TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/10 99/18/0421

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Veröffentlicht am 10.10.2002
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Index

E2D Assoziierung Türkei;
E2D E02401013;
E2D E05204000;
E2D E11401020;
E6J;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

61997CJ0340 Ömer Nazli VORAB;
ARB1/80 Art14 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §39 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, (geboren 1980), in Schwertberg, vertreten durch Dr. Axel Zaglits, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Schmidtorstraße 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. September 1999, Zl. St-163/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 24. September 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die Erstbehörde habe Folgendes ausgeführt: Der Beschwerdeführer halte sich seit dem 25. Dezember 1989 in Österreich auf. Am 14. Mai 1999 habe die Bezirkshauptmannschaft Perg davon Kenntnis erhalten, dass der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil wegen §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten (davon 20 Monate bedingt) verurteilt worden sei. Dieser Verurteilung, welche dem Beschwerdeführer Raub und schweren Raub vorwerfe, gelte als bestimmte Tatsache, die nach dem FrG die Annahme rechtfertige, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Bundesgebiet gefährde. Über diese schwere Verurteilung hinaus werde dem Beschwerdeführer weiters vorgehalten, bereits in vergangener Zeit wegen weiterer Delikte verurteilt worden zu sein, die ähnliche schädliche Neigungen gezeigt hätten. So sei der Beschwerdeführer am 4. September 1996 wegen Zeitungskasseneinbruch und verschiedenster anderer Diebstähle zur Anzeige gebracht worden. Dieses Jugendstrafverfahren sei jedoch am 24. Oktober 1996 unter Bestimmung einer Probezeit vorläufig eingestellt worden. Des Weiteren liege eine Anzeige vom 27. November 1997 vor, die dem Beschwerdeführer Körperverletzung vorwerfe. Auch dieses Verfahren sei "zurückgelegt" worden. In Summe würden aber auch die beiden Anzeigen zeigen, dass der Beschwerdeführer nicht bereit sei, die österreichische Rechtsordnung anzuerkennen, sondern dass er gerade entgegen gesetzt regelmäßig gegen verschiedenste Normen verstoße. In seiner Stellungnahme vom 1. Juni 1999 bestreite der Beschwerdeführer diesen Vorwurf nicht. Er führe lediglich aus, dass er den überwiegenden Teil seiner Kindheit und Jugend - nämlich vom Alter von neun Jahren bis jetzt - bereits in Österreich verbracht hätte. Er hätte sieben Klassen Pflichtschule in Langenstein und Schwertberg besucht. Außerdem hätte er nach Schulabschluss durchgehend bei der Firma F und der Firma R gearbeitet. Zudem würde er bei seinen Eltern in Schwertberg leben. Schließlich habe der Beschwerdeführer noch ausgeführt, seine schädlichen Neigungen zu bereuen; sie wären lediglich Jugendsünden gewesen. Der Beschwerdeführer halte sich (wie schon erwähnt) seit dem 25. Dezember 1989 im Bundesgebiet auf, und auch seine Eltern lebten hier.

In seiner Berufung vom 21. Juli 1999 habe der Beschwerdeführer auf "das Assoziationsabkommen EWG/Türkei" hingewiesen, und ausgeführt, dass das Aufenthaltsverbot nicht bloß mit einer Verurteilung begründet werden könnte, sondern "eine ganzheitliche Betrachtung" der Person des Beschwerdeführers und seines Charakters stattzufinden hätte. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. August 1999 sei dem Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Versendung zweier Gerichtsurteile Gelegenheit gegeben worden, nochmals zum Sachverhalt Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 13. September 1999 habe dieser ausgeführt, dass das Oberlandesgericht Linz in seinem Fall eine positive Zukunftsprognose erstellt hätte. Überdies hätte er nach seiner Haftentlassung umgehend wiederum eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen. Eine Arbeitsbestätigung der Firma T hätte er seinem Schriftsatz beigefügt. Ferner habe er ausgeführt, dass es sich bei dem bei seiner Straftat verwendeten Messer lediglich um eine minder gefährliche Waffe gehandelt hätte, also keine Waffe im engeren Wortsinn. Überdies wäre der gesamte Tatablauf von wenig Professionalität gekennzeichnet gewesen, auch wäre die kriminelle Energie relativ gering gewesen. Abschließend habe der Beschwerdeführer auf das gravierende und einprägende Haftübel hingewiesen "und auch einige EuGH-Fälle zitiert".

Nach Auffassung der belangten Behörde sei in Anbetracht der besagten gerichtlichen Verurteilung im Beschwerdefall zweifelsfrei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG als erfüllt zu betrachten. Gegenteiliges werde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Durch das nunmehr erlassene Aufenthaltsverbot werde sicherlich in beträchtlicher Weise in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Er halte sich seit dem Jahr 1989, also seit ca. zehn Jahren im Bundesgebiet auf. Diesbezüglich werde dem Beschwerdeführer sicherlich eine der Dauer dieses Aufenthalts entsprechende Integration zuzubilligen sein. Diese Integration werde noch dadurch verstärkt, dass der Beschwerdeführer sieben Klassen Pflichtschule in den genannten österreichischen Orten absolviert habe. Dem sei jedoch sein Verbrechen des schweren Raubes (unter Verwendung einer Waffe) entgegen zu halten. Wie den dem Beschwerdeführer übermittelten Gerichtsurteilen (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten: das Urteil des Landesgerichts Linz vom 1. Februar 1999, und das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 28. April 1999) entnommen werden könne, sei das Erstgericht auch von einem "hohen Unrechtsgehalt" ausgegangen; dies komme auch in der letztlich über den Beschwerdeführer verhängten hohen teilbedingten Freiheitsstrafe zum Ausdruck. Dem Urteil des Erstgerichts habe zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 26. Oktober 1998 in Luftenberg in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit zwei weiteren Mittätern eine Taxilenkerin beraubt habe. Der Beschwerdeführer habe der Taxilenkerin ein Klappmesser an den Hals gesetzt und Geld verlangt. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei diesem Klappmesser (Klingenlänge: 9 cm) um eine minder gefährliche Waffe gehandelt habe. Tatsache sei, dass selbst mit einem derartigen Messer Personen sehr leicht verletzt werden könnten. Dies umso mehr, wenn das Messer tatsächlich im Halsbereich angesetzt werde. Auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte mangelnde Professionalität der Tat sei ihm eher zum Nachteil auszulegen, "zumal Panikreationen von Tätern im Falle von Misserfolgen sehr oft Ursache für schwerste Folgen sein" könnten. Was die vom Beschwerdeführer erwähnte Zukunftsprognose betreffe, habe bereits das Oberlandesgericht Linz ausgeführt, dass der Beschwerdeführer schon einmal in ein Strafverfahren verfangen gewesen sei, das mit behördlichen Sanktionen - wenn auch nicht mit einem Schuldspruch - geendet habe. Diesbezüglich habe das Oberlandesgericht Linz auch ausgeführt, dass deshalb für eine Strafreduktion kein Platz bleiben würde. Dies umso weniger, als der Beschwerdeführer in führender Rolle beim Taxiraub beteiligt gewesen wäre.

Aus den angeführten Tatsachen sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt. Zudem sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art", weshalb nicht mehr nur mit einer "bloßen niederschriftlichen Ermahnung" das Auslangen habe gefunden werden können, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG habe Gebrauch gemacht werden müssen. Insbesondere auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bei der Begehung des Verbrechens nach § 143 StGB eine Waffe verwendet habe sei vom Ermessenstatbestand des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch zu machen. Die Verwendung von Waffen bei strafbaren Handlungen sei immer wieder die Ursache für schwerste und oft bleibende Schäden an der körperlichen Integrität von Opfern. Die Behörden seien nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, derartige Verbrechen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen bzw. danach zu trachten, dass derartige Handlungen in Zukunft nicht mehr vorkämen.

Da - unter Abwägung aller oben angeführten Tatsachen - im Hinblick auf die für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, sei das Aufenthaltsverbot auch zulässig im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG.

Die Dauer des von der Erstbehörde verhängten Aufenthaltsverbotes sei nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal nach Ablauf dieser Zeit erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die auf dem Boden der unstrittigen gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten, davon 10 Monate bedingt, unbedenkliche Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 (zweiter Fall) FrG erfüllt sei, unbekämpft. Entgegen der Beschwerde kann auch die Auffassung der belangten Behörde, dass im Fall des Beschwerdeführers die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei, nicht als rechtsirrig erkannt werden. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde liegt der besagten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zu Grunde, dass er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei weiteren Mittätern eine Taxilenkerin beraubt, und dabei dieser ein Klappmesser an den Hals gesetzt und Geld verlangt hat. Darüber hinaus liegt dem Beschwerdeführer - ebenfalls unstrittig - zur Last, dass er am 4. September 1996 "wegen Zeitungskasseneinbruch und verschiedenster anderer Diebstähle" zur Anzeige gebracht wurde; dass der Beschwerdeführer wegen dieses Fehlverhaltens "in ein Strafverfahren verfangen war, das mit behördlichen Sanktionen - wenn auch nicht mit einem Schuldspruch - endete" (vgl. das bei den vorgelegten Verwaltungsakten einliegende Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 28. April 1999, Seite 3), steht der Berücksichtigung dieses Fehlverhaltens im Rahmen der Beurteilung nach § 36 Abs. 1 FrG nicht entgegen, kommt es doch nach dieser Bestimmung nicht auf den Umstand einer Verurteilung, sondern auf das gesetzte Fehlverhalten an (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 2000/18/0148, und den zum Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangenen, aber diesbezüglich auch hier einschlägigen Beschluss vom 17. September 1998, Zl. 95/18/1273, jeweils mwH). Der Beschwerdeführer hat somit wiederholt ein auf Eingriff in fremdes Eigentum gerichtetes Fehlverhalten gesetzt, und dabei zuletzt auch von einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe gegenüber einer Taxilenkerin nicht zurückgeschreckt. Vor diesem Hintergrund ist die Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Gewaltkriminalität sowie der Eigentumskriminalität (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 27. November 2001, Zl. 2000/18/0175) im Grund des § 36 Abs. 1 FrG unbedenklich. Dem Einwand, die Erfüllung einer der beiden Alternativen des § 36 Abs. 1 FrG sei nur dann anzunehmen, wenn eine "Mehrzahl der in Abs. 2 der Bestimmung normierten Fälle

(Argument: ".... wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine Annahme

im Sinne des § 36 Abs. 1 gerechtfertigt ist ...") gegeben sei, geht schon deshalb fehl, weil auf dem Boden der hg. Rechtsprechung die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht zwingend voraussetzt, dass eine im § 36 Abs. 2 FrG näher genannte bestimmte Tatsache gegeben ist; vielmehr kann ein Aufenthaltsverbot gemäß § 36 Abs. 1 FrG auch dann erlassen werden, wenn triftige Gründe - ohne die Voraussetzungen der im § 36 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufzuweisen - die im § 36 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338, mwH). Den Hinweisen des Beschwerdeführers, das von ihm bei seinem Fehlverhalten verwendete Messer habe im Hinblick auf eine Klingenlänge von 9 cm "wohl eine minder gefährliche Waffe" dargestellt, die angewendete Gewalt habe sich auf eine Drohung beschränkt, ferner zeige der Tatablauf, dass die eingesetzte kriminelle Energie relativ gering gewesen sei, und der gesamte Tatablauf weise auf eine mangelnde Professionalität der Täter hin, steht das unbestritten rechtskräftige und damit für die belangte Behörde insofern bindende Urteil des Landesgerichtes Linz entgegen, wonach der Beschwerdeführer das Verbrechen des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen dieses Urteils rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 2000/18/0133). Dem Beschwerdehinweis, der gesamte Tatablauf und die mangelnde Professionalität der Täter zeigten, dass es sich "tatsächlich um einen Ausnahmefall gehandelt" habe und derartige kriminelle Handlungen nicht in charakterlichen Grundzügen des Beschwerdeführers verankert seien, ist ferner entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer - wie schon erwähnt - bereits früher ein gegen fremdes Vermögen gerichtetes Fehlverhalten gesetzt und sein Fehlverhalten hinsichtlich der Schwere eine Steigerung erfahren hat und das gravierende Delikt des schweren Raubes mitumfasst, und dass der Beschwerdeführer und seine Mittäter den schweren Raub - wie sich aus dem bei den Verwaltungsakten einliegenden Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1. Februar 1999, Seite 3 ff ergibt - auch auf Grund eines zuvor gefassten konkreten Tatplanes begangen haben. Der Einwand, das Oberlandesgericht Linz habe in seinem Urteil vom 28. April 1999 eine positive und günstige Zukunftsprognose erstellt, weil dieses auf der Grundlage von spezialpräventiven Erwägungen anders als das Landesgericht Linz, das eine unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von 30 Monaten verhängt habe, eine zehnmonatige unbedingte Freiheitsstrafe für ausreichend erachtet und einen bedingt nachgesehenen Strafteil von 20 Monaten festgelegt habe (vgl. dazu das schon zitierte Urteil vom 28. April 1999, Seite 3), versagt, hatte doch die belangte Behörde nach der hg. Rechtsprechung ihre Entscheidung eigenständig nach dem FrG und unabhängig von den Erwägungen des Strafgerichtes bezüglich der Strafbemessung und der bedingten Nachsicht der Strafe vorzunehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Februar 2002, Zl. 2002/18/0012, mwH). Auch eine "bindende Wirkung" des strafgerichtlichen Urteils im Hinblick auf die Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit" im § 36 Abs. 1 Z 1 FrG, wie sie die Beschwerde mit Blick auf die angesprochene vom Oberlandesgericht Linz getroffene Zukunftsprognose annimmt, ist daher nicht gegeben. Im Übrigen ergibt sich aus dem genannten Urteil des Oberlandesgerichtes Linz, dass dem Beschwerdeführer "beim Raubgeschehen selbst" eine führende Rolle zukam, und ihm dieses Gericht eine "überdurchschnittliche Tatschuld" zumaß (vgl. das schon zitierte Urteil, aaO). Der seit der Begehung des schweren Raubes am 26. Oktober 1998 verstrichene Zeitraum von weniger als einem Jahr ist auch viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können. Von daher erweist sich der Hinweis des Beschwerdeführers, er habe den unbedingten Teil seiner Freiheitsstrafe verbüßt und sei seither nicht mehr straffällig geworden und er sei umgehend nach seiner Haftentlassung der Weisung des Gerichts nachgekommen und habe innerhalb kürzester Zeit wieder eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen, was seine Absicht beweise, den Vorgaben des Gerichts zu folgen und sich in die österreichische Gesellschaft vollinhaltlich zu integrieren, als nicht zielführend. Zu dem mit Blick auf § 36 Abs. 1 FrG erstatteten Vorbringen, dass nach dieser Bestimmung "bei jedermann a priori die praesumptio iuris der Nichtgefährdung bestehen" solle, die die Behörde gegebenenfalls erst zu widerlegen habe, ist festzuhalten, dass gemäß § 36 Abs. 1 FrG gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot nur dann erlassen werden kann, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine Annahme im Sinn der Z 1 oder der Z 2 dieser Bestimmung gerechtfertigt ist, und die belangte Behörde gegen diese Vorschrift - wie dargestellt - nicht verstoßen hat.

2.1. Weiters wendet der Beschwerdeführer ein, dass auf ihn "die Regelungen des Beschlusses 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei anzuwenden" seien. Bei der Anwendung des Art. 14 dieses Beschlusses sei der Art. 3 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 anzuwenden, von da her sei eine Maßnahme, die zum Verlust des Aufenthaltsrechtes führe, aus generalpräventiven Gründen nicht zulässig, und strafgerichtliche Verurteilungen allein könnten ein Aufenthaltsverbot nicht ohne weiteres begründen. Eine frühere strafgerichtliche Verurteilung dürfe nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihr zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen ließen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellte. Dadurch, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, eine entsprechende Zukunftsprognose unter Zugrundelegung der ihr zur Verfügung stehenden Informationen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu erstellen, habe sie gegen "diese inhaltlichen Voraussetzungen der Annahme eines Aufenthaltsverbotstatbestandes verstoßen". Eine Zukunftsprognose "alleinig unter Zugrundelegung strafrechtlicher Gedanken und Zielsetzung" sei "als die strengere, weil auf engeren und allein gesetzlich determinierten Grund basierend, anzusehen". Komme also - wie im Beschwerdefall durch das genannte Urteil des Oberlandesgerichts Linz - bereits eine Prognose unter Zugrundelegung rein strafrechtlicher Aspekte zum Ergebnis, dass eine positive Zukunftsprognose zu erstellen sei, könne dies nicht durch eine auf weniger strenger Basis beruhende Zukunftsprognose im Aufenthaltsverbotsverfahren negiert werden, wenn nicht aus nichtstrafrechtlichen Gründen wichtige und gravierende Belastungsaspekte abzuleiten seien.

2.2. Es kann im Beschwerdefall dahinstehen, ob auf den Beschwerdeführer die Regelungen betreffend die Beschäftigung und Freizügigkeit von türkischen Arbeitnehmern nach dem Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei aus dem Jahr 1963 und dem darauf gestützten Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB) anzuwenden sind. Art. 14 Abs. 1 ARB ("Dieser Abschnitt gilt vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind.") macht deutlich, dass die die Beschäftigung und die Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer regelnden Bestimmungen (Abschnitt 1 des Kapitels II ARB) der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen stehen, wenn es aus Gründen der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt ist. Der Europäische Gerichtshof ist in seinem Urteil vom 10. Februar 2000, Rechtssache C-340/97, Nazli, wie im hg. Erkenntnis vom 13. März 2001, Zl. 2000/18/0105, näher dargestellt wird, zu dem Ergebnis gekommen, dass einem türkischen Staatsangehörigen die ihm unmittelbar aus dem ARB zustehenden Rechte nur dann im Weg einer Ausweisung abgesprochen werden dürfen, "wenn diese dadurch gerechtfertigt ist, dass das persönliche Verhalten des Betroffenen auf die konkrete Gefahr von weiteren schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeutet" (RNr 61). Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist das genannte Vorbringen nicht zielführend. Die belangte Behörde hat nämlich ihre Auffassung, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers auf die konkrete Gefahr von weiteren derartigen schweren Störungen der öffentlichen Ordnung hindeute, auf das besagte Fehlverhalten des Beschwerdeführers (vgl. II.1.) und nicht auf die bloße Tatsache der genannten gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 1999 gestützt. Sie war dabei - wie schon ausgeführt - auch nicht an die strafgerichtlichen Erwägungen betreffend die teilbedingte Nachsicht der verhängten Freiheitsstrafe gebunden.

3.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid auch im Grund des § 37 FrG. Der Beschwerdeführer und seine ganze Familie lebten in Österreich, sie seien seinerzeit auf Grund politischer Verfolgung in der Türkei nach Österreich gekommen, wo der Familie Asyl gewährt worden sei. Die gesamte Familie des Beschwerdeführers sei in Österreich aufhältig, zwei seiner Geschwister seien bereits in Österreich geboren, der engere Familienkreis des Beschwerdeführers habe jedenfalls den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich, "im Ursprungsland der Türkei" bestünden "keine wesentlichen Lebensgrundlagen" mehr. Auf Grund der Dauer des Aufenthaltes und des Ausmaßes der Integration des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen, seiner sozialen, beruflichen und privaten Integration und "der bestehenden Bindungen an die österreichischen Gegebenheiten" wögen die Auswirkungen des vorliegenden Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff entspreche keinem "dringenden sozialen Bedürfnis" und sei daher im Sinn des § 37 FrG nicht dringend geboten, weil eine solche Dringlichkeit nur angenommen werden könne, wenn besonders gewichtige Indizien vorlägen, die die nahende Verwirklichung des Gefahreneintritts zeigten. Indizien, die auf sehr viele Menschen zutreffen würden, reichten nicht einmal für die Erhebung eines Verdachtes aus, noch weniger könne daraus eine Dringlichkeit im Sinn eines zwingenden sozialen Bedürfnisses abgeleitet werden. Auch in Anbetracht der Rechtsprechung des EGMR habe die belangte Behörde ihre Beurteilung nach § 37 FrG unrichtig vorgenommen. Der vom EGMR "bejahte Ausweisungsschutz" komme auch nach mehrjährigen Freiheitsstrafen in Betracht (EGMR im Fall Beldjoudi), bei Jugendlichen seien selbst Serienstraftaten aufenthaltsrechtlich hinzunehmen, wenn ihre Familie im selben Land lebe (EGMR im Fall Moustaquim).

3.2. Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen. Ebenso zutreffend hat sie aber - entgegen der Beschwerde - die Auffassung vertreten, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, liegt doch dem Beschwerdeführer - wie schon erwähnt (vgl. oben II. 1) - ein im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentums- und der Gewaltkriminalität verwerfliches Fehlverhalten zur Last, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt.

Gegen die Beurteilung der belangten Behörde im Grund des § 37 Abs. 2 FrG, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, bestehen ebenfalls keine Bedenken. Die für seine aus seinem Aufenthalt und seinen familiären und privaten Bindungen in Österreich ableitbare Integration wesentliche soziale Komponente ist durch das als schwer wiegend einzustufende Fehlverhalten des Beschwerdeführers - dem, wie erwähnt, eine führende Rolle bei einem schweren Raub zukam - entscheidend gemindert. Dem Vorbringen betreffend sein Heimatland ist entgegen zu halten, dass durch § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird und mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 2002, Zl. 99/18/0128). Mit seinem Hinweis auf die Fälle Moustaquim gegen Belgien (Urteil des EGMR vom 18. Februar 1991) und Beldjoudi gegen Frankreich (Urteil des EGMR vom 26. März 1992) ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil sich diese Fälle in sachverhaltsmäßiger Hinsicht (vor allem auch was die persönlichen Verhältnisse anlangt) wesentlich vom vorliegenden Fall unterscheiden. Aus dem Fall Moustaquim lässt sich im vorliegenden Beschwerdefall schon deswegen nichts ableiten, weil Moustaquim bereits als Zweijähriger nach Belgien gekommen war. Der Fall Beldjoudi indes ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass der Fremde (im Jahr 1950) in Frankreich geboren wurde, bis 1963 (ebenso wie seine Eltern) die französische Staatsangehörigkeit hatte und seit über 20 Jahren mit einer französichen Staatsbürgerin verheiratet war, die Ehegattin des Fremden Mitbeschwerdeführerin war und der EGMR ganz wesentlich auf deren persönliche Verhältnisse Bedacht nahm (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 98/18/0098, mwH).

4. Auf dem Boden des Gesagten sind die Verfahrensrügen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe im Hinblick auf ihre Beurteilung nach §§ 36 und 37 FrG sowie in Ansehung des zitierten Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet und den Grundsatz des Parteiengehörs verletzt, nicht zielführend, zumal es die Beschwerde auch unterlässt, hinsichtlich der behaupteten Verletzung des Parteiengehörs konkret auszuführen, welches Vorbringen der Beschwerdeführer erstattet hätte, und somit die Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht aufzeigt (vgl. § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG).

5. Der Beschwerdeführer bringt auch vor, dass er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen sei, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbots gemäß § 38 Abs. 1 Z 4 FrG unzulässig sei.

Die belangte Behörde zog jedoch zu Recht den Tatbestand des § 38 Abs. 1 Z 4 leg. cit. nicht in Betracht, hält sich doch der 1980 geborene Beschwerdeführer unbestritten erst seit 1989 in Österreich auf, sodass - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nicht mehr davon gesprochen werden kann, dass er "von klein auf im Inland aufgewachsen" ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2002, Zl. 2002/18/0096, mwH).

6. Dem Beschwerdevorwurf, die festgesetzte Dauer des Aufenthaltsverbotes sei völlig unbegründet, ist entgegen zu halten, dass die belangte Behörde zur Festsetzung der Gültigkeitsdauer ausgeführt hat, dass erst nach Ablauf der festgesetzten Dauer erwartet werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wiederum an die im Bundesgebiet geltenden Normen halten werde. Diese Begründung ist auch in Anbetracht des nach § 39 Abs. 2 FrG bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes in Betracht zu ziehenden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2002, Zl. 99/18/0237, mwH) Fehlverhaltens des Beschwerdeführers (vgl. II.1.), das (wie erwähnt) hinsichtlich seiner Schwere eine Steigerung erfahren hat und das gravierende Delikt des schweren Raubes mitumfasst, nicht als rechtswidrig zu erkennen.

7. Da nach dem Gesagten dem bekämpften Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 10. Oktober 2002

Gerichtsentscheidung

EuGH 61997J0340 Ömer Nazli VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999180421.X00

Im RIS seit

20.01.2003

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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