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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des T in S, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 8. November 2000, Zl. 5/04-14/1662/5-2000, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 9. März 1999 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je S 30,-- (150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Der dagegen erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft wurde mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 7. Juni 1999 Folge gegeben und der angefochtene Strafausspruch dahin abgeändert, dass der Beschwerdeführer nach dem § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Monaten verurteilt wurde.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG in Verbindung mit §§ 7 Abs. 4 Z. 3 und Abs. 5, 25 Abs. 3 und 32 Abs. 1 FSG die Lenkberechtigung auf die Dauer von fünf Monaten, gerechnet ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides (das ist der 2. August 2000) entzogen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, die Behörde erster Instanz sei davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer "vom Landesgericht Ried im Innkreis rechtskräftig mit 24. 1. 1997 und vom Bezirksgericht Mattighofen rechtskräftig mit 7. 6. 1999 wegen Körperverletzung verurteilt worden ist". Sie sei auf den Beschwerdeführer durch die Strafanzeige des Gendarmeriepostens Braunau am Inn vom 29. Mai 2000 aufmerksam geworden, aus welcher sich ergebe, dass der Beschwerdeführer zumindest in der Zeit zwischen 4. Jänner 2000 und 27. Jänner 2000 Suchtgiftgeschäfte getätigt habe und somit verdächtig sei, Vergehen nach § 27 Abs. 2 SMG begangen zu haben. Damit könne keine Rede sein, dass sich der Beschwerdeführer seit dem letzten Aggressionsdelikt nach § 83 Abs. 1 StGB, auch wenn dies schon längere Zeit zurück liege, wohlverhalten habe. Unter Bedachtnahme auf die Wertungsvorschrift des § 7 Abs. 5 FSG ergebe sich demnach, dass der Beschwerdeführer zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineswegs als bereits wieder verkehrszuverlässig angesehen werden könne. Dies deshalb, weil er bereits insgesamt neunmal strafgerichtlich verurteilt worden sei, wobei allen Verurteilungen wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen die gleiche schädliche Neigung ("seinen Aggressionen vor allem im alkoholisierten Zustand ungehemmten Lauf zu lassen") zu Grunde liege, wie das Landesgericht Ried im Innkreis in seinem Urteil vom 7. Juni 1999 ausgeführt habe. Seit dem Jahre 1992 weise der Beschwerdeführer sechs Verurteilungen wegen § 83 Abs. 1 StGB auf, im Zeitraum vom 29. Juli 1995 bis 29. April 1996 sei ihm die Lenkberechtigung wegen eines Alkoholdeliktes entzogen worden. Da Aggressionsdelikte eine hohe Verwerflichkeit aufwiesen, könne im Hinblick auf die Mehrzahl der vom Beschwerdeführer begangenen Delikte und das fehlende Wohlverhalten seit dem letzten Aggressionsdelikt von der Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit noch nicht gesprochen werden. Bei der Dauer der ausgesprochenen Entziehung sei von den Ausführungen im Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 7. Juni 1999 auszugehen, wonach das Vorleben des Beschwerdeführers bereits derart massiv durch die Neigung zur Aggressionsdelinquenz geprägt sei, dass es nunmehr einer unbedingten Freiheitsstrafe von zumindest zwei Monaten und darüber hinaus des Vollzuges der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen von drei Monaten und einem Monat bedurft habe, um vielleicht doch noch eine Gesinnungsänderung beim Beschwerdeführer herbeizuführen. Die bisherigen, zum Teil sehr empfindlichen Geldstrafen, hätten zu keiner entsprechenden spezialpräventiven Beeinflussung geführt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung (Beschluss vom 27. Februar 2001, B 2/01-3) an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. April 2001, B 2/01-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG in der Fassung BGBl. I Nr. 120/1997 von Bedeutung:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
...
(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand
...
3. eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat,
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung."
Zutreffend ging die belangte Behörde davon aus, dass von Kraftfahrzeuglenkern wegen der im Straßenverkehr häufig auftretenden Konfliktfälle eine nicht zu Gewalttätigkeiten neigende Sinnesart verlangt werden muss (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/11/0260, und vom 22. Jänner 2002, Zl. 2001/11/0196). Im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 5 FSG vorzunehmenden Wertung (siehe das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235, m. w. N.) hat die belangte Behörde unter dem Gesichtspunkt der Verwerflichkeit der vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Handlungen mit Recht auf die Häufung von Delikten gegen Leib und Leben hingewiesen. Aus den wiederholten Bestrafungen des Beschwerdeführers muss auf eine besonders stark ausgeprägte Neigung zu Gewalttätigkeiten geschlossen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2001/11/0379).
Bei Beurteilung des Verhaltens während der seit Begehung der ins Gewicht fallenden strafbaren Handlungen hat jedoch die belangte Behörde dem Beschwerdeführer angelastet, in der Zeit zwischen 4. Jänner 2000 und 27. Jänner 2000 Suchtgiftgeschäfte getätigt zu haben und somit verdächtig zu sein, Vergehen nach § 27 SMG begangen zu haben, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich der Beschwerdeführer wohlverhalten habe.
Mit Recht rügt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang, dass der Vorwurf der Tatbegehung nach dem SMG im beschwerdegegenständlichen Entziehungsverfahren erstmals im angefochtenen Bescheid erhoben und im Rahmen der Wertung nach § 7 Abs. 5 FSG berücksichtigt wird. Der in der Beschwerde diesbezüglich gerügte Verfahrensmangel der Verletzung des Parteiengehörs ist entscheidungserheblich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ein Wohlverhalten des Beschwerdeführers im relevanten Zeitraum festgestellt wird. (In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer mit dem am 21. August 2001 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz vom 17. August 2001 mitgeteilt hat, vom Tatvorwurf des Vergehens nach § 27 SMG vom Landesgericht Ried im Innkreis am 16. Juli 2001 rechtskräftig freigesprochen worden zu sein.)
Die belangte Behörde hat mit der festgesetzten Entziehung der Lenkberechtigung von fünf Monaten (gerechnet ab 2. August 2000; d. i. der Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Entzeihungsbescheides) zum Ausdruck gebracht, dass der Beschwerdeführer erst mehr als 20 Monate nach der zuletzt (am 5. März 1999) begangenen Straftat gemäß § 83 Abs. 1 StGB seine Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangen werde. Sollte im fortgesetzten Verfahren hervorkommen, dass der Beschwerdeführer nach der rechtskräftigen Verurteilung durch das Landesgericht Ried im Innkreis am 7. Juni 1999 nicht mehr nachteilig im Sinne der Wertungsvorschrift des § 7 Abs. 5 FSG in Erscheinung getreten ist, wird davon auszugehen sein, dass der Beschwerdeführer deutlich früher seine Verkehrszuverlässigkeit wieder erlangt hat (vgl. hiezu die im hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2001/11/0114, zitierte Judikatur), wobei insbesondere auf die Regelung des § 25 Abs. 3 FSG Bedacht zu nehmen sein wird.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die Reglung des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 22. Oktober 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001110142.X00Im RIS seit
21.11.2002