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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Führerscheingesetzes betreffend die Anordnung einer Nachschulung für den Inhaber eines Probeführerscheins mangels unmittelbarer Wirksamkeit der angefochtenen NormSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1. Der Antragsteller ist Inhaber einer Lenkberechtigung für Anfänger (Probeführerschein) für die Klassen A und B im Sinne des §4 FSG 1997. Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. August 1998, Z S-23698/98-3, wurde er wegen der Verwaltungsübertretung nach §7 Abs5 StVO 1960 bestraft, weil er eine Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung befahren hatte. Die Bundespolizeidirektion Linz, Verkehrsamt, ordnete ihm daraufhin mit Bescheid vom 12. Oktober 1998, Z FE-1167/98, gemäß §4 FSG 1997 eine Nachschulung an und forderte ihn auf, binnen zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides den Führerschein der Behörde zum Umtausch vorzulegen. Der Antragsteller erhob dagegen kein Rechtsmittel und kam der Verpflichtung zur Nachschulung nach, wofür ihm ein Betrag von S 6.000,- vorgeschrieben wurde.
1.2. Mit dem beim Verfassungsgerichtshof am 16. Juli 1999 eingelangten, auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter die Aufhebung des §4 Abs3 FSG 1997, BGBl. I 1997/120 idgF, in eventu der Wortfolge "... innerhalb der Probezeit" in §4 Abs3 FSG 1997 idgF und des §4 Abs8 erster Satz FSG 1997, BGBl. I 1997/120 idgF, als verfassungswidrig sowie den Ersatz der Kosten des Gesetzesprüfungsverfahren im gesetzlichen Ausmaß.
2. Über die Zulässigkeit des Antrages nach Art140 Abs1 B-VG wurde erwogen:
2.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die "Verfassungswidrigkeit von Gesetzen nach Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ...".
2.2.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur - beginnend mit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 - ausführte, erfordert die Antragslegitimation nicht nur, daß die antragstellende Partei behauptet, unmittelbar durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sondern sie setzt auch voraus, daß dieses Gesetz für sie tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam wurde. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre der betreffenden (natürlichen oder juristischen) Person berührt und - im Fall der Verfassungswidrigkeit - verletzt. Jedoch nicht jedem Normadressaten kommt die Anfechtungsberechtigung zu; es ist vielmehr auch notwendig, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre der antragstellenden Partei eingegriffen wird. Ein solcher, die Antragslegitimation begründender Eingriff in die Rechtssphäre einer Person muß jedenfalls nach Art und Ausmaß durch das Gesetz eindeutig bestimmt sein und die rechtlich geschützten Interessen des Betroffenen nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigen. Ein derartiger "unmittelbarer" Eingriff fehlt dann, wenn der antragstellenden Partei zur Abwehr der - ihr durch die angebliche Verfassungswidrigkeit des angefochtenen Gesetzes entstandenen - Rechtsverletzung ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung steht. Dazu legte der Verfassungsgerichtshof bereits in wiederholten Entscheidungen (vgl. etwa VfSlg. 8890/1980 und die dort zitierte Judikatur) dar, daß das mit Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen Normunterworfenen eingeräumte Rechtsinstrument dafür bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen - gleichsam lückenschließend - nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht in Betracht kommt; andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit der grundsätzlichen Aufgabe des Individualantrages, bloß subsidiärer Rechtsbehelf zu sein, keineswegs im Einklang stünde.
2.2.2. Ein solcher - die Antragslegitimation ausschliessender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normenprüfungsantrages einzuräumen (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10251/1984). Zwar ist es unzumutbar, ein Strafverfahren zu provozieren, um solcherart Gelegenheit zu finden, ein amtswegiges Normenprüfungsverfahren zu initiieren (vgl. zB VfSlg. 8396/1978, 8464/1978); ist ein Strafverfahren aber ohnehin im Gange, so muß es dem Beschuldigten durchaus zugemutet werden, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen (vgl. VfSlg. 11481/87).
2.3. Die Bundespolizeidirektion Linz, Verkehrsamt, ordnete dem Antragsteller als Inhaber einer Lenkberechtigung für Anfänger für die Klassen A und B mit Bescheid vom 12. Oktober 1998, Z FE-1167/98, eine Nachschulung gemäß §4 FSG 1997 an und forderte ihn auf, binnen zwei Wochen ab Rechtskraft des Bescheides den Führerschein der Behörde zum Umtausch vorzulegen. Dem Antragsteller stand somit die - im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 11481/1997) in zumutbarer Weise zu nutzende - Möglichkeit offen, nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges im Wege einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde seine Bedenken gegen die der Anordnung der Nachschulung zugrundegelegten Gesetzesbestimmungen geltend zu machen, um auf diese Weise eine gegebenenfalls von Amts wegen zu veranlassende Überprüfung dieser Normen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu erwirken. Damit aber erweist sich der vorliegende (Individual-) Antrag als unzulässig. Daran ändert auch nichts, daß der Antragsteller die ihm hier gegeben gewesenen administrativen Rechtsverfolgungsmöglichkeiten ob des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gemäß §4 Abs3 FSG 1997 und ob der ihm bei Nichtbefolgung der Nachschulungsanordnung drohenden Konsequenz der Entziehung der Lenkberechtigung, auf die er seinem Vorbringen zufolge sowohl aus privaten, als auch aus beruflichen Gründen dringend angewiesen gewesen sei, nicht voll in Anspruch nahm.
Der Antrag war daher zurückzuweisen.
3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Kraftfahrrecht, Lenkerberechtigung, FührerscheinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:G109.1999Dokumentnummer
JFT_10008994_99G00109_00