TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/30 2001/10/0001

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Veröffentlicht am 30.09.2002
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Index

82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

NWKV 1995 §3 Abs2;
NWKV 1995 §5 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Dr. W S in Rankweil, vertreten durch Dr. Michael Konzett, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Fohrenburgstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 13. November 2000, Zl. 1-0039/00/E5, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

"in seiner Eigenschaft als gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellter verantwortlich Beauftragter der Firma R. GmbH in ..., zu verantworten, dass diese Firma Anfang Juli 1998 sechs Packungen Orangensaft (Probenummer ZH 173/98) jeweils mit der Bezeichnung 'happy day 100 % Orangensaft', abgepackt jeweils in einem1-Liter-Tetrapack und mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 8.7.1999 versehen, durch Lieferung an die Spar Zentrale, St. Pölten, in Verkehr gebracht hat, obwohl diese Waren, welche ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt waren, auf Grund der nährwertbezogenen Angaben 'ohne Zuckerzusatz, kein Zucker zugesetzt' der Kennzeichnungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Z. 2 Nährwertkennzeichnungsverordnung unterlagen und in der Kennzeichnung die Angaben über den Gehalt an Zucker, gesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen und Natrium (§ 5 Abs. 1 Z. 2 NWKV) fehlten."

Der Beschwerdeführer habe damit eine Verwaltungsübertretung gemäß § 74 Abs. 5 Z. 2 des Lebensmittelgesetzes 1975 (LMG) iVm §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 2, 5 Abs. 1 Z. 2 und 5 Abs. 2 der Nährwertkennzeichnungsverordnung (NWKV) begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden) zu verhängen sei.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz im Wesentlichen vorgebracht, die Angaben "ohne Zuckerzusatz" und "kein Zucker zugesetzt" stellten keine nährwertbezogenen Angaben dar. Diese Angaben würden lediglich die Merkmale der Ware beschreiben. Die Angaben dienten als Unterscheidungsmerkmal gegenüber Vergleichsprodukten, welche im Unterschied zum gegenständlichen Produkt unter Zusatz von Zucker hergestellt würden. Die Angaben würden nicht den Nährwert, sondern Zusammensetzung und Qualität des Produktes betreffen.

Die belangte Behörde vertrat demgegenüber die Auffassung, bei den genannten Angaben handle es sich gemäß § 3 Abs. 2 NWKV ("... weil es Energie ... in verminderter bzw. erhöhter Menge enthält oder nicht enthält") um nährwertbezogene Angaben, die die Kennzeichnungspflicht nach § 5 Abs. 1 NWKV auslösten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist in erster Linie strittig, ob es sich bei den dem gegenständlichen Produkt (Orangensaft) beigefügten Angaben "ohne Zuckerzusatz" bzw. "kein Zucker zugesetzt" um nährwertbezogene Angaben im Sinne des § 3 Abs. 2 NWKV handelt, die die Verpflichtung zur Nährwertkennzeichnung nach § 5 Abs. 1 leg. cit. auslösen.

Die Beschwerde bestreitet die von der belangten Behörde vertretene Auffassung im Wesentlichen mit der Begründung, dass mit diesen Angaben nicht erklärt, suggeriert oder mittelbar zum Ausdruck gebracht werde, dass das Produkt besondere Nährwerteigenschaft besitze. Die Angaben stellten vielmehr eine bloße Beschreibung des Produktes nach Art und Beschaffenheit dar. Die Angaben dienten lediglich als Unterscheidungsmerkmal gegenüber Vergleichsprodukten, welche aber im Unterschied zum gegenständlichen Produkt unter Zusatz von Zucker hergestellt seien. Die Angaben "ohne Zuckerzusatz" bzw. "kein Zucker zugesetzt" seien von Angaben wie etwa "zuckerfrei" oder "ohne Zucker" zu unterscheiden. Die gegenständliche Angaben bedeuteten nicht, dass kein Zucker enthalten sei, sondern es werde damit zum Ausdruck gebracht, dass einem süß schmeckenden Lebensmittel kein weiterer Zucker mehr zugesetzt worden sei. Damit sei nicht zu erkennen, dass die Aussage eine nährwertbezogene Angabe darstelle. Derartige Angaben erfolgten im Rahmen einer Beschreibung der Ware nach Art und Beschaffenheit und würden vom Konsumenten als Information über die Rezeptur aufgefasst. Es handle sich bei dieser Angabe lediglich um eine Information des Verbrauchers, aus welcher Quelle der im Produkt enthaltene Zucker stamme. Damit werde nicht zum Ausdruck gebracht, dass dieses Getränk besondere Nährwerteigenschaften besitze, weil es Energie liefere, in verminderten bzw. im erhöhten Ausmaß liefere oder Energie nicht liefere. Es sei im Übrigen fast einhellige österreichische und deutsche Lehre (Hinweis auf Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht2, Kommentar zu § 3 der Nährwertkennzeichnungsverordnung, 160; ferner Gorny, Kommentar zur Nährwertkennzeichnung, Rn 19 f zu § 2 der (deutschen) Kennzeichnungsverordnung, sowie Zipfel, (deutsches) Lebensmittelrecht, Rn 22 zu § 2 der genannten Verordnung), dass derartige Angaben keine nährwertbezogenen Angaben im Sinne der Nährwertkennzeichnungsverordnung darstellten.

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, BGBl. Nr. 896/1995 (NWKV), regelt diese Verordnung die Nährwertkennzeichnung sowie nährwertbezogene Angaben beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die - ohne weitere Verarbeitung - für den Letztverbraucher bestimmt sind.

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 NWKV gilt diese Verordnung nicht für Angaben, die auf Grund anderer Rechtsvorschriften vorgeschrieben sind.

Erfolgt beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln eine nährwertbezogene Angabe, so muss gemäß § 2 Abs. 2 NWKV - ausgenommen bei produktübergreifenden Werbekampagnen - die Kennzeichnung des Lebensmittels die Angaben gemäß § 5 enthalten.

Der den Begriff "nährwertbezogene Angabe" definierende § 3 Abs. 2 NWKV hat folgenden Inhalt:

"(2) Nährwertbezogene Angabe ist jede beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln erscheinende Angabe, Darstellung oder Aussage, mit der erklärt, suggeriert oder mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Nährwerteigenschaften besitzt,

weil es Energie

-

liefert,

-

in vermindertem bzw. in erhöhtem Maße liefert

-

oder nicht liefert,

oder weil es Nährstoffe

-

enthält,

-

in verminderter bzw. erhöhter Menge enthält

-

oder nicht enthält.

Angaben oder Hinweise auf den Alkoholgehalt eines Lebensmittels sind keine nährwertbezogenen Angaben gemäß dieser Verordnung."

Gemäß § 5 Abs. 1 NWKV hat die Kennzeichnung entweder die Angaben nach Z. 1 oder Z. 2 in der genannten Reihenfolge zu enthalten:

              1. a)              Brennwert,

              b)              Gehalt an Eiweiß, Kohlenhydraten und Fett;

              2. a)              Brennwert,

              b)              Gehalt an Eiweiß, Kohlenhydraten, Zucker, Fett, gesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen und Natrium.

Wenn sich eine nährwertbezogene Angabe auf Zucker, gesättigte Fettsäuren, Ballaststoffe oder Natrium bezieht, so hat die Kennzeichnung gemäß § 5 Abs. 2 NWKV die Angaben gemäß Abs. 1 Z. 2 zu enthalten.

Durch die Nährwertkennzeichnungsverordnung wurde die Richtlinie 90/496/EWG des Rates vom 24. September 1990 über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 276, Seite 40) in österreichisches Recht umgesetzt. Lebensmittel ohne nährwertbezogene Angaben können ohne jegliche Nährwertkennzeichnung in den Verkehr gebracht werden. Werden jedoch im Verkehr mit Lebensmitteln für Lebensmittel nährwertbezogene Angaben gemacht, so muss eine Nährwertkennzeichnung erfolgen.

Nach dem oben wiedergegebenen § 3 Abs. 2 NWKV ist eine nährwertbezogene Angabe jede beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln erscheinende Angabe, Darstellung oder Aussage, mit der erklärt, suggeriert oder mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Nährwerteigenschaften besitzt, weil es etwa Energie liefert, im verminderten bzw. in erhöhtem Maße liefert oder nicht liefert bzw. weil es Nährstoffe enthält, in verminderter bzw. erhöhter Menge enthält oder nicht enthält.

Die Formulierung "erklärt, suggeriert, mittelbar zum Ausdruck gebracht wird" stellt dabei eine umfassende Beschreibung aller möglichen Formen einer Mitteilung über Nährwerteigenschaften eines Lebensmittels dar. Es kommt somit nicht darauf an, ob die Nährwerteigenschaft unmittelbar angesprochen wird oder bloß mittelbar. Mittelbar sind Erklärungen, die erst durch eine bewusste - gedankliche - oder unbewusste Assoziation einen Bezug auf Nährwerteigenschaften ergeben (vgl. z.B. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht II, Kommentar zu § 2 der (deutschen) Nährwertkennzeichnungsverordnung, Rz 13).

Nährwerteigenschaften eines Lebensmittels sind Charakteristika einer Ware, die Energie und Nährstoffe betreffen. Eine Aussage oder Darstellung wird nur dann zur nährwertbezogenen Angabe, wenn ihr der Erklärungsinhalt beigelegt werden kann, das betreffende Lebensmittel besitze auf Grund seines Energie- bzw. Nährstoffgehaltes besondere Nährwerteigenschaften, die es deshalb von anderen Lebensmittel seiner Gattung unterscheiden (vgl. etwa Gorny, Kommentar zur (deutschen) Nährwertkennzeichnug, Rz 5 ff zu § 2). Ob im Einzelfall eine besondere Nährwerteigenschaft angezeigt wird oder nur eine allgemeine Information vorliegt, muss in solchen Fällen nach dem gesamten Inhalt der Angaben, etwa auch im Hinblick auf die damit in Verbindung stehenden optischen Angaben, beurteilt werden (vgl. auch dazu Zipfel/Rathke, aaO, Rz 13 ff).

Ob daher im Beschwerdefall mit den Angaben "ohne Zuckerzusatz" bzw. "kein Zucker zugesetzt" nur auf das Fehlen von Zutaten hingewiesen wird bzw. eine geschmackliche Eigenschaft des Produkts beschrieben wird (die Beschwerde spricht in diesem Zusammenhang von "Merkmalen der Ware") oder hingegen bestimmte Nährwerteigenschaften angesprochen werden, ist somit nach dem gesamten Inhalt der Angabe unter Berücksichtigung der Verbrauchererwartung zu beurteilen.

Im Beschwerdefall erfolgt die optisch deutlich hervorgehobene Angabe "kein Zucker zugesetzt" auf der Vorderseite der Verpackung des gegenständlichen Produktes ohne erkennbaren Zusammenhang mit anderen Angaben über Zusammensetzung, Herstellung oder Rezeptur. Der Hinweis auf das Fehlen eines Zuckerzusatzes ist daher hier als nährwertbezogener Hinweis auf einen gegenüber vergleichbaren Produkten verminderten Nährstoffgehalt zu sehen und nicht als bloße Information des Konsumenten über eine Zutat bzw. geschmackliche Eigenschaft des Produktes.

Eine "schlichte Nennung von Zutaten" im Sinne der Darlegungen von Barfuß/Smolka/Onder, Lebensmittelrecht2, Kommentar zu § 3 NWKV, II A 2.4., S. 160, liegt hier im Hinblick auf die - von anderen Angaben über Zusammensetzung oder Rezeptur isolierte - Hervorhebung des Fehlens einer Zutat, die den Nährwert des Produktes beeinflussen würde, nicht vor.

Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die streitgegenständlichen Angaben als nährwertbezogene Angaben beurteilt und dem Beschwerdeführer einen Verstoß gegen den § 5 Abs. 1 Z. 2 NWKV zum Vorwurf gemacht hat.

              2.              Soweit in der Beschwerde die Auffassung vertreten wird, im Beschwerdefall sei Verfolgungsverjährung eingetreten, da das gegenständliche Produkt Anfang Juli 1998 in Verkehr gebracht worden sei, die erste gegen den Beschwerdeführer gerichtete Amtshandlung (Strafverfügung) jedoch erst am 3. April 1999 erfolgt sei, ist sie darauf zu verweisen, dass nach § 74 Abs. 7 LMG die Verfolgung einer Person wegen einer der in Abs. 1 bis 5 angeführten Verwaltungsübertretungen unzulässig ist, wenn gegen sie binnen Jahresfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch im Beschwerdefall, da die Strafverfügung noch innerhalb der Jahresfrist erlassen worden ist.

              3.              Auf das Vorbringen, dem Beschwerdeführer sei vor Erlassung des Straferkenntnisses keine Möglichkeit eingeräumt worden, zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, ist zu erwidern, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren erster Instanz im Berufungsverfahren durch die mit der Berufung gegebenen Möglichkeit der Stellungnahme saniert wird, wenn dem Beschwerdeführer durch den erstinstanzlichen Bescheid das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht wurde (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 45 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, E 522 ff).

              4.              Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

              5.              Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 30. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001100001.X00

Im RIS seit

20.12.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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