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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des 1970 geborenen N in St. G, vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. März 2001, Zl. 205.141/0-X/31/98, betreffend §§ 7 und 8 des Asylgesetzes 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus dem Presevo-Tal in Südserbien und gehört der albanischen Volksgruppe an. Am 5. Juni 1998 gelangte er in das Bundesgebiet und beantragte am 10. Juni 1998 die Gewährung von Asyl.
Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25. Juni 1998 gab er als Grund für seine Flucht und für sein Ansuchen um Asyl an:
"Ich habe eine Ladung zur Mobilisierung bekommen. Ich bekam diese Ladung am 28.5.1998. Der Briefträger brachte diese Ladung zu mir nach Hause.
F: Haben Sie die Ladung übernommen?
A: Nein, ich war nicht zuhause.
F: Woher wissen Sie dann von der Ladung?
A: Meine Eltern haben die Ladung übernommen. Die Ladung müsste zuhause sein. Ich hätte bei der Verteidigungsbehörde vorsprechen müssen. Es war eine Mobilisierung, ich habe auch davon gehört, dass manche mobilisiert wurden.
F: Warum wollten Sie nicht zum Militär?
A: Weil ich Angst hatte, ich hatte Angst, dass ich irgendwo im Krieg gebraucht werde. Ich habe einmal den Krieg erlebt, ich war in Kroatien, das reicht. Ich war in Vukovar eingesetzt, ich war Gefreiter. Vom 18.11.91 bis 18.1.92 war ich im Einsatz in Vukovar, ich leistete damals Militärdienst, wir waren in einem Gebiet eingesetzt, wo wir Säuberungen machen mussten.
Ich war für zehn Soldaten verantwortlich. Wir haben die Toten aufladen müssen auf LKWs, die wurden dann weggebracht. Wo die hingekommen sind weiß ich nicht, die meisten der Toten waren Zivilisten.
Ich bin glücklich, dass ich nicht so krank bin, es gibt Menschen, die sind dabei verrückt geworden. Aber ab und zu habe ich schlechte Momente, da kommt mir wieder die ganze Sache in den Sinn, ich kriege das nicht aus dem Kopf.
Ich habe dort massakrierte Leute gesehen und wir mussten die Toten wegräumen. Es gab dort Leute ohne Kopf, ohne Arm, ohne Fuß, es fehlten manchen die Gliedmassen. Es waren Serben und Kosovo-Albaner, die die Leichen wegräumen müssten. Es war die letzte Generation von uns Albanern die da im Einsatz waren.
...
Wie ich jetzt die Ladung bekommen habe, da dachte ich mir, ich mach das nicht mehr mit, so bin ich davongelaufen. Ich kann mit Dokumenten beweisen, dass ich in Vukovar im Einsatz war.
F: Können Sie die Ihnen nunmehr zugegangene Ladung dem Bundesasylamt vorlegen?
A: Ich werde zuhause anrufen, ich werde es versuchen, dass ich diese Ladung bekomme."
Mit Bescheid vom 2. September 1998 wies die Erstbehörde den Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 - AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Unter Darlegung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens gelangte die Erstbehörde zur Feststellung, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers weder Asylrelevanz zukomme noch dieses als glaubwürdig einzustufen sei. Weder bestünde zum gegenwärtigen Zeitpunkt für jugoslawische Staatsangehörige serbischer Volksgruppenzugehörigkeit Mobilisierungszwang noch würden albanisch-stämmige Bürger der Bundesrepublik Jugoslawien gezielt militärstrategischen Überlegungen unterworfen bzw. gezielt Kosovo-Albaner zum Militärdienst einberufen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass Kosovo-Albaner bevorzugt zum Wehrdienst eingezogen würden. Seit dem Inkrafttreten des Amnestiegesetzes am 22. Juni 1996 würden Fälle der Wehrdienstentziehung und Desertion, die unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fielen, nicht mehr bestraft.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er unter anderem vorbrachte, laut einem Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe seien nach Verabschiedung des genannten Amnestiegesetzes etliche Fälle dokumentiert und belegt, die bewiesen, dass dieses Gesetz von den serbischen Behörden im Kosovo für Kosovo-Albaner nicht beachtet werde. Aus dem genannten Bericht gehe hervor, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit begründete Furcht vor Verfolgung habe, die bis heute andauere.
Zum Verlauf der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen
Bundesasylsenat (der belangten Behörde) vom 17. Jänner 2001 führt
das Protokoll unter anderem aus (VL = Verhandlungsleiter, AW
= Beschwerdeführer):
"VL: Zur Frage, ob er heute in Bujanovac verfolgt würde, bzw.
ob er bei einer Rückkehr in die BR Jugoslawien aus Gründen der GFK, Gefahr laufen würde, an seinem Leben bedroht zu sein bzw. einer unmenschlichen Behandlung unterworfen zu werden oder in seiner Freiheit bedroht wäre, offen.
AW: Ich werde bestimmt unmenschlich behandelt, falls ich zurückkehre werde ich bestimmt verhaftet, nach dem jugoslawischen Gesetz drohen mir 5 bis 20 Jahre.
VL: Weshalb würde Ihnen eine Haftstrafe drohen?
AW: Ich habe einen Einberufungsbefehl zur Mobilisierung erhalten, ich habe dem nicht Folge geleistet, darum werden sie mich verhaften.
VL: Es ist Ihnen im Verfahren erster Instanz nicht gelungen, die Glaubhaftmachung dafür zu erbringen, dass Sie einen Einberufungsbefehl erhalten haben. Zu der Zeit als Sie geflohen sind, ist es dem Ubas nicht gelungen, Beweise für die Einberufung von Albanern zu erbringen.
AW: Als ich einen Einberufungsbefehl bekommen habe, war ich in der Gegend nicht der einzige, es wurden viele Bewohner aus dieser Gegend einberufen; es gab sehr viele Albaner wie ich, die der Ladung nicht Folge geleistet haben; es haben sich aber auch Albaner gemeldet, die gegen Albaner gekämpft haben und nun international gesucht werden.
VL: Ich teile die Auffassung der Behörde erster Instanz, dass Ihnen der Nachweis einer Ladung zur Mobilisierung nicht gelungen ist.
AW: Als ich vor dem BAA einvernommen wurde meinte ich, dass ich die Ladung besorgen könnte, doch ist es der Mutter und meinem Bruder nicht gelungen, die Ladung zu finden.
VL: Wenn diese Ladung der Grund für Ihre Flucht war, warum haben Sie diese Ladung nicht mitgebracht?
AW: Ich hatte Angst die Ladung mitzunehmen, weil ich Angst hatte, falls man mich verhaftet, und ich die Ladung bei mir hätte, dass ich der Ladung nicht Folge geleistet habe. Ich wollte einfach schnell flüchten, ich wusste nicht, dass diese Ladung von so großer Bedeutung sein wird.
..."
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer weitere Stellungnahmen ein. In seiner Stellungnahme vom 31. Jänner 2001 verwies er auf die Gefahr, im Falle einer Rückkehr willkürlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein, um ihn zur Flucht aus seiner Heimat zu bewegen. Betreffend eine am 13. Jänner 2001 vom jugoslawischen Parlament beschlossene Amnestie bleibe abzuwarten, inwieweit diese tatsächlich umgesetzt werde. Weiters bleibe offen, inwiefern Personen, die sich geweigert hätten, der Einberufung Folge zu leisten, nicht Gefahr liefen, neuerlich einberufen zu werden und bei der Ableistung des Militärdienstes asylrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG in Verbindung mit § 57 des Fremdengesetzes 1997 - FrG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei. Nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges traf die belangte Behörde die folgenden Feststellungen:
"( Der Beschwerdeführer kommt aus dem Presevo-Tal um Süden Serbiens.
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In diesem Gebiet leben zwischen 70.000 und 100.000 Angehörige der
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albanischen Volksgruppe.
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Auf diesem Gebiet liegt an der Verwaltungsgrenze zum Kosovo eine 5 km breite Zone ausgedünnter Sicherheitspräsenz Serbiens. In diesem Gebiet sind zwischen 400 und 600 Kämpfer gegen die serbische Hoheitsgewalt tätig ...
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Als Folge der Spannungen und bewaffneten Zusammenstöße zwischen Rebellen und serbischer Ordnungsmacht sind zwischen 5000 und 20.000 Albaner in den Kosovo emigriert.
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Der Beschwerdeführer ist von Beruf Elektromechaniker und verließ seine Heimat unter Mitnahme eines Personaldokumentes und seines militärischen Ausweises, ließ aber den behauptetermaßen ergangenen Einberufungs-/Mobilisierungsbefehl zu Hause, wo dieser nicht mehr aufzufinden gewesen sei.
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Die Hinweise in der mündlichen Verhandlung auf Probleme eines Freundes beim beabsichtigten Beheben einer Licna Carta wird ebenso als für die Sache des Beschwerdeführers unbedeutend festgestellt wie die Tatsache des Migrierens seiner Familie nach Mazedonien wegen einer befürchteten Eskalation der allgemeinen Situation.
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Angesichts behaupteter Furcht des Beschwerdeführers vor einer Vereinnahmung durch die Rebellen erweist sich der Hinweis auf die Positionierung eines serbischen Panzers in der Nähe seines Wohnhauses als kontraproduktiv, weil durch dieses Faktum gegenüber einer befürchteten Rekrutierung durch albanische Freischärler eher Sicherheit des Beschwerdeführers indiziert wird.
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Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine Einberufung glaubhaft zu machen, er ist weder verfolgt noch bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Gefährdung im Sinne von § 57 FrG ausgesetzt.
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Die mit 400 bis 600 Mann anzunehmende Gruppe von Rebellen ist offenkundig isoliert und es gibt keine Grundlagen für eine Feststellung, dass die jugoslawische Verwaltung incl der Militär- und Sicherheitsverwaltung in dem durch nichts in Erscheinung getretenen Beschwerdeführer bzw in jedem rund 30-jährigen Angehörigen der albanischen Volksgruppe im Presevo-Gebiet einen zu verfolgenden Gegner sehen würde. Es gibt auch keine Anzeichen für eine Feststellung, dass der Beschwerdeführer innerhalb der - im Übrigen: nicht verfolgten - 70.000 bis 100.000 Albaner des Presevo-Tales einer Gruppe angehören würde, welche mit einer nennenswerten Wahrscheinlichkeit der Verfolgung oder Beschneidung in den Werten nach § 57 FrG ausgesetzt wäre."
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde hiezu aus:
"Bei der erklärten Bedachtnahme darauf, welche Dokumente mit auf die Flucht genommen werden, wäre es dem in der mündlichen Verhandlung erkennbaren Intellekt des Beschwerdeführers als selbstverständlich zuzumuten, dass er dafür Vorsorge trifft, das fluchtauslösende Dokument der Einberufung in den Aufnahmestaat - hier: nach Österreich - nachgesendet zu erhalten. Die behauptete Einberufung ist daher wegen Widerspruchs zur Lebenserfahrung nicht glaubwürdig, womit sich jede weitere Überlegung zur Frage einer allfälligen Amnestie erübrigt. Auch die Frage einer inländischen Fluchtalternative, die im Übrigen mit dem Kosovo zweifelsfrei gegeben wäre, bedarf bei diesem Stande der Beurteilung keiner Erörterung mehr.
Die Behauptung einer Gefährdung bei der Rückkehr beruht auf bloß hypothetischen Annahmen. Es gibt keinen ernsthaften Anhaltspunkt dafür, dass eine isolierte Gruppe von 400 bis 600 Rebellen in der Lage wäre, den Beschwerdeführer zwangsweise zu rekrutieren. Ebenso wenig gibt es ernsthafte Anzeichen dafür, dass die serbische Verwaltung gegenüber dem seit 3 Jahren in Österreich lebenden - durch nichts auffällig gewesenen - Beschwerdeführer den Verdacht haben würde, er sei einer der bekämpften Angehörigen der 400 bis 600 Mann zählenden Rebellengruppe, zumal es dem Beschwerdeführer ein Leichtes wäre den Nachweis für seine Abwesenheit von der BR Jugoslawien zu erbringen.
Die hypothetischen Annahmen einer Verfolgung (zu § 7 AsylG) oder Gefährdung (zu § 8 AsylG) lassen sich auch nicht durch eine Prognose erhärten.
Eine Prognose geht ganz eindeutig in die gegenteilige Richtung. Die Bekundung des Willens zu friedlicher Lösung der offenen Probleme im Presevo-Gebiet durch die gegenwärtige Staatsgewalt ist in ihrer Glaubwürdigkeit bis zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch keine gegenteiligen Ereignisse erschüttert.
Den Behauptungen einer Verfolgung und von drohenden Inkommoditäten im Falle einer Rückkehr mangelt es an jeder Substanziierung, sie sind ohne jeglichen Hintergrund in den Raum gestellt und vermögen deshalb nicht als glaubhaft beurteilt zu werden."
In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde zur Schlussfolgerung, das Beweisverfahren habe ergeben, dass die rechtlichen Bedingungen von § 7 und § 8 AsylG nicht einmal im Ansatz erfüllt seien.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer sieht eine Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde unter anderem darin, es wäre ihrer Ansicht nach nicht glaubhaft, dass er seinen Einberufungsbefehl bei seiner Flucht nicht mitgenommen habe, obwohl er einen Ausweis bei sich gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe dies damit gerechtfertigt, dass er den Ausweis bei sich gehabt habe, um sich auf seiner Flucht durch das Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien zumindest ausweisen zu können. Die belangte Behörde hätte zum Schluss kommen müssen, dass ein 30- jähriger Albaner aus Südserbien derzeit im Falle seiner Rückkehr in seine Heimat dort asylrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen von hoher Eingriffintensität ausgesetzt sei. Serbische Sicherheitsorgane würden es mit Sicherheit zu verhindern wissen, dass sich ein 30-jähriger Albaner in seiner Heimat niederlasse.
Damit zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Im vorliegenden Fall begründete die belangte Behörde das Misslingen der Glaubhaftmachung einer Einberufung des Beschwerdeführers damit, bei der erklärten Bedachtnahme darauf, welche Dokumente auf die Flucht mitgenommen würden, wäre es (bei) dem in der mündlichen Verhandlung (vor der belangten Behörde) erkennbaren Intellekt des Beschwerdeführers als selbstverständlich zuzumuten gewesen, dass er dafür Vorsorge treffe, das fluchtauslösende Dokument der Einberufung in den Aufnahmestaat - hier: nach Österreich - nachgesendet zu erhalten. Die behauptete Einberufung sei daher wegen Widerspruches zur Lebenserfahrung nicht glaubwürdig.
Die unterbliebene Glaubhaftmachung der Einberufung war für die belangte Behörde wiederum dazu Anlass, "jede weitere Überlegung zur Frage einer allfälligen Amnestie" zu unterlassen. Auch die Frage einer innerstaatlichen Schutzalternative bedurfte nach Ansicht der belangten Behörde bei diesem Stand der Beurteilung keiner Erörterung mehr.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag der belangten Behörde nicht darin zu folgen, die behauptete Einberufung sei wegen Widerspruches zur Lebenserfahrung nicht glaubwürdig, weil dem Beschwerdeführer - unter Berücksichtigung seines Intellekts - zuzumuten gewesen wäre, für eine Nachsendung wichtiger Dokumente Vorsorge zu treffen:
Soweit die belangte Behörde ihrer Beweiswürdigung die Prämisse voranstellte, dem Beschwerdeführer sei es "selbstverständlich zuzumuten" gewesen, für die Nachsendung der Einberufung zu sorgen, handelt es sich hiebei - im Gegensatz zu der von ihr im Folgenden noch herangezogenen "Lebenserfahrung" - um eine Rechtsansicht, die zur schlüssigen Begründung der Beweiswürdigung (der Überzeugung von Tatsachen) nichts beizutragen vermag.
Weiters kennt der Verwaltungsgerichtshof keine allgemeine Lebenserfahrung (keinen allgemeinen Erfahrungssatz), wonach Flüchtlinge für die Nachsendung von für sie wichtigen, allenfalls die Flucht auslösenden Dokumenten in den beabsichtigten Aufnahmestaat vorsorgen. Selbst wenn der belangten Behörde im Besonderen eine solche Lebenserfahrung zugänglich sein sollte, hätte sie diese vorerst nachvollziehbar darzulegen gehabt. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde zur tragenden (Negativ-)Feststellung einer Einberufung des Beschwerdeführers entbehrt daher der Schlüssigkeit.
Dem vom Beschwerdeführer aufgezeigten Verfahrensmangel kommt insofern Relevanz zu, als der angefochtene Bescheid jeglicher weiterer Feststellungen über eine allfällige, von ethnischen Gesichtspunkten frei gehandhabte Amnestie oder über eine innerstaatliche Schutzalternative entbehrt.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung 2001.
Wien, am 22. Oktober 2002
Schlagworte
freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001010092.X00Im RIS seit
09.01.2003