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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §25 Abs2 letzter Satz Tir BauO 1998, LGBl 15/1998, mit E v 01.10.99, G73/99.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit S 29.500,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 30. April 1998 erteilte der Bürgermeister der Gemeinde Absam der P Gesellschaft m.b.H. die Baubewilligung zur Errichtung einer Reihenhausanlage mit Tiefgarage auf dem Grundstück Nr. 65, GB Absam. Die Berufung wurde durch den Gemeindevorstand als unbegründet abgewiesen.
Die Tiroler Landesregierung wies mit Bescheid vom 7. Juli 1999 die Vorstellung als unbegründet ab und verwies in ihrer Begründung auf §25 Abs2 zweiter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998, wonach die Nachbarn eines Bauverfahrens nur berechtigt seien, in Ansehung des jeweiligen Grundstückes die Verletzung der Abstandsbestimmungen nach §6 TBO geltend zu machen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Nachbarn, in der die Verletzung des Rechtsstaatsprinzips, der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG), auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§25 Abs2 TBO 1998) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die Tiroler Landesregierung als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Mit amtswegigem Beschluß vom 27. Februar 1999, B2126/98, leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998, ein. Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G73/99 begann am 1. Oktober 1999. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 30. Juli 1999 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G73/99 schon anhängig; der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von
S 4.500,- und eine Eingabengebühr in Höhe von S 2.500,-
enthalten. Der Kostenersatz erfolgt nach einem Pauschalsatz in Höhe von S 22.500,- (zuzüglich USt und Eingabengebühr). Der nicht zustehende, verzeichnete Einheitssatz in der Höhe von 50 % der verzeichneten Kosten wird teilweise bis zur Erreichung der Höhe des Pauschalsatzes an die zu niedrig verzeichneten Kosten für die Beschwerde angerechnet.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1269.1999Dokumentnummer
JFT_10008989_99B01269_00