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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §20;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des J H in S, vertreten durch Dr. Gerhard Stranzinger, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Schwanthalergasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 13. März 2000, RV347/1-10/1998, betreffend Haftung für Abgaben, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war Geschäftsführer der H-GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 26. November 1997 der Konkurs eröffnet worden ist. Mit Beschluss vom 1. Dezember 1999 ist das Konkursverfahren mangels Deckung der Kosten des Verfahrens gemäß § 166 KO aufgehoben worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über die Berufung des Beschwerdeführers vom 23. Juli 1998 entschieden und damit der Beschwerdeführer im Instanzenzug gemäß § 9 Abs. 1 und § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der H-GmbH im Ausmaß von ca. 9,4 Mio. S herangezogen (Umsatzsteuer 1992 bis 1994 und 1996, Säumniszuschläge und Dienstgeberbeitrag). In der Bescheidbegründung wird u.a. ausgeführt, die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der H-GmbH stehe fest, weil der Konkurs mangels Kostendeckung habe aufgehoben werden müssen. Der Masseverwalter habe der belangten Behörde im Schreiben vom 13. Dezember 1999 mitgeteilt, dass nur die Masseforderungen nach § 46 Abs. 1 Z 1 KO hätten befriedigt werden können und dass vom Beschwerdeführer im Konkursverfahren angegebene Vermögensgegenstände (Edelsteine) der H-GmbH nicht verwertbar gewesen seien.
Hinsichtlich Umsatzsteuer 1992 werde der Beschwerdeführer insoweit zur Haftung herangezogen, als der offene Abgabenrückstand auf unberechtigte Vorsteuerabzüge entfalle. Die Umsatzsteuer 1993 betreffe Fahrzeugexporte, die als umsatzsteuerfrei behandelt worden seien, für welche aber niemals Ausfuhrnachweise vorgelegt worden seien. Hinsichtlich Umsatzsteuer 1995 habe der Beschwerdeführer in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Haftungsbescheid vorgebracht, der Abgabenrückstand habe sich ergeben, weil sich der Beschwerdeführer auf die Auskunft eines Steuerberaters verlassen und einen Vorgang als steuerfrei behandelt habe; aufgrund dieses Vorbringens schließe die belangte Behörde ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers aus und sehe von der Geltendmachung der Haftung für Umsatzsteuer 1995 ab. Die Umsatzsteuernachforderungen für 1994 und 1996 ergäben sich schon aus den vom Beschwerdeführer unterfertigten Abgabenerklärungen.
Der Beschwerdeführer habe gegen die Heranziehung zur Haftung für Umsatzsteuer 1996 eingewendet, die H-GmbH habe die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1988 beantragt und über diesen Antrag sei bisher nicht entschieden worden. Bei Bewilligung der Wiederaufnahme der Verfahren und Erlassung geänderter Sachbescheide würde sich ein Steuerguthaben von 5,8 Mio. S ergeben. Die belangte Behörde verweise in diesem Zusammenhang darauf, dass die Abgaben für 1988 Gegenstand eines umfangreichen Berufungsverfahrens gewesen seien. Mit Berufungsentscheidung vom 19. Oktober 1992 sei der Kauf eines Patentrechtes durch die H-GmbH als Scheingeschäft angesehen und der Vorsteuerabzug von 5,8 Mio. S nicht anerkannt worden. Der Verwaltungsgerichtshof habe die gegen die Berufungsentscheidung eingebrachte Beschwerde mit Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, 92/14/0024, abgewiesen. In der Folge habe die H-GmbH die Wiederaufnahme der Verfahren beantragt. Der Antrag sei damit begründet worden, dass YT, an welche die H-GmbH die Patentrechte um 70 Mio. S weiterverkauft habe, ihrer Zahlungspflicht in der Folge fast zur Gänze nachgekommen sei. Der Antrag sei weiters damit begründet worden, dass das Deutsche Patentamt am 12. Oktober 1995 einen Patenterteilungsbeschluss gefasst habe und dass am 28. März 1996 eine Patenturkunde ausgestellt worden sei. Das Finanzamt habe den Wiederaufnahmeantrag mit Bescheid vom 16. Oktober 1998 abgewiesen, weil er sich ausschließlich auf Vorgänge stütze, die sich nach Abschluss des seinerzeitigen Abgabenverfahrens ereignet hätten. Gegen diesen Abweisungsbescheid habe die H-GmbH berufen. Die belangte Behörde verweise darauf, dass im Abgabenverfahren strittig gewesen sei, ob der Patentkauf ein Scheingeschäft darstelle. Selbst wenn es zuträfe, dass die von der H-GmbH vorgelegten Beweismittel Wiederaufnahmegründe darstellten, wäre daraus nichts zu gewinnen: Aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1996 ergebe sich nämlich, dass die Forderung der H-GmbH gegen SA, welche zur Begleichung des Patentkaufpreises in Höhe von 34,8 Mio. S abgetreten worden sei, tatsächlich wertlos gewesen sei. Gerade dieses Fehlen einer Gegenleistung rechtfertige die Annahme eines Scheingeschäfts. Auf den tatsächlichen Wert des Patentrechts komme es daher gar nicht mehr an. Dem Umstand, dass Patentrechte später an YT weiterveräußert worden seien, komme somit nach Ansicht der belangten Behörde keine Bedeutung zu. Da somit der Berufung der H-GmbH gegen den Bescheid des Finanzamtes, mit welchem der Wiederaufnahmeantrag abgewiesen worden ist, kein Erfolg beschieden sein könne, stehe die Uneinbringlichkeit der Abgaben fest.
Die schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters lasse vermuten, dass diese Pflichtverletzung die Ursache für die Uneinbringlichkeit der Abgabe sei. Es seien keine Gründe vorgebracht worden, die gegen einen solchen Kausalzusammenhang sprechen würden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde hätte ihr Verfahren formlos oder gemäß § 281 BAO aussetzen müssen, bis über die Berufung der H-GmbH gegen den Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren (Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1988) entschieden worden sei. Der Beschwerdeführer habe einen Anspruch darauf, dass er nur für Abgaben in Anspruch genommen werde, über die rechtskräftig entschieden sei. Für eine solche Entscheidung sei die belangte Behörde nicht zuständig gewesen, sie habe die Frage nur iSd
§ 116 BAO als Vorfrage beurteilen können. Zudem sei die Vorfrage materiell falsch gelöst worden, weil die belangte Behörde verkannt habe, unter welchen Voraussetzungen ein Scheingeschäft iSd
§ 23 BAO angenommen werden dürfe. Die Aussetzung des Verfahrens hätte auch einer richtigen Ermessensübung entsprochen.
Zum Vorbringen, der Beschwerdeführer hafte nur für Abgaben, über die bereits rechtskräftig entschieden sei, führt die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht aus, dass der Beschwerdeführer zur Haftung für Abgaben herangezogen worden ist, hinsichtlich derer rechtskräftige Abgabenvorschreibungen gegenüber der H-GmbH bestehen. Daran ändert die Berufung gegen einen die Wiederaufnahme von Verfahren ablehnenden Bescheid nichts. Ergänzend sei erwähnt, dass die Geltendmachung der Haftung die Vorschreibung der Abgabe gegenüber dem Primärschuldner nicht voraussetzt (vgl das hg Erkenntnis vom 25. März 1999, 99/15/0019).
Das Beschwerdevorbringen ist dahingehend zu verstehen, dass sich im Falle einer Wiederaufnahme der Verfahren und einer antragsgemäßen Neufestsetzung der Umsatzsteuer 1988 bei der H-GmbH ein Vermögenszugang in Form einer Vorsteuergutschrift ergäbe, weshalb die belangte Behörde nicht von der Uneinbringlichkeit des Abgabenrückstandes hätte ausgehen dürfen.
Hiezu ist zunächst darauf zu verweisen, dass Abgaben iSd § 9 Abs. 1 BAO uneinbringlich sind, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 9 Tz 5). Ob eine Haftung zu Recht besteht, hat die Berufungsbehörde nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu entscheiden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1998, 97/15/0132). Dass bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Uneinbringlichkeit vorgelegen ist, ist unbestritten. Die belangte Behörde konnte bei Erlassung des angefochtenen Bescheids unbedenklich davon ausgehen, dass die theoretische Möglichkeit einer künftigen Wiederaufnahme der Verfahren derzeit keine Möglichkeit der Einbringung der Abgaben verschafft.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers liegt auch keine dem Gesetz nicht entsprechende Ermessensübung vor, wenn die belangte Behörde mit ihrer Entscheidung nicht zugewartet hat, bis die zuständige Behörde über die Berufung betreffend Wiederaufnahme von Abgabenverfahren entschieden hat. Gemäß § 311 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden über die in Abgabenvorschriften vorgesehenen Anbringen der Parteien, und damit auch über Berufungen, ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Die Entscheidungspflicht der Berufungsbehörde ergibt sich auch aus Art. 132 B-VG iVm § 27 VwGG. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 19. November 1999, 97/15/0132, ausgesprochen hat, verbietet das Gesetz die Verzögerung der Erledigung ungeachtet des Umstandes, dass unter Umständen bei einem weiteren Zuwarten - etwa im Fall des Auftauchens weiteren Vermögens bei der Primärschuldnerin - ein anders lautender Bescheid hätte ergehen müssen. Ausschließlich die Bestimmung des § 281 BAO hätte der belangten Behörde - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - eine Rechtsgrundlage geboten, die Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers auf einen späteren Zeitpunkt hinauszuschieben. Auf eine Aussetzung des Berufungsverfahrens nach § 281 BAO hat ein Berufungswerber aber - wie der Beschwerdeführer selber in der Beschwerde ausführt - keinen Rechtsanspruch (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1998, 96/15/0169). Solcherart wurde der Beschwerdeführer nicht dadurch in subjektiven Rechten verletzt, dass die belangte Behörde die Erlassung der Berufungsentscheidung nicht hinausgeschoben hat.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, die belangte Behörde habe Ermittlungen beim Masseverwalter angestellt, ob im Konkurs der H-GmbH noch finanzielle Mittel zu erwarten seien. Der Masseverwalter habe sodann mit Schreiben vom 13. Dezember 1999 mitgeteilt, dass vom Beschwerdeführer im Konkursverfahren angeführte Vermögensgegenstände (Edelsteine) nicht verwertbar gewesen seien. Unter Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör sei dieses Schreiben dem Beschwerdeführer nicht bekannt gegeben worden. Er habe deshalb keine Möglichkeit gehabt, zur Nichtverwertbarkeit der Edelsteine Stellung zu nehmen. Der angefochtene Bescheid lasse auch nicht erkennen, aus welchen konkreten Gründen die Edelsteine nicht verwertbar seien.
Es ist unbestritten, dass der Konkurs über das Vermögen der H-GmbH im Dezember 1999 mangels Vermögens aufgehoben worden ist. Aus der Konkursaufhebung mangels Kostendeckung konnte die belangte Behörde auf die Uneinbringlichkeit iSd § 9 BAO schließen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. August 1994, 94/15/0016).
Die belangte Behörde hat zwar das Schreiben des Masseverwalters entgegen der Vorschrift des § 183 Abs. 4 BAO dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis gebracht. Die Wesentlichkeit dieses Verfahrensfehlers zeigt die Beschwerde allerdings nicht auf. Sie führt nämlich nicht aus, dass bzw in welcher Weise die Abgabenbehörde die Abgaben durch Vollstreckungsmaßnahmen hätte einbringen können.
Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 501/2001.
Wien, am 22. Oktober 2002
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000140083.X00Im RIS seit
18.02.2003