TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/22 2000/11/0230

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Veröffentlicht am 22.10.2002
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E06205000;
E6J;
59/04 EU - EWR;
72/02 Studienrecht allgemein;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

11992E048 EGV Art48;
11992E052 EGV Art52;
11997E039 EG Art39;
11997E043 EG Art43;
31978L0686 Anerkennungs-RL Diplome Prüfungszeugnisse Zahnarzt Art3a;
31978L0686 Anerkennungs-RL Diplome Prüfungszeugnisse Zahnarzt Art7 Abs3;
31978L0687 Zahnarzt-RL Art1 Abs4;
31978L0687 Zahnarzt-RL;
61992CJ0319 Haim / Kassenzahnärtzliche Vereinigung Nordrhein VORAB;
61993CJ0154 Tawil-Albertini VORAB;
61997CJ0224 Ciola VORAB;
61997CJ0234 Fernandez de Bobadilla VORAB;
61998CJ0238 Hocsman VORAB;
61998CJ0397 Metallgesellschaft VORAB;
62000CJ0031 Dreessen VORAB;
ÄrzteG 1998 §18 Abs3;
ÄrzteG 1998 §19 Z3;
EURallg;
EWR-ÄrzteV 1999 §9 Abs2;
UniStG 1997 §70;
UniStG 1997 §71 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 21. Juni 2000, Zl. 9/01-44.012/78-2000, betreffend Eintragung in die Ärzteliste (mitbeteiligte Partei: A, vertreten durch DDr. Wolf Freissmuth, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

Der Mitbeteiligte - ein deutscher Staatsangehöriger, der in Rumänien seine zahnärztliche Ausbildung absolviert hat, dem am 1. September 1989 vom Regierungspräsidium Stuttgart, Land Baden-Württemberg, die Approbation als Zahnarzt erteilt wurde und der seit 1. November 1992 als niedergelassener Kassenarzt für den Ort Moers (Nordrhein) tätig war - beantragte bei der Österreichischen Ärztekammer die Eintragung in die Ärzteliste als Zahnarzt.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 1999 wies die Österreichische Ärztekammer den Antrag des Mitbeteiligten auf Eintragung in die Ärzteliste als Zahnarzt gemäß §§ 18 und 19 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 8 der EWR-Ärzte-Qualifikationsnachweis-Verordnung (EWR-ÄrzteV) seien Nachweise im Sinne des § 19 Z. 2 ÄrzteG 1998 die in der Anlage 6 angeführten zahnärztlichen Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise. Anlage 6 der zitierten Verordnung gebe für Deutschland das von der zuständigen Behörde ausgestellte "Zeugnis über die zahnärztliche Staatsprüfung" an. Bei dem vom Mitbeteiligten in Rumänien erworbenen Diplom handle es sich um kein Diplom im Sinne der Anlage 6 zur EWR-ÄrzteV. Eine Eintragung des Mitbeteiligten sei daher nur nach § 18 ÄrzteG 1998 möglich. § 18 Abs. 3 ÄrzteG 1998 sehe aber als besonderes Erfordernis für die selbstständige Ausübung des zahnärztlichen Berufes entweder den Nachweis eines an einer Universität in der Republik Österreich erworbenen Doktorates der Zahnheilkunde oder den Nachweis eines gleichwertigen im Ausland erworbenen und in Österreich als Doktorat der Zahnheilkunde nostrifizierten akademischen Grades vor. Da der Mitbeteiligte dies nicht nachweisen könne, sei auch die Zulassung zur selbständigen Ausübung des zahnärztlichen Berufes nach § 18 ÄrzteG 1998 nicht möglich. An dieser Beurteilung ändere auch nichts, dass der Mitbeteiligte in der Bundesrepublik Deutschland die Approbation zum Zahnarzt erhalten habe und als Zahnarzt in Deutschland tätig gewesen sei. Nach EG-Recht gelte die Verpflichtung zur "automatischen" Anerkennung ausländischer Zahnarztdiplome ohne inhaltliche Überprüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsganges, wie sie in der Richtlinie 78/686/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr, ABl. Nr. 233 vom 24. August 1978, S. 1-9 (Richtlinie 78/686/EWG), bzw. in der Richtlinie 78/687/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Zahnarztes, ABl. Nr. 233 vom 24. August 1978, S. 10-14 (Richtlinie 78/687/EWG), vorgesehen sei, nur dann, wenn die Ausbildung in einem EU-Mitgliedstaat zurückgelegt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) habe ausdrücklich ausgesprochen, dass die Anerkennung von in Drittstaaten (also außerhalb der EG) ausgestellten Befähigungsnachweisen durch einen Mitgliedstaat die anderen Mitgliedstaaten auch dann nicht binde, wenn diese Befähigungsnachweise in einem oder in mehreren Mitgliedstaaten als gleichwertig anerkannt worden sind.

Der Mitbeteiligte erhob Berufung.

Mit Bescheid vom 21. Juni 2000 behob der Landeshauptmann von Salzburg gemäß § 66 Abs. 4 AVG den Bescheid der Österreichischen Ärztekammer und gab dem Antrag des Mitbeteiligten auf Eintragung in die Ärzteliste als Zahnarzt gemäß § 27 Abs. 7 in Verbindung mit § 19 Z. 1 und 3 ÄrzteG 1998 statt. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Salzburg nach wörtlicher Wiedergabe des Bescheides der Österreichischen Ärztekammer sowie der Berufung und nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, "der vorliegende Nachweis als solcher" sei im Sinne des § 19 Z. 3 ÄrzteG 1998, und zwar als Diplom, Prüfungszeugnis oder sonstiger Befähigungsnachweis des Zahnarztes einschließlich Bescheinigung gemäß Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 78/686/EWG, zu qualifizieren. Dem Einwand der Österreichischen Ärztekammer, dass nach geltendem EG-Recht die Verpflichtung zur automatischen Anerkennung ausländischer Zahnarztdiplome ohne inhaltliche Überprüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsganges nur dann gelte, wenn die Ausbildung in einem EU-Mitgliedstaat zurückgelegt worden sei, könne nicht gefolgt werden, da in § 9 Abs. 2 der EWR-ÄrzteV nicht auf die Absolvierung der Ausbildung in einem EWR-Vertragsstaat abgestellt werde, sondern lediglich der Abschluss einer Ausbildung vorausgesetzt werde, die den Bestimmungen des Art. 2 oder 4 der Richtlinie 78/687/EWG entspreche. Der Nachweis, dass die vom Mitbeteiligten absolvierte Ausbildung diesen Maßstäben gerecht werde, werde durch die Bescheinigung der Zahnärztekammer Nordrhein insofern erbracht, als diese bescheinige, dass die erfolgte Approbation mit dem in Art. 3 a der Richtlinie 78/686/EWG aufgeführten Zeugnis über die zahnärztliche Staatsprüfung übereinstimme. Da das Zeugnis über die zahnärztliche Staatsprüfung eine der Bestimmung des Art. 2 der Richtlinie 78/687/EWG entsprechende Ausbildung abschließe, sei auf Grund der vorgelegten Bescheinigung der Zahnärztekammer Nordrhein davon auszugehen, dass die Approbation auf der Grundlage erteilt worden sei, dass die vom Mitbeteiligten absolvierte Ausbildung eine der Bestimmung des Art. 2 der Richtlinie 78/687/EWG entsprechende Ausbildung abschließe, auch wenn diese nicht in einen EWR-Vertragsstaat absolviert worden ist.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 28 letzter Satz ÄrzteG 1998 gestützte, Beschwerde des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen. Die belangte Behörde habe zu Unrecht der Berufung der mitbeteiligten Partei entsprochen und eine nicht der Rechtslage entsprechende Aufhebung des Bescheides der Österreichischen Ärztekammer ausgesprochen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch unter Hinweis auf die ausführliche Begründung im angefochtenen Bescheid von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Die einschlägigen Bestimmungen des ÄrzteG 1998 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 81/2000 lauten (auszugsweise):

"§ 18. (1) Zur selbstständigen Ausübung des zahnärztlichen Berufes bedarf es, unbeschadet der §§ 19, 32 bis 34, 36 und 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

(2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind

1. die österreichische Staatsbürgerschaft oder die Staatsangehörigkeit einer der übrigen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum,

2.

die Eigenberechtigung,

3.

die Vertrauenswürdigkeit,

4.

die gesundheitliche Eignung sowie

5.

ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache.

(3) Besonderes Erfordernis im Sinne des Abs. 1 ist für den Zahnarzt das an einer Universität in der Republik Österreich erworbene Doktorat der Zahnheilkunde oder ein gleichwertiger im Ausland erworbener und in Österreich als Doktorat der Zahnheilkunde nostrifizierter akademischer Grad.

...

§ 19. Staatsangehörige der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind zur selbständigen Berufsausübung als Zahnarzt berechtigt, wenn sie

1. die in § 18 Abs. 2 angeführten allgemeinen Erfordernisse erfüllen und

2. im Besitz eines Diplomes, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises des Zahnarztes gemäß Artikel 3 der Richtlinie 78/686/EWG für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr (ABl. Nr. 233 vom 24. 7. 1978 S 109) oder

3. im Besitz eines Diplomes, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises des Zahnarztes einschließlich Bescheinigung gemäß Artikel 7 Abs. 1 oder 3 oder Artikel 7a Abs. 1 der Richtlinie 78/686/EWG oder

...sind

... und

6. in die Ärzteliste eingetragen worden sind.

...

§ 27. ...

(7) Erfüllt die betreffende Person die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse, so hat sie die

Österreichische Ärztekammer in die Ärzteliste einzutragen und ... .

(8) Erfüllt die betreffende Person die Erfordernisse nicht, so hat die Österreichische Ärztekammer die Eintragung in die Ärzteliste mit Bescheid zu versagen.

...

§ 28. Gegen Bescheide der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 27 Abs. 8 steht die Berufung an den Landeshauptmann offen, in dessen Bereich der Hauptwohnsitz oder, wenn der Arzt keinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, der zuletzt in Österreich innegehabte Hauptwohnsitz oder, sofern ein solcher nicht bestanden hat, der letzte Wohnsitz oder Aufenthalt des Arztes in Österreich oder, sofern auch ein solcher nicht besteht, der in Aussicht genommene Wohnsitz, Berufssitz oder Dienstort gelegen ist. Der Landeshauptmann hat Bescheide, mit denen Berufungen stattgegeben wurde, binnen zwei Wochen nach deren Rechtskraft unter Anschluss der Entscheidungsunterlagen dem Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales (nunmehr: Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) vorzulegen. Dieser kann gegen solche Bescheide Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben.

..."

1.2. Die einschlägigen Bestimmungen der auf Grund des ÄrzteG 1998 erlassenen EWR-ÄrzteV, BGBl. II NR. 57/1999, idF. der Verordnung BGBl. II Nr. 59/2000, lauten (auszugsweise):

"§ 8. Nachweise im Sinne des § 19 Z 2 des Ärztegesetzes 1998 sind die in der Anlage 6 angeführten zahnärztlichen Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise (Artikel 3 der Richtlinie 78/686/EWG).

§ 9. ...

(2) Nachweise im Sinne des § 19 Z 3 des Ärztegesetzes 1998 sind ferner zahnärztliche Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise der übrigen Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, auch wenn sie den in Anlage 6 angeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, sofern ihnen eine Bescheinigung der zuständigen Stelle des betreffenden Staates beigefügt ist, aus der sich ergibt, dass das jeweilige zahnärztliche Diplom, Prüfungszeugnis oder der sonstige zahnärztliche Befähigungsnachweis eine Ausbildung abschließt, die den Bestimmungen des Artikels 2 oder 4 der Richtlinie 78/687/EWG entspricht und von der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die das Diplom, Prüfungszeugnis oder den sonstigen Befähigungsnachweis ausgestellt hat, den für den betreffenden Staat in Anlage 6 angeführten Diplomen, Prüfungszeugnissen oder sonstigen Befähigungsnachweisen gleichgehalten wird (Artikel 7 Abs. 3 der Richtlinie 78/686/EWG).

...

Anlage 6 (Artikel 3 der Richtlinie 78/686/EWG) Deutschland: das von den zuständigen Behörden ausgestellte

Zeugnis über die zahnärztliche Staatsprüfung;

..."

1.3. Die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 78/686/EWG lauten (auszugsweise):

"Artikel 2. Jeder Mitgliedstaat erkennt die in Artikel 3 dieser Richtlinie angeführten Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes, die die anderen Mitgliedstaaten den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten nach

Artikel 1 der Richtlinie 78/687/EWG ausstellen, an und verleiht ihnen in seinem Gebiet die gleiche Wirkung in Bezug auf die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten des Zahnarztes wie den von ihm ausgestellten Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen.

Artikel 3. Als Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise im Sinne von Artikel 2 gelten:

a) in der Bundesrepublik Deutschland: das von den zuständigen Behörden ausgestellte Zeugnis über die zahnärztliche Staatsprüfung;

...

Artikel 7. ...

(3) Jeder Mitgliedstaat erkennt bei Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten als ausreichenden Nachweis deren Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes oder des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie und Mundchirurgie an, auch wenn sie den für diesen Mitgliedstaat in den Artikeln 3 oder 5 aufgeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, sofern ihnen eine von den zuständigen Behörden oder Stellen ausgestellte Bescheinigung beigefügt ist. Mit dieser Bescheinigung wird der Nachweis erbracht, dass diese Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes oder Fachzahnarztes für Kieferorthopädie und Mundchirurgie eine Ausbildung abschließen, die den in den Artikeln 2 oder 4 genannten Bestimmungen der Richtlinie 78/687/EWG entspricht, und dass sie von dem Mitgliedstaat, der sie ausgestellt hat, den Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen gleichgestellt werden, deren Bezeichnungen in den Artikeln 3 oder 5 der vorliegenden Richtlinie aufgeführt sind.

..."

2.1. Eine Eintragung in die Ärzteliste darf gemäß § 27 Abs. 7 ÄrzteG 1998 nur dann stattfinden, wenn der Antragsteller die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse erfüllt. Für Zahnärzte sind die Erfordernisse zur selbstständigen Berufsausübung unbeschadet der §§ 19, 32 bis 34, 36 und 37 in § 18 ÄrzteG 1998 geregelt. § 19 ÄrzteG 1998 sieht Erleichterungen für Staatsangehörige der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vor. Bei den Angehörigen dieses Personenkreises ist es ausreichend, wenn sie die allgemeinen Erfordernisse des § 18 Abs. 2 ÄrzteG 1998 erfüllen und im Besitz eines Diploms, Prüfungszeugnisses oder sonstigen Befähigungsnachweises im Sinne der Richtlinie 78/686/EWG sind, welche in § 19 Z. 2 bis 5 ÄrzteG 1998 genannt werden. Diese Diplome sind von den Mitgliedstaaten ohne Überprüfung der inhaltlichen Gleichwertigkeit des Ausbildungsganges "automatisch" anzuerkennen. Nähere Bestimmungen über die zum Nachweis der fachlichen Qualifikation gemäß § 19 Z. 2 bis 5 ÄrzteG 1998 erforderlichen Diplome, Prüfungszeugnisse, Befähigungsnachweise oder sonstigen Bescheinigungen enthält die vom Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales erlassene EWR-ÄrzteV.

Gemäß § 8 EWR-ÄrzteV sind Nachweise im Sinne des § 19 Z. 2 ÄrzteG 1998 die in der Anlage 6 angeführten zahnärztlichen Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise. In Entsprechung des Art. 3 der Richtlinie 78/686/EWG ist in Anlage 6 der EWR-ÄrzteV als Nachweis im Sinne des § 19 Z. 2 ÄrzteG 1998 für Deutschland das von den zuständigen Behörden ausgestellte "Zeugnis über die zahnärztliche Staatsprüfung" angeführt.

Im Besitz eines solchen Zeugnisses ist der Mitbeteiligte unstrittig nicht, weshalb eine "automatische" Anerkennung seines rumänischen Zahnarztdiploms nach § 19 Z. 2 ÄrzteG 1998 nicht in Frage kommt.

2.2. Im Beschwerdefall geht es entscheidend um die Frage, inwieweit die Anerkennung des rumänischen Zahnarztdiploms durch Deutschland die übrigen Mitgliedstaaten des EWR und somit auch Österreich bindet.

Die belangte Behörde ist der Ansicht, der Mitbeteiligte sei im Besitz eines Diploms im Sinne der Richtlinie 78/686/EWG und stützt ihre Entscheidung auf § 19 Z. 3 ÄrzteG 1998, § 9 EWR-ÄrzteV und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 78/686/EWG.

Dieser Rechtsauffassung ist jedoch nicht zu folgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH bindet die Anerkennung von in Drittstaaten ausgestellten Befähigungsnachweisen durch einen Mitgliedstaat die anderen Mitgliedstaaten auch dann nicht, wenn diese Befähigungsnachweise in einem oder in mehreren Mitgliedstaaten bereits als gleichwertig anerkannt worden sind (vgl. das Urteil des EuGH vom 9. Februar 1994, Rs C-319/92, Salomone Haim, Slg 1994, I-00425, Rz 21). Der EuGH hat dies damit begründet, dass die mit der Richtlinie 78/686/EWG bezweckte gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Zahnarztdiplome auf der Gewähr beruhe, die durch die Anwendung der in der Richtlinie 78/687/EWG vorgeschriebenen Mindestanforderungen an die Ausbildung geboten werde. Im Verhältnis zu Drittstaaten könne jedoch eine solche Koordinierung der Ausbildungsvorschriften nur durch den Abschluss von Abkommen zwischen den betreffenden Staaten bewirkt werden. Deshalb stehe es den Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 78/687/EWG weiterhin frei, den Inhabern von Diplomen, die in einem Drittstaat erworben wurden, die Aufnahme der Tätigkeiten des Zahnarztes in ihrem Gebiet (nur) nach ihren innerstaatlichen Vorschriften zu gestatten. Folglich binde die Anerkennung eines in einem Drittstaat ausgestellten Befähigungsnachweises durch einen Mitgliedstaat nicht die übrigen Mitgliedstaaten. Art. 7 der Richtlinie 78/686/EWG seinerseits betreffe nur die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Diplome und verpflichte die Mitgliedstaaten daher nicht, Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise anzuerkennen, mit denen keine in einem der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft absolvierte Zahnarztausbildung abgeschlossen werde (vgl. das Urteil des EuGH vom 9. Februar 1994, Rs C-154/93, Abdullah Tawil-Albertini, Slg 1994, I-00451, Rz 11-15).

Im Lichte dieser Rechtsprechung des EuGH ist der von der belangten Behörde herangezogene § 9 Abs. 2 EWR-ÄrzteV, der im Wesentlichen dem Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 78/686/EWG (auch in der sprachlichen Gestaltung) entspricht, auszulegen. Gemäß § 9 Abs. 2 EWR-ÄrzteV sind Nachweise gemäß § 19 Z. 3 ÄrzteG 1998 zahnärztliche Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise der übrigen Vertragsparteien des Abkommens über den EWR, auch wenn sie den in Anlage 6 angeführten Bezeichnungen nicht entsprechen, jedoch eine Ausbildung abschließen, die den Bestimmungen der Art. 2 oder 4 der Richtlinie 78/687/EWG entspricht, worüber der betreffende Staat eine Bescheinigung auszustellen hat. Diese Bestimmung bezieht sich, wie sich auch aus dem Wortlaut ergibt, nur auf Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstige Befähigungsnachweise, die von einem der Mitgliedstaaten des EWR ausgestellt wurden. Dabei muss die Ausbildung in einem der Mitgliedstaaten des EWR absolviert worden sein, wie auch unschwer aus dem Titel der EWR-ÄrzteV zu erkennen

ist ("Verordnung ... über die für eine selbstständige Ausübung des

ärztlichen oder zahnärztlichen Berufes durch Staatsangehörige der Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die ihre Ausbildung im Staatsgebiet einer der übrigen Vertragsparteien dieses Abkommens absolviert haben, zum Nachweis der fachlichen Qualifikation erforderlichen Diplome, Prüfungszeugnisse, Befähigungsnachweise oder sonstigen Bescheinigungen"; (Unterstreichung nicht im Original)) Die bloße Anerkennung eines Drittlanddiploms durch einen anderen EWR-Vertragsstaat stellt somit keine Bescheinigung im spezifischen Sinne des § 9 Abs. 2 EWR-ÄrzteV bzw. Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 78/686/EWG dar. Daher ist im Lichte der dargelegten Rechtsprechung des EuGH eine "automatische" Anerkennung eines solchen Drittlanddiploms, wie es der Mitbeteiligte vorgelegt hat, nicht vorgesehen.

Da der Mitbeteiligte seine zahnärztliche Ausbildung unstrittig nicht in einem der EWR-Vertragsstaaten absolviert hat, kann das von ihm vorgelegte rumänische Zahnarztdiplom entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch nicht gemäß § 19 Z. 3 ÄrzteG 1998 "automatisch" anerkannt werden. Weder bei der vom Regierungspräsidium Stuttgart ausgestellten Approbationsurkunde noch bei der Bescheinigung der Zahnärztekammer Nordrhein, mit welcher bestätigt wird, dass diese Approbation mit den in Art. 3 a der Richtlinie 78/686/EWG aufgeführten Diplomen übereinstimme und dass das rumänische Diplom des Mitbeteiligten den formellen Ansprüchen der Richtlinie 78/687/EWG entspreche, handelt es sich um eine "Bescheinigung" im Sinne des § 19 Z. 3 ÄrzteG 1998 bzw. § 9 Abs. 2 EWR-ÄrzteV.

2.3. Nach innerstaatlichem Recht wäre - wegen der Nichtanwendbarkeit des § 19 ÄrzteG 1998 auf den Mitbeteiligten - nunmehr nach § 18 ÄrzteG 1998 zu prüfen, ob der Mitbeteiligte die Erfordernisse zur selbständigen Berufsausübung als Zahnarzt erfüllt. Gemäß § 18 Abs. 3 ÄrzteG 1998 ist besonderes Erfordernis das an einer Universität in der Republik Österreich erworbene Doktorat der Zahnheilkunde oder ein gleichwertiger im Ausland erworbener und in Österreich als Doktorat der Zahnheilkunde nostrifizierter akademischer Grad. Einen derartigen Nachweis hat der Mitbeteiligte unstrittig nicht erbracht. Es kommt daher bei isolierter Betrachtung nach innerstaatlichem Recht eine Eintragung des Mitbeteiligten in die Ärzteliste auch nach § 18 ÄrzteG 1998 nicht in Betracht.

Allerdings hat der EuGH die Auffassung vertreten, dass in Fällen, die nicht von einer Richtlinie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome erfasst sind, weiterhin Art. 43 EG (ex. Art. 52 EGV) zur Anwendung kommt, und zwar selbst dann, wenn eine solche Richtlinie in dem betreffenden beruflichen Bereich erlassen worden ist (vgl. das Urteil des EuGH vom 22. Jänner 2002, Rs C 31/00, Nicolas Dreessen, Slg 2002, Rz 27). In einem derartigen Fall hätten die Behörden eines Mitgliedstaates, die mit einem Antrag eines Gemeinschaftsangehörigen auf Zulassung zu einem Beruf befasst sind, dessen Aufnahme nach nationalem Recht vom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation oder von Zeiten praktischer Erfahrung abhängt, sämtliche Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise sowie die einschlägige Erfahrung des Betroffenen in der Weise zu berücksichtigen, dass sie die durch diese Nachweise und diese Erfahrung belegten Fachkenntnisse mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeiten vergleichen (vgl. das Urteil des EuGH vom 14. September 2000, Rs C-238/98, Hugo Fernando Hocsman, Slg 2000, I-06623, Rz 34-35). In einem Urteil zur Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 39 EG (ex. Art. 48 EGV) hat der EuGH überdies klargestellt, dass dann, wenn die zu vergleichenden Diplome einander nur teilweise entsprechen, die zuständigen nationalen Stellen zu beurteilen hätten, ob die von dem Betroffenen im Rahmen eines Studiengangs oder praktischer Erfahrungen erworbenen Kenntnisse für den Nachweis des Erwerbs der durch das ausländische Diplom nicht bescheinigten Kenntnisse ausreichen (vgl. das Urteil des EuGH vom 8. Juli 1999, Rs C- 234/97, Teresa Fernandez de Bobadilla, Slg 1999, I-04773, Rz 36).

Die im § 18 Abs. 3 ÄrzteG 1998 verlangte Nostrifizierung des im Ausland erworbenen Doktorates der Zahnheilkunde ist für Österreich in den §§ 70 bis 73 des Universitäts-Studiengesetzes (UniStG), BGBl. I Nr. 48/1997 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 167/1999, geregelt. Gemäß § 71 Abs. 1 UniStG hat der Studiendekan unter Berücksichtigung des geltenden Studienplanes zu prüfen, ob das ausländische Studium so aufgebaut war, dass es mit dem inländischen Studium in Bezug auf das Ergebnis der Gesamtausbildung gleichwertig ist. Im Rahmen dieses Verfahrens ist somit nur die Übereinstimmung der Studieninhalte zu prüfen. Eine Berücksichtigung der beruflichen Erfahrung hat nicht stattzufinden. § 18 Abs. 3 ÄrzteG 1998 entspricht daher, insoweit er auf die österreichischen Nostrifizierungsvorschriften verweist, in diesem Punkt nicht den Anforderungen des Art. 43 EG (ex. Art. 52 EGV).

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kommt unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang gegenüber innerstaatlichem Recht zu (vgl. das Urteil des EuGH vom 29. April 1999, Rs C-224/97, Erich Ciola, Slg 1999, I-02517, Rz 26). Da es sich bei Art. 43 EG (ex. Art 52 EGV) um eine unmittelbar anwendbare Vorschrift des primären Gemeinschaftsrechts handelt (vgl. das Urteil des EuGH vom 8. März 2001, verbundene Rs C-397/98, Metallgesellschaft Ltd und andere, und C-410/98, Hoechst AG und Hoechst (UK) Ltd, Slg 2001, I-01727, Rz 41), durfte § 18 Abs. 3 ÄrzteG 1998 nicht angewendet werden. Es war vielmehr gemäß Art. 43 EG (ex. Art. 52 EGV) zu prüfen, ob der Mitbeteiligte die Kenntnisse und Fähigkeiten zur selbständigen Ausübung des Zahnarztberufes nachweisen kann (vgl. in diesem Sinne auch Wallner, Anerkennung von Drittlanddiplomen, RdM 2001, 113 (120 f)).

Die belangte Behörde hätte daher zu prüfen gehabt, inwieweit das rumänische Zahnarztdiplom des Mitbeteiligten einem innerstaatlichen Diplom gleichwertig ist. Sollten sich die zu vergleichenden Diplome nur teilweise entsprechen, so wäre zu beurteilen gewesen, inwieweit die vom Mitbeteiligten im Rahmen seiner beruflichen Erfahrung erworbenen Kenntnisse für den Nachweis der durch das rumänische Diplom nicht bescheinigten Kenntnisse ausreichen.

Da es die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, die nach den bisherigen Ausführungen erforderlichen Feststellungen zu treffen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Ein Aufwandersatz findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt.

Wien, am 22. Oktober 2002

Gerichtsentscheidung

EuGH 61992J0319 Haim / Kassenzahnärtzliche Vereinigung Nordrhein
VORAB
EuGH 61993J0154 Tawil-Albertini VORAB
EuGH 61997J0224 Ciola VORAB
EuGH 61998J0397 Metallgesellschaft VORAB
EuGH 61997J0234 Fernandez de Bobadilla VORAB
EuGH 61998J0238 Hocsman VORAB
EuGH 62000J0031 Dreessen VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000110230.X00

Im RIS seit

20.01.2003

Zuletzt aktualisiert am

16.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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