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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art138 Abs1 litaLeitsatz
Zuständigkeit des Amts der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde zur Entscheidung über einen auf das Eigentumsrecht gestützten Unterlassungsanspruch in bezug auf in das Zusammenlegungsverfahren im Sinne der Flurverfassung einbezogene GrundstückeSpruch
Zur Entscheidung über den von den antragstellenden Parteien gegen die Beteiligte geltend gemachten Anspruch, das Abladen von Bauschutt, Ziegelabfällen und altem Streusplitt derart, daß der Zaun der antragstellenden Parteien zwischen den Grundstücken Nr. 1048/12 und 1048/7 Grundbuch 86041 Weißenbach Schaden nimmt und unter dem Bretterzaun hindurch Teile des Schutthaufens auf das Grundstück 1048/12 eindringen, zu unterlassen, ist das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz zuständig.
Der entgegenstehende Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz vom 28. August 1998, Zl. IIIb2-ZH-382/25, wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den antragstellenden Parteien zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit 20.500 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die antragstellenden Parteien sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 974 des Grundbuchs 86041 Weißenbach, zu deren Gutsbestand u.a. das Grundstück 1048/12 gehört, welches an das im Eigentum der Beteiligten (EZ 27 desselben Grundbuchs) stehende Grundstück 1048/7 grenzt; zwischen den Grundstücken befindet sich ein Zaun. Beide Grundstücke sind Teile des Zusammenlegungsgebietes im Verfahren zur Zusammenlegung der landwirtschaftlichen Grundstücke von Weißenbach, das mit Verordnung des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz vom 10. Dezember 1997 gem. §3 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996), LGBl. 74, eingeleitet wurde. Mit der beim Bezirksgericht Reutte gegen die Beteiligte als beklagte Partei eingebrachten Klage zu 2 C665/98 h begehrten die antragstellenden Parteien als Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, "das Abladen von Bauschutt, Ziegelabfällen und altem Streusplitt derart, daß der Zaun der klagenden Parteien zwischen den Gst. 1048/12 und Gst. 1048/7 Grundbuch Weißenbach Schaden nimmt und daß unter dem Bretterzaun hindurch Teile des Schutthaufens auf das Grundstück der klagenden Parteien Gst. 1048/12 eindringen, zu unterlassen". Das Bezirksgericht Reutte wies die Klage mit Beschluß vom 22. Juni 1998 wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und begründete dies, von der Zugehörigkeit der beiden Grundstücke zum Zusammenlegungsgebiet ausgehend, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sowie des Obersten Gerichtshofs im wesentlichen damit, daß es sich bei §72 Abs5 lita TFLG 1978 (wiederverlautbart als TFLG 1996) gegenüber §72 Abs4 dieses Gesetzes um eine Sondervorschrift handle, die nach der Absicht des Gesetzgebers über die Bestimmungen des vorangehenden Absatzes hinausgehe; Streitigkeiten über Eigentum und Besitz fielen ohne jede Einschränkung in die Zuständigkeit der Agrarbehörden, sofern die betroffenen Grundstücke nur überhaupt in das Zusammenlegungsgebiet einbezogen seien.
2. Die einschreitenden Parteien stellten sodann am 1. Juli 1998 an das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz einen mit dem Klagebegehren inhaltsgleichen Antrag. Diesen wies die Agrarbehörde mit Bescheid vom 28. August 1998 unter Berufung auf §72 Abs4 TFLG 1996 wegen Unzuständigkeit zurück. Im Zusammenlegungsverfahren sei ein Besitzstandausweis noch nicht erlassen, somit über Eigentum und Besitz noch nicht abgesprochen worden. Es handle sich ausschließlich um in Anspruch genommene Grundstücke, welche nur für Grenzänderungen oder für die Herstellung gemeinsamer Anlagen im Rahmen der Neuordnung benötigt würden. Die geltend gemachte Angelegenheit stehe weder mit einer erforderlichen agrarischen Operationsmaßnahme noch mit einer zu treffenden Neuordnung der Eigentumsverhältnisse an den betroffenen Grundstücken in irgendeinem Zusammenhang. Es müsse sich, um die Zuständigkeit der Agrarbehörde zu begründen, jedoch um solche Verhältnisse handeln, die zum Zweck der Durchführung der Zusammenlegung in das Verfahren unbedingt einbezogen werden müßten. Im vorliegenden Fall handle es sich um rein privatrechtliche Auseinandersetzungen zwischen den Grundeigentümern, die losgelöst vom anhängigen Agrarverfahren zu beurteilen seien und auf dieses keine Auswirkungen hätten.
II.1. Mit dem auf Art138 Abs1 lita B-VG (und §46 Abs1 VerfGG) gestützten Antrag machen die einschreitenden Parteien das Vorliegen eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Bezirksgericht Reutte und dem Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz geltend und begehren die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs durch Feststellung der behördlichen Zuständigkeit und Aufhebung entgegenstehender behördlicher Akte.
2. Das Bezirksgericht Reutte legte seinen Akt unter Hinweis auf die Begründung seines erwähnten Beschlusses vor.
3. Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz legte gleichfalls seinen Akt vor und erstattete eine inhaltlich der Bescheidbegründung entsprechende Äußerung mit dem Begehren, im Rahmen des gegebenen Zuständigkeitsstreites dem Bezirksgericht Reutte die Entscheidung aufzutragen.
III.1. Unter Bedachtnahme auf
die Identität des Entscheidungsgegenstandes sowohl des gerichtlichen als auch des agrarbehördlichen Verfahrens sind - wie auch die Prozeßparteien nicht bezweifeln - die Verfahrensvoraussetzungen des geltend gemachten verneinenden Kompetenzkonfliktes erfüllt. Entgegen der vom Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz verfochtenen Rechtsauffassung ist deren Zuständigkeit zur Sachentscheidung über den von den antragstellenden Parteien geltend gemachten Anspruch gegeben.
2. Der Verfassungsgerichtshof verweist auf die wörtliche Zitierung der auch hier maßgebenden Stellen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996) in seinem Erk. KI-13/97 vom 3. Dezember 1998, insbesondere auf die dort wiedergegebenen Absätze 4 und 5 des §72 leg. cit. In diesem grundsätzlich gleichgelagerten Rechtsfall hat der Gerichtshof unter Bezugnahme auf seine Vorjudikatur (VfSlg. 3798/1960, 5747/1968 und den vergleichsweisen Hinweis auf VfSlg. 7800/1976) sowie auf die damit übereinstimmende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (SZ 59/212 und SZ 49/128) den Standpunkt eingenommen, daß die Zuständigkeit der Agrarbehörde für Streitigkeiten über Eigentum und Besitz in Bezug auf in das Zusammenlegungsverfahren einbezogene Grundstücke umfassend ist und durch die sich aus Abs4 des §72 scheinbar ergebenden Ausnahmen (z.B. ob der entstandene Streit in einem tatsächlichen Zusammenhang mit der Zusammenlegung steht) nicht eingeschränkt wird. Der Verfassungsgerichtshof bleibt auf diesem Standpunkt (s. auch sein Erk. KI-1/98 vom 3. Dezember 1998). Die von der Agrarbehörde in ihrer Gegenschrift vorgebrachten Argumente sind durch die erwähnte höchstgerichtliche Vorjudikatur entkräftet.
3. Aus dem Vorgesagten folgt (unter Beachtung des Umstandes, daß einer der Ausnahmstatbestände des §72 Abs7 TFLG 1996 offenkundig nicht vorliegt), daß das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz zuständig war, über den von den antragstellenden Parteien geltend gemachten, auf ihr Eigentumsrecht gestützten Unterlassungsanspruch zu entscheiden. Es war sohin die Zuständigkeit der Agrarbehörde festzustellen und deren entgegenstehender Bescheid vom 28. August 1998 aufzuheben.
IV. Die Entscheidung über den Kostenersatz in der begehrten Höhe stützt sich auf §52 erster Satz VerfGG; im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.
V.Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Schlagworte
VfGH / Kompetenzkonflikt, Bodenreform, Flurverfassung, Agrarbehörden, Agrarverfahren, BehördenzuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:KI8.1998Dokumentnummer
JFT_10008994_98K00I08_00