicht gesetzwidrig.

2.2.3. Des weiteren ist der Beschwerdeführer zwar im Recht, daß auch die entgegen §28 Abs1, letzter Satz, RFG erfolgende Beiziehung eines Ersatzmitgliedes außerhalb eines Verhinderungsfalles die unrichtige Zusammensetzung einer Kollegialbehörde im Sinne von Art133 Z4 B-VG und damit eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach sich zieht (vgl. etwa VfSlg. 11677/1988 und 12957/1991). Dieser Fall liegt indes nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verlangt nämlich das RFG bloß, daß das durch ein Ersatzmitglied vertretene Mitglied "verhindert" sein muß, nicht auch daß die Verhinderungsgründe, die zur Beiziehung des Ersatzmitgliedes geführt haben, "aktenkundig" sein müssen. Davon abgesehen enthält der Verwaltungsakt der RFK ohnedies einen Aktenvermerk, der die jeweiligen Verhinderungsgründe dokumentiert. Daß aber die von Ersatzmitgliedern vertretenen Mitglieder tatsächlich nicht "verhindert" gewesen wären, behauptet nicht einmal die Beschwerde.

2.2.4. Da also weder gesetzwidrig bestellte noch gesetzwidrig beigezogene Ersatzmitglieder an der Entscheidung mitgewirkt haben und daher die belangte Behörde nicht unrichtig zusammengesetzt war, wurde der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

2.3. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

III. 1. Die Kostenentscheidung

stützt sich auf §88 VerfGG. Im Aufwandersatz ist 25 % Streitgenossenzuschlag (S 5.625,--) sowie Umsatzsteuer in Höhe von S 5.625,-- enthalten.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Rundfunkkommission, Kollegialbehörde, Behördenzusammensetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1882.1998

Dokumentnummer

JFT_10008995_98B01882_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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