TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/17 99/20/0544

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Veröffentlicht am 17.10.2002
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §6;
AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des MA in Wien, geboren 1968, vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5/10, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. August 1999, Zl. 202.311/5-VIII/24/99, betreffend § 6 Z 1 und § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seine Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein aus dem Libanon stammender Palästinenser, reiste am 27. Februar 1998 in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. März 1998 einen Asylantrag. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 10. April 1998 gab er an, seit seiner Geburt in einem Flüchtlingslager im Libanon gelebt zu haben. Dort sei er Mitglied der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas geworden, habe aber an keinen Kampfhandlungen teilgenommen, sondern als Wachtposten und im Lager als Verkehrspolizist gearbeitet. Ende Jänner 1998 habe ihm sein Vorgesetzter im Lager mitgeteilt, dass die Hisbollah an die Demokratische Front heran getreten sei, um Kämpfer für eine Aktion gegen Israel abzustellen; der Beschwerdeführer sei nun an der Reihe, für seine Heimat zu kämpfen. Zunächst habe der Beschwerdeführer diesem Plan zugestimmt, weil er befürchtete, im Falle seiner Weigerung in ein im Lager befindliches Gefängnis der Demokratischen Front gebracht und dort wahrscheinlich zu Tode gefoltert zu werden; in der Folge habe er sich aber entschieden, den Libanon zu verlassen, weil er sein Leben nicht habe aufs Spiel setzen wollen und auch gegen den Krieg sei.

In der Folge wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 15. Juli 1999 gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Libanon gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Es begründete diesen Bescheid im Wesentlichen damit, dem Beschwerdeführer müsse "die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden".

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung, in der u. a. ergänzend vorgebracht wurde, der Beschwerdeführer sei bereits von Kämpfern der Demokratischen Front gesucht worden, erging ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde). Mit diesem Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 6 Z 1, § 8 AsylG" abgewiesen, was die belangte Behörde damit begründete, es sei für sie keineswegs offensichtlich, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspreche, jedoch habe der Beschwerdeführer weder in der Ersteinvernahme noch in seiner Berufung "auch nur ansatzweise eine Verfolgungsgefahr von Seiten des libanesischen Staates, sei es in Form einer persönlichen Bedrohung durch Staatsorgane, sei es durch mangelnde Fähigkeit oder fehlenden Willen der staatlichen Behörden, ihn vor dem angeblich befürchteten Übergriff zu schützen", behauptet. Da aber die Zurechenbarkeit der Verfolgungsgefahr zum Herkunftsstaat eine unabdingbare Voraussetzung für den Verfolgungsbegriff des Asylgesetzes sei und der Beschwerdeführer eine derartige Verfolgung nicht behauptet habe, erfülle sein Vorbringen den Tatbestand des § 6 Z 1 AsylG. Da es auch sonst keinen Hinweis auf eine asylrelevante Verfolgungsgefahr gegeben habe und eine solche auch nicht hervorgekommen sei, habe sich der Asylantrag somit als offensichtlich unbegründet erwiesen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde erachtete den Tatbestand des § 6 Z 1 AsylG als gegeben, weil der Beschwerdeführer eine Zurechenbarkeit der Verfolgungsgefahr zum Herkunftsstaat (Libanon) nicht behauptet habe und es der von ihm behaupteten Verfolgung daher an der Staatlichkeit fehle. Die Ansicht der belangten Behörde, dies könne die Anwendung des § 6 (hier: Z 1) AsylG begründen und sei nicht nur unter dem Gesichtspunkt einer Prüfung gemäß § 7 AsylG von Bedeutung, steht aber im Widerspruch zur mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. im Anschluss an das Erkenntnis vom 31. Mai 2001, Zl. 2000/20/0496, nur beispielsweise etwa die Erkenntnisse vom 31. Jänner 2002, Zl. 99/20/0411, vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0316, und vom 20. Juni 2002, Zl. 2000/20/0502).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 17. Oktober 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999200544.X00

Im RIS seit

09.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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