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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1. des HB, und 2. der MB, beide in K, beide vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh und Dr. Hanno Lecher, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 27. Jänner 2000, Zl. VIIa-410.504, betreffend Baubewilligung und Auftrag der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg je zur Hälfte Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gemäß dem erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 12. April 1999 wurde die von den Beschwerdeführern beantragte Erteilung der Baubewilligung für die "Einrichtung" einer Maschinenreparaturwerkstätte in der bestehenden KFZ-Garage sowie für ein Außenlager östlich des Betriebsgebäudes auf dem Grundstück Nr. 1082/5, KG Koblach, versagt (Spruchpunkt I.). Nach Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde den Beschwerdeführern gemäß § 41 Vbg. BauG die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes binnen zwei Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides aufgetragen, indem folgende Maßnahmen getroffen werden:
"a) Über das gesamte Ausmaß der Grundfläche der Garage ist wieder eine Stahlbetondecke in der ursprünglichen Stärke (ca. 15 cm) einzuziehen.
b) Die Dachfenster sind vollständig zu entfernen und sind der Dachstuhl, die Lattung und die Eindeckung - wie vorher - wiederanzubringen.
c) Sämtliche ortsfesten Maschinen und Geräte, die Gegenstand dieses Verfahrens sind (Drehbank, Fräsmaschine, Kreissäge, Schweißgerät, Hydraulikgeräte, Bohrmaschine, Schleifmaschine und Kompressor), sind aus der Garage zu entfernen, sodass wieder ein PKW darin abgestellt werden kann."
Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die beiden genannten Spruchpunkte abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren ergänzt und ein forsttechnisches sowie ein hochbautechnisches Gutachten eingeholt habe. Der forsttechnische Amtssachverständige sei in seinem Gutachten vom 12. Juli 1999 zum Ergebnis gekommen, dass von der Waldparzelle 1098 unter normalen Umständen auf Grund des derzeitigen Alters und des stabilen und gesunden Zustandes der Bäume keine direkte Gefährdung des Betriebsgebäudes zu erwarten sei. Eine große Gefährdung bestehe allerdings bei starken Schnee- oder Windeinwirkungen durch Schneebruch oder Windbruch/-wurf der Bäume. Dadurch könnten die Bäume oder Teile derselben von der Grundparzelle 1098 auf die angrenzende Grundparzelle 1082/5, insbesondere auch auf die geplante Betriebsanlage und die Parkplätze fallen. Solche Stürme bzw. starken Schneefälle (besonders als Nassschnee) eventuell mit entsprechender Windeinwirkung seien in diesem Gebiet durchaus keine Seltenheit, wodurch sich eine sehr große Gefahr für das geplante Betriebsobjekt ergäbe. Mit zunehmendem Alter der Bäume werde die Gefährdung des Betriebsobjektes jedenfalls steigen. Die durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste infolge Schneebruchs oder Windbruches bzw. Wurfes entstehenden Kräfte ließen sich im Voraus nicht berechnen. Es sei jedenfalls nicht auszuschließen, dass solche umstürzende Bäume den Dachstuhl des Betriebsobjektes durchschlügen bzw. stark beschädigten, an Autos große Schäden bis hin zum Totalschaden verursachten und Personen schwer verletzen oder töten könnten. Durch die Entfernung der Betondecke und den Einbau der Dachfenster sei mit großer Wahrscheinlichkeit ein zusätzliches Gefährdungspotenzial geschaffen worden. Die tatsächliche Erhöhung des Gefährdungspotenzials und die Frage, ob die ursprüngliche Betondecke geeignet gewesen sei, einen ausreichenden Schutz gegen herabstürzende Bäume zu bilden, könne vom forsttechnischen Amtssachverständigen nicht mit ausreichender Sachkenntnis beantwortet werden. Dies obliege einem Sachverständigen zur Bautechnik bzw. Statistik.
Der bautechnische Amtssachverständige sei in seinen Stellungnahmen vom 4. August 1999 und vom 11. August 1999 zu folgendem Schluss gekommen: Bezüglich der Gefährdung durch herabfallende Äste könne gesagt werden, dass die eingebauten Dachfenster nur bei Verwendung von entsprechendem Verbund-Sicherheitsglas einen bedingten Schutz gegen herabfallende kleinere Äste, die möglicherweise durch Sturmereignisse auf das Dach geschleudert würden, bieten würden. Größere Äste bzw. umstürzende Bäume könnten keinesfalls aufgenommen werden. Es sei sogar eher damit zu rechnen, dass das gesamte Glasfenster mit zu Boden gerissen würde. Die Entfernung der Betondecke bedeute im Wesentlichen für das gesamte Gebäude eine Destabilisierung im Hinblick auf die Horizontalkräfte, wie sie durch umstürzende Bäume verursacht werden könnten. Durch Herausnahme der Betondecke würde die Scheibenwirkung, die davon ausgehe, Horizontalkräfte aufnehmen zu können, erheblich geschwächt. Darüber hinaus sei die ursprünglich vorhandene Betondecke geeignet gewesen, erhebliche Bruchlasten von umstürzenden Bäumen aufzunehmen. Das Abwenden der Gefahr sei nur mit wirtschaftlich hohem Aufwand möglich. Denkbare Szenarien, wie sie durch umstürzende Bäume verursacht werden könnten, müsste z.B. mit Stahlschutzgerüsten mit Fangnetzen begegnet werden.
Das Ermittlungsverfahren habe zweifelsfrei ergeben, dass das Garagengebäude der Beschwerdeführer bei entsprechenden Witterungsverhältnissen (Stürme, starke Schneefälle) durch umstürzende Bäume oder herabfallende Äste in Folge Schneebruchs oder Windwurfes gefährdet sei bzw. damit auch Menschen gefährdet seien. Fest stehe nach den Ausführungen der Sachverständigen weiters, dass durch die Entfernung der Betondecke und den Einbau der Dachfenster in der bestehenden Garage ein zusätzliches Gefährdungspotenzial im Vergleich zur früheren baulichen Ausführung geschaffen worden sei. Die eingebauten Dachflächenfenster böten nur einen bedingten Schutz gegen herabfallende kleinere Äste, die möglicherweise durch Sturmereignisse auf das Dach geschleudert würden und dies auch nur in dem Falle, dass es sich - wie von den Beschwerdeführern versichert - um Verbundsicherheitsglas handle. Größere Äste bzw. umstürzende Bäume könnten nicht aufgenommen werden. Vielmehr sei damit zu rechnen, dass das gesamte Glasfenster mit zu Boden gerissen werde. Die Entfernung der Betondecke bedeute für das gesamte Gebäude eine Destabilisierung im Hinblick auf die Horizontalkräfte, wie sie durch umstürzende Bäume verursacht werden könnten. Durch Herausnahme der Betondecke würde die Scheibenwirkung, die bezweckt, Horizontalkräfte aufnehmen zu können, erheblich geschwächt. Darüber hinaus sei die ursprünglich vorhandene Betondecke geeignet, erhebliche Bruchlasten von umstürzenden Bäumen aufzunehmen. Eine Abwendung der Gefährdung durch die von Sachverständigen vorgeschlagenen Maßnahmen (diese werden näher angeführt) würde einen unverhältnismäßig hohen wirtschaftlichen Aufwand verursachen, sodass derartige Maßnahmen nicht als Auflagen vorgeschrieben werden könnten.
Zu den Ausführungen der Beschwerdeführer betreffend die Verpflichtung der Baubehörde, der Gemeinde M. als Waldeigentümerin die Entfernung der maßgeblichen Bäume aufzutragen, sei anzumerken, dass Aufgabe der Baubehörde ausschließlich die Vollziehung des Baugesetzes sei. Das Baugesetz enthalte keine Ermächtigung, einem Nachbarn Abwehrmaßnahmen zur Beseitigung oder Verringerung von Gefährdungen, die von seinem Grundstück auf das Grundstück des Bauwerbers ausgingen, aufzutragen. Die Zulässigkeit derartiger Maßnahmen, die mit einem Eingriff in fremdes Eigentum verbunden seien, sei im Zivilrechtsweg zu klären.
Die Behandlung der zunächst dagegen beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 2000, B 635, 636/00-5, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und in der Folge mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 22. September 2000, B 635/00-7 u.a., die Beschwerde zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
In der nach Aufforderung ergänzten Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 31 Abs. 3 Vbg. BauG, LGBl. Nr. 39/1972, ist die Baubewilligung zu erteilen, wenn das Vorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form und Verwendung den Bestimmungen dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen sowie einem Flächenwidmungsplan oder Bebauungsplan nicht widerspricht und andere öffentliche Interessen, insbesondere solche der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, des Fremdenverkehrs, des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes und des Denkmalschutzes, nicht entgegenstehen.
Gemäß § 4 Abs. 1 BauG müssen Baugrundstücke für Gebäude eine solche Lage, Form und Größe haben, dass auf ihnen den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechende Gebäude errichtet werden können. Sie dürfen nicht durch Lawinen, Hochwasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen u.dgl. gefährdet sein. Eine Baubewilligung (§ 31) darf nur erteilt werden, wenn solche Gefahren durch entsprechende Auflagen oder Bedingungen abgewendet werden können.
Die Beschwerdeführer wenden sich nicht dagegen, dass die belangte Behörde angenommen hat, dass das verfahrensgegenständliche Baugrundstück im Sinne des § 4 Abs. 1 zweiter Satz BauG durch eine den dort genannten Gefahren vergleichbare Gefahr (nämlich das bei Stürmen bzw. starken Schneefällen mögliche Umstürzen von Bäumen auf dem unmittelbar benachbarten ansteigenden Waldgrundstück) gefährdet sei. Dieser Ansicht der belangten Behörde kann zumindest unter den gegebenen Umständen aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht entgegengetreten werden. Der Umstand, dass diese Gefahr aus einem Wald droht, der grundsätzlich den Regelungen des ForstG unterliegt, ändert daran nichts. Dem Baurechtsgesetzgeber steht es offen, an eine solche Gefahr bei der Frage der Geeignetheit eines Grundstückes zur Bebauung anzuknüpfen. Auch der Umstand, dass die Geeignetheit des verfahrensgegenständlichen Grundstückes bei der im Jahr 1985 erfolgten Erteilung der Bewilligung des auf dem Grundstück befindlichen Wohnhauses samt der freistehenden Garage offensichtlich anders beurteilt wurde, führt nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, weil einerseits die Geeignetheit eines Baugrundstückes zur Bebauung gemäß § 4 BauG aus Anlass jeder weiteren Baubewilligung neu überprüft werden muss und andererseits nicht ausgeschlossen ist, dass das damals zu beurteilende Projekt den fraglichen Gefahren gegenüber ausreichenden Schutz gewährte. Eine Bindung an die Beurteilung dieser Frage in einem vorangegangenen Baubewilligungsbescheid kann mangels Vorliegens derselben Sache, über die entschieden werden soll, nicht angenommen werden.
Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 24. Oktober 2002
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten Kompetenztatbestände Baupolizei und Raumordnung BauRallg1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000060155.X00Im RIS seit
20.01.2003