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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §27 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in P, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Obere Donaustraße 4, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 26. Februar 2002, Zl. VerkR-394.249/13-2002- Au/Eis, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im vorgelegten Verwaltungsakt liegen zwei Schreiben des Beschwerdeführers vom 27. September 2000, das erste (AS 53; es wurde laut einem von der Behörde angebrachten Stempel persönlich überreicht und trägt den Eingangsstempel 29. September 2000) gerichtet an den Verkehrsreferenten der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, das zweite (AS 55) gerichtet an den Amtsarzt dieser Behörde .
Das erstgenannte Schreiben lautet (anonymisiert) wie folgt:
"Betrifft: Ausfolgung meines bei der BH-Urfahr/Umg. hinterlegten Führerscheines
Werter Herr O.!
Auf Grund meines Schlaganfalles Juni 1998 habe ich meinen Führerschein bei der BH-Urfahr/Umg. hinterlegt. Ich ersuche um Ausfolgung des Führerscheines, da ich mich gesundheitlich wieder in der Lage fühle ein behindertengerechtes, mit Automatik ausgestattetes Fahrzeug zu lenken.
Mit freundlichen Grüßen!
(Name des Beschwerdeführers)"
Das zweitgenannte Schreiben lautet (anonymisiert) wie folgt:
"Betrifft: Ausfolgung meines bei der BH-Urfahr/Umgebung
hinterlegten Führerscheines
Werter H.!
In Absprache mit Ihnen habe ich meinen Führerschein in der zuständigen Abteilung der BH-Urfahr/Umg. hinterlegt.
Auf Grund meines gesundheitlichen Zustandes ersuche ich um Wiederausfolgung meines Führerscheines. Ich fühle mich in der Lage ein behindertengerecht ausgestattetes Fahrzeug (Automatik) zu lenken.
In Beilage zwei neurologische Gutachten des R.-Zentrums der B.
Ich darf um eine persönliche Unterredung ersuchen, um Ihnen auch mündlich meine Vorstellungen zu interpretieren. Die Besprechung kann auch im Gemeindeamt in P. stattfinden, wo mir die dafür notwendigen Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden.
Mit vorzüglicher Hochachtung!
(Name des Beschwerdeführers)"
Im Verwaltungsakt erliegt weiters (AS 54) der Führerschein des Beschwerdeführers, weiters ein internes, an den Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung gerichtetes Schreiben der Abteilung Verkehr dieser Behörde (AS 56), demzufolge der Beschwerdeführer am 10. September 1999 auf seinen Führerschein verzichtet habe (im Zuge des Verfahrens zur Ausstellung eines Gehbehindertenausweises). Da er nunmehr um (Neu-)Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B - gegebenenfalls nach Anpassung der technischen Einrichtung auf den Körperzustand - ansuche, werde unter Hinweisen auf das Vorgutachten vom 24. Juni 1999 bzw. 7. September 1999 um Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens ersucht.
In einem als "Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme" bezeichneten Schreiben vom 24. April 2001 (sein Betreff lautet: "Antrag auf Wiederausfolgung Ihres Führerscheines") teilte die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung dem Beschwerdeführer mit, es sei beabsichtigt, seinen Antrag vom 27. September 2000 auf Grund des amtsärztlichen Gutachtens wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung abzuweisen.
Datiert mit 5. April 2001 erging daraufhin folgender Bescheid
der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung:
"Bescheid
Auf Grund ihres Antrages aus Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B vom 27.09.2000 ergeht von der Bezirkshauptmannschaft als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung erster Instanz nach durchgeführtem Ermittlungsergebnis folgender
Spruch
Ihr Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Klasse B wird abgewiesen.
Rechtsgrundlage:
§ 3 Abs. 1 Zif. 3 Führerscheingesetz - FSG - i.d.F. BGBl. I
Nr. 94/1998."
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, im amtsärztlichen Gutachten fehle es dem Beschwerdeführer an der gesundheitlichen Eignung.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe am 10. September 1999 im Zuge der Ausfolgung eines Ausweises für dauernd stark gehbehinderte Personen im Sinne des § 29b StVO 1960 seinen Führerschein bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung "zurückgelegt". Ein Verzicht auf die Lenkberechtigung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 3 FSG sei damit nicht zum Ausdruck gebracht worden. Diesbezüglich sei auch nie ein Bescheid ergangen. Er habe mit seinem Schreiben vom 27. September 2000 ausdrücklich die Ausfolgung des hinterlegten Führerscheines beantragt, woraus klar erkennbar sei, dass ein Verzicht nicht erfolgt sei. Ohne Rücksprache mit ihm sei in weiterer Folge sein Antrag dahingehend interpretiert worden, dass er die Erteilung einer Lenkberechtigung beantrage. Die Behörde sei jedoch nicht berechtigt, den Antrag ohne seine Zustimmung anderweitig zu interpretieren und somit ohne einen entsprechenden Antrag einen Bescheid zu erlassen.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2002 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 und 8 Abs. 3 Z. 4 FSG iVm § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid. Begründend führte der Landeshauptmann von Oberösterreich nach Wiedergabe des Berufungsvorbringens aus, aus der Aktenlage ergebe sich zweifelsfrei, dass der Beschwerdeführer am 10. September 1999 im Zuge des Verfahrens zur Ausstellung eines Gehbehindertenausweises auf seinen Führerschein verzichtet habe. Der Antrag vom 27. September 2000 sei daher als Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Klasse B zu werten. Der Landeshauptmann von Oberösterreich stützt sich in weiterer Folge auf ein amtsärztliches Gutachten, dem zufolge die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers nicht vorliege.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte nach der Aktenlage am 5. März 2002) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 32/2002 maßgeblich.
§ 27 Abs. 1 FSG lautet (auszugsweise):
"Erlöschen der Lenkberechtigung
§ 27. (1) Eine Lenkberechtigung erlischt: ...
3. durch Verzicht;
..."
Bereits die Erstbehörde wertete, wie die Formulierung des erstinstanzlichen Bescheides zeigt, den Antrag des Beschwerdeführers vom 27. September 2000 als solchen auf Erteilung einer Lenkberechtigung. Dies hätte zumindest vorausgesetzt, dass eine Lenkberechtigung des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr aufrecht war.
Wie bereits die Erstbehörde geht auch die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer am 10. September 1999, und zwar im Zuge eines Verfahrens zur Ausstellung eines Gehbehindertenausweises, "auf seinen Führerschein verzichtet" habe. Sie wertet dies als Verzicht auf die Lenkberechtigung mit dem Ergebnis, dass diese gemäß § 27 Abs. 1 Z. 3 FSG erloschen sei. In ihrer Gegenschrift führt die belangte Behörde weiters aus, der Beschwerdeführer habe den Führerschein bei der Behörde "hinterlegt" und damit den Verzicht auf die Lenkberechtigung kundgetan. Eine bloße Hinterlegung des Führerscheines bei der Behörde im Sinne eines Nichtgebrauchmachens hätte zur Folge, dass die Berechtigung zum Lenken von Kraftfahrzeugen aufrecht bliebe, dies wäre bei einem im Raum stehenden Wegfall einer der Erteilungsvoraussetzungen nicht im Interesse der Verkehrssicherheit gelegen.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist aus den vorgelegten Verwaltungsakten keineswegs ersichtlich, dass der Beschwerdeführer auf seinen "Führerschein" und damit auf seine Lenkberechtigung verzichtet hätte. Der angefochtene Bescheid enthält keine Feststellungen zu einem Verhalten des Beschwerdeführers, welches sich als Verzicht auf die Lenkberechtigung deuten ließe. Zwar mag es zutreffen, dass das FSG eine Hinterlegung des Führerscheins bei der Behörde nicht vorsieht, aus einer derartigen Handlung kann jedoch nicht auf eine Absicht des Betreffenden geschlossen werden, er habe auf seine Lenkberechtigung verzichtet. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch nach den Feststellungen der belangten Behörde eine ausdrückliche Verzichtserklärung des Beschwerdeführers nicht vorliegt (eine solche ist auch den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen).
Der Beschwerdeführer hat demgegenüber sowohl bei der Formulierung seines Antrages vom 27. September 2000 als auch in seiner Berufung deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht kein Verzicht auf die Lenkberechtigung erfolgt sei und sein Antrag in der Tat nur auf eine Ausfolgung des bei der Behörde hinterlegten Führerscheines, nicht aber auf die Erteilung einer Lenkberechtigung gerichtet gewesen sei.
Auf Grund des der belangten Behörde unterlaufenen Feststellungs- und Begründungsmangels hinsichtlich der vermeintlichen Verzichtsleistung des Beschwerdeführers ist dem Verwaltungsgerichtshof die Überprüfung des angefochtenen Bescheides dahingehend entzogen, ob die belangte Behörde (wie schon die Erstbehörde) zu Recht davon ausgehen durfte, dass der Antrag des Beschwerdeführers in Wahrheit auf Erteilung einer Lenkberechtigung gerichtet und als solcher zu behandeln war, oder ob sie den erstbehördlichen Bescheid bestätigt hat, obwohl dieser über einen gar nicht gestellten Antrag des Beschwerdeführers abgesprochen hat. Sollte die Erstbehörde aber über einen gar nicht gestellten Antrag entschieden haben, so hätte sie einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt, nämlich die Entscheidung über die Erteilung oder Nichterteilung einer Lenkberechtigung, von Amts wegen gesetzt und ihren Verwaltungsakt damit mit Rechtswidrigkeit belastet (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 9. November 1977, Slg. Nr. 9425/A, sowie vom 20. April 2001, Zl. 99/05/0070). Es wäre diesfalls Sache der belangten Behörde gewesen, den zu Unrecht von Amts wegen gesetzten Akt ersatzlos zu beheben.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 22. Oktober 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002110078.X00Im RIS seit
20.01.2003