Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des C J in G, geboren am 20. Mai 1978, vertreten durch Dr. Benedikt Spiegelfeld, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Parkring 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 8. September 1997, Zl. Fr 2915/97, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Sudan, reiste am 26. Mai 1997 illegal über Italien in das Bundesgebiet ein und ersuchte um Asyl. In seiner Vernehmung vom 28. Mai 1997 behauptete der Beschwerdeführer, er sei wegen des Krieges aus seiner Heimat geflüchtet und führte aus, er sei nach seiner Ankunft in Italien von der dortigen Polizei inhaftiert worden, weil er ohne Reisepass nach Italien eingereist sei. Er habe in Italien bei seiner Festnahme "kein Wort" gesagt, dass er einen Asylantrag stellen wolle. Nach vier Tagen sei er aus der Haft entlassen worden, weil er in den Hungerstreik getreten sei. Er sei zunächst ziellos auf der Straße herumgezogen und dann versteckt auf einem Lkw nach Österreich gelangt.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 4. Juni 1997 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen. In diesem Bescheid führte das Bundesasylamt, soweit hier relevant, aus, der Beschwerdeführer sei bereits in Italien vor Verfolgung sicher gewesen. Italien sei ein Mitgliedstaat des Europarates und die Europäische Menschenrechtskonvention sei in diesem Land Verfassungsbestandteil. Auch habe Italien die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und verfüge über ein in der Praxis funktionierendes Asylwesen. Der Beschwerdeführer hätte daher bereits in Italien die Möglichkeit zur Asylantragstellung gehabt und hätte nicht mit einer Abschiebung ohne Prüfung seiner Fluchtgründe rechnen müssen. Es spreche nichts dafür, dass Italien die sich aus der Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Verpflichtungen, insbesondere das in Art. 33 verankerte Refoulement-Verbot, vernachlässige.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 5. Juni 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 2 Z 4 und 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. In seiner dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wendete der Beschwerdeführer ein, dass § 17 FrG gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 1991 auf Asylwerber, die vorläufig aufenthaltsberechtigt sind, keine Anwendung finde. Der Beschwerdeführer sei nach dem Asylgesetz 1991 vorläufig aufenthaltsberechtigt, "da ich rechtzeitig den Asylantrag eingebracht und in keinem anderen Staat vor Verfolgung sicher war".
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Dabei legte sie zugrunde, dass § 9 Abs. 1 AsylG 1991 der gegenständlichen Ausweisung nicht entgegenstehe, weil der Beschwerdeführer nicht direkt aus dem Staat der behaupteten Verfolgung sondern über Italien eingereist sei, wo er bereits vor Verfolgung sicher gewesen sei. Im Übrigen verwies die belangte Behörde zu diesem Thema und zum diesbezüglichen Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, er sei zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt, auf die Begründung des bereits wiedergegebenen Bescheides des Bundesasylamtes. Der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z 6 erster Fall FrG erfüllt, weil er, ohne im Besitz eines Reisedokumentes zu sein, illegal in das Bundesgebiet eingereist sei, damit die Bestimmungen des zweiten Teiles des FrG missachtet habe und dabei innerhalb eines Monates nach seiner Einreise betreten worden sei. Den Ausführungen der Erstbehörde zum zweiten herangezogenen Ausweisungstatbestand (§ 17 Abs. 2 Z 4 FrG), der Beschwerdeführer verfüge nicht über ausreichende Barmittel und habe keine Beschäftigung in Aussicht, sei der Beschwerdeführer in der Berufung nicht entgegen getreten. Auf Grund der somit gegebenen Mittellosigkeit des Beschwerdeführers und der daraus abzuleitenden Gefahr, der Beschwerdeführer werde seinen Lebensunterhalt in Österreich durch eine illegale Beschäftigung bestreiten, sei "die angeordnete Ausweisung" aus dem Bundesgebiet zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung erforderlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei bereits im Durchreisestaat (Italien) vor Verfolgung sicher gewesen und habe daher zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt. Der Beschwerdeführer führt gegen diese Ansicht ins Treffen, er sei in Italien vier Tage lang inhaftiert gewesen und bringt vor, dass (dort) "ein Asylantrag nicht gestellt werden konnte". Die belangte Behörde habe hinsichtlich der Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Italien in unzulässiger Weise nur auf die Ausführungen im Bescheid der Asylbehörde verwiesen und selbst keine Feststellungen darüber getroffen, "ob Italien" auch die von der Europäischen Menschenrechtskonvention verliehenen Rechte wirksam schütze. Sei aber "fraglich", so die Beschwerde unter Verweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. März 1996, B 1799/94, ob der Asylwerber gemäß § 6 AsylG 1991 nach Österreich eingereist sei, so führe eine unter dem Gesichtspunkt der Wahrung eines effektiven Rechtsschutzes vorzunehmende verfassungskonforme Auslegung dazu, dass vom Vorbringen des Asylwerbers und von der Erlangung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung auszugehen sei.
Mit diesen Ausführungen geht die Beschwerde zunächst zutreffend davon aus, dass die Bestimmung des § 17 FrG zufolge § 9 Abs. 1 AsylG 1991 keine Anwendung auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung findet. Entgegen der Beschwerdemeinung hat sich die belangte Behörde allerdings ausreichend mit der Frage, ob dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukam, auseinander gesetzt und (insoweit unstrittig) festgestellt, dass der Beschwerdeführer zwar innerhalb einer Woche nach seiner Einreise in das Bundesgebiet einen Asylantrag gestellt hat, mangels "direkter" Einreise jedoch die Voraussetzung des § 6 Abs. 1 AsylG 1991 für eine Aufenthaltsberechtigung nach § 7 AsylG 1991 nicht erfüllt hat. Mit der Frage der Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in den Durchreisestaaten (und daher mit der Voraussetzung des § 6 Abs. 2 AsylG 1991) hat sich die belangte Behörde, obwohl der Beschwerdeführer dazu, wie erwähnt, nur ein allgemeines Vorbringen in seiner Berufung erstattet hat (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 97/21/0241), auseinander gesetzt und - in zulässiger Weise (vgl. die hg. Rechtsprechung in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E.48 zu § 60 AVG) - auf die genannte Begründung im Bescheid des Bundesasylamtes verwiesen.
Soweit der Beschwerdeführer nun diesen Ausführungen über seine Verfolgungssicherheit in Italien unter Hinweis auf seine viertägige Inhaftierung entgegentritt und meint, er habe einen Asylantrag in Italien nicht stellen können, so stellt letztgenannter Einwand eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beachtende Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) dar. Im Verwaltungsverfahren hat der Beschwerdeführer nämlich, wie erwähnt, selbst ausgeführt, dass er in Italien gar nicht den Versuch unternommen habe, einen Asylantrag zu stellen.
Vor diesem Hintergrund kommt der Kritik der Beschwerde, die belangte Behörde hätte weitere Feststellungen treffen müssen, "ob" Italien auch die von der EMRK verliehenen Rechte wirksam schütze, keine Berechtigung zu. Da eine Einreise des Beschwerdeführers nach Österreich gemäß § 6 AsylG 1991 im Sinn des in der Beschwerde zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes somit nicht "fraglich" ist, sondern von der belangten Behörde zutreffend verneint wurde, vermag der genannte Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Ansicht der belangten Behörde, § 9 Abs. 1 AsylG stehe der Ausweisung des Beschwerdeführers nicht entgegen, kann nach dem Gesagten nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die belangte Behörde war aber auch berechtigt, die für die Ausweisung maßgebliche Vorfrage des Vorliegens einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1991 selbst zu beurteilen und musste, anders als die Beschwerde meint, ihr Verfahren nicht bis zur endgültigen Erledigung des Asylverfahrens aussetzen (vgl. dazu die in Walter/Thienel, aaO, unter E.103 ff zu § 38 AVG referierte hg. Judikatur).
Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Beschwerdeführer, ohne im Besitz eines Reisedokumentes zu sein, nach Österreich einreiste, dabei innerhalb einer Woche betreten wurde und damit (vgl. zur Passpflicht § 2 Abs. 1 FrG) den Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z 6 FrG erfüllt hat. Die Beschwerde gesteht auch ausdrücklich die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Bundesgebiet zu und lässt die Erfüllung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z 4 FrG auch in Bezug auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unbestritten.
Zum gesetzlichen Erfordernis der sofortigen Ausreise des Fremden nach § 17 Abs. 2 letzter Halbsatz FrG in der Fassung BGBl. Nr. 436/1996 hat die belangte Behörde ausgeführt, die "angeordnete" (gemeint: sofortige) Ausreise des Beschwerdeführers sei zum Einen im Hinblick auf seine illegale Einreise durch die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung erforderlich. Soweit sie in diesem Zusammenhang auf den hohen Stellenwert, der den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch den Normadressaten zukommt, verweist, hat sie die hg. Judikatur für sich (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 23. November 1995, Zl. 94/18/0005). Zum Anderen müsse, so die belangte Behörde mit offensichtlichem Bezug auf § 17 Abs. 2 letzter Halbsatz FrG weiter, aufgrund der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers prognostiziert werden, dass dieser zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes eine illegale Beschäftigung aufnehmen und somit gesetzliche Vorschriften übertreten werde. Dieser Beurteilung tritt die Beschwerde nicht konkret (etwa durch Verweis auf ein gesichertes Einkommen des Beschwerdeführers) entgegen und vermag daher mit dem - unzutreffenden - Hinweis auf die mangelnde Nachvollziehbarkeit der genannten Auffassung der belangten Behörde über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 2 FrG nicht wirksam entgegen zu treten.
Soweit der Beschwerdeführer die Zulässigkeit der Ausweisung dennoch bestreitet und meint, die belangte Behörde habe bei Erlassung ihres Bescheides nicht auf § 19 FrG Bedacht genommen, so verkennt er, dass die letztgenannte Bestimmung bei Erlassung einer Ausweisung nach § 17 Abs. 2 FrG nicht zu berücksichtigen ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 94/18/0005).
Schließlich vermag der Beschwerdeführer auch durch Verweis auf den ihm erteilten Abschiebungsaufschub nach § 36 Abs. 2 FrG eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, steht doch ein Abschiebungsaufschub einer Ausweisung nicht entgegen, sondern setzt eine solche (oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot) geradezu voraus.
Da dem angefochtenen Bescheid nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 15. Oktober 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998210039.X00Im RIS seit
23.12.2002