TE Vwgh Erkenntnis 2002/10/24 2001/06/0016

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Veröffentlicht am 24.10.2002
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Index

L82000 Bauordnung;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs2;
AVG §8;
BauRallg;
B-VG Art132;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der S in P, vertreten durch Dr. Wolfgang Maria Paumgartner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Gaisbergstraße 46, gegen die Gemeindevertretung der Gemeinde Puch, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 und § 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 73 Abs. 2 AVG wird der Devolutionsantrag vom 18. Jänner 2000 als unzulässig zurückgewiesen.

Die Gemeinde Puch hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von EUR 635,89 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 10. April 1990 wurde den Ehegatten E und HW als Eigentümer der an das Grundstück der Beschwerdeführerin angrenzenden Liegenschaft U-Straße 179 in P die Baubewilligung für diverse Umbaumaßnahmen erteilt. Im Zuge der Bauausführung machte die Beschwerdeführerin die Baubehörde erster Instanz auf nicht konsensgemäß durchgeführte Baumaßnahmen aufmerksam. Mit Eingabe vom 24. Juni 1993 suchten die Ehegatten W (unter Anschluss von Planunterlagen) sodann um Bewilligung der "Unterschreitung des Mindestabstandes der Terrassenplatte (Dachplatte - Garage) mit Terrassengeländer im Bereich der Grundgrenze S I" an, da eine behördliche Überprüfung ergeben habe, dass der Mindestabstand von 4,0 m nicht eingehalten worden sei. Über diese Anträge fand am 29. September 1993 eine mündliche Verhandlung statt. Im Rahmen dieser Verhandlung, deren Gegenstand der Antrag auf Abänderung der Baubewilligung vom 10. April 1990 unter gleichzeitiger Einbeziehung des Antrags auf Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes war, machte die Beschwerdeführerin die Verletzung der Vorschrift des § 25 Abs. 3 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz geltend.

Am 29. November 1994 stellte die Beschwerdeführerin einen mit 25. November 1994 datierten Devolutionsantrag bei der belangten Behörde als sachlich in Betracht kommender Oberbehörde. Darin nahm sie auf die "Bauverhandlung vom 29.9.1993" Bezug und "ersuchte", alle in einer näher genannten Überprüfung "aufgezeichneten Überschreitungen" in das Verfahren miteinzubeziehen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Februar 1998, Zl. 96/06/0016, der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch zugestellt am 13. März 1998, wurde - auf Grund der von der Beschwerdeführerin erhobenen Säumnisbeschwerde - ihr Devolutionsantrag vom 25. November 1994 gemäß § 42 Abs. 4 und § 62 Abs. 2 VwGG i.V.m. § 73 Abs. 2 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

Den Ehegatten W wurde sodann von der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch mit Bescheid vom 9. Juli 1998 über das Ansuchen vom 24. Juni 1993 die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Terrasse nach Maßgabe der eingereichten Planunterlagen sowie eine Ausnahmegenehmigung von den Bestimmungen des § 25 Abs. 3 gemäß § 25 Abs. 8 des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes erteilt.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Vorstellung an die Salzburger Landesregierung.

Auf Grund dieser Vorstellung hob die Salzburger Landesregierung den Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch vom 9. Juli 1998 mit Bescheid vom 5. März 1999 mit der Begründung auf, dass die Gemeindevertretung Puch zur Erteilung der Baubewilligung nicht zuständig gewesen sei. Der Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin sei nicht geeignet gewesen, einen Zuständigkeitsübergang vom Bürgermeister zur Gemeindevertretung zu bewirken, weil der Nachbar im Bauverfahren die Entscheidungspflicht nicht geltend machen könne, wenn über das Bauansuchen noch kein Bescheid ergangen sei. Die Vorstellungsbehörde verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde Puch zurück.

Am 19. Jänner 2000 langte bei der Gemeinde Puch ein an die Gemeindevertretung gerichteter, mit 18. Jänner 2000 datierter Devolutionsantrag der Beschwerdeführerin ein. Darin stellte sie unter Hinweis auf den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 5. März 1999 den Antrag, die Gemeindevertretung "möge als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde in der Sache selbst, insbesondere über alle verfahrensgegenständlichen Anträge, vor allem die Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 29. 09. 1993, umgehend entscheiden".

Am 2. Februar 2001 erhob die Beschwerdeführerin die vorliegende Säumnisbeschwerde und beantragte eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Devolutionsantrag vom 18. Jänner 2000.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Die Säumnisbeschwerde ist zulässig.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war (nachdem die oberste im Verwaltungsverfahren anrufbare Verwaltungsbehörde oder der Unabhängige Verwaltungssenat angerufen wurde; § 27 VwGG). Jede Partei hat Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen ist. Dieser Anspruch ist auch dann gegeben, wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung ihres Antrages oder ihrer Berufung vorliegen. Die vorliegende Säumnisbeschwerde bezieht sich auf die Säumnis der Gemeindevertretung der Gemeinde Puch hinsichtlich des am 19. November 2000 bei der Gemeinde eingelangten Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin vom 18. Jänner 2000. Diesbezüglich bestand die Entscheidungspflicht der belangten Behörde, gleichgültig in welcher Form über den Antrag zu entscheiden war (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluss nämlich ausgesprochen hat, ist gemäß Art. 132 B-VG ein Antragsteller beschwerdeberechtigt, der als Partei im Verwaltungsverfahren berechtigt war, die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend zu machen, auch wenn die Entscheidung nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung bestehen kann.

Der Verwaltungsgerichtshof ist daher - da eine Entscheidung der belangten Behörde über den Devolutionsantrag auch nach Einbringung der Beschwerde nicht ergangen ist - zuständig, in der (Verwaltungs-)Sache über diesen Devolutionsantrag zu entscheiden.

Der Devolutionsantrag ist unzulässig, da der Nachbar - wie die Salzburger Landesregierung richtig erkannte - im Bauverfahren in der Regel nicht die Entscheidungspflicht geltend machen kann, solange über ein Bauansuchen oder im Zusammenhang damit stehende Einwendungen eines Nachbarn kein Bescheid ergangen ist. Vor der Entscheidung der Behörde erster Instanz kann somit nur der Bauwerber die Entscheidungspflicht geltend machen. Ein Eingriff in die Rechtssphäre des Nachbarn ist nämlich im Allgemeinen nur dann gegeben, wenn eine Baubewilligung erteilt wurde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. Mai 1994, Zl. 92/05/0268, und vom 30. Juni 1994, Zl. 93/06/0176). Die belangte Behörde war daher nicht berechtigt, auf Grund des Devolutionsantrages der Beschwerdeführerin in der Verwaltungssache inhaltlich zu entscheiden; sie hätte vielmehr den Devolutionsantrag zurückzuweisen gehabt (vgl. zum Ganzen das bereits angeführte, im Beschwerdefall ergangene hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 96/06/0016, m.w.N.).

Auf Grund der zulässigerweise erhobenen Säumnisbeschwerde ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Devolutionsantrag gemäß § 27 in Verbindung mit § 42 Abs. 4 VwGG auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen. Es war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - die Zurückweisung des Devolutionsantrages vom 18. Jänner 2000 auszusprechen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des Antrags auf § 47 in Verbindung mit § 55 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 24. Oktober 2002

Schlagworte

Baurecht Nachbar Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1 Besondere Rechtsgebiete Baurecht Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001060016.X00

Im RIS seit

20.01.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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