TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/26 2002/06/0066

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Veröffentlicht am 26.09.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
96/01 Bundesstraßengesetz;
96/02 Sonstige Angelegenheiten des Straßenbaus;

Norm

AVG §66 Abs4;
BStG 1971 §20 idF 2002/I/050;
BStG 1971 §32 idF 2002/I/050;
Bundesstraßen-ÜbertragungsG 2002 §1;
Bundesstraßen-ÜbertragungsG 2002 §4;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/06/0067

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerden des L in L, vertreten durch Dr. Peter Riedelsberger, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Kaarstraße 2, gegen die Bescheide 1. des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 22. April 2002, Zl. 326600/12-III/6c/02, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen einen Enteignungsbescheid nach dem Bundesstraßengesetz 1971, und 2. des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 15. März 2002, Zl. BauR-250993/3-2002-See/Pa, betreffend Enteignung nach dem Bundesstraßengesetz 1971 (mitbeteiligte Partei: Landeshauptmann von Oberösterreich, Bundesstraßenverwaltung),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Der erstangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben,

2. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag der Oberösterreichischen Landesregierung auf Aufwandersatz wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem zweitangefochtenen, dem Beschwerdeführer am 21. März 2002 zugestellten Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. März 2002 wurde gemäß §§ 17 und 20 Abs. 1 des Bundesstraßengesetzes 1971 - BStG, BGBl. Nr. 86, in der Fassung BGBl. I Nr. 142/2000, in Verbindung mit "den einschlägigen Bestimmungen" des Eisenbahnenteignungsgesetzes (EisbEG) 1954, BGBl. Nr. 71, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 297/1995, ein näher bezeichnetes Grundstück bzw. ein näher bezeichneter Grundstücksteil für den Umbau der B 139, Kremstal Straße, Baulos "Hart", im Wege der Enteignung in Anspruch genommen. Die "Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung" wurde gemäß §§ 18 Abs. 1 und 20 Abs. 2 BStG 1971, in der Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 verpflichtet, eine Gesamtentschädigung von insgesamt EUR 51.833,-- bei Gericht zu hinterlegen und dem Beschwerdeführer (unter Abweisung eines Mehrbegehrens von EUR 1.347,40) ein Ersatz der ihm durch die rechtsfreundliche Vertretung entstandenen Kosten in der Höhe von insgesamt EUR 2.397,00 zuerkannt. Dem Beschwerdeführer wurde schließlich gemäß § 20 Abs. 4 BStG aufgetragen, die Inbesitznahme der in Anspruch genommenen Grundfläche durch "die Republik Österreich, Bundesstraßenverwaltung" nach Rechtskraft dieses Bescheides und Auszahlung bzw. gerichtlicher Hinterlegung der Entschädigung jederzeit zu dulden.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 22. April 2002 gemäß Art. 5 § 1 des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes vom 29. März 2002, BGBl. I Nr. 50/2002, in Verbindung mit §§ 1 und 66 Abs. 4 AVG wegen Unzuständigkeit des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie zurückgewiesen. Dieser Beschied wurde im Wesentlichen damit begründet, dass mit der angeführten Bestimmung des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes der verfahrensgegenständliche Straßenzug der B 139 als Bundesstraße aufgelassen worden sei. Daher sei eine Zuständigkeit des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie in einem Berufungsverfahren wegen Enteignung nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer bekämpft den erstangefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt dessen Aufhebung. Hinsichtlich des zweitangefochtenen Bescheides stellt er "in eventu" den Antrag, diesen ebenfalls aus den angeführten Gründen aufzuheben.

Die Oberösterreichische Landesregierung und der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie legten Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstatteten "Gegenschriften" und beantragten die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 1 und 4 des in Artikel 5 des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes, BGBl. I Nr. 50/2002, enthaltenen - und gemäß seinem § 17 am 1. April 2002 in Kraft getretenen Bundesgesetzes über die Auflassung von Bundesstraßen lauten:

"§ 1. Als Bundesstraßen aufgelassen werden

a) die im Verzeichnis 3, Bundesstraßen B, des Bundesstraßengesetzes 1971 enthaltenen Straßenzüge,

b) die Bundesersatzstraßen gemäß § 33 Abs. 5 des Bundesstraßengesetzes 1971 und

c) alle Straßenteile, bei denen die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 2 des Bundesstraßengesetzes 1971 für eine Auflassung als Bundesstraße durch Verordnung vorliegen, aber eine solche Auflassung durch Verordnung noch nicht erfolgt ist.

...

§ 4. (1) Das bücherliche und außerbücherliche Eigentum sowie dingliche Rechte des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) an den aufgelassenen Bundesstraßen gemäß § 1 samt ihren Bestandteilen (§ 3 des Bundesstraßengesetzes 1971) gehen entschädigungslos von Gesetzes wegen auf die Bundesländer über, in deren Gebiet die Bundesstraßen oder Bundesstraßenteile liegen. Zu den Bestandteilen zählen auch die am 31. Dezember 2001 der Erhaltung und Beaufsichtigung der Bundesstraßen dienenden bebauten und unbebauten Grundstücke, die nicht im Zuge einer Bundesstraße liegen. § 1 Abs. 3 zweiter Satz des Bundesstraßengesetzes 1971 ist nicht anzuwenden.

(2) Das bücherliche und außerbücherliche Eigentum und dingliche Rechte des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) an Grundstücken, die für nunmehr gemäß § 1 aufgelassene Bundesstraßen erworben wurden, gehen entschädigungslos von Gesetzes wegen auf die Bundesländer über, sofern die Bestimmung des Verlaufes dieser Bundesstraßen durch Verordnung erfolgt ist, diese Bundesstraßen aber noch nicht hergestellt oder umgestaltet wurden. Der Bund kann die entschädigungslose Übertragung dieser Grundstücke an die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft verlangen, wenn sie nicht bis 31. Dezember 2008 für die Herstellung oder Umgestaltung der Straßen verwendet wurden. Wird glaubhaft gemacht, dass die Herstellung oder Umgestaltung der Straßen unmittelbar bevorsteht oder in absehbarer Zeit erfolgen wird, hat der Bund unter Setzung einer angemessenen Ausführungsfrist auf die Geltendmachung des Übertragungsanspruches vorübergehend abzusehen."

Die §§ 20 Abs. 1 und 32 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286, i.d.F. BGBl. I Nr. 50/2002, lauten:

"§ 20. Enteignungsverfahren

(1) Über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung entscheidet der Landeshauptmann als Bundesstraßenbehörde (§ 32) unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, in der geltenden Fassung, wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Rücksicht zu nehmen ist. Kommen hiebei Eisenbahngrundstücke in Betracht, so ist im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie als Eisenbahnbehörde vorzugehen.

...

§ 32. Behörden

     Behörden im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

     a)        der Landeshauptmann in erster Instanz für alle

Angelegenheiten, die nicht dem Bundesminister für Verkehr,

Innovation und Technologie vorbehalten sind,

     b)        der Bundesminister für Verkehr, Innovation und

Technologie zur Erlassung von Verordnungen und Bescheiden, die ihm nach diesem Bundesgesetz vorbehalten sind, sowie zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Landeshauptmannes."

Die "B 139 Kremstal Straße Linz (B 129)" ist in Verzeichnis 3 der Anlage 3 des Bundesstraßengesetzes 1971, BGBl. Nr. 286, i.d.F. BGBl. I Nr. 142/2000, unter "Bundesstraßen B" angeführt.

Im vorliegenden Fall wurde der erstinstanzliche, zweitangefochtene Bescheid vom Landeshauptmann von Oberösterreich als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung erlassen. Nach dem klaren Wortlaut des § 32 lit. b des Bundesstraßengesetzes 1971 ist zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Landeshauptmannes auf Grund des angeführten Gesetzes der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie berufen. Daran hat sich auch durch das Bundesstraßen-Übertragungsgesetz nichts geändert. Für die Beurteilung des Instanzenzuges ist entscheidend, in welchem Behördenbereich der unterinstanzliche Bescheid tatsächlich erlassen worden ist (vgl. die von Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage 1998, unter E 43 zu § 63 angeführte hg. Rechtsprechung). Dies hat der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie verkannt und den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Entscheidung in der Sache verletzt, indem er es unterließ, die nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides durch Inkrafttreten des Bundesstraßen-Übertragungsgesetzes eingetretene Unzuständigkeit der Bundesstraßenbehörden für die vorgenommene Enteignung durch die ersatzlose Behebung des zweitangefochtenen Bescheides gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufzugreifen (vgl. die von Walter/Thienel, a.a.O., unter E 219, 220 und 232 angeführte hg. Rechtsprechung sowie die hg. Erkenntnisse vom 22. April 1999, Zl. 98/06/0166, und vom 21. September 2000, Zl. 99/06/0043). Die Erlassung der am 29. Mai 2002 kundgemachten und gemäß ihrem Artikel II rückwirkend mit 1. April 2002 in Kraft gesetzten Oö. Straßengesetz-Novelle 2002, LGBl. Nr. 44, wurde nicht übersehen. Ob die darin enthaltene Bestimmung des § 40a Abs. 3 Z. 4 zweiter Satz, wonach (nach den §§ 17 ff des Bundesstraßengesetzes 1971 erlassene) Bescheide des Landeshauptmanns als solche der Landesregierung gelten, nur für rechtskräftige Bescheide gilt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Durch diese landesgesetzliche Vorschrift konnten die Rechtswirkungen des auf Grund des Bundesstraßengesetzes 1971 in Bundesvollziehung erlassenen Bescheides des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 15. März 2002 - jedenfalls im vorliegenden Fall - nämlich nicht beseitigt, sondern allenfalls daran als Tatbestand anknüpfend (zusätzliche) Rechtsfolgen für die Oberösterreichische Landesrechtsordnung normiert werden. Die Bestimmung konnte auch § 32 lit. b des Bundesstraßengesetzes 1971 in seiner Wirksamkeit nicht beeinträchtigen und ändert im vorliegenden Fall nichts daran, dass der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie den zweitangefochtenen Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich unverzüglich gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos zu beheben haben wird.

Da nach dem Gesagten dem Beschwerdeführer gegen den zweitangefochtenen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung offen stand, war seine dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG i.V.m. Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Kostenbegehren der am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Oberösterreichischen Landesregierung war mangels einer dafür vorgesehenen gesetzlichen Grundlage zurückzuweisen.

Wien, am 26. September 2002

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002060066.X00

Im RIS seit

29.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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