TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/16 2002/02/0054

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Veröffentlicht am 16.10.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5b;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der SS in K, vertreten durch Dr. Alexander Neuhauser, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dapontegasse 5/11, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 2. Jänner 2002, Zl. MA 65 - 10/12/2001, betreffend Kostenvorschreibung gemäß § 4 Abs. 5b StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. Jänner 2002 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 5b StVO eine Gebühr von S 500,-- (= EUR 36,34) vorgeschrieben. Sie sei am 27. April 2001 um 20.20 Uhr in Wien 19 an einem näher bezeichneten Ort als Lenkerin eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges an einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden ursächlich beteiligt gewesen und habe (gemäß § 4 Abs. 5a StVO) die Aufnahme der Meldung über den Verkehrsunfall verlangt, obwohl keine Verständigungspflicht gemäß § 4 Abs. 5 StVO bestanden habe. Die belangte Behörde folgte den als glaubwürdig angesehenen Angaben des zeugenschaftlich vernommenen Meldungslegers. Sie ging davon aus, dass er auf Grund eines "privaten Aufforderers" zum Unfallort gefahren sei, wo beide Unfallbeteiligten (die Beschwerdeführerin und Dr. R) angetroffen worden seien. Die Beschwerdeführerin sei gefragt worden, ob sie eine Aufnahme des Verkehrsunfalls wünsche. Diese Aufnahme durch die Polizei sei kostenpflichtig. Die Beschwerdeführerin habe die Aufnahme des Unfallsachverhaltes jedenfalls verlangt. Sie sei zu diesem Zeitpunkt allein gewesen, ihr Vater sei erst nach Beendigung der Unfallaufnahme zum Unfallort gekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin rügt Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung, weil das Beweisergebnis ausdrücklich oder stillschweigend auf starre Beweisregeln gegründet sei. Die Begründung, warum dem Meldungsleger zu glauben sei, erfolge in immer wiederkehrenden Formulierungen, die als starr und formularhaft anzusehen seien. Zudem stünden die Angaben des Meldungslegers in seiner niederschriftlichen Einvernahme im Gegensatz zur Anzeige.

Auch wenn die von der belangten Behörde verwendete Formulierung zur Begründung der Glaubwürdigkeit der Angaben des Meldungslegers in seiner Zeugenaussage regelmäßig verwendete Formulierungen enthält, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, dass die Beweiswürdigung auf starren Beweisregeln beruhte. Dennoch ist die Rüge der Beschwerdeführerin berechtigt.

In der Anzeige vom 27. April 2001 über einen "Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden" vermerkte der Meldungsleger RevInsp. S.

Folgendes:

"Verständigung durch Unfallbeteiligten A, B"

....

"Die Bezahlung der Gebühr konnte aus Geldmangel beider Beteiligten nicht erfolgen." (Unter "A, B" sind nach dieser Anzeige der andere Unfallbeteiligte, Dr. R., und die Beschwerdeführerin gemeint.)

Zu dem die Richtigkeit dieser Angaben in Abrede stellenden Vorbringen der Beschwerdeführerin gab RevInsp. S. in seiner Stellungnahme vom 31. Juli 2001 hingegen an, "keiner der beiden Beteiligten verständigte die Polizei. Wir ... kamen auf Grund eines privaten Aufforderers bezüglich eines VU an die Örtlichkeit" und weiters "der Bet. A (Hr. R.) bestand nicht auf die Aufnahme des VU".

Als Zeuge einvernommen gab RevInsp. S. am 29. August 2001 an, er glaube sich erinnern zu können, "dass wir von einem Autofahrer auf den Verkehrsunfall ... aufmerksam gemacht worden sind". Die Beschwerdeführerin habe die Aufnahme des Verkehrsunfalls verlangt, "dem anderen Unfallbeteiligten, Dr. R., war es gleichgültig, ob der Unfall polizeilich aufgenommen wird."

Der als Zeuge am 30. August 2001 einvernommene Unfallbeteiligte A, Dr. R., gab u.a. an, "mir gegenüber hat niemand von einer Gebührenpflicht gesprochen".

Die belangte Behörde hat es unterlassen, den eklatanten Widerspruch zwischen der Anzeige und dem von ihr als erwiesenen angenommenen Sachverhalt aufzuklären. In der Begründung des angefochtenen Bescheides werden die Angaben des RevInsp. S. in seiner Anzeige nicht erwähnt und nicht begründet, warum den späteren Angaben des RevInsp. S. gegenüber den Angaben in seiner Anzeige der Vorzug zu geben sei, zumal RevInsp. S. im Verwaltungsverfahren keinerlei Erklärung dafür geliefert hat, warum die Anzeige von ihm unrichtig gelegt worden sei und seine späteren Angaben richtig sein sollten. Vor diesem Hintergrund ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht schlüssig.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 11. Oktober 2002

Schlagworte

Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002020054.X00

Im RIS seit

20.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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