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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des R, geboren 1982, vertreten durch Dr. Martin Schatz, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 4/I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 22. Jänner 2002, Zl. III 4033-5/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 22. Jänner 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37, 38 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer halte sich seit 1991 erlaubt im Bundesgebiet auf. Mit Urteil vom 8. Februar 2001 sei er wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 2, 129 Z. 1 und 2, 130 zweiter Satz 1. und 2. Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, davon zehn Monate unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt werden. Die diesem Urteil zu Grunde liegenden Straftaten könnten dem der Bescheidausfertigung in Ablichtung beiliegenden Spruch des Strafurteils entnommen werden. Das Fehlverhalten des Beschwerdeführers zeige deutlich seine negative Einstellung zur Rechtsordnung. Es entstehe der Eindruck, dass er nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und sein Verhalten den Gesetzen anzupassen, woraus sich die Folgerung ergebe, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Verurteilung des Beschwerdeführers vom 8. Februar 2001 erfülle den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG.
Ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers liege vor. Das Aufenthaltsverbot sei jedoch auf Grund der sich im gesamten Fehlverhalten manifestierenden Neigung des Beschwerdeführers, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer. Er befinde sich seit 1991 erlaubt im Bundesgebiet und habe hier drei Klassen Volksschule und vier Klassen Hauptschule in Fulpmes sowie den polytechnischen Lehrgang in Neustift besucht. Anschließend sei er von August 1998 bis November 2000 in einem Lehrverhältnis als Chemielaborant gestanden. Diese Lehre habe er jedoch nicht abgeschlossen. Derzeit arbeite er als Tankwart. Entsprechend dieser Umstände sei der Beschwerdeführer integriert. Die Eltern des Beschwerdeführers seien im Bundesgebiet gut integriert. Der Beschwerdeführer lebe in aufrechter Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin. Das Gewicht der Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen Eltern werde durch seine Volljährigkeit relativiert. Die soziale Komponente seiner Integration werde durch die schweren Straftaten beeinträchtigt.
Diese persönlichen Interessen des Beschwerdeführers wögen im Hinblick auf dessen Neigung zu schweren Straftaten höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots, weshalb die Erlassung dieser Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Der Schutz der Vermögensrechte anderer habe großes öffentliches Gewicht.
Das Gericht habe folgende Strafzumessungsgründe herangezogen:
Erschwerend: professionelles Vorgehen durch längere Planung und arbeitsteiliges Vorgehen; Begehung der Tat großteils in Gesellschaft von Mittätern; Sachschäden bei Einbruchsdiebstählen; mehrfache Qualifikation des schweren gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls; Fortsetzung trotz Belehrung nach § 6 Jugendgerichtsgesetz und Einstellung nach § 4 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. Mildernd: umfassendes und reumütiges Geständnis;
Unbescholtenheit; Taten teilweise beim Versuch geblieben;
teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung; Arbeitsstelle auf Grund des Bekanntwerdens der Straftaten verloren;
Schadenersatzzahlung.
Daraus, dass das Gericht eine zum Teil bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe verhängt habe, könne der Beschwerdeführer im Aufenthaltsverbotsverfahren nichts gewinnen, weil die Fremdenpolizeibehörde den Sachverhalt nach fremdenrechtlichen Gesichtspunkten eigenständig zu beurteilen habe.
Dass der Beschwerdeführer (gemeinsam mit seinen Eltern) um eine finanzielle Schadensgutmachung bemüht sei, sei ein Schritt in die richtige Richtung, der jedoch nicht geeignet sei, das in der Vergangenheit gezeigte schwere strafbare Verhalten völlig zu kompensieren. Die Schadenersatzzahlungen des Beschwerdeführers könnten daher nicht zu einer positiven Verhaltensprognose führen.
Die Zeit des Wohlverhaltens sei zu kurz, sein weiterer Verbleib im Bundesgebiet stelle nach wie vor ein Risiko für die Vermögensrechte anderer dar. In eine "negative Gruppendynamik" könne der Beschwerdeführer jederzeit wieder geraten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. Dem Gerichtsurteil liegen nach dessen im angefochtenen Bescheid verwiesenen Spruch, von dem eine Ablichtung unstrittig der zugestellten Bescheidausfertigung angeschlossen war, folgende Straftaten zu Grunde:
Der Beschwerdeführer hat im Zusammenwirken mit verschiedenen Mittätern in der Zeit von 31. März 2000 bis 17. Oktober 2000 insgesamt 32 Diebstähle, zum weitaus größten Teil durch Einbruch, begangen, wobei Bargeld und verschiedene Gegenstände wie z.B. Handys, Computer und Zubehör, Schmuck, Uhren, Kameras, Autoradios und andere Elektrogeräte, Sonnenbrillen, Zigaretten und Bekleidungsgegenstände in einem erhobenen Wert von etwa S 1,297.000,-- (EUR 94.256,67) und zusätzlich in sechs Fällen Gegenstände unerhobenen Werts erbeutet wurden. Dazu kommt der - vom Gericht bei der Strafbemessung als erschwerend gewertete - bei den Einbruchsdiebstählen entstandene Sachschaden. Bei diesen - professionell durchgeführten - Straftaten ging der Beschwerdeführer gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), vor. Unstrittig wurde der Beschwerdeführer bereits vor diesen Straftaten - im Zusammenhang mit der Zurücklegung einer Strafanzeige wegen Diebstahls und Urkundenunterdrückung - gemäß § 6 Jugendgerichtsgesetz über das Unrecht und die möglichen Folgen einer solchen Straftat belehrt.
Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität kann die Ansicht der belangten Behörde, dass auf Grund dieses Fehlverhaltens die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3.1. Der Beschwerdeführer bringt mit Blickrichtung auf die Interessenabwägung gemäß § 37 FrG vor, dass er im Zeitpunkt der Begehung der Straftaten noch minderjährig gewesen sei. Ab dem Zeitpunkt der Einleitung dieses Strafverfahrens habe er kein weiteres strafbares Verhalten mehr gesetzt, was den Schluss zulasse, dass das Ergebnis des Strafverfahrens mit all seinen Auswirkungen Gewähr für zukünftiges Wohlverhalten biete. Die Straftaten sollten zwar nicht bagatellisiert werden, doch ergebe sich aus dem Urteil, dass eine günstige "Zukunftsprognose" vorliege, ansonsten es zu keinem bedingten Ausspruch der Freiheitsstrafe gekommen wäre. Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass die Taten jeweils in Gesellschaft von Mittätern begangen worden seien. In solchen Fällen entstehe bei Jugendlichen eine Gruppendynamik, die das Unrechtsbewusstsein jedes einzelnen herabsetzen könne. Da die Straftaten nun schon fast eineinhalb Jahre zurücklägen, der Beschwerdeführer inzwischen nicht negativ aufgefallen sei und bei einem neuerlichen Fehlverhalten der Widerruf der bedingten Freiheitsstrafe drohe, hätte im Rahmen der Abwägung von der Erlassung des Aufenthaltsverbots abgesehen werden müssen.
Als Verfahrensmangel werde gerügt, dass das Verhalten des Beschwerdeführers seit der letzten Straftat nicht ausreichend erhoben worden sei. Entsprechende Erhebungen hätten insbesondere ergeben, dass der Beschwerdeführer sowohl an seinem Wohnort als auch an seinem Arbeitsplatz gut beleumdet sei.
3.2. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde die Dauer des erlaubten Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit 1991, seinen inländischen Schulbesuch und die anschließende - nicht abgeschlossene - Lehre als Chemielaborant und seine derzeitige Berufstätigkeit als Tankwart sowie eine dementsprechende Integration berücksichtigt. Auch die Bindungen zu den in Österreich gut integrierten Eltern und zur österreichischen Lebensgefährtin hat sie dem Beschwerdeführer zugute gehalten. Zu Recht hat sie die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers auf Grund dieser Umstände als schwerwiegend beurteilt.
Diesen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet steht die vom weiteren inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers auf Grund seines Fehlverhaltens ausgehende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Der Beschwerdeführer hat über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten 32 Einbruchsdiebstähle bzw. Diebstähle begangen und dabei einen sehr hohen Schaden verursacht. Auch wenn man die im Zeitpunkt der Tatbegehung (gerade noch) gegebene Minderjährigkeit des Beschwerdeführers, die bei derartigen Straftaten entstehende "Gruppendynamik" sowie das von der belangten Behörde festgestellte Bemühen des Beschwerdeführers um Schadensgutmachung berücksichtigt, geht von diesen Straftaten eine sehr große Gefährdung öffentlicher Interessen aus, wurden sie doch professionell durchgeführt und in der Absicht begangen, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Der Zeitraum von etwa 15 Monaten seit der letzten Straftat, in dem sich der Beschwerdeführer wohl verhalten hat, ist - auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten guten Beleumdung am Wohnort und am Arbeitsplatz - angesichts der zahlreichen Straftaten, die der Beschwerdeführer trotz vorangegangener Belehrung über Unrecht und mögliche Folgen von Vermögensdelikten begangen hat, viel zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr schließen zu können.
Der Beschwerdeführer macht daher mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde habe sein Verhalten seit der letzten Straftaten nicht ausreichend erhoben, keinen relevanten Verfahrensmangel geltend.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang die bedingte Nachsicht eines Teils der über ihn verhängten Freiheitsstrafe ins Treffen führt, ist ihm mit der belangten Behörde zu entgegnen, dass die Fremdenpolizeibehörde die Frage der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbots unabhängig von den die bedingte Nachsicht eines Teiles der Strafe begründenden Erwägungen des Gerichts ausschließlich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts zu beurteilen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2001, Zl. 2000/18/0242).
Von daher ist die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte anderer) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), unbedenklich.
4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG, iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 31. Oktober 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002180065.X00Im RIS seit
30.01.2003