TE Vwgh Beschluss 2002/10/10 AW 2002/08/0031

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Veröffentlicht am 10.10.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §412 Abs6 impl;
ASVG §412 impl;
ASVG §67 Abs10;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §35 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des J, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. Juli 2002, Zl. Vd-SV-1001-2- 66/3/Ho, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichthofes (VfSlg. 13305/1992 zu § 412 Abs. 6 ASVG mit Hinweisen auf die Vorjudikatur) geht es unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Prinzips nicht an, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist, wobei ein als Voraussetzung für die Gewährung aufschiebender Wirkung festgelegtes Kriterium, dass für den Einspruchswerber "durch die vorzeitige Vollstreckung ein nicht wiedergutzumachender Schaden einträte", dem Verfassungsgerichtshof als nicht ausreichend erschienen ist, die extremen Auswirkungen des die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels ausschließenden § 412 ASVG auszugleichen. Die vom Verfassungsgerichtshof entwickelten Grundsätze müssen wohl auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dann gelten, wenn der Fehler des angefochtenen Bescheides nicht ein bloß potentieller, sondern ein evidenter ist, maW die Partei mit den Folgen eines offenkundig vorliegenden Fehlers der belangten Behörde belastet würde. Ist nämlich schon zu erkennen, dass der Bescheid (zB) im Hinblick auf die bestehende Vorjudikatur wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben sein wird, dann wäre die uneingeschränkte Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen, für den Beschwerdeführer nachteiligen Leistungsbefehls, während des gesamten verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unverhältnismäßig(vgl. den hg. Beschluss vom 16. Februar 2001, Zl. AW 2001/08/0005).

Der angefochtene Bescheid enthält, abgesehen von einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage, wie sie sich insbesondere aufgrund des Erkenntnisses eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2000, Zl. 98/08/0191, 0192, ergibt, keine Tatsachenfeststellungen, die einen Rückschluss darauf zuließen, dass und inwieweit dem Beschwerdeführer entweder eine für die Uneinbringlichkeit der Beiträge bei der Gesellschaft kausale schuldhafte Meldepflichtverletzung zur Last gelegt wird, bzw. ob und inwieweit ihn zum Vorwurf gemacht wird Dienstnehmerbeiträge zwar einbehalten, nicht aber abgeführt hat. Es finden sich dazu auch weder Feststellungen im erstinstanzlichen Bescheid, noch Beweisergebnisse in den vorgelegten Verwaltungsakten. Es dürfte daher der angefochtene Bescheid mit einem solchen Begründungsmangel behaftet sein, der dem Verwaltungsgerichtshof eine Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit nicht erlaubt. Der sich im angefochtenen Bescheid im Anschluss an die erwähnte Darstellung der Rechtslage findende Satz "Daraus ergibt sich unzweifelhaft, dass (der Beschwerdeführer) für die ausständigen Dienstnehmeranteile der Tiroler Gebietskrankenkasse gegenüber gemäß § 67 Abs. 10 ASVG die Haftung zu tragen hat" ist eine im Hinblick auf die fehlenden Tatsachenfeststellungen zur Gänze unbegründete rechtliche Schlussfolgerung. Im Übrigen lässt sich auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten kein Hinweis darauf entnehmen, dass der gesamte, aus einer im Zuge einer Beitragsprüfung vorgenommenen Nachverrechnung herrührende Beitragsrückstand aus einbehaltenen Dienstnehmerbeiträgen bestünde.

Aus dem angefochtenen Bescheid selbst scheint sich daher - unvorgreiflich der durch den Senat in Erledigung der Beschwerde noch vorzunehmenden Beurteilung - zu ergeben, dass dieser (zumindest) mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet sein dürfte (vgl. § 35 Abs. 2 VwGG). Bei dieser Sachlage und dem sich daraus ergebenden Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet ist, erweist sich (nicht anders als in der Konstellation des vorerwähnten Beschlusses vom 16. Februar 2001) die vorläufige Tragung der sich aus diesem Bescheid ergebenden, nicht geringfügigen Zahllast auch nur für die Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als für den Beschwerdeführer unverhältnismäßig.

Zwingende öffentliche Interessen stehen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - wie die belangte Behörde ausdrücklich eingeräumt hat - nicht entgegen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich zum Antrag auf aufschiebende Wirkung nicht geäußert. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 10. Oktober 2002

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete ASVG Unverhältnismäßiger Nachteil

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:AW2002080031.A00

Im RIS seit

30.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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