TE Vwgh Beschluss 2002/10/22 2000/01/0537

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Veröffentlicht am 22.10.2002
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Index

L00606 Volksabstimmung Volksbefragung Volksbegehren Steiermark;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art131 Abs1 Z1;
VolksrechteG Stmk 1986 §155 Abs1;
VolksrechteG Stmk 1986 §156 Abs4;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des V, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer und Dr. Günter Secklehner Rechtsanwalts OEG, Pyhrnstraße 1, 8940 Liezen, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. November 2000, Zl. 7-536-54/00-5, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Durchführung einer Volksbefragung gemäß § 155 Abs. 1 des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Admont), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist ein nach dem Vereinsgesetz 1951 gegründeter Verein.

Am 13. Juni 2000 langte bei der Mitbeteiligten ein Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung einer Volksbefragung zum Thema "Soll ein Nationalpark Gesäuse errichtet werden" ein; der Antrag wies Dipl. Ing. H. sowie Dipl. Ing. R., beide im Gemeindegebiet der Mitbeteiligten wohnhaft, als Zustellbevollmächtigten und als Stellvertreter des Zustellbevollmächtigten aus. Diesem Antrag waren wiederum "Antragslisten" mit dem Begehren auf Durchführung einer Volksbefragung zum eingangs wiedergegebenen Thema und mit Unterschriften - offensichtlich von Gemeindebürgern - angeschlossen.

Mit dem an den Beschwerdeführer gerichteten, an Dipl. Ing. H. zugestellten Bescheid vom 13. Juli 2000 wies der Gemeinderat der Mitbeteiligten (die Erstbehörde) den Antrag gemäß § 158 Abs. 1 des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes zurück, weil dieser nicht den Voraussetzungen des § 155 Abs. 1 leg. cit. entspreche. Begründend führte die Mitbeteiligte zusammengefasst aus, Volksbefragungen dienten der Erforschung des Willens der Gemeindebürger hinsichtlich künftiger, die Gemeinde betreffende politische Entscheidungen und Planungen sowie Fragen der Vollziehung aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Ein Nationalpark könne jedoch nur auf Grund eines Landesgesetzes errichtet werden. Die Errichtung eines Nationalparks Gesäuse falle nicht in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde. Der Antrag entspreche daher nicht den Voraussetzungen nach § 155 Abs. 1 des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in der er vorbrachte, die Erstbehörde interpretiere die Bestimmung des § 155 Abs. 1 leg. cit. offensichtlich dahingehend, dass Volksbefragungen nur für Fragen der Vollziehung aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zulässig seien. Diese Argumentation sei unrichtig und unvollständig, weil § 155 Abs. 1 leg. cit. Volksbefragungen einerseits hinsichtlich künftiger, die Gemeinde betreffende politische Entscheidungen und Planungen und andererseits für Fragen der Vollziehung aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden für zulässig erkläre. Bei der Frage der Errichtung eines Nationalparks handle es sich um eine künftig zu treffende politische Entscheidung bzw. Planung, sodass der Antrag des Beschwerdeführers unter § 155 Abs. 1 leg. cit. zu subsumieren sei. § 16 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes räume der Gemeinde ein Anhörungsrecht vor Erlassung der Verordnung über einen Nationalpark ein. Im Rahmen dieses Anhörungsrechtes könne sich die Gemeinde gegen die Errichtung eines Nationalparks aussprechen. Der vorliegende Antrag wäre daher auch deshalb positiv zu entscheiden gewesen, weil der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde betroffen sei.

Mit dem angefochtenen, gegenüber dem Beschwerdeführer (und der Mitbeteiligten) erlassenen Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung gemäß § 94 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 in Verbindung mit § 155 Abs. 1 des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes keine Folge. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Errichtung eines Nationalparks könne nur auf Grund eines Landesgesetzes erfolgen. Ziehe man nun den Wortlaut des § 155 Abs. 1 des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes heran, werde deutlich, dass die Befragung der Gemeindebürger nur eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde betreffen könne, sowohl hinsichtlich künftiger politischer Entscheidungen (in der Gemeinde) als auch hinsichtlich Fragen der Vollziehung (in der Gemeinde). Es wäre verfassungsrechtlich nicht nachvollziehbar, dass der Landesgesetzgeber mit dem Mittel der Volksbefragung in einer einzelnen Gemeinde die Möglichkeit der Einwirkung auf seine eigene politische Willensbildung oder auf die Amtsführung geschaffen hätte. Hiezu gebe es allenfalls die Instrumente einer Gemeindeinitiative oder einer Volksbefragung im gesamten Bundesland oder in einzelnen Bezirken nach dem Steiermärkischen Volksrechtegesetz. Im Zuge der Vorbereitung eines Gesetzes für einen Nationalpark hätten die Gemeinden ein Anhörungsrecht, wobei in dieser Phase durchaus die Meinung der Gemeindebürger mittels einer Volksbefragung erforscht werden könnte; die entsprechende Stellungnahme wäre sodann an das zuständige Organ des Landes weiterzuleiten.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erweist sich als unzulässig:

Der Beschwerdeführer bringt auf diesbezügliche Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Beschwerdepunktes nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG vor, Zweck des Vereins sei laut seinen Statuten, die Interessen seiner Mitglieder in allen Angelegenheiten, Vorhaben und Projekten und dergleichen, durch die sie unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit dem geplanten Nationalpark berührt würden, wahrzunehmen und wirksam zu vertreten. Der Beschwerdeführer habe somit in seiner Eigenschaft als Vertreter stimmberechtigter Bürger der mitbeteiligten Partei einen Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung gestellt. In diesem seinem Recht sei er verletzt worden.

Das Steiermärkische Volksrechtegesetz, LGBl. (für die Steiermark) Nr. 87/1986, lautet, soweit für den Beschwerdefall von Relevanz:

"§ 1

Volksrechte

Dieses Gesetz regelt die Ausübung folgender im Steiermärkischen Landes-Verfassungsgesetz vorgesehener Rechte der Bürger (Volksrechte).

Volksrechte in Gesetzgebung und Vollziehung des Landes:

...

Volksrechte in der Gemeinde:

...

XI. Volksbefragung (§ 49 Abs. 4 L-VG 1960) §§ 155 bis 176

...

Volksrechte in der Gemeinde

...

§ 155

Volksbefragung

(1) Volksbefragungen dienen der Erforschung des Willens der Gemeindebürger hinsichtlich künftiger, die Gemeinde betreffende politische Entscheidungen und Planungen sowie Fragen der Vollziehung aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

...

§ 156

Antrag von Gemeindebürgern

(1) Der Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung hat den Gegenstand der Volksbefragung zu bezeichnen und eine Begründung zu enthalten.

...

(3) Der Antrag ist an den Gemeinderat zu richten.

(4) Der Antrag auf Durchführung einer Volksbefragung muss von mindestens 10 v.H. oder 10.000 der für die Wahl zum Gemeinderat Stimmberechtigten unterzeichnet sein.

...

(6) Im Antrag sind ein Stimmberechtigter als Zustellbevollmächtigter, der die Unterzeichner des Antrages vertritt, und ein weiterer als sein Stellvertreter namhaft zu machen.

§ 157

Antragslisten

(1) Die Antragsteller haben in die Antragslisten ihre eigenhändige Unterschrift und ihren Vor- und Familiennamen, ihr Geburtsdatum und die Adresse ihres ordentlichen Wohnsitzes in leserlicher Schrift einzutragen.

(2) Jeder Antragsteller darf sich nur einmal in die Antragslisten eintragen. Mehrfacheintragungen gelten als eine Eintragung.

...

§ 158

Entscheidung über den Antrag

(1) Der Gemeinderat hat mit Bescheid innerhalb von vier Wochen zu entscheiden, ob der Antrag den Voraussetzungen der §§ 155 Abs. 1 und 3, 156 und 157 entspricht.

(2) Die Entscheidung des Gemeinderates ist dem Zustellbevollmächtigten nachweislich zuzustellen. Überdies ist die Entscheidung durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde zu verlautbaren.

(3) Einleitungsanträge, denen aus formalen Gründen nicht genügend Unterstützungserklärungen zu Grunde liegen, können durch weitere Unterstützungen ergänzt und vom Zustellbevollmächtigten innerhalb von sechs Wochen nochmals eingebracht werden.

§ 159

Verordnung über die Durchführung der Volksbefragung

...

§ 163

Stimmrecht

(1) Zur Teilnahme an der Volksbefragung ist berechtigt, wer am Stichtag für die Wahl zum Gemeinderat stimmberechtigt ist. ...

...

§ 173

Verlautbarung des Ergebnisses

Der Bürgermeister hat das Ergebnis der Volksbefragung durch

Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde zu verlautbaren sowie

ortsüblich bekannt zu machen.

§ 174

Einspruch

(1) Innerhalb von vier Wochen nach Verlautbarung des Ergebnisses kann wegen Unrichtigkeit in der Ermittlung des Ergebnisses und wegen Rechtswidrigkeit des Verfahrens beim Gemeinderat Einspruch erhoben werden.

(2) Der Einspruch kann

a) von mindestens 20 der zur angefochtenen Volksbefragung Stimmberechtigten,

b) bei einer Volksbefragung auf Antrag von Gemeindebürgern auch vom Zustellbevollmächtigten

erhoben werden.

..."

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann derjenige gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, der durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Beschwerden, denen der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde; dies gilt sogar dann, wenn dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren zu Unrecht Parteistellung zuerkannt worden sein sollte. Die Beschwerde ist nach § 34 Abs. 1 VwGG wegen Mangels der Beschwerdeberechtigung immer dann zurückzuweisen, wenn der Verwaltungsgerichtshof zur Erkenntnis gelangt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid unabhängig von der Frage seiner Gesetzmäßigkeit in einem Recht nicht verletzt sein kann (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 412 f wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mwN).

Gemäß § 156 Abs. 4 des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes sind nur die für die Wahl zum Gemeinderat stimmberechtigten Gemeindebürger antragslegitimiert. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer kein stimmberechtigter Gemeindebürger ist, sodass ihm im vorliegenden Fall kein Antragrecht zukam (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1989, Zl. 88/01/0085, betreffend die Heranziehung einer juristischen Person nach § 156 Abs. 6 leg. cit.).

Mögen auch die Mitbeteiligte und die belangte Behörde den Beschwerdeführer allenfalls zu Unrecht als Antragsteller im Sinn des Steiermärkischen Volksrechtegesetzes behandelt haben, so konnte er durch den angefochtenen Bescheid nicht in einem eigenen Recht auf Durchführung einer Volksbefragung verletzt worden sein, weshalb die vorliegende Beschwerde mangels der Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung durch einen gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 22. Oktober 2002

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000010537.X00

Im RIS seit

18.02.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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