TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/10 2002/18/0184

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Veröffentlicht am 10.10.2002
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §48 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des O, geboren 1974, vertreten durch Dr. Renate Sandner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. Juli 2002, Zl. SD 529/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. Juli 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 17. September 2000 in das Bundesgebiet eingereist und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt, welcher derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sei.

Im Zug von Erhebungen habe sich herausgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits am 8. März 2000 in Italien erkennungsdienstlich behandelt worden und gegen ihn ein "Einreise- bzw. Aufenthaltsverbot für das Schengener-Gebiet" erlassen worden sei.

Am 15. Oktober 2001 habe der Beschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" beantragt und sich dabei auf die Ehe mit einer italienischen Staatsangehörigen, die er am 31. August 2001 geheiratet habe, berufen. Aus diesem Grund sei ihm von der Erstbehörde eine Niederlassungsbewilligung mit einer Gültigkeitsdauer bis 20. Mai 2006 erteilt worden.

Am 18. Februar 2002 sei der Beschwerdeführer gemäß § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 Suchtmittelgesetz (SMG), §§ 15, 269 Abs. 1, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 4 und 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon acht Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Urteil liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2001 großteils gewerbsmäßig einer anderen Person zweimal je eine Kugel Heroin mit zumindest durchschnittlichem Wirkstoffgehalt ("Straßenqualität") im Gegenwert von jeweils S 300,-- (EUR 21,80) verkauft und am 10. Dezember 2001 einer anderen Person eine Kugel Heroin mit 0,6 Gramm zu verkaufen versucht habe. Dabei habe er sich teilweise der Mithilfe einer Minderjährigen bedient, wobei der Beschwerdeführer selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als diese Minderjährige gewesen sei. Weiters sei dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden, dass er am 10. Dezember 2001 Sicherheitswachebeamte an seiner Festnahme zu hindern versucht habe, indem er mit Armen heftig um sich und gegen einen der Sicherheitswachebeamten geschlagen habe, wobei er diesen mit der Faust am rechten Unterarm und mit dem Ellbogen im Gesicht getroffen und am Körper verletzt habe. Außerdem sei der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, am 10. Juli 2001 eine Geldbörse mit einem Bargeldbetrag von S 1.040,-- (EUR 75,58) einer anderen Person gestohlen zu haben.

Da der Beschwerdeführer mit einer italienischen Staatsangehörigen verheiratet sei, sei er gemäß § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen. Auf Grund des dargestellten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers könne kein Zweifel bestehen, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG vorlägen.

Auf Grund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer mit seiner Gattin in Haushaltsgemeinschaft lebe, sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Ungeachtet dessen sei die Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, Schutz der körperlichen Integrität und des Vermögens Dritter) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Der Beschwerdeführer sei bereits wenige Monate nach seiner Einreise dem gewerbsmäßigen Suchtgifthandel nachgegangen, habe sich seiner Festnahme widersetzt und einen Diebstahl begangen. Dieses Fehlverhalten verdeutliche augenfällig, dass er nicht in der Lage oder nicht gewillt sei, die strafrechtlichen Normen seines Gastlandes einzuhalten. Aus diesem Grund könne eine Verhaltensprognose keinesfalls positiv ausfallen.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf den etwa zweijährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Einer allenfalls daraus ableitbaren Integration komme insofern kein entscheidendes Gewicht zu, als die dafür erforderliche soziale Komponente durch die schwerwiegenden Straftaten des Beschwerdeführers erheblich gemindert werde. Auch die berufliche Integration des Beschwerdeführers erfahre im Hinblick darauf, dass er erst seit wenigen Wochen, nämlich seit 2. Juni 2002 einer Beschäftigung nachgehe, eine entsprechende Relativierung.

Diesen solcherart geschmälerten privaten Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten öffentlichen Interessen, insbesondere jenes an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität, gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Gattin wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen. In diesem Zusammenhang sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach bei Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten voller sozialer Integration die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nicht rechtswidrig sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Als Gatte einer italienischen Staatsangehörigen ist der Beschwerdeführer gemäß § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG begünstigter Drittstaatsangehöriger. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn ist daher gemäß § 48 Abs. 1 erster Satz FrG nur zulässig, wenn auf Grund seines Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind die Bestimmungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. April 2000, Zl. 99/18/0389).

1.2. Da der Beschwerdeführer unstrittig zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt worden ist, erfüllt er den - wie dargestellt als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehenden - Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG.

2. Nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer im Jahr 2001 mehrmals Heroin verkauft bzw. zu verkaufen versucht, wobei er gewerbsmäßig im Sinn des § 70 StGB, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, gehandelt hat. Aus der Verurteilung auch gemäß § 27 Abs. 2 Z. 1 SMG ergibt sich, dass der erwachsene und um mehr als zwei Jahre ältere Beschwerdeführer durch die Tat einer minderjährigen Person den Gebrauch eines Suchtgifts ermöglicht hat.

Auch wenn diese Tat nicht gemäß § 28 SMG strafbar ist, stellt sie - entgegen der Beschwerdemeinung - eine gewichtige Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität dar. Auch darin, dass der Beschwerdeführer sich seiner Festnahme widersetzte und dabei einen Sicherheitswachebeamten durch Schläge mit der Faust und dem Ellbogen verletzte sowie eine Geldbörse stahl, liegt eine nicht unerhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang rügt, die belangte Behörde habe den gerichtlichen Strafakt nicht beigeschafft und eine umfassende Feststellung des strafbaren Verhaltens unterlassen, bringt er nicht konkret vor, zu welchen (weiteren) Feststellungen die Behörde gelangt wäre und tut daher die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels nicht dar.

Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bisher - in Österreich - nur einmal verurteilt worden ist, ist der Zeitraum von nur sieben Monaten seit der letzten Straftat viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine ins Gewicht fallende Minderung der von ihm ausgehenden Gefährdung öffentlicher Interessen schließen zu können, zumal der Verurteilung u.a. gewerbsmäßiger Suchtgifthandel zu Grunde liegt.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass eine Gefährdung öffentlicher Interessen durch seinen weiteren Aufenthalt auf Grund seiner familiären und beruflichen Integration "nicht sehr wahrscheinlich" sei, ist ihm einerseits entgegenzuhalten, dass er jedenfalls einen Teil seiner Straftaten erst nach seiner Heirat und somit in keiner anderen familiären Situation begangen hat, und andererseits darauf hinzuweisen, dass nach ständiger hg. Judikatur bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0358).

Aus diesen Gründen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 48 Abs. 1 erster Satz FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 17. September 2000 sowie die Ehe mit einer italienischen Staatsangehörigen, mit der der Beschwerdeführer im Inland in Haushaltsgemeinschaft lebt, und die Berufstätigkeit seit 2. Juni 2002 - zutreffenderweise: ohne diesen Umständen großes Gewicht beizumessen - berücksichtigt.

Dem steht die vom Beschwerdeführer auf Grund seines gesamten - wie dargestellt schwerwiegenden - Fehlverhaltens ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit und der körperlichen Integrität, Schutz der Vermögensrechte anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), selbst dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers auch berücksichtigt, dass er nicht erst seit 2. Juni 2002 berufstätig ist, sondern bereits vorher "anderweitig beschäftigt" war.

Der Beschwerdeführer zeigt daher mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde habe entgegen dem Berufungsvorbringen festgestellt, dass er erst seit 2. Juni 2002 beschäftigt sei, keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

Dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland verfolgt werde, ist entgegenzuhalten, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 2001/18/0219).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 10. Oktober 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002180184.X00

Im RIS seit

20.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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