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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §111;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. W in S, vertreten durch Dr. Michael Gärtner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Stelzhamerstraße 5a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 20. Mai 1998, Zl. 3/01-7/13.375/2-1998, betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlages (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Juni 1996, 18 Cga 157/95a, wurde der Beschwerdeführer rechtskräftig verurteilt, der Regina F. näher bezifferte Beträge für Gehaltsansprüche samt Sonderzahlungen für die Dauer ihres Dienstverhältnisses mit der A International Asset Corporation (im weiteren A Corp.) sowie für Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung zu bezahlen.
Das Gericht hat in der Urteilsbegründung festgestellt, dass Regina F. am 1. Februar 1995 ein Dienstverhältnis mit der A Corp. mit Sitz auf den Virgin Islands aufgenommen habe, wobei die Dienstleistung in Salzburg erbracht worden sei. Der Beschwerdeführer habe als Bevollmächtigter der A Corp. den Dienstvertrag unterschrieben. Zudem habe der Beschwerdeführer sowohl im Namen der A Corp. als auch im eigenen Namen eine Haftungserklärung für alle der Regina F. aus dem Dienstverhältnis mit der A Corp. zustehenden Geld- und sonstigen Ansprüche unterfertigt. Der Beschwerdeführer habe in der Folge auch sämtliche Dienstgeberfunktionen ausgeübt; einen Kontakt mir der A Corp. habe Regina F. nie gehabt. Da sie keinerlei Entgelt erhalten habe, sei sie am 24. Juni 1995 gemäß § 26 Z 2 AngG vorzeitig ausgetreten. Das Gericht leitete die Haftung des Beschwerdeführers aus der von ihm gegenüber F. abgegebenen Haftungsübernahmserklärung ab. Diese Entscheidung wurde im Instanzenzug vom Oberlandesgericht Linz (Urteil vom 6. Mai 1997, 12 Ra 34/97z), und vom Obersten Gerichtshof (Erkenntnis vom 26. November 1997, 9 Ob A 304/97i) bestätigt.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erliess einen Bescheid vom 1. April 1998, mit dem sie dem Beschwerdeführer mit dem in Kopf und Spruch des Bescheides aufgenommenen "Zusatz": "Bev. d. Fa. A Int. Asset Corp. ...Virgin Islands" (dh. als Bevollmächtigten des genannten Unternehmens) unter Hinweis auf in näher bezeichneter Höhe nachverrechnete Sozialversicherungsbeiträge einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 12.450,-- vorschrieb.
In seinem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch machte der Beschwerdeführer geltend, dass er nie Dienstgeber der Regina F. gewesen sei. Auch sei er selbst nie Angestellter oder Zustellungsbevollmächtigter der A Corp. gewesen und habe auch nie irgendeine gewerbliche Tätigkeit in Österreich ausgeübt. Regina F. sei vielmehr direkt von der A Corp. beschäftigt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Einspruch sei entgegenzuhalten, dass dieser mit Urteil des LG Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. Juni 1996 verurteilt worden sei, der Regina F. für die Zeit vom 1. Februar 1995 bis 24. Juni 1995 Gehalt und für die Zeit vom 1. Februar 1995 bis 30. September 1995 Kündigungsentschädigung sowie aliquot Sonderzahlungen zu bezahlen. Dieses arbeitsgerichtliche Verfahren sei in der Folge bis zum OGH geführt worden, der mit Urteil vom 26. November 1997 das erstgerichtliche Urteil bestätigt und auch keinen Zweifel daran gelassen habe, dass "der Beschwerdeführer als Bevollmächtigter der Firma A Corp. (Dienstgeber) anzusehen" gewesen und daher zu Recht zur Zahlung der eingeklagten Entgelte an Regina F. verurteilt worden sei. Der Beitragszuschlag sei in der Höhe der gesetzlich vorgesehenen Verzugszinsen verhängt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse haben die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in welcher die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird. Die belangte Behörde hat zudem Kostenersatz beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vor, dass die belangte Behörde fälschlicherweise davon ausgehe, er sei Bevollmächtigter der Firma A Corp. gewesen. Seine zivilrechtliche Haftung auf Grund des rechtskräftigen Urteiles des LG Salzburg vom 28. Juni 1996 für die Ansprüche der Regina F. aus deren Dienstverhältnis mit der A Corp. leite sich vielmehr daraus ab, dass der Beschwerdeführer eine Haftungserklärung gegenüber der Regina F. auch im eigenen Namen unterfertigt habe.
Zudem sei Regina F. nie in Österreich beschäftigt gewesen. Dies gehe aus der im Verfahren vor dem LG Salzburg vorgelegten handschriftlichen Vereinbarung zwischen Regina F. und dem Beschwerdeführer hervor, die in Istanbul ausgestellt worden sei.
Auf die letztere, mit den Urteilsfeststellungen des LG Salzburg in Widerspruch stehende und erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erhobene Behauptung ist schon im Hinblick auf das vor dem Verwaltungsgerichtshof bestehende Neuerungsverbot nicht weiter einzugehen.
Die Beschwerde ist aber im Ergebnis begründet:
§ 113 Abs. 1 Z. 1 ASVG lautet:
"Beitragszuschläge
§ 113. (1) Beitragszuschläge können den in § 111 genannten Personen (Stellen) in folgenden Fällen vorgeschrieben werden:
1. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet worden ist oder wenn das Entgelt nicht gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden."
Bei den in § 111 ASVG genannten Personen handelt es sich um den Dienstgeber und
"sonstige nach § 36 meldepflichtige Personen (Stellen), im Falle einer Bevollmächtigung nach § 35 Abs. 3 oder § 36 Abs. 2 die Bevollmächtigten".
§ 35 ASVG lautet auszugsweise:
"Dienstgeber (Auftraggeber)
§ 35. (1) Als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen. (...)
(3) Der Dienstgeber kann die Erfüllung der ihm nach den §§ 33 und 34 obliegenden Pflichten auf Bevollmächtigte übertragen. Name und Anschrift dieser Bevollmächtigten sind unter deren Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekanntzugeben."
Die belangte Behörde geht nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer Dienstgeber der F. gewesen ist; ebensowenig hat sie den Beschwerdeführer als zur Vertretung der Gesellschaft berufenes Organ in Anspruch genommen. Sie geht in ihrem Bescheid - wie schon die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse im erstinstanzlichen Bescheid - von den Feststellungen des rechtskräftigen Urteiles des LG Salzburg vom 28. Juni 1996 aus, wonach die A Corp. Dienstgeberin der Regina F. und der Beschwerdeführer "Bevollmächtigter" dieser Dienstgeberin gewesen sei. Daraus leitet die belangte Behörde die Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Zahlung des Beitragszuschlages ab.
Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 113 Abs. 1 ASVG kann ein Beitragszuschlag nur gegenüber den im § 111 ASVG genannten Personen verhängt werden, dh auch gegenüber Bevollmächtigten (ua) iS des § 35 Abs. 3 ASVG.
§ 35 Abs. 3 ASVG sieht zwar die Übertragung der nach den §§ 33 ff ASVG bestehenden Pflichten auf Bevollmächtigte vor, die auch nach § 111 leg. cit. allein strafbar sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1986, Slg. Nr. 12011/A) und gemäß § 113 Abs. 1 ASVG Adressaten für die Vorschreibung eines Beitragszuschlages sein können. Voraussetzung für den Eintritt der mit der Bestellung eines solchen Bevollmächtigten verbundenen Rechtsfolgen (wie zB der Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Meldevorschriften nach dem ASVG und der Zugehörigkeit zum Kreis möglicher Bescheidadressaten nach § 113 ASVG) ist allerdings, dass Name und Anschrift dieses Bevollmächtigten unter dessen Mitfertigung dem zuständigen Versicherungsträger bekannt gegeben werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. Juli 2001, Zl. 98/08/0268, und vom 7. Juli 1992, Zl. 88/08/0145). Ob dies in Ansehung des Beschwerdeführers erfolgt ist, kann weder dem Bescheid noch den vorgelegten Verwaltungsakten entnommen werden.
Da es die Behörde verabsäumt hat, zu diesen wesentlichen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Vorschreibung eines Beitragszuschlages gegenüber dem Beschwerdeführer Feststellungen zu treffen, blieb der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig.
Der Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit b VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 3. Oktober 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998080326.X00Im RIS seit
03.02.2003