TE Vfgh Beschluss 1999/10/11 V65/99

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Veröffentlicht am 11.10.1999
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Bebauungsplan der Gd Pörtschach / Wörthersee. Änderung v 02.02.91

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags von Anrainern gegen eine das Nachbargrundstück betreffende Bebauungsplanänderung mangels Legitimation; Zumutbarkeit des Verwaltungsweges im Rahmen des Bauverfahrens

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Antragsteller begehren unter Berufung auf Art139 B-VG, die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pörtschach am Wörthersee vom 4. Juli 1995, Z610-1/1995-1, mit der der Bebauungsplan der Gemeinde Pörtschach am Wörthersee vom 2. Februar 1991, Z610-1/1990-8 geändert wird, als gesetzwidrig kostenpflichtig aufzuheben.

2. Die Antragsteller bringen vor, die Eigentümerin des Nachbargrundstückes habe die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Vornahme von Zu- und Umbauten am Parkhotel beantragt. Die Antragsteller hätten Einwendungen wegen Widerspruchs zum Bebauungsplan vom 2. Februar 1991 erhoben. Trotzdem sei die Baubewilligung erteilt worden. Auf Grund einer Vorstellung der Antragsteller habe die Kärntner Landesregierung den Baubewilligungsbescheid aufgehoben. Um das Bauvorhaben dennoch bewilligen zu können, habe der Gemeinderat den Bebauungsplan mit Beschluß vom 4. Juli 1995 geändert. Der Gemeindevorstand habe der Bauwerberin mit Bescheid vom 11. Jänner 1999 neuerlich die Baubewilligung erteilt.

3. Gegen diesen Bescheid würden die Antragsteller zwar Vorstellung erheben, jedoch könnten derzeit sehr wesentliche Einwendungen nicht mehr berücksichtigt werden, da die Vorstellungsbehörde von der angefochtenen Verordnung auszugehen habe. Im Falle der Erfolglosigkeit der Vorstellung könne die Bauwerberin mit dem Bau beginnen. Aufgrund der durch die Überlastung der Höchstgerichte bedingte relativ langen Erledigungsdauer wäre im Entscheidungszeitpunkt über eine einzubringende Beschwerde der Bau zur Gänze oder doch zumindest in seinem Rohbau fertiggestellt. In diesem Falle müßten die Antragsteller damit rechnen, daß es "erfahrungsgemäß zur normativen Kraft des Faktischen" komme und bei einer neuerlichen Änderung des "Flächenwidmungsplanes" durch die Gemeinde Pörtschach am Wörthersee die Einwendungen der Antragsteller gegen die Erhöhung der Bebauungsdichte nicht mehr dasselbe Gewicht haben würden wie vor einer derartigen Bauführung.

Zur Möglichkeit des Antrages auf aufschiebende Wirkung im Zuge einer Beschwerde gegen den zu erwartenden Bescheid der Vorstellungsbehörde führen die Antragsteller aus, daß in Bauverfahren die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht sehr häufig ausgesprochen werde. Falls eine solche jedoch zuerkannt werde, würden die Antragsteller im Falle der Erfolglosigkeit der Beschwerde wegen der sich ergebenden Zeitverzögerung mit nicht unbeträchtlichen Schadenersatzansprüchen der Bauwerberin zu rechnen haben; diesem Risiko könnten sie sich nicht aussetzen. Hinsichtlich der Fragen, ob die Antragsteller durch die Verordnung direkt betroffen seien und ob ihnen ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung stehe, liege somit ein ähnlicher Fall vor wie im Erkenntnis VfSlg. 14084/1995 (Bebauungsplan Mödling).

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 B-VG und Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen der Antragsteller nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art139 Abs1 B-VG und Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 11684/1988, 13870/1994).

2. Ein solcher - die Antragslegitimation ausschließender - zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das den von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normenprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof anzuregen; eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normenprüfungsantrages einzuräumen (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10251/1984, 11684/1988). Mit einem (Individual-) Antrag nach Art139 (und 140) B-VG soll daher keinesfalls eine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes eröffnet werden, die mit dem Charakter des Individualantrages eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (s. etwa VfSlg. 8652/1979, 10356/1985, 11114/1986, 12395/1990).

3. Die Antragsteller behaupten nicht, durch die angefochtene Verordnung, insoweit sich diese auf ihre Liegenschaft EZ 519, Grundbuch 72152 Pörtschach am See bezieht, unmittelbar in ihren Rechten verletzt zu sein.

4. Die Antragsteller meinen, es seien besondere Umstände gegeben, die es für die Antragsteller unzumutbar erscheinen lassen, die Erteilung einer das Nachbargrundstück betreffende Baubewilligung, der die angefochtene Verordnung zugrundeliegt, abzuwarten und Gesetzwidrigkeit der Verordnung in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof geltend zu machen und verweisen auf das Erkenntnis VfSlg. 14084/1995.

In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof die mit der Beschreitung des genannten Weges verbundene zeitliche Verzögerung deswegen als unzumutbar angesehen, weil die Gemeinde nach Aufhebung eines gesetzwidrigen Bebauungsplanes nicht den gesetzmäßigen Rechtszustand herstellte, sondern eine inhaltsgleiche Verordnung erlassen hat.

Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt jedoch hier nicht vor. Die Gemeinde hat - im Gegensatz zu dem dem Erkenntnis VfSlg. 14084/1995 zugrundeliegenden Sachverhalt - keine Handlungen gesetzt, die die Herstellung eines der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Zustandes vereitelt hätten.

Den Antragstellern steht daher ein zumutbarer Weg zur Verfügung, im Rahmen des Bauverfahrens die Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pörtschach am Wörthersee vom 4. Juli 1995, Z610-1/1995-1, an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:V65.1999

Dokumentnummer

JFT_10008989_99V00065_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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