TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/3 97/08/0578

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Veröffentlicht am 03.10.2002
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §16;
AlVG 1977 §17 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §46 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs2 idF 1996/201;
AlVG 1977 §7 Abs3 Z2 idF 1996/201;
AlVG 1977 §7 Abs4 idF 1996/201;
AlVG 1977 §79 Abs28 idF 1996/201;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Mag. A in W, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz und Dr. Christian Reimitz, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stubenring 16, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 11. September 1997, Zl. 12/1218/56/97, betreffend Anspruch auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Polens, beantragte am 27. Februar 1997 die Zuerkennung von Arbeitslosengeld.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Abweisung dieses Antrags nicht statt. Zur Begründung dieser Entscheidung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin erfülle nicht die Voraussetzung des § 7 Abs. 3 Z. 2 iVm § 7 Abs. 4 AlVG, da sie als ausländische Staatsangehörige nur über eine Aufenthaltsbewilligung zum Zwecke der Berufsausbildung (Studium), nicht jedoch für eine Aufenthaltsbewilligung für eine unselbständige Erwerbstätigkeit verfüge. Die belangte Behörde sehe auch keine Möglichkeit, die Prüfung des vorliegenden Anspruches nach der Rechtslage vor dem Strukturanpassungsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 vorzunehmen, weil die Beschwerdeführerin ihren Antrag erst nach dem 30. April 1996 gestellt habe und nach den Übergangsbestimmungen des § 79 Abs. 28 AlVG bereits die (damals) neue Rechtslage anzuwenden sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, die belangte Behörde habe die Übergangsbestimmung des § 79 Abs. 28 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 unrichtig ausgelegt, weil sie den dort verwendeten Begriff des "Anfallstages" mit dem "Tag der Geltendmachung" gemäß §§ 17 Abs. 1 und 46 Abs. 1 AlVG gleichgesetzt habe. Dieses verfassungswidrige Auslegungsergebnis könne jedoch ganz einfach dadurch vermieden werden, dass der Begriff des "Anfallstages" im § 79 Abs. 28 AlVG idF BGBl. 201/1996 mit jenem Zeitpunkt gleichgesetzt wird, zu dem der um Arbeitslosengeld ansuchende Arbeitnehmer die nach dem Gesetz erforderlichen Anwartschaftszeiten erworben hat.

Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, kommt als "Anfallstag" im Sinne des § 79 Abs. 28 AlVG frühestens der Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 46 Abs. 1 AlVG in Betracht (vgl. die hg. Erkenntnisses vom 7. Juni 2000, Zl. 99/03/0470, mwN, und vom 4. April 2002, Zl. 97/08/0482). Weil das Arbeitslosengeld am 27. Februar 1997 beantragt wurde und daher nach dem 30. April 1996 anfällt, ist § 7 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 anzuwenden.

Der angefochtene Bescheid leidet jedoch an einer von der Beschwerdeführerin nicht gerügten, vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifenden (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Zl. 82/03/0112, Slg. Nr. 11.525/A) inhaltlichen Rechtswidrigkeit.

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, dass die Beschwerdeführerin zwar keine der im § 7 Abs. 4 AlVG idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996, aufgezählten Aufenthaltstitel besaß, sich jedoch auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung für den Zweck des Studiums mit einer Geltungsdauer vom 4. Februar 1997 bis zum 4. Februar 1998 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Verfassungsrechtslage den Ausschluss von der Gewährung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Fällen verbietet, in denen der Versicherte im Zeitpunkt der Antragstellung ebenso wie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Besitze einer Aufenthaltsbewilligung war (vgl. das eine Aufenthaltsbewilligung zwecks Familienzusammenführung betreffende Erkenntnis vom 29. März 2000, Zl. 98/08/0215, und das eine Aufenthaltsbewilligung für private Zwecke betreffende hg. Erkenntnis vom gleichen Tag, Zl. 98/08/0203, beide mwN).

Es besteht daher auch im vorliegenden Fall kein Hindernis, die verfassungsrechtlich gebotene Ergänzung des § 7 Abs. 4 AlVG dahingehend vorzunehmen, dass der Status eines Arbeitslosen, der über einen Aufenthaltstitel an sich verfügt und sich daher erlaubter Weise im Inland aufhält, jenem auf Grund eines Aufenthaltstitels im Sinne der genannten Bestimmung (nämlich: im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verfügbarkeit) gleichzuhalten ist.

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 3. Oktober 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1997080578.X00

Im RIS seit

20.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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