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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §73 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der V in Wien, vertreten durch Prader & Plaz OEG in 1070 Wien, Seidengasse 28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. August 2000, Zlen. UVS-02/V/43/4/1997, UVS-02/V/43/5/1999/12, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie Verletzung von Richtlinien (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 4. Juni 1996 erhob die Beschwerdeführerin beim Unabhängigen Verwaltungssenat Wien (der belangten Behörde) Beschwerde "gemäß Art. 129a B-VG und § 89 SPG" betreffend ihre Festnahme am 25. April 1996 und Anhaltung bis 26. April 1996 sowie ihre Misshandlung am 25. April 1996 durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien.
In ihrer am 10. November 1998 eingebrachten, zur hg. Zl. 98/01/0543 protokollierten Säumnisbeschwerde brachte sie vor, die belangte Behörde habe über ihre Beschwerde mehr als sechs Monate lang nicht entschieden, wodurch sie in ihrem Recht nach § 73 Abs. 1 AVG verletzt sei.
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Februar 1999, der belangten Behörde am 5. März 1999 zugestellt, erging die Aufforderung, den versäumten Bescheid binnen drei Monaten zu erlassen und dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege. Auf Ersuchen der belangten Behörde um Fristerstreckung wurde die Frist zur Bescheiderlassung bzw. zur Aktenvorlage mit Beschluss vom 12. August 1999 bis zum 15. Oktober 1999 verlängert.
Mit Bescheid vom 9. August 2000 wies die belangte Behörde die Beschwerden wegen der am 24. April 1996 erfolgten Festnahme und wegen der bis 25. April 1996 andauernden Anhaltung als unbegründet ab und jene wegen der behaupteten Misshandlungen zurück. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 18. August 2000 zugestellt. Im Hinblick darauf stellte der Verwaltungsgerichtshof in weiterer Folge das Verfahren über die Säumnisbeschwerde mit Beschluss vom 16. Mai 2001 gemäß § 36 Abs. 2 VwGG ein.
Über die gegen den Bescheid vom 9. August 2000 erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin macht vorweg geltend, die belangte Behörde sei im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr zuständig gewesen.
Gemäß § 36 Abs. 2 erster Satz VwGG ist bei Säumnisbeschwerden nach Art. 132 B-VG der belangten Behörde aufzutragen, innerhalb einer Frist bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Die belangte Behörde bleibt während der ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG zur Nachholung des versäumten Bescheides gesetzten Frist zuständig, verliert diese Zuständigkeit aber mit Ablauf dieser Frist. Damit die Frist gewahrt ist, muss innerhalb derselben der Bescheid durch die belangte Behörde erlassen werden. Ein erst nach Ablauf der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist erlassener Bescheid hindert nicht die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens. Der Bescheid ist zwar nicht von Amts wegen, wohl aber dann wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben, wenn der Beschwerdeführer die Unzuständigkeit geltend macht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/01/0448, mwN).
Im Beschwerdefall endete die gemäß § 36 Abs. 2 VwGG der belangten Behörde zur Nachholung des versäumten Bescheides gesetzte Frist letztlich am 15. Oktober 1999. Der nachgeholte Bescheid wurde erst am 18. August 2000 und damit nach Fristablauf erlassen. Die belangte Behörde war daher nicht mehr zuständig, weshalb der angefochtene Bescheid wegen der von der Beschwerdeführerin ausdrücklich geltend gemachten Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben war. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die belangte Behörde mit Zustellung des die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens verfügenden Beschlusses wieder zuständig geworden ist (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 22. März 2000).
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 22. Oktober 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000010404.X00Im RIS seit
09.01.2003Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017