TE Vwgh Beschluss 2002/10/17 2002/20/0496

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Veröffentlicht am 17.10.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/20/0497

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, 1.) über den Antrag des C D in G, geboren 1984, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Juli 2002, Zl. 228.388/0-X/30/02, betreffend §§ 7 und 8 AsylG, und 2.) in dieser Beschwerdesache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), den Beschluss gefasst:

Spruch

1.) Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben.

2.) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. Juli 2002 wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 20. Dezember 2001 gemäß § 7 Asylgesetz ab und sprach gemäß § 8 Asylgesetz aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei zulässig sei.

Zu 1.):

Im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juli 2002 sei der Vertreterin des Magistrates Graz-Jugendamt, welcher seinerseits den Antragsteller auf Grund seiner zum damaligen Zeitpunkt noch vorliegenden Minderjährigkeit vertreten habe, am 29. Juli 2002 zugestellt worden. In weiterer Folge sei der Bescheid von Seiten dieser Vertreterin dem Antragsteller persönlich übermittelt worden. Der Antragsteller, der zum Zeitpunkt der Übermittlung des obigen Bescheides noch minderjährig gewesen sei, habe diesen seinem Onkel mit dem Ersuchen ausgehändigt, mit der Caritas Graz Kontakt aufzunehmen. Der Onkel habe dem Antragsteller gegenüber erwähnt, dass er die Caritas Graz ersuchen werde, einen Antrag auf Verfahrenshilfe an den Verwaltungsgerichtshof zu stellen. In weiterer Folge habe der Onkel den Bescheid entgegengenommen. Er habe jedoch vergessen, fristgerecht (noch vor dem 9. September 2002) die Caritas Graz zu verständigen, damit diese einen entsprechenden Verfahrenshilfeantrag einbringe. Am 11. September 2002 habe der Onkel des Antragstellers telefonisch mit der Kanzlei des nunmehrigen Vertreters des Antragstellers Kontakt aufgenommen. Der Antragsteller sei der deutschen Sprache nicht mächtig, sodass der Onkel den telefonischen Kontakt hergestellt habe. Für 16. September 2002 sei ein Besprechungstermin vereinbart worden. Noch am selben Tag habe daraufhin eine Mitarbeiterin der Kanzlei des nunmehrigen Rechtsvertreters des Antragstellers mit der Caritas Graz telefonisch Kontakt aufgenommen. Es sei ihr mitgeteilt worden, dass der Bescheid bereits am 29. Juli 2002 zugestellt worden sei und somit bis 9. September 2002 zumindest ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe an den Verwaltungsgerichtshof zu richten gewesen wäre. Die Caritas Graz habe einen derartigen Antrag nicht gestellt, da der Antragsteller mit ihr keinen Kontakt aufgenommen habe. Darüber sei der Antragsteller am 16. September 2002 anlässlich seiner Vorsprache gemeinsam mit seinem Onkel in der Kanzlei des nunmehrigen Rechtsvertreters informiert worden. Der Onkel habe zugestanden, vergessen zu haben, die Caritas Graz zu verständigen, dass zumindest ein Antrag auf Verfahrenshilfe zu stellen wäre. Der Antragsteller habe seinem Onkel vertraut und sei davon ausgegangen, dass dieser mit der Caritas Graz in Kontakt treten werde, damit rechtzeitig ein Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt werde. Der Antragsteller, der der deutschen Sprache nicht mächtig und bei Zustellung des Bescheides noch minderjährig gewesen sei, sehe in seinem Onkel eine Vertrauensperson. Er sei im Übrigen auf Grund seines kurzzeitigen Aufenthaltes im Bundesgebiet mit den Rechtsvorschriften nicht so vertraut wie sein Onkel. Der Antragsteller sei sohin durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen, innerhalb des ihm zur Verfügung stehenden Zeitraumes eine Bescheidbeschwerde bzw. einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe einzubringen. Es sei dem Antragsteller nicht zumutbar gewesen, sich an eine rechtskundige Person zu wenden, zumal er sich erst kurzfristig im Bundesgebiet aufgehalten habe und der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Er habe Vertrauen in seinen Onkel gesetzt, der sich schon längere Zeit in Österreich aufhalte. Es sei daher nur ein minderer Grad des Versehens gegeben. Der Onkel habe sich bis zur Nichtbeauftragung der Caritas Graz hinsichtlich der Antragstellung auf Bewilligung der Verfahrenshilfe seit dem Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet stets um diesen zu seiner besten Zufriedenheit gekümmert und sei ihm auch mit Rat und Tat zur Seite gestanden, sodass es sich um ein einmaliges Versehen handle, welches allenfalls eine leichte Fahrlässigkeit darstelle, die einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegenstehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Partei hat aber nicht nur ihr eigenes Verschulden zu vertreten, sondern es ist ihr auch das Verhalten ihres Vertreters zuzurechnen. Demnach bildet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Untätigkeit eines Vertreters im allgemeinen auch keinen Wiedereinsetzungsgrund, es sei denn, der Vertreter wäre seinerseits durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen, die Frist einzuhalten, und es träfe ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 26. Juli 2001, Zl. 2001/20/0377, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Trotz des im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsatzes der amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit trifft den Antragsteller die Pflicht, alle Wiedereinsetzungsgründe innerhalb der gesetzlichen Frist vorzubringen und glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt ist (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 25. März 1999, Zl. 99/20/0099).

Der Antragsteller, der am 16. August 2002 volljährig wurde, bringt zu den Gründen für die Versäumung der (erst mehrere Wochen später abgelaufenen) Beschwerdefrist vor, er habe den rechtzeitig an ihn gelangten Bescheid seinem Onkel übergeben, welcher vergessen habe, eine rechtzeitige Beschwerde bzw. einen Verfahrenshilfeantrag zu veranlassen. Obwohl der Bescheid der belangten Behörde den Hinweis auf die Frist für eine Beschwerde beim Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof in einer dem Antragsteller verständlichen Sprache enthielt, hat sich der Antragsteller nicht vergewissert, ob sein Onkel die entsprechenden Maßnahmen rechtzeitig setzt. Auch wenn sich sein Onkel um ihn ansonsten zu seiner Zufriedenheit gekümmert hat, konnte der Antragsteller, zumal sein Onkel kein zur berufsmäßigen Parteienvertretung Befugter ist, in einer Verfahrensangelegenheit nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass er rechtzeitig tätig wird. Ein Verschulden des Antragstellers liegt folglich dadurch vor, dass er es unterlassen hat, die Vorgangsweise eines Onkels zu überwachen (vgl. zur Überwachungspflicht hinsichtlich eines Boten z. B. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 94/01/0361).

Dem Antragsteller ist es somit nicht gelungen, einen Sachverhalt vorzubringen, der die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 VwGG erfüllen könnte, weshalb dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattzugeben war.

Zu 2.):

Die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages hat zur Folge, dass die unter einem eingebrachte Beschwerde verspätet erhoben wurde und daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen ist. Damit erübrigt sich auch eine Entscheidung des Berichters über den mit der Beschwerde verbundenen und zur hg. Zl. AW 2002/20/0400 protokollierten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Wien, am 17. Oktober 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002200496.X00

Im RIS seit

03.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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